TE Vwgh Erkenntnis 1998/2/27 97/19/0601

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Veröffentlicht am 27.02.1998
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Index

40/01 Verwaltungsverfahren;

Norm

AVG §13;
AVG §37;

Beachte

Miterledigung (miterledigt bzw zur gemeinsamen Entscheidung verbunden): 97/19/0602 97/19/0603

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Stoll und die Hofräte Dr. Zens und Dr. Bayjones als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Brandtner, über die Beschwerden 1.) der 1959 geborenen ZK,

2.) des 1982 geborenen OK und 3.) des 1980 geborenen SK, sämtliche in Wien, sämtliche vertreten durch Mag. Edgar Zrzavy, Rechtsanwalt in 1030 Wien, Weyrgasse 8, gegen die Bescheide des Bundesministers für Inneres je vom 22. August 1996, Zlen. 1.) 115.434/2-III/11/96, 2.) 115.434/3-III/11/96, und

3.) 115.434/4-III/11/96, sämtliche betreffend Zurückweisung einer Berufung i.A. Aufenthaltsbewilligung, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerden werden als unbegründet abgewiesen.

Die Beschwerdeführer haben dem Bund Aufwendungen in der Höhe von jeweils S 565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Die Erstbeschwerdeführerin ist die Mutter der übrigen Beschwerdeführer. Die Beschwerdeführer verfügten zuletzt über einen am 23. Juni 1993 ausgestellten gewöhnlichen Sichtvermerk mit Geltungsdauer bis 26. Oktober 1994. Mit ihren am 7. Oktober 1994 beim Landeshauptmann von Wien eingelangten Eingaben beantragten die Beschwerdeführer jeweils die Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung unter sinngemäßer Anwendung der für die Verlängerung von Bewilligungen geltenden Vorschriften. Als in Österreich verfügbare Unterhaltsmittel beriefen sie sich auf das Einkommen der Erstbeschwerdeführerin. Mit Bescheiden des Landeshauptmannes von Wien je vom 1. März 1995 wurden diese Anträge mangels eines gesicherten Lebensunterhaltes für die Geltungsdauer der Bewilligung gemäß § 5 Abs. 1 des Aufenthaltsgesetzes (AufG) abgewiesen. Nach dem Inhalt des in den Verwaltungsakten erliegenden Rückscheines erfolgte die Zustellung dieser Bescheide jeweils durch Hinterlegung beim Postamt 1112 Wien. Beginn der Abholfrist war der 13. März 1995.

Gegen diese Bescheide richteten sich die am 7. April 1995 beim Landeshauptmann von Wien überreichten, jeweils ausdrücklich als "Berufung" bezeichneten Eingaben der Beschwerdeführer. Sie erklärten ausdrücklich, "fristgerecht" gegen die in Rede stehenden Bescheide des Landeshauptmannes von Wien vom 1. März 1995 zu berufen. In der Berufungsbegründung verwiesen die Beschwerdeführer neuerlich auf den Monatslohn der Erstbeschwerdeführerin. Sie führen darüber hinaus aus, es "bürge" für sie auch die Nichte der Erstbeschwerdeführerin, SS, welche über einen Monatslohn von netto S 13.500,-- verfüge, und ihr Mann HS, welcher netto S 11.000,-- ins Verdienen bringe. Im Zuge des Berufungsverfahrens wurden Verpflichtungserklärungen des HS vom 5. April 1995 und der SS vom 26. April 1995 vorgelegt.

Mit den angefochtenen Bescheiden vom 22. August 1996 wies die belangte Behörde die in Rede stehenden Berufungen gemäß § 66 Abs. 4 AVG zurück. Begründend führte sie in diesen Bescheiden im wesentlichen gleichlautend aus, die Bescheide des Landeshauptmannes von Wien vom 1. März 1995 seien am 13. März 1995 zugestellt worden. Die Berufungsfrist des § 63 Abs. 5 AVG habe daher am 27. März 1995 geendet. Die erst am 7. April 1995 persönlich überreichten Eingaben seien verspätet.

Der Verwaltungsgerichtshof hat über die wegen ihres persönlichen, sachlichen und rechtlichen Zusammenhanges zur gemeinsamen Beratung und Entscheidung verbundenen Beschwerden in dem gemäß § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:

§ 63 Abs. 5 und § 69 AVG lauten (auszugsweise):

"§ 63. ...

...

(5) Die Berufung ist von der Partei binnen zwei Wochen bei der Behörde einzubringen, die den Bescheid in erster Instanz erlassen hat. Die Frist beginnt für jede Partei mit der an sie erfolgten Zustellung der schriftlichen Ausfertigung des Bescheides, im Fall bloß mündlicher Verkündung mit dieser. Wird eine Berufung innerhalb dieser Frist bei der Berufungsbehörde eingebracht, so gilt dies als rechtzeitige Einbringung; die Berufungsbehörde hat die bei ihr eingebrachte Berufung unverzüglich an die Behörde erster Instanz weiterzuleiten.

§ 69. (1) Dem Antrag einer Partei auf Wiederaufnahme eines durch Bescheid abgeschlossenen Verfahrens ist stattzugeben, wenn ein Rechtsmittel gegen den Bescheid nicht oder nicht mehr zulässig ist und:

...

2. neue Tatsachen oder Beweismittel hervorkommen, die im Verfahren ohne Verschulden der Partei nicht geltend gemacht werden konnten und allein oder in Verbindung mit dem sonstigen Ergebnis des Verfahrens voraussichtlich einen im Hauptinhalt des Spruches anders lautenden Bescheid herbeigeführt hätten, oder ...

(2) Der Antrag auf Wiederaufnahme ist binnen zwei Wochen vom Zeitpunkt an, in dem der Antragsteller nachweislich vom Wiederaufnahmsgrund Kenntnis erlangt hat, jedoch spätestens binnen drei Jahren nach der Zustellung oder mündlichen Verkündung des Bescheides bei der Behörde einzubringen, die den Bescheid in erster Instanz erlassen hat.

...

(4) Die Entscheidung über die Wiederaufnahme steht der Behörde zu, die den Bescheid in letzter Instanz erlassen hat, wenn jedoch in der betreffenden Sache ein unabhängiger Verwaltungssenat entschieden hat, diesem."

Die Beschwerdeführer treten der Annahme der belangten Behörde, die Zustellung der angefochtenen Bescheide sei am 13. März 1995 erfolgt, während die als Berufung bezeichneten Eingaben am 7. April 1995 überreicht worden seien, nicht entgegen. Die Beurteilung der belangten Behörde, die Berufungsfrist des § 63 Abs. 5 AVG sei nicht gewahrt, kann daher nicht als rechtswidrig erkannt werden.

Die Beschwerdeführer vertreten jedoch die Auffassung, ihre am 7. April 1995 überreichten Eingaben seien nicht bloß als Berufungen, sondern ihrem Inhalte nach auch als Anträge auf Wiederaufnahme der mit Bescheiden vom 1. März 1995 rechtskräftig abgeschlossenen Verfahren aufzufassen.

Mit dieser Argumentation vermögen die Beschwerdeführer schon deshalb keine Rechtswidrigkeit der angefochtenen Bescheide aufzuzeigen, weil auch dann, wenn die am 7. April 1995 überreichten Eingaben nicht nur als Berufungen, sondern auch als Anträge auf Wiederaufnahme des Verfahrens anzusehen gewesen wären, eine zurückweisende Entscheidung über die unbestrittenermaßen ebenfalls erhobenen Berufungen durch die belangte Behörde zu ergehen gehabt hätte. Diesfalls wäre aus dem Grunde des § 69 Abs. 4 AVG die erstinstanzliche Behörde, die den in Rechtskraft erwachsenen Bescheid im "wiederaufzunehmenden Verfahren" erlassen hatte, zur Entscheidung über diese Anträge berufen gewesen.

Im übrigen kann aber keine Rede davon sein, daß die am 7. April 1995 überreichten Eingaben auch als Anträge gemäß § 69 AVG zu werten gewesen wären.

Für die Beurteilung des Charakters eines Anbringens ist sein wesentlicher Inhalt, der sich aus dem gestellten Antrag erkennen läßt, und die Art des in diesem gestellten Begehrens maßgebend. Es kommt nicht auf Bezeichnungen und zufällige Verbalformen an, sondern auf den Inhalt des Anbringens, das erkennbare oder zu erschließende Ziel eines Parteischrittes. Ist erkennbar, daß ein Antrag entgegen seinem Wortlaut auf etwas anderes abzielt, kommt es auf die erkennbare Absicht des Einschreiters an (vgl. das hg. Erkenntnis vom 14. September 1993, Zl. 93/15/0042).

Der in den Eingaben vom 7. April 1995 zum Ausdruck gebrachte erkennbare Willen der Beschwerdeführer konnte sich jedoch schon deshalb nicht auf eine Wiederaufnahme der mit Bescheiden vom 1. März 1995 abgeschlossenen Verfahren gerichtet haben, weil die Beschwerdeführer davon ausgingen, "fristgerecht" gegen diesen Bescheid berufen zu haben. Ihr Wille war daher keinesfalls auf die Beseitigung eines in Rechtskraft erwachsenen erstinstanzlichen Bescheides im Wege der Wiederaufnahme gerichtet.

Im übrigen wurden aber auch keine zur Wiederaufnahme eines Verfahrens gemäß § 69 Abs. 1 Z. 2 AVG tauglichen Wiederaufnahmsgründe geltend gemacht. Dieser Wiederaufnahmegrund liegt vor, wenn neue Tatsachen oder Beweismittel hervorkommen, die im Verfahren ohne Verschulden der Partei nicht geltend gemacht werden konnten und allein oder in Verbindung mit dem sonstigen Ergebnis des Verfahrens voraussichtlich einen im Hauptinhalt des Spruchs anderslautenden Bescheid herbeigeführt hätten. Es muß sich bei den Tatsachen oder Beweismitteln um neu hervorgekommene, das heißt um solche handeln, die bereits zur Zeit des Verfahrens bestanden haben, aber erst später bekannt wurden (vgl. Walter-Mayer, Grundriß des österreichischen Verwaltungsverfahrensrechts6, Rz 588, mit weiteren Judikaturhinweisen). Die Tatsache, daß sich HS und SS für die Beschwerdeführer verpflichteten und die zum Nachweis dieser Tatsache vorgelegten Verpflichtungserklärungen dieser Personen sind jedoch am 5. bzw. am 26. April 1995 entstanden. Es handelte sich dabei also nicht um Umstände, die bereits zur Zeit des mit Bescheid vom 1. März 1995 abgeschlossenen Verfahrens bestanden. Den in Rede stehenden Eingaben ist daher keine erkennbare Absicht der Beschwerdeführer zu entnehmen, die Wiederaufnahme der mit den Bescheiden des Landeshauptmannes von Wien vom 1. März 1995 abgeschlossenen Verfahren anzustreben.

Aus diesen Erwägungen waren die Beschwerden gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Die Kostenentscheidungen gründen sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1998:1997190601.X00

Im RIS seit

03.04.2001
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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