TE Lvwg Erkenntnis 2020/5/28 LVwG-AV-947/001-2019

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Veröffentlicht am 28.05.2020
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Entscheidungsdatum

28.05.2020

Norm

GewO 1994 §74 Abs2
GewO 1994 §77 Abs1

Text

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Landesverwaltungsgericht Niederösterreich erkennt durch seinen Richter

Hofrat Dr. Kindermann-Zeilinger über die Beschwerde der A GmbH, ***, ***, vertreten durch B, Rechtsanwalt in ***, ***, gegen den Bescheid des Magistrates der Stadt Krems an der Donau bzw. des Bürgermeisters der Stadt Krems an der Donau vom 10. Juli 2019, GZ.: ***, mit welchem die baubehördliche Bewilligung (Spruchteil I.) und die gewerbebehördliche Genehmigung (Spruchteil II.) für den Neubau eines holzverarbeitenden Betriebes in ***, ***, auf dem Grundstück Nr. ***, KG ***, erteilt worden sind, soweit es die Anfechtung der mit diesem Bescheid erfolgten Vorschreibung der Auflage 91 im Zusammenhang mit der Erteilung der gewerbebehördlichen Betriebsanlagengenehmigung gemäß den §§ 333, 359 und 77 Abs. 1 Gewerbe-ordnung 1994 (GewO) betrifft,

zu Recht:

I.

Der Beschwerde wird gemäß § 28 Abs. 1 und 2 Verwaltungsgerichtsverfahrens-

gesetz (VwGVG) insoweit stattgegeben, als die Auflage 91 im angefochtenen Bescheid (Spruchteil II. – Erteilung der gewerbebehördlichen Genehmigung unter Auflagen) dahingehend abgeändert wird, dass sie nunmehr wie folgt lautet:

Für den Rasen- und Bodenfilter kann der am Standort vorliegende Oberboden

herangezogen werden, aber auch ein anderer geeigneter Oberboden, der

erforderlichenfalls mit karbonatischem Feinsand 1/4 zu vermischen ist.

II.

Gegen dieses Erkenntnis ist gemäß § 25a Verwaltungsgerichtshofgesetz 1985

(VwGG) eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach

Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

 

Entscheidungsgründe:

Mit Bescheid des Bürgermeisters der Stadt Krems an der Donau vom 10. Juli 2019, GZ.: ***, wurde auf Antrag der A GmbH vom 02.05.2016 unter Spruchteil II. die gewerberechtliche Betriebsanlagengenehmigung für den Neubau eines holzverarbeitenden Betriebes in ***, ***, auf dem Grundstück Nr. ***, KG ***, unter Vorschreibung von Auflagen erteilt.

Hinsichtlich der wasserbautechnischen Belange enthält der Bescheid in den Auflagepunkten 87 bis 99 entsprechende Vorschreibungen; zum Thema Regenwässer und Versickerung stützt sich die Entscheidung auf Auswechslungsunterlagen des C vom Mai 2017 (Technischer Bericht und Regelquerschnitt) sowie auf das diese Unterlagen berücksichtigende ergänzende Gutachten des beigezogen gewesenen wasserbautechnischen Amtssachverständigen D vom 23.05.2017.

In dem dagegen erhobenen Rechtsmittel vom 23.07.2019, welches als ‚Berufung‘ bezeichnet ist und sich auch gegen die Kostenvorschreibung und die Vorschreibung bestimmter Auflagen im Bauverfahren (Spruchteil I.) richtet, wird hinsichtlich des hier zu behandelnden Spruchteiles II. (Erteilung der gewerbebehördlichen Betriebsanlagengenehmigung) ausschließlich die Vorschreibung der Auflage 91 angefochten und begründend dazu ausgeführt, dass mit diesem Auflagepunkt der Einschreiterin vorgeschrieben werde, für den Rasen- und Bodenfilter den „bisher landwirtschaftlich genutzten“ Oberboden heranziehen zu müssen. Damit werde der Einschreiterin für alle Zeit aber die Möglichkeit genommen, künftig gleichwertigen Oberboden anderweitig herbeizuschaffen und zu verwenden.

Dies widerspreche dem Grundsatz, dass Auflagen nicht nur bestimmt und geeignet,

sondern auch erforderlich sein müssen. Ausgehend von dem in § 77 Abs. 1 GewO

gebrauchten Wort „erforderlichenfalls“ habe der VwGH in ständiger Rechtsprechung

dargelegt, dass einem Betriebsinhaber nicht strengere (ihn stärker belastende)

Maßnahmen vorgeschrieben werden dürfen, als es zur Wahrung der in § 77 Abs. 1 und 2 angeführten Schutzzwecke notwendig ist (VwGH 21.12.2004, 2002/04/0169;

15.09.2006, 2006/04/0026).

Mit dem genannten Auflagepunkt Nr. 91 werde die Einschreiterin aber gezwungen,

jedenfalls den vorliegenden Oberboden wiederverwenden zu müssen, ohne ihr eine

gleichderartige Alternativmöglichkeit einzuräumen.

Auf Grund dieses Beschwerdevorbringens hat über Ersuchen des Landesverwaltungsgerichtes Niederösterreich der wasserbautechnische Amtssachverständige E der Abteilung WA2 beim Amt der NÖ Landesregierung in Ergänzung der Beweisaufnahme der belangten Behörde zur Frage, ob entsprechend dem Beschwerdevorbringen zur Auflage 91 eine gleichwertige Alternativmöglichkeit eingeräumt werden kann, mit Schreiben vom 05.04.2020 Befund und Gutachten erstattet.

Aufgrund dieser ergänzenden Beweisaufnahme ist im verfahrensrelevanten Zusammenhang von folgendem Sachverhalt auszugehen:

Um bei der Realisierung des gegenständlich zu beurteilenden Neubaus eines holzverarbeitenden Betriebes in ***, ***, auf dem Grundstück Nr. ***, KG ***, eine Sicherstellung der technisch erforderlichen Bodenfilterschichten, und zwar zum Rückhalt grundwasserschädlicher Stoffe und zur Abfuhr von Oberflächenwässer in den Untergrund, gewährleisten zu können, ist unter anderem im angefochtenen Bescheid die Auflage 91 mit folgendem Wortlaut zur Vorschreibung gelangt:

„Für den Rasen- und Bodenfilter ist der am Standort vorliegende, bisher landwirtschaftlich genutzte Oberboden heranzuziehen, der erforderlichenfalls mit klar bonatischem Feinsand ¼ zu vermischen ist. Es handelt sich laut dem ebod um einen mittelhumosen, kalkhaltigen, schluffigen grauen Auboden mit mäßiger bis hoher Durchlässigkeit, dessen Lehmanteil ca. 20 % und dessen Schluffanteil ca. 70 % beträgt. Durch eine allenfalls erforderliche Zumischung von ca. 20 % Feinsand wird eine hohe Durchlässigkeit bei gleichzeitig hohem Adsorptionspotential erreicht.“

Das mit dieser Vorschreibung angestrebte Ziel kann auch bei Verwendung eines anderen, geeigneten Oberbodens erreicht werden, was durch folgende Neuformulierung der Auflage 91 sichergestellt werden kann:

„Für den Rasen- und Bodenfilter kann der am Standort vorliegende Oberboden

herangezogen werden, aber auch ein anderer geeigneter Oberboden, der

erforderlichenfalls mit karbonatischem Feinsand 1/4 zu vermischen ist.“

Zu diesen Feststellungen gelangt das erkennende Gericht auf Grund des in Ergänzung des Beweisverfahrens der belangten Behörde eingeholten Gutachtens des wasserbautechnischen Amtssachverständigen E vom 05.04.2020, in welchem aufbauend auf den Beweisergebnissen im durchgeführten Verfahren vor der belangten Behörde in wasserbautechnischer Hinsicht fachlich klar und nachvollziehbar dargelegt ist, dass die von der Behörde angestrebten Zielsetzungen, nämlich bei Umsetzung des Projektes Bodenfilterschichten einerseits zum Rückhalt grundwasserschädlicher Stoffe (i.w. Adsorption) und andererseits

zur Abfuhr von Oberflächenwässer in den Untergrund (ausreichende

Durchlässigkeit) gewährleisten zu können, auch bei Verwendung eines anderen geeigneten Oberbodens, und somit nicht ausschließlich nur bei Verwendung des am Standort vorliegenden, bisher landwirtschaftlich genutzten Oberbodens, erreicht

werden können.

Der dementsprechende Formulierungsvorschlag des wasserbautechnischen Amtssachverständigen wurde im Rahmen des Parteiengehörs den Parteien des Verfahrens unter Einräumung der Möglichkeit zur Abgabe einer Stellungnahme binnen zwei Wochen ab Zustellung nachweislich am 16.04.2020 (Magistrat der Stadt Krems an der Donau) bzw. am 24.04.2020 (Beschwerdeführervertreter) zur Kenntnis gebracht. Innerhalb der eingeräumten Frist bzw. bis dato haben sich die Parteien nicht geäußert.

In rechtlicher Hinsicht war aufgrund der getroffenen Feststellungen zur eingebrachten Beschwerde Folgendes zu erwägen:

 

Gemäß § 74 Abs. 2 GewO dürfen gewerbliche Betriebsanlagen nur mit

Genehmigung der Behörde errichtet oder betrieben werden, wenn sie wegen der

Verwendung von Maschinen und Geräten, wegen ihrer Betriebsweise, wegen ihrer

Ausstattung oder sonst geeignet sind,

1.

das Leben oder die Gesundheit des Gewerbetreibenden, der nicht den

Bestimmungen des ArbeitnehmerInnenschutzgesetzes, BGBl. Nr. 450/1994, in der

jeweils geltenden Fassung, unterliegenden mittätigen Familienangehörigen oder des

nicht den Bestimmungen des ArbeitnehmerInnenschutzgesetzes, BGBl. Nr.

450/1994, in der jeweils geltenden Fassung, unterliegenden mittätigen eingetragenen

Partners, der Nachbarn oder der Kunden, die die Betriebsanlage der Art des

Betriebes gemäß aufsuchen, oder das Eigentum oder sonstige dingliche Rechte der

Nachbarn zu gefährden; als dingliche Rechte im Sinne dieses Bundesgesetzes

gelten auch die im § 2 Abs. 1 Z 4 lit. g angeführten Nutzungsrechte,

2.

die Nachbarn durch Geruch, Lärm, Rauch, Staub, Erschütterung oder in anderer

Weise zu belästigen,

3.

die Religionsausübung in Kirchen, den Unterricht in Schulen, den Betrieb von

Kranken- und Kuranstalten oder die Verwendung oder den Betrieb anderer

öffentlichen Interessen dienender benachbarter Anlagen oder Einrichtungen zu

beeinträchtigen,

4.

die Sicherheit, Leichtigkeit und Flüssigkeit des Verkehrs an oder auf Straßen mit

öffentlichem Verkehr wesentlich zu beeinträchtigen oder

5.

eine nachteilige Einwirkung auf die Beschaffenheit der Gewässer herbeizuführen,

sofern nicht ohnedies eine Bewilligung auf Grund wasserrechtlicher Vorschriften

vorgeschrieben ist.

Gemäß § 77 Abs. 1 GewO ist die Betriebsanlage zu genehmigen, wenn nach dem

Stand der Technik (§ 71a) und dem Stand der medizinischen und der sonst in

Betracht kommenden Wissenschaften zu erwarten ist, dass überhaupt oder bei

Einhaltung der erforderlichenfalls vorzuschreibenden bestimmten geeigneten

Auflagen die nach den Umständen des Einzelfalles voraussehbaren Gefährdungen

im Sinne des § 74 Abs. 2 Z 1 vermieden und Belästigungen, Beeinträchtigungen

oder nachteilige Einwirkungen im Sinne des § 74 Abs. 2 Z 2 bis 5 auf ein zumutbares

Maß beschränkt werden. Die nach dem ersten Satz vorzuschreibenden Auflagen

haben erforderlichenfalls auch Maßnahmen für den Fall der Unterbrechung des

Betriebes und der Auflassung der Anlage zu umfassen; die Behörde kann weiters

zulassen, dass bestimmte Auflagen erst ab einem dem Zeitaufwand der hiefür

erforderlichen Maßnahmen entsprechend festzulegenden Zeitpunkt nach

Inbetriebnahme der Anlage oder von Teilen der Anlage eingehalten werden müssen,

wenn dagegen keine Bedenken vom Standpunkt des Schutzes der im § 74 Abs. 2

umschriebenen Interessen bestehen.

Bei der Erteilung der gewerbebehördlichen Genehmigung unter Vorschreibung von Auflagen ist eine Prüfung dahingehend erforderlich, ob eine Auflage in Ansehung des genehmigten Projektes verhältnismäßig ist. Dies erfordert eine – sachverständige - Beurteilung der Auflage, ob diese über das zur Erreichung des Ziels erforderliche Maß hinausgeht bzw. zur Gefahrenabwehr geeignet ist.

Zu Recht wurde demnach in der Beschwerde moniert, dass mit der Auflage 91 im angefochtenen Bescheid dem Betreiber der Betriebsanlage „für alle Zeit“ die Möglichkeit genommen würde, künftig gleichwertigen Oberboden anderweitig herbeizuschaffen und zu verwenden, wenn für den Rasen- und Bodenfilter nur der „bisher landwirtschaftlich genutzte“ Oberboden herangezogen werden dürfte.

Tatsächlich hat nämlich das im Gegenstande durchgeführte ergänzte Beweisverfahren mit dem eingeholten wasserbautechnischen Gutachten vom 05.04.2020 erbracht, dass zur Erreichung des angestrebten Zieles auch ein anderer geeigneter Oberboden, der erforderlichenfalls mit karbonatischem Feinsand 1/4 zu vermischen ist, herangezogen werden kann und insofern die dem Beschwerdeführer in diesem Zusammenhang auferlegte Einschränkung auf die Verwendung des bisher landwirtschaftlich genutzten Oberbodens entfallen kann.

Es war daher in Stattgebung der Beschwerde die angefochtene Auflage spruchgemäß abzuändern.

Da die Voraussetzungen nach § 24 Abs. 4 VwGVG gegeben sind, wonach von der

Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung abgesehen werden kann,

wenn die Akten erkennen lassen, dass die mündliche Erörterung eine weitere

Klärung der Rechtssache nicht erwarten lässt und einem Entfall der Verhandlung

weder Art. 6 Abs. 1 der Konvention zum Schutz der Menschenrechte und

Grundfreiheiten noch Art. 47 der Charta der Grundrechte der europäischen Union

entgegenstehen, war im Gegenstande eine öffentliche mündliche Verhandlung vom

erkennenden Gericht nicht durchzuführen.

Zudem wurde die Durchführung einer Verhandlung von den Verfahrensparteien auch

nicht beantragt.

Die ordentliche Revision war im gegenständlichen Fall nicht zuzulassen, da im

Verfahren keine Rechtsfragen von grundsätzlicher Bedeutung zu lösen gewesen sind

und die Entscheidung auch nicht von der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes

abweicht.

Schlagworte

Gewerberecht; Betriebsanlage; Auflage; Verhältnismäßigkeit;

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:LVWGNI:2020:LVwG.AV.947.001.2019

Zuletzt aktualisiert am

09.07.2020
Quelle: Landesverwaltungsgericht Niederösterreich LVwg Niederösterreic, http://www.lvwg.noe.gv.at
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