TE Lvwg Erkenntnis 2020/5/19 LVwG-AV-289/001-2019

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Veröffentlicht am 19.05.2020
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Entscheidungsdatum

19.05.2020

Norm

AWG 2002 §2 Abs1
AWG 2002 §15 Abs4a
AWG 2002 §73 Abs1
WRG 1959 §31

Text

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Landesverwaltungsgericht Niederösterreich erkennt durch seinen Vizepräsidenten Dr. Grubner als Einzelrichter über die Beschwerde des Herrn A, vertreten durch B Rechtsanwälte GmbH, ***, ***, gegen den Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Bruck an der Leitha vom 25. Jänner 2019, ***, betreffend Behandlungsauftrag gemäß § 73 des Abfallwirtschaftsgesetzes 2002 (AWG 2002) zu Recht:

1.   Der Beschwerde wird gemäß § 28 des Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetzes (VwGVG) Folge gegeben und der angefochtene Bescheid wird ersatzlos behoben.

2.   Gegen dieses Erkenntnis ist gemäß § 25a des Verwaltungsgerichtshofgesetzes 1985 (VwGG) eine Revision nicht zulässig.

Entscheidungsgründe:

1.   Zum verwaltungsbehördlichen Verfahren:

Mit dem angefochtenen Bescheid wurde der Beschwerdeführer als handelsrechtlicher Geschäftsführer der C GmbH gemäß § 73 AWG 2002 dazu verpflichtet, die auf den Grundstücken Nr. *** und ***, KG ***, erfolgten konsenslosen Ablagerungen von Bodenaushubmaterial über Niveau des umgebenden Geländes im Ausmaß von etwa 55 177 m³ umgehend, spätestens jedoch bis 31. Juli 2019 ordnungsgemäß und nachweislich zu entsorgen bzw. alternativ für eine zulässige, genehmigte Verwertungsmaßnahme einzusetzen und den Entfernungsnachweis der Bezirkshauptmannschaft Bruck an der Leitha bis längstens 31. August 2019 vorzulegen.

Begründend führte die belangte Behörde – im Wesentlichen – aus, dass in der Überprüfungsverhandlung am 9. Mai 2016 bezugnehmend zum Aufschluss- und Abbauplan der Berghauptmannschaft Wien vom 11. Dezember 1998 festgestellt worden sei, dass das gegenständliche Abbaufeld „***“ nicht bescheidgemäß betrieben werde. Am 19. September 2018 sei eine weitere Besichtigung des Abbaufeldes durchgeführt worden. Dabei seien auf den Grundstücken Nr. *** und *** der KG *** erneut umfangreiche Anschüttungen mit Bodenaushubmaterial und natürlichen Rohstoffen, insbesondere Sand, Schotter und Steine, vorgefunden worden, obwohl kein Konsens bestehe, Bodenaushubmaterial über das Niveau des umgebenden Geländes anzuschütten, bzw. die Oberfläche des Abbaufeldes als Zwischenlager für diverse Materialien oder für sonstige Betriebstätigkeiten zu nutzen. Nach Darlegung der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu § 31 WRG 1959 und § 73 AWG 2002 wurde der Beschwerdeführer als Geschäftsführer der betreibenden Gesellschaft zur Entsorgung bzw. alternativ zur Verwertung der Abfälle und Vorlage des Entfernungsnachweises verpflichtet.

2.   Zum Beschwerdevorbringen:

In der dagegen fristgerecht erhobenen Beschwerde wurde der angefochtene Bescheid in seinem gesamten Inhalt und Umfang wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Verletzung von Verfahrensvorschriften angefochten. Begründend brachte der Beschwerdeführer – im Wesentlichen – vor, die belangte Behörde habe es unterlassen, die zur Entscheidungsfindung notwendigen Erhebungen durchzuführen. Sie missachte die rechtliche Trennung zwischen der Kapitalgesellschaft C GmbH und dem Geschäftsführer A. Rechte und Pflichten von juristischen Personen seien keinesfalls mit den Rechten und Pflichten ihrer Geschäftsführer als natürliche Personen gleichzusetzen. Es gäbe keinen Anhaltspunkt, den Beschwerdeführer als Verursacher anzusehen. Er sei nicht Abfallbesitzer und ihm seien die bezeichneten Ablagerungen nicht zuzurechnen. Ein automatisches Einstehenmüssen eines Geschäftsführers für die handelsrechtlich von ihm vertretene Gesellschaft sei unzulässig. Der Beschwerdeführer brachte vor, dem WRG 1959 sei eine generelle Haftung der zur Vertretung nach außen befugten Personen einer juristischen Gesellschaft nicht zu entnehmen. Im Übrigen sei die Entfernung binnen völlig unangemessener Frist aufgetragen worden. Zudem sei die Frist um fünf Wochen im Vergleich zu der Frist, die der Gesellschaft gesetzt worden sei, verkürzt.

Der Beschwerdeführer beantragte die Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung und die ersatzlose Behebung des angefochtenen Bescheides, in eventu die Behebung des angefochtenen Bescheides und Zurückverweisung der Angelegenheit an die Verwaltungsbehörde zur Erlassung eines neuen Bescheides.

Mit Schreiben vom 7. März 2019 legte die belangte Behörde die Beschwerde samt Verwaltungsakt dem Landesverwaltungsgericht zur Entscheidung vor.

3.   Zu dem vom Landesverwaltungsgericht Niederösterreich durchgeführten Ermittlungsverfahren:

Das Landesverwaltungsgericht Niederösterreich hat am 17. September 2019 eine öffentliche mündliche Verhandlung durchgeführt. In dieser wurde Beweis erhoben durch Einsichtnahme in den vorgelegten Verwaltungsakt der belangten Behörde, die Einvernahme des Beschwerdeführers sowie des Amtssachverständigen für Deponietechnik und Gewässerschutz D. Ein Vertreter der belangten Behörde hat an der Verhandlung nicht teilgenommen.

In der Verhandlung gab der Beschwerdeführer – zusammengefasst – an, dass die gegenständlichen Ablagerungen von Bodenaushubmaterial (etwa 55 000 m³) nach wie vor vorhanden seien. Die C GmbH sei seit Ende November 2018 insolvent. Er selbst sei seit Juli 2017 Geschäftsführer gewesen, seit 2001 sei er in der Gesellschaft. Er könne nicht sagen, wann die Ablagerungen entstanden seien. In der Grube seien schon immer verschiedene Haufen an Material gewesen. Seit der Insolvenz sei er nicht mehr im Betrieb. Mit dem Masseverwalter stehe er in Kontakt.

Der Beschwerdeführervertreter legte einen Auszug aus der Insolvenzdatei vor und verwies darauf, dass er zum Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Bescheides über die Abfälle keine Handhabe bzw. keinen maßgeblichen Einfluss auf die Betriebsführung gehabt habe.

Der Amtssachverständige erstattete in der Verhandlung Ausführungen zur gesetzten Frist für die Beseitigung. Eine Frist von sieben Monaten erscheine angemessen.

4.   Feststellungen und Beweiswürdigung:

Das Landesverwaltungsgericht Niederösterreich stellt folgenden Sachverhalt fest:

Die C GmbH hat am Standort ***, Grundstücke Nr. *** und *** KG ***, das Abbaufeld „***“ betrieben. Mit Bescheid der Berghauptmannschaft Wien vom 11. Dezember 1998, geändert durch den Bescheid vom 26. Juni 2006, wurde der C GmbH die Bewilligung erteilt, am Standort ***, Grundstücke Nr. *** und *** KG ***, das Abbaufeld „***“ zu betrieben und dabei u.a. bis zu einem Niveau von 212 Metern ü.A. abzubauen und die Abbaugrube bis auf das Niveau des angrenzenden Geländes mit qualitätsgeprüftem Bodenaushubmaterial der Qualität A1, A2 und A2G nach dem Bundesabfallwirtschaftsplan wiederzubefüllen.

Auf den genannten Grundstücken befinden sich über dem Niveau des umgebenden Geländes Ablagerungen mit Bodenaushubmaterial mit geringem Störstoffanteil im Ausmaß von etwa 55 177 m³. In behördlichen Überprüfungsverhandlungen am 4. Juni 2009, am 1. Oktober 2012 und am 9. Mai 2016, ebenso wie im Erhebungsbericht vom 26. September 2017, wurde bereits wiederholt auf konsenslose Ablagerungen und Zwischenlagerungen von Baurestmassen, Recyclingmaterialien und Bodenaushub hingewiesen. Diese Ablagerungen und Zwischenlagerungen erfolgten ohne nachvollziehbare Dokumentation und ohne Qualitätssicherung.

Der Beschwerdeführer war seit 2001 in der Gesellschaft beschäftigt, seit 13. Juli 2017 war er handelsrechtlicher Geschäftsführer der Gesellschaft. Mit Wirksamkeit vom 1. Dezember 2018 wurde über die Gesellschaft der Konkurs eröffnet. Die Ablagerungen im Ausmaß von etwa 55 177 m³ wurden – im Wesentlichen schon bevor der Beschwerdeführer Geschäftsführer wurde – vorgenommen.

Sämtliche Feststellungen ergeben sich aus den im vorgelegten Verwaltungsakt der Verwaltungsbehörde enthaltenen Urkunden, aus den schlüssigen Aussagen des im Beschwerdeverfahren bestellten Amtssachverständigen für Deponietechnik und Gewässerschutz D sowie aus der Einvernahme des Beschwerdeführers in der öffentlichen mündlichen Verhandlung. Es ist im Verfahren nichts hervorgekommen und wurde auch nicht behauptet, wonach der Beschwerdeführer im Rahmen seiner Eigenschaft als Geschäftsführer diese Ablagerungen angeordnet hätte.

5.   Rechtslage:

Die maßgeblichen Bestimmungen des Abfallwirtschaftsgesetzes 2002 (AWG 2002) lauten:

„§ 1

[…]

(3) „Im öffentlichen Interesse ist die Sammlung, Lagerung, Beförderung und Behandlung als Abfall erforderlich, wenn andernfalls

1. die Gesundheit der Menschen gefährdet oder unzumutbare Belästigungen bewirkt werden können,

2. Gefahren für Wasser, Luft, Boden, Tiere oder Pflanzen und deren natürlichen Lebensbedingungen verursacht werden können,

3. die nachhaltige Nutzung von Wasser oder Boden beeinträchtigt werden kann,

4. die Umwelt über das unvermeidliche Ausmaß hinaus verunreinigt werden kann,

5. Brand- oder Explosionsgefahren herbeigeführt werden können,

6. Geräusche oder Lärm im übermäßigen Ausmaß verursacht werden können,

7. das Auftreten oder die Vermehrung von Krankheitserregern begünstigt werden können,

8. die öffentliche Ordnung und Sicherheit gestört werden kann oder

9. Orts- und Landschaftsbild sowie Kulturgüter erheblich beeinträchtigt werden können.“

[…]

§ 2

(1) Abfälle im Sinne dieses Bundesgesetzes sind bewegliche Sachen,

1. deren sich der Besitzer entledigen will oder entledigt hat oder

2. deren Sammlung, Lagerung, Beförderung und Behandlung als Abfall erforderlich ist, um die öffentlichen Interessen (§ 1 Abs. 3) nicht zu beeinträchtigen.

[…]

(4) Im Sinne dieses Bundesgesetzes sind

1. „Altstoffe“

a) Abfälle, welche getrennt von anderen Abfällen gesammelt werden,

[…]

um diese Abfälle nachweislich einer zulässigen Verwertung zuzuführen.

[…]

(5) Im Sinne dieses Bundesgesetzes

5. ist „Verwertung“ jedes Verfahren, als deren Hauptergebnis Abfälle innerhalb der Anlage oder in der Wirtschaft in umweltgerechter Weise einem sinnvollen Zweck zugeführt werden, indem

a) sie andere Materialien ersetzen, die ansonsten zur Erfüllung einer bestimmten Funktion verwendet worden wären, oder

b) – im Falle der Vorbereitung zur Wiederverwendung – die Abfälle so vorbereitet werden, dass sie diese Funktion erfüllen.

Als Verwertung gilt die Vorbereitung zur Wiederverwendung, das Recycling und jede sonstige Verwertung (zB die energetische Verwertung, die Aufbereitung von Materialien, die für die Verwendung als Brennstoff bestimmt sind, oder die Verfüllung) einschließlich der Vorbehandlung vor diesen Maßnahmen. Anhang 2 Teil 1 enthält eine nicht erschöpfende Liste von Verwertungsverfahren.

[…]

(6) Im Sinne dieses Bundesgesetzes

1. ist „Abfallbesitzer“

a) der Abfallerzeuger oder

b) jede Person, welche die Abfälle innehat;

[…]

Allgemeine Behandlungspflichten für Abfallbesitzer

§ 15

(1) Bei der Sammlung, Beförderung, Lagerung und Behandlung von Abfällen und beim sonstigen Umgang mit Abfällen sind

1. die Ziele und Grundsätze gemäß § 1 Abs. 1 und 2 zu beachten und

2. Beeinträchtigungen der öffentlichen Interessen (§ 1 Abs. 3) zu vermeiden.

[…]

(3) Abfälle dürfen außerhalb von

1. hiefür genehmigten Anlagen oder

2. für die Sammlung oder Behandlung vorgesehenen geeigneten Orten

nicht gesammelt, gelagert oder behandelt werden. Eine Ablagerung von Abfällen darf nur in hiefür genehmigten Deponien erfolgen.

(4) Abfälle sind gemäß § 16 oder nach Maßgabe einer Verordnung gemäß § 14 Abs. 1 oder § 23 zu verwerten.

(4a) Eine Verwertung ist nur zulässig, wenn der betreffende Abfall unbedenklich für den beabsichtigten sinnvollen Zweck einsetzbar ist und keine Schutzgüter (im Sinne von § 1 Abs. 3) durch diesen Einsatz beeinträchtigt werden können, sowie durch diese Maßnahme nicht gegen Rechtsvorschriften verstoßen wird.

[…]

Behandlungsauftrag

§ 73

(1) Wenn

1. Abfälle nicht gemäß den Bestimmungen dieses Bundesgesetzes, nach diesem Bundesgesetz erlassenen Verordnungen, nach EG-VerbringungsV oder nach EG-POP-V gesammelt, gelagert, befördert, verbracht oder behandelt werden oder

2. die schadlose Behandlung der Abfälle zur Vermeidung von Beeinträchtigungen der öffentlichen Interessen (§ 1 Abs. 3) geboten ist,

hat die Behörde die erforderlichen Maßnahmen dem Verpflichteten mit Bescheid aufzutragen oder das rechtswidrige Handeln zu untersagen.“

6.   Erwägungen:

6.1. Die Anwendung des AWG 2002 setzt zunächst voraus, dass die verfahrensgegenständlichen Materialien den Abfallbegriff des AWG 2002 erfüllen.

Gemäß § 2 Abs. 1 AWG 2002 sind Abfälle bewegliche Sachen, deren sich der Besitzer entledigen will oder entledigt hat (subjektiver Abfallbegriff), oder deren Sammlung, Lagerung, Beförderung und Behandlung als Abfall erforderlich ist, um die öffentlichen Interessen im Sinne des § 1 Abs. 3 leg. cit. nicht zu beeinträchtigen (objektiver Abfallbegriff). Zu betonen ist, dass für die Verwirklichung des objektiven Abfallbegriffes keine konkrete Kontamination, sondern bereits die bloße Möglichkeit einer Gefährdung von Schutzgütern im Sinne des § 1 Abs. 3 AWG 2002 ausreicht (VwGH 22. Dezember 2005, 2005/07/0088). Abfall liegt bereits dann vor, wenn entweder der objektive oder der subjektive Abfallbegriff erfüllt ist (VwGH 23. Februar 2012, 2008/07/0179).

Das gelagerte Material wurde zur Ablagerung verbracht, es ist daher der subjektive Abfallbegriff im Sinne des § 2 Abs. 1 Z 1 AWG 2002 erfüllt. Ist der subjektive Abfallbegriff erfüllt, bedarf es keiner Auseinandersetzung mit dem objektiven Abfallbegriff mehr (VwGH 11. September 1997, 96/07/0223). Dennoch sei erwähnt, dass der Amtssachverständige für Deponietechnik und Gewässerschutz darauf verwiesen hat, dass hinsichtlich der Anschüttungen mit Bodenaushubmaterial mit geringem Störstoffanteil diese zur Wahrung der öffentlichen Interessen zu entfernen sind. An der objektiven Abfalleigenschaft im Sinne des § 2 Abs. 1 Z 2 AWG 2002 des Materials ist daher nicht zu zweifeln; dies wurde auch im gesamten Verfahren an keiner Stelle behauptet.

Das Vorliegen von Abfall gemäß § 2 Abs. 1 AWG 2002 steht somit fest.

6.2. In Bezug auf die Sammlung oder Behandlung von Abfall ordnet § 15 Abs. 3 AWG 2002 an, dass dieser außerhalb von hiefür genehmigten Anlagen oder für die Sammlung oder Behandlung vorgesehenen geeigneten Orten nicht gesammelt, gelagert oder behandelt werden darf. Eine Ablagerung von Abfällen darf nur in hiefür genehmigten Deponien erfolgen.

Die gegenständlichen Ablagerungen sind nicht vom Konsens gedeckt. An der verwaltungsbehördlichen Entscheidung, die ordnungsgemäße und nachweisliche Entfernung der Abfalllagerungen zu fordern, kann daher keine Rechtswidrigkeit erkannt werden.

6.3. Nach § 15 Abs. 4a AWG 2002 ist eine Verwertung zulässig, wenn der betreffende Abfall unbedenklich für den beabsichtigten Zweck einsetzbar ist, keine Schutzgüter (im Sinne von § 1 Abs. 3 AWG 2002) durch diesen Einsatz beeinträchtigt werden können, sowie durch diese Maßnahme nicht gegen Rechtsvorschriften verstoßen wird.

In den Erläuterungen § 15 Abs. 4a AWG 2002 wird u.a. Folgendes ausgeführt (RV 1005 dB XXIV. GP):

„Entsprechend der Judikatur des Verwaltungsgerichthofes kann ein Abfall nur durch eine zulässige Verwertung seine Abfalleigenschaft verlieren (vgl. VwGH 20.3.2003, 2002/07/0137; 11.9.2003, 2003/07/0038; 6.11.2003, 2002/07/0159). Diese Verwertung muss unbedenklich sein. In Umsetzung der Judikatur des Europäischen Gerichtshofs und des Verwaltungsgerichtshofs wird in § 15 AWG 2002 eine Regelung ergänzt, mit der zwischen Scheinverwertung bzw. nicht zulässiger Verwertung und zulässiger Verwertung klar unterschieden wird. Beispielhaft für die Prüfung der Zulässigkeit der Verwertung kann genannt werden:

Verfüllung:

Eine Verwertungsmaßnahme liegt dann vor, wenn

1)   diese Verfüllung einem entsprechenden Zweck dient (zB Sicherung der Böschungen oder der Sohle einer Kiesgrube, Wiederherstellung der ursprünglichen Wasserverhältnisse, wie eine Aufschüttung auf das Niveau von 2 m über HGW) und das für diesen Zweck unbedingt erforderliche Ausmaß an Abfall nicht überschritten wird,

2)   eine bestimmte Materialqualität eingehalten und auch nachgewiesen wird (vgl. dazu den diesbezüglichen Stand der Technik im Bundes-Abfallwirtschaftsplan) und

3)   die Maßnahme im Einklang mit der Rechtsordnung erfolgt (gemäß der ständigen Judikatur des VwGH erfolgt eine Maßnahme dann im Einklang mit der Rechtsordnung, wenn alle zutreffenden Bestimmungen der Materiengesetze (AWG 2002, WRG 1959, Naturschutzgesetze der Länder,…) eingehalten werden und insbesondere die erforderlichen Genehmigungen und/oder Bewilligungen vorliegen sowie die erforderlichen Anzeigen erstattet wurden).

Wenn eine dieser Voraussetzungen (entsprechender Zweck, unbedingt erforderliches Ausmaß oder Materialqualität samt Nachweis, Einhaltung der Rechtsordnung) nicht erfüllt ist, liegt eine Beseitigungsmaßnahme (Ablagerung) vor. In diesem Fall ist entweder eine Deponiegenehmigung erforderlich (gemäß § 15 Abs. 3 AWG 2002 darf eine Ablagerung nur in dafür genehmigten Deponien erfolgen) oder der Abfall zu entfernen.“

Eine zulässige Verwertung ist im konkreten Fall zu verneinen, weil der Umfang der bergbautechnischen Maßnahme zweifelsohne überschritten wurde. Es liegt daher eine Beseitigungsmaßnahme an einem hiefür nicht bewilligten Ort vor.

Die belangte Behörde hat daher zu Recht gemäß § 73 Abs. 1 AWG 2002 die Entfernung der angeführten Materialien angeordnet.

6.4. Die erforderlichen Maßnahmen nach § 73 Abs. 1 AWG 2002 sind dem Verpflichteten aufzutragen. Für die Eigenschaft des „Verpflichteten“ im Sinne des § 73 Abs. 1 AWG 2002 ist es wesentlich, ob derjenige in zurechenbarer Weise Abfälle entgegen dem AWG 2002 oder einer nach diesem Bundesgesetz erlassenen Verordnung gesammelt, gelagert, befördert, verbracht und behandelt hat. Für einen Behandlungsauftrag nach § 73 Abs. 1 AWG 2002 ist damit Voraussetzung, dass eine abfallrechtswidrige Handlung in zurechenbarer Weise gesetzt wird (VwGH 28. November 2013, 2010/07/0144). Für die Stellung als Verpflichteter nach § 73 Abs. 1 AWG 2002 ist es hingegen nicht erforderlich, dass derjenige hinsichtlich der betroffenen Abfälle einen Besitzwillen im Sinne des § 309 ABGB hat (VwGH 28. November 2013, 2010/07/0109); ebenso wenig kommt es auf ein Verschulden des Verpflichteten an (VwGH 20. Februar 2014, 2011/07/0144).

Der Verwaltungsgerichtshof hat bereits zum Ausdruck gebracht, dass der Gesetzgeber bei der Regelung des § 73 Abs. 1 AWG 2002 den Verursacherbegriff des § 31 WRG 1959 vor Augen hatte, weshalb es sachgerecht sei, insoweit auf die zu dieser Gesetzesbestimmung ergangene Judikatur zurückzugreifen (vgl. VwGH 20. Februar 2014, 2011/07/0225). Zur Frage der Haftung eines Geschäftsführers nach § 31 WRG 1959 hat das Landesverwaltungsgericht Niederösterreich in seinem Erkenntnis vom 7. Jänner 2016, LVwG-AV-479/001-2015, ausgesprochen, dass dem Gesetz eine generelle Haftung der zur Vertretung nach Außen befugten Personen (für den Fall, dass der Verursacher einer Kontamination bzw. der Grundeigentümer eine juristische Person ist) nicht zu entnehmen sei – ebenso wenig wie die eines ehemals persönlich haftenden Gesellschafters (vgl. VwGH 21. März 2003, 2001/97/0105). Zwar komme nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofs (vgl. VwGH 24. März 2003, 2002/07/0018) auch eine Haftung eines Geschäftsführers einer Gesellschaft in Betracht. Dies bedeute aber kein automatisches „Einstehenmüssen“ des Geschäftsführers für „seine“ Gesellschaft. Der gegenteiligen Auffassung stehe schon das Prinzip entgegen, dass Rechte und Pflichten juristischer Personen nicht gleichzeitig die Rechte und Pflichten ihrer Gesellschafter oder Geschäftsführer darstellten. Die Möglichkeit der Haftung eines Geschäftsführers neben (und nicht anstelle) der Gesellschaft sei vielmehr Ausfluss des Grundsatzes, dass auch mehrere Personen nebeneinander eine gesetzliche Verpflichtung treffen könnte (vgl. VwGH 11. Dezember 1990, 89/07/0186; VwGH 26. März 2015, Ra 2014/07/0067), welche diesfalls solidarisch haften würden. Dies setze aber voraus, dass die Kriterien für die primäre Verpflichtung, nämlich das Resultieren einer Gewässergefährdung aus seinen Anlagen, Maßnahmen oder Unterlassungen im Sinne des § 31 Abs. 1 WRG 1959, auf jeden der in Betracht kommenden für sich selbst zutreffe. Eine Haftung bedürfte des Dazutretens besonderer Umstände, etwa eines eigenen deliktischen Handelns, um neben der juristischen Person auch dessen Organe als primär Verpflichtete heranziehen zu können (in diesem Sinn hat der Verwaltungsgerichtshof die Haftung eines Geschäftsführers im Erkenntnis 2011/07/0225 vom 20. Februar 2014 bejaht, wenn er im Rahmen seiner faktischen Anordnungsbefugnis für die mangelhafte Lagerung von Abfällen ursächlich ist).

Im vorliegenden Verfahren sind nach Ansicht des Landesverwaltungsgerichtes Niederösterreich keine besonderen Umstände ersichtlich, die eine primäre Haftung des Beschwerdeführers als Geschäftsführer neben der Gesellschaft zu begründen vermögen. Die gegenständlichen Materialien wurden – wie bereits festgestellt – im Wesentlichen schon vor der Bestellung des Beschwerdeführers zum Geschäftsführer abgelagert. Es finden sich keine anderen Hinweise, dass der Beschwerdeführer sonst als zur Vertretung nach Außen befugte Person faktische Anordnungsbefugnisse gehabt hätte. Der bloße Umstand, dass der Beschwerdeführer von den konsenswidrigen Ablagerungen aufgrund seiner jahrelangen Betriebstätigkeit hätte wissen müssen, vermag seine Haftung nicht zu begründen.

Der Beschwerdeführer kann somit nicht als Verpflichteter im Sinne des § 73 AWG 2002 angesprochen werden. Der angefochtene Bescheid ist daher ersatzlos zu beheben.

7.   Zur Unzulässigkeit der ordentlichen Revision:

Die ordentliche Revision ist nicht zulässig, da im gegenständlichen Verfahren keine Rechtsfrage zu lösen war, der im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil die Entscheidung nicht von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Schlagworte

Umweltrecht; Abfallwirtschaft; Behandlungsauftrag; Ablagerung; Haftung;

Anmerkung

VwGH 07.10.2021, Ra 2020/05/0128-8, Aufhebung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:LVWGNI:2020:LVwG.AV.289.001.2019

Zuletzt aktualisiert am

22.10.2021
Quelle: Landesverwaltungsgericht Niederösterreich LVwg Niederösterreic, http://www.lvwg.noe.gv.at
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