TE Lvwg Erkenntnis 2020/5/7 LVwG-AV-102/001-2020

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Veröffentlicht am 07.05.2020
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Entscheidungsdatum

07.05.2020

Norm

WRG 1959 §107 Abs1
AVG 1991 §41 Abs1
AVG 1991 §42 Abs1

Text

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Landesverwaltungsgericht Niederösterreich erkennt durch den Richter
Hofrat Mag. Wallner über die Beschwerde der A GmbH, vertreten durch C Rechtsanwälte GmbH in ***, ***, gegen den Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Bruck an der Leitha vom 19.12.2019, ***, in einer Angelegenheit nach dem Wasserrechtsgesetz 1959 (WRG 1959) zu Recht:

1.   Die Beschwerde wird gemäß § 28 Absatz 1 und Absatz 2 Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz (VwGVG) als unbegründet abgewiesen.

2.   Eine Revision nach Artikel 133 Absatz 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) ist gegen dieses Erkenntnis nicht zulässig.

Entscheidungsgründe:

Die Beschwerdeführerin beantragte, rechtsanwaltlich vertreten, mit Schreiben vom 22.08.2019 die Zuerkennung der Parteistellung im Verfahren der Bezirkshauptmannschaft Bruck an der Leitha zur Aktenzahl ***. Unter dieser Aktenzahl führte die Bezirkshauptmannschaft Bruck an der Leitha ein auf Antrag des B eingeleitetes wasserrechtliches Bewilligungsverfahren betreffend den Umbau der „*** Wehr“ in der KG ***. Die Behörde hielt dazu am 08.05.2017 eine mündliche Verhandlung ab. Zu dieser wurden Parteien persönlich geladen und erfolgte eine Anberaumung der Verhandlung durch Anschlag an der Amtstafel der Marktgemeinde *** in der Zeit von 11.04.2017 bis 08.05.2017 und an jener der Stadtgemeinde *** vom 12.04.2017 bis 08.05.2017. Weiters erfolgte eine Kundmachung im Internet am 11.04.2017 und eine Verlautbarung im Amtsblatt der Bezirkshauptmannschaft Bruck an der Leitha am 20.04.2017.

Nach Durchführung dieser Verhandlung erließ die belangte Behörde einen wasserrechtlichen Bewilligungsbescheid vom 30.05.2017. Die Zustellung erfolgte an die Konsenswerberin am 06.06.2017 und an die erschienenen Parteien jeweils am 01.06.2017 und am 02.06.2017.

Die Bezirkshauptmannschaft Bruck an der Leitha wies den eingangs genannten Antrag mit Bescheid vom 19.12.2019, ***, als unbegründet ab.

Über einen zuvor gestellten Antrag vom 01.03.2019 auf Zusendung bereits ergangener Bescheide in dieser Wasserrechtsangelegenheit entschied die belangte Behörde mit Bescheid vom 30.04.2019, ***, abweisend, eine dagegen erhobene Beschwerde wies das Landesverwaltungsgericht Niederösterreich mit Beschluss vom 27.09.2019, LVwG-AV-633/001-2019, als verspätet zurück.

Gegen den abweisenden Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Bruck an der Leitha vom 19.12.2019 erhob die Beschwerdeführerin, rechtsanwaltlich vertreten, fristgerecht Beschwerde und brachte vor, es läge unrichtige rechtliche Beurteilung, Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Mangelhaftigkeit des Verfahrens vor. Die Beschwerdeführerin würde als Wasserberechtigte durch die gegenständliche Wasserkraftanlage in ihren Wasserrechten beeinträchtigt. Es würde nämlich die Beschickung der alten Leitha über die Steuerung der *** Wehr erfolgen, welche so reguliert werden müsse, dass die Beschwerdeführerin die ihr zustehende Wassermenge zugeleitet erhalte. Die Wasserkraftanlage der Beschwerdeführerin hänge gänzlich von der *** Wehr ab. Die Beschwerdeführerin hätte gemäß § 107 Abs. 1 WRG 1959 jedenfalls auch persönlich geladen werden müssen. Es stünde ihr auch nach § 102 Abs. 1 lit. b WRG 1959 Parteistellung zu. Es komme nicht darauf an, ob es tatsächlich zu einer Beeinträchtigung komme, sondern sei eine Beeinträchtigungsmöglichkeit maßgeblich. Einwendungen seien aufgrund der öffentlichen Kundmachung daher nicht präkludiert. Es wäre der spezielleren Bestimmung des § 107 Abs. 1 WRG 1959 gegenüber § 42 Abs. 1 AVG der Vorzug zu geben.

Es bestünde kein Zweifel, dass es sich bei der Beschwerdeführerin um eine übergangene Partei handle. Die Beschwerdeführerin sei berechtigt, die Erlassung eines Feststellungsbescheides über die Parteistellung zu beantragen. Nach § 107 Abs. 1 sei ausdrücklich normiert, dass die Wasserberechtigten persönlich zu laden seien. Dies sei eine „Muss-Bestimmung“, die durch eine im Gesetz für diese Fälle nicht vorgesehene öffentliche Kundmachung nicht ausgehebelt werden könne.

Weiters sei von der belangten Behörde nicht einmal geprüft worden, ob Beeinträchtigungen in den Wasserrechten der Beschwerdeführerin vorliegen könnten. Diese wäre jedoch verpflichtet gewesen, die Einwendungen zu prüfen. Beantragt werde die Stattgebung der Beschwerde und Abänderung des Bescheides dahin, dass dem Antrag auf Zuerkennung der Parteistellung Folge gegeben werde.

Folgender Sachverhalt wird anhand der klaren Aktenlage als erwiesen festgestellt:

Es ist am 08.05.2017 eine mündliche Bewilligungsverhandlung betreffend den Umbau der *** Wehr in der KG *** durchgeführt worden. Zu dieser Verhandlung sind Parteien persönlich geladen worden, weiters ist die Kundmachung im Amtsblatt der Bezirkshauptmannschaft Bruck an der Leitha am 20.04.2017 sowie im Internet am 11.04.2017 erfolgt. Außerdem haben die Gemeinde *** in der Zeit vom 11.04.2017 bis 08.05.2017 und die Stadtgemeinde *** in der Zeit vom 12.04.2017 bis 08.05.2017 jeweils an ihrer Amtstafel die Anberaumung zu dieser Verhandlung kundgemacht gehabt.

Die Beschwerdeführerin hat bis zum Tag vor dieser Verhandlung keine Einwendungen erhoben und ist auch nicht zur Verhandlung erschienen.

Der Bewilligungsbescheid in der Wasserrechtsangelegenheit „Umbau der *** Wehr“ ist den Parteien jeweils am 01.06.2017, am 02.06.2017 und der Konsenswerberin am 06.06.2017 zugestellt worden, ein Rechtsmittel ist gegen den Bewilligungsbescheid nicht eingebracht worden.

Das Landesverwaltungsgericht Niederösterreich hat erwogen:

Gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG erkennen die Verwaltungsgerichte über Beschwerden gegen den Bescheid einer Verwaltungsbehörde wegen Rechtswidrigkeit.

Gemäß § 28 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht, sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist, die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen.

Nach § 28 Abs. 2 leg. cit. hat das Verwaltungsgericht über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG dann in der Sache selbst zu entscheiden, wenn

1.  der maßgebliche Sachverhalt feststeht oder

2.  die Feststellung des maßgeblichen Sachverhaltes durch das Verwaltungsgericht

selbst im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden ist.

Die für gegenständliches Beschwerdeverfahren relevante Bestimmung des WRG 1959 lautet auszugsweise:

§ 107. (1) Das Verfahren ist nach Maßgabe der Bestimmungen des § 39 Abs. 2 AVG durch Anberaumung einer mündlichen Verhandlung fortzusetzen. Zu dieser sind der Antragsteller und die Eigentümer jener Grundstücke, die durch die geplanten Anlagen oder durch Zwangsrechte (§ 60) in Anspruch genommen werden sollen, persönlich zu laden; dies gilt auch für jene im Wasserbuch eingetragenen Wasserberechtigten und Fischereiberechtigten, in deren Rechte durch das Vorhaben eingegriffen werden soll. Wenn noch andere Personen als Beteiligte in Betracht kommen, ist die Verhandlung gemäß § 41 Abs. 1 zweiter Satz AVG kundzumachen und darüber hinaus auf sonstige geeignete Weise (insbesondere durch Verlautbarung in einer Gemeindezeitung oder Tageszeitung, Postwurfsendungen).

(2) ...

…“

Weiters sind für gegenständliche Rechtssache folgende Bestimmungen des AVG auszugsweise maßgeblich:

„§ 41.

(1) Die Anberaumung einer mündlichen Verhandlung hat durch persönliche Verständigung der bekannten Beteiligten zu erfolgen. Wenn noch andere Personen als Beteiligte in Betracht kommen, ist die Verhandlung überdies an der Amtstafel der Gemeinde, durch Verlautbarung in der für amtliche Kundmachungen der Behörde bestimmten Zeitung oder durch Verlautbarung im elektronischen Amtsblatt der Behörde kundzumachen.

(2) ...

§ 42.

(1) Wurde eine mündliche Verhandlung gemäß § 41 Abs. 1 zweiter Satz und in einer in den Verwaltungsvorschriften vorgesehenen besonderen Form kundgemacht, so hat dies zur Folge, dass eine Person ihre Stellung als Partei verliert, soweit sie nicht spätestens am Tag vor Beginn der Verhandlung während der Amtsstunden bei der Behörde oder während der Verhandlung Einwendungen erhebt. Wenn die Verwaltungsvorschriften über die Form der Kundmachung nichts bestimmen, so tritt die im ersten Satz bezeichnete Rechtsfolge ein, wenn die mündliche Verhandlung gemäß § 41 Abs. 1 zweiter Satz und in geeigneter Form kundgemacht wurde.

(2) Wurde eine mündliche Verhandlung nicht gemäß Abs. 1 kundgemacht, so erstreckt sich die darin bezeichnete Rechtsfolge nur auf jene Beteiligten, die rechtzeitig die Verständigung von der Anberaumung der Verhandlung erhalten haben.

(3) Eine Person, die glaubhaft macht, daß sie durch ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis verhindert war, rechtzeitig Einwendungen zu erheben, und die kein Verschulden oder nur ein minderer Grad des Versehens trifft, kann binnen zwei Wochen nach dem Wegfall des Hindernisses, jedoch spätestens bis zum Zeitpunkt der rechtskräftigen Entscheidung der Sache bei der Behörde Einwendungen erheben. Solche Einwendungen gelten als rechtzeitig erhoben und sind von jener Behörde zu berücksichtigen, bei der das Verfahren anhängig ist.

(4) ...“

§ 107 Abs. 1 WRG 1959 ist zwar, wie in der Beschwerde auch zutreffend ausgeführt wird, gegenüber § 42 AVG die speziellere Norm, jedoch wird in ersterer Bestimmung in dessen 3. Satz inhaltlich nur die Regelung des § 41 Abs. 1 zweiter Satz AVG und des § 42 Abs. 1 zweiter Satz AVG wiederholt, wobei Beispiele dafür angeführt werden, was jedenfalls als Kundmachung „auf sonstige geeignete Weise“ anzusehen ist (vgl. VwGH vom 27.05.2004, 2003/07/0119, vom 30.06.2011, 2010/07/0208).

Auch ist darauf hinzuweisen, dass die im § 107 Abs. 2 WRG 1959 vor der WRG-Novelle 2001 vorgesehene Rechtskrafterstreckung auf übergangene Parteien nicht mehr existiert.

Werden persönlich zu ladende Parteien nicht persönlich geladen, wurde aber die Verhandlung iSd § 42 Abs. 1 AVG kundgemacht, tritt bei Unterlassung von Einwendungen Verlust der Parteistellung ein (vgl. dazu VwGH vom 17.11.2004, 2004/04/0169 ua). Die gegenteilige Rechtsprechung ist überholt (vgl. Kommentar zum Wasserrechtsgesetz, Bumberger/Hinterwirth, 2. Auflage, 2013, K8 zu § 107).

Zu prüfen ist, ob die Vorschriften über die „doppelte Kundmachung“ iSd § 42 AVG erfüllt wurden.

Dies deshalb, da § 107 Abs. 1 WRG 1959 keine abweichende Regelung darstellt, sondern lediglich beispielhaft Fälle anführt, bei denen eine Kundmachung „auf sonstige geeignete Weise“ gegeben ist.

Die beispielhafte Aufzählung ist jedoch demonstrativ, es können daher auch andere als jene Formen für die Kundmachung gewählt werden, die in § 107 Abs. 1 dritter Satz WRG 1959 genannt sind.

Anhand der Aktenlage steht zweifelsfrei fest, dass sowohl im Amtsblatt der Behörde als auch im Internet die mündliche Verhandlung am 08.05.2017 kundgemacht wurde. Es erfolgte auch eine rechtzeitige Kundmachung, da eine 2-Wochenfrist jedenfalls eingehalten wurde. Darüber hinaus erfolgte noch eine Kundmachung in sonstiger geeigneter Weise durch Verlautbarung der Kundmachung mittels Anschlag an den Amtstafeln der Gemeinde *** und der Stadtgemeinde ***. Auch hierbei wurde die 2-Wochenfrist eingehalten.

Die „doppelte Kundmachung“ ist damit jedenfalls gegeben.

Festzustellen ist weiters, dass auf die Rechtsfolge des Verlustes der Parteistellung bei Unterlassung von rechtzeitigen Einwendungen in sämtlichen Kundmachungstexten (Amtsblatt, Amtstafel und Internet) ausdrücklich hingewiesen wurde. Auch ist dem Text der Kundmachung zu entnehmen, dass Gegenstand der Verhandlung der Umbau der *** Wehr ist, zu diesem Gegenstand erging schließlich der Bewilligungsbescheid.

Da die Kundmachungsvoraussetzungen eingehalten wurden, konnte der Verlust der Parteistellung bei Unterlassung von Einwendungen spätestens einen Tag vor der mündlichen Verhandlung oder in der Verhandlung hinsichtlich des in der Kundmachung angeführten Verhandlungsgegenstandes (Umbau der *** Wehr) eintreten. Dazu wird auch auf die Judikatur des VwGH vom 23.05.1996, 95/07/0012, hingewiesen.

In diesem Zusammenhang wird weiters § 42 Abs. 3 AVG erwähnt, wonach spätestens bis zum Zeitpunkt der rechtskräftigen Entscheidung der Sache Einwendungen noch erhoben werden können, wenn eine Person glaubhaft macht, dass sie durch ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis verhindert war, rechtzeitig Einwendungen zu erheben, und sie kein Verschulden oder nur ein minderer Grad des Versehens trifft. Rechtskraft im Sinne dieser Bestimmung ist dann eingetreten, wenn die Entscheidung allen anderen Parteien rechtswirksam zugestellt und nicht angefochten wurde. Dies ist gegenständlich der Fall.

Ob eine Beeinträchtigung der Beschwerdeführerin in ihren Wasserrechten erfolgt ist, war daher von der belangten Behörde zu Recht nicht mehr zu prüfen gewesen. Auf das Beschwerdevorbringen, soweit es eine Beeinträchtigung der Rechte der Beschwerdeführerin geltend zu machen versucht, war nicht weiter einzugehen.

Es besteht allgemein die Verpflichtung, sich darüber zu informieren, ob wasserrechtliche oder andere Verhandlungen stattfinden, die einen in seinen subjektiv-öffentlich eingeräumten Rechte berühren können. Dazu war im konkreten Fall die Möglichkeit gegeben, an der Amtstafel der Marktgemeinde *** und der Stadtgemeinde *** Nachschau zu halten, sowie im Amtsblatt der Bezirkshauptmannschaft Bruck an der Leitha und im Internet.

Der angefochtene Bescheid vom 19.12.2019 erging daher zu Recht.

Von der Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung war gemäß

§ 24 Abs. 4 VwGVG abzusehen, da eine mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten lässt und einem Entfall der Verhandlung weder

Art. 6 Abs. 1 der Konvention zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten noch Art. 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union entgegenstanden. Es handelt sich im vorliegenden Beschwerdeverfahren ausschließlich um Rechtsfragen, zu deren Lösung im Sinne der Judikatur des EGMR eine mündliche Verhandlung nicht geboten ist (vgl. VwGH vom 24.06.2014, 2014/05/0059 ua). Die Durchführung einer Verhandlung wurde zudem nicht beantragt.

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seiner Entscheidung auszusprechen, ob eine Revision nach Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist.

Eine Revision nach Artikel 133 Abs. 4 B-VG ist nicht zulässig, da in gegenständlicher Angelegenheit keine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung zu lösen war. Die Entscheidung weicht weder von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab noch fehlt eine solche oder liegt eine nicht einheitliche Rechtsprechung vor.

Schlagworte

Umweltrecht; Wasserrecht; Verfahrensrecht; Kundmachung; Parteistellung; Präklusion;

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:LVWGNI:2020:LVwG.AV.102.001.2020

Zuletzt aktualisiert am

02.07.2020
Quelle: Landesverwaltungsgericht Niederösterreich LVwg Niederösterreic, http://www.lvwg.noe.gv.at
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