TE Vwgh Beschluss 2016/10/4 Ra 2016/16/0085

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Veröffentlicht am 04.10.2016
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Index

10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG)
32/01 Finanzverfahren allgemeines Abgabenrecht

Norm

BAO §80 Abs1
BAO §9 Abs1
B-VG Art133 Abs4

Beachte


Miterledigung (miterledigt bzw zur gemeinsamen Entscheidung verbunden):
Ra 2019/16/0086

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Zorn und die Hofräte Dr. Mairinger und Dr. Thoma als Richter, unter Beiziehung der Schriftführerin Mag. Baumann, über die Revision des S L in G R, Slowenien, vertreten durch die Hauer-Puchleitner-Majer Rechtsanwälte OG in 8200 Gleisdorf, Bürgergasse 37, gegen das Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes vom 15. Juni 2016, Zl. RV/2100798/2016, betreffend Haftung nach § 9 und § 80 BAO, den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

Begründung

1        Der Revisionswerber war Gesellschafter und Geschäftsführer der L Bau GmbH; mit Beschluss vom 16. Februar 2015 lehnte das Landesgericht für Zivilrechtssachen Graz die Eröffnung eines Insolvenzverfahrens über diese Gesellschaft mangels kostendeckenden Vermögens ab. Infolge rechtskräftiger Nichteröffnung des Insolvenzverfahrens war die Gesellschaft aufgelöst.

2        Mit Haftungsbescheid vom 5. November 2015 nahm das Finanzamt Oststeiermark den Revisionswerber für aushaftende Abgabenschuldigkeiten der Gesellschaft an Umsatzsteuer, Körperschaftsteuer und Nebenansprüchen im Gesamtbetrag von insgesamt € 185.798,86 als Haftungspflichtigen in Anspruch, wogegen der - rechtsfreundlich vertretene - Revisionswerber Beschwerde erhob, die das Finanzamt als unbegründet abwies, worauf der Revisionswerber die Vorlage der Beschwerde an das Bundesfinanzgericht beantragte.

3        Mit dem angefochtenen Erkenntnis wies das Bundesfinanzgericht die Beschwerde als unbegründet ab und sprach aus, dass eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig sei. Begründend führte es vorerst in Darstellung des Verfahrensganges aus:

„Am 01.07.2015 erließ das Finanzamt im Anschluss an eine Außenprüfung (siehe Bericht über das Ergebnis der Außenprüfung vom 29.06.2015, ...) an die Primärschuldnerin den Umsatz- und den Körperschaftsteuerbescheid 2014.

Im Zuge der Erhebung der wirtschaftlichen Verhältnisse des Bf. am 07.04.2015 gab dieser zu Protokoll, er sei derzeit arbeitslos, fange aber mit April wieder bei einer Baufirma in F zu arbeiten an. Er besitze eine Liegenschaft in E und habe ca. 400.000 Euro Schulden. Er sei ledig und habe keine Unterhaltsverpflichtungen. Die Höhe seiner monatlichen Lebensunterhaltungskosten betrage 2.000 Euro.

Im Ersuchen um Ergänzung vom 20.07.2015 teilte das Finanzamt dem Bf. mit, am Abgabenkonto der Primärschuldnerin hafte ein Betrag in der Höhe von 185.710,64 Euro unberichtigt aus.

Sollte die L Bau GmbH bereits zu den jeweiligen Fälligkeitstagen der Abgabenverbindlichkeiten nicht mehr über ausreichend liquide Mittel zur (vollen) Bezahlung aller Verbindlichkeiten verfügt haben, werde der Bf. ersucht, dies durch eine Auflistung sämtlicher Gläubiger mit den zum Zeitpunkt der Abgabenfälligkeiten gleichzeitig oder früher fällig gewordenen Forderungen darzulegen. In die Aufstellung seien alle Gläubiger der GmbH (auch die zur Gänze bezahlten) sowie die auf einzelne Verbindlichkeiten geleisteten Zahlungen darzulegen. Alle verfügbar gewesenen liquiden Mittel seien anzugeben bzw. gegenüber zu stellen.

Nach der ständigen Rechtsprechung des VwGH obliege es dem Bf. als Vertreter der Gesellschaft, Nachweise darüber zu erbringen, in welchem Ausmaß ihr Zahlungsmittel zur Verfügung gestanden bzw. andere Gläubiger Befriedigung erlangt haben.

Der Vorhalt blieb unbeantwortet.“

4        Nach weiterer Darstellung des Haftungsverfahrens erwog das Gericht unter Zitierung der §§ 80 und 9 BAO:

„Uneinbringlichkeit der Abgaben bei der L Bau GmbH

Aus der Aktenlage (Firmenbuchauszug FN 2016) ergibt sich, dass die Gesellschaft infolge rechtskräftiger Nichteröffnung eines Insolvenzverfahrens mangels kostendeckenden Vermögens und Zahlungsunfähigkeit aufgelöst wurde. Am Abgabenkonto der Gesellschaft haften Abgaben in der Höhe von 185.798,86 Euro aus. Infolge der Auflösung der Gesellschaft ist eine Einbringlichmachung der Abgabenforderungen durch das Finanzamt auch in Hinkunft nicht möglich.

Geschäftsführer bzw. Liquidator der L Bau GmbH

Laut Firmenbuchauszug fungierte der Bf. von der Errichtung bis zur amtswegigen Auflösung der GmbH am 06.06.2015 als alleiniger handelsrechtlicher Vertreter der Gesellschaft. Ab diesem Zeitpunkt ist der Bf. deren Liquidator.

Als Geschäftsführer hatte der Bf. die abgabenrechtlichen Pflichten der Gesellschaft zu erfüllen. Zu diesen gehört u.a. die Pflicht zur Entrichtung der Abgaben aus den verwalteten Mitteln, die Führung von Büchern und Aufzeichnungen, die fristgerechte Einreichung von (vollständigen) Abgabenerklärungen und die Beachtung des § 78 Abs. 3 EStG 1988.

Liquidatoren einer GmbH sind ebenso zur Vertretung juristischer Personen berufene Personen nach § 80 BAO und haften demnach - wie die Geschäftsführer - neben den durch sie vertretenen Abgabepflichtigen nach § 9 BAO ... Die Haftung des Bf. erstreckt sich daher auch auf jene Abgaben im Haftungsbescheid, deren Fälligkeit in den Zeitraum seiner Tätigkeit als Liquidator der Gesellschaft fällt.

Umsatzsteuer

Das Finanzamt führte bei der Gesellschaft über das Jahr 2014 eine Prüfung durch, an der der Bf. persönlich teilnahm (siehe Tz. 2 des Berichtes vom 29.06.2015, wonach der Bf. darauf hingewiesen wurde, dass er für den Liquidationszeitraum eine Erklärung abgeben müsse sowie die persönliche Unterfertigung der Niederschrift vom 29.06.2015).

Am 01.07.2015 erließ das Finanzamt den Umsatzsteuerbescheid 2014, der an die GmbH, zu Handen des Bf., adressiert war. Dass dem Bf. der Umsatzsteuerjahresbescheid nicht zugekommen ist, wurde im Beschwerdeverfahren nicht vorgebracht.

Aus der Verbuchung des Umsatzsteuerbescheides am Abgabenkonto der GmbH resultierte eine Nachforderung an (bisher nicht gemeldeter) Umsatzsteuer in der Höhe von 124.122,33 Euro (Zahllast 2014 insgesamt 311.442,55 Euro statt der bisher in den Umsatzsteuervoranmeldungen 2014 gemeldeten Zahllasten in der Höhe von 187.320,22 Euro). Eine ‚Doppelverrechnung‘ der Umsatzsteuer, wie in der Beschwerde vorgebracht, erfolgte daher nicht.

Nach der Aktenlage (Buchungsabfrage und Rückstandsaufgliederung des Abgabenkontos StNr. 0101) wurden weder die von der Gesellschaft gemeldeten Umsatzsteuervorauszahlungen 08-11/2014 - abgesehen von einer Einmalzahlung am 17.11.2014 in der Höhe von 7.000 Euro - noch die sich aus der Verbuchung des Jahresbescheides ergebende Umsatzsteuer in der Höhe von 124.122,33 Euro entrichtet.

Schuldhaftes Verhalten

Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist es Aufgabe des Geschäftsführers, darzutun, weshalb er nicht dafür Sorge tragen konnte, dass die Gesellschaft die angefallenen Abgaben entrichtet hat, widrigenfalls von der Abgabebehörde eine schuldhafte Pflichtverletzung angenommen werden ...

Die Pflicht des Vertreters, die vom Vertretenen geschuldeten Abgaben zu entrichten, besteht nur insoweit, als hierfür liquide Mittel vorhanden sind. Hatte der Vertreter Gesellschaftsmittel zur Verfügung, die zur Befriedigung sämtlicher Schulden der Gesellschaft nicht ausreichten, liegt es an ihm, nachzuweisen, dass er die vorhandenen Mittel zur anteiligen Befriedigung aller Verbindlichkeiten verwendet und somit die Abgabenschulden nicht schlechter behandelt hat ...

Für die Prüfung der Haftungsvoraussetzungen kommt es auf den Zeitpunkt der Festsetzung der Selbstbemessungsabgaben - im vorliegenden Fall der Umsatzsteuer - nicht an ..., sondern relevant ist jener Zeitpunkt, zu dem die Abgabe bei ordnungsgemäßer Selbstberechnung abzuführen gewesen wäre ...

Der Bf. wurde von der Abgabenbehörde nachweislich aufgefordert, den Nachweis zu erbringen, welcher Betrag bei Gleichbehandlung sämtlicher Gläubiger - bezogen auf die jeweiligen Fälligkeitszeitpunkte der Abgaben einerseits und das Vorhandensein liquider Mittel andererseits - an die Abgabenbehörde zu entrichten gewesen wäre. Da der Bf. weder entsprechende Beweise angeboten noch erbracht hat, war die Abgabenbehörde entsprechend der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes berechtigt, dem Bf. die uneinbringlichen Abgaben zur Gänze vorzuschreiben ...

Im Fall des Vorliegens einer schuldhaften Pflichtverletzung spricht eine Vermutung für die Verursachung der Uneinbringlichkeit der Abgaben durch die Pflichtverletzung und den Rechtswidrigkeitszusammenhang ...“

Abschließend begründete das Gericht seine Ermessensübung im Grunde des § 20 BAO sowie seinen Ausspruch über die Unzulässigkeit einer Revision.

5        In der gegen dieses Erkenntnis erhobenen Revision erachtet sich der Revisionswerber in seinem Recht auf Nichtinanspruchnahme als Haftungsschuldner verletzt. Die Zulässigkeit seiner Revision sieht er darin begründet,

„[d]as Bundesfinanzgericht hat ausgeführt, dass dem Revisionswerber mit Ersuchen um Ergänzung vom 20.07.2015 mitgeteilt habe, dass ein Betrag in der Höhe von € 185.710,74 unberichtigt aushaften würde. Derartiges ist dem Revisionswerber nicht zugegangen. Der Revisionswerber ist der deutschen Sprache auch nicht gut ermächtigt. Der gegenständliche Haftungsbescheid ist auch entsprechend in slowenischer Sprache übersetzt worden. Das Bundesfinanzgericht hat jedoch selbst ausgeführt, dass sie die Rückstände der L Bau GmbH als uneinbringlich sieht. Zum Zeitpunkt der Erlassung am 01.07.2015 war das Unternehmen bereits in Liquidation.

Zu diesem Zeitpunkt wurden keine Gläubiger mehr bedient.

Eine schuldhafte Pflichtverletzung wurde jedoch von Seiten des Bundesfinanzgerichtes weder behauptet noch bescheinigt.

Darüber hinaus wurde auch nicht überprüft und ist dem Bescheid auch nicht zu entnehmen, ob tatsächlich der zugrundeliegende Bescheid von 01.07.2015, sowie die erwähnte Aufforderung vom 20.07.2015 dem Revisionswerber ordnungsgemäß zugestellt wurden.

Es fehlt jegliche Angabe darüber wann eine Zustellung erfolgt ist beziehungsweise ob diese auch in die Muttersprache des Revisionswerbers übersetzt wurde.

Bei nicht ordnungsgemäßer Zustellung ist jedoch davon auszugehen, dass auch noch kein Umsatzsteuerbescheid in Rechtskraft erwachsen ist.

Es liegt eine Rechtsfrage auf grundsätzliche Bedeutung gemäß Art. 133 Abs. 3 BVG vor, weshalb die außerordentliche Revision zulässig ist.

Der Revisionswerber hat immer auf die inhaltliche Unrichtigkeit und Doppelverrechnung hingewiesen. Auf diese ist das Bundesfinanzgericht nicht eingegangen.“

6        Gemäß Art 133 Abs. 4 erster Satz B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Hat das Verwaltungsgericht im Erkenntnis ausgesprochen, dass eine Revision nicht gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist, hat die Revision nach § 28 Abs. 3 VwGG auch gesondert die Gründe zu enthalten, aus denen entgegen dem Ausspruch des Verwaltungsgerichtes die Revision für zulässig erachtet wird (außerordentliche Revision).

7        Soweit die Revision ihre Zulässigkeit in einem unberechtigten Vorwurf einer Ungleichbehandlung der Gläubiger der Gesellschaft im Zeitpunkt der Erlassung der Abgabenbescheide - behauptetermaßen am 1. Juli 2015 - erblickt, verkennt sie, dass die Haftung des Revisionswerbers auf eine Ungleichbehandlung der Gläubiger zu den (früheren) Zeitpunkten, in denen die einzelnen Abgaben fällig geworden sind, gegründet wird.

8        Weiters ist das Gericht im Einklang mit der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes davon ausgegangen, dass der als Haftungspflichtiger in Anspruch genommene Vertreter darzutun hat, aus welchen Gründen ihm die Erfüllung abgabenrechtlicher Pflichten unmöglich war, widrigenfalls angenommen wird, dass die Pflichtverletzung schuldhaft ist (vgl. etwa die in Ritz, Kommentar zur BAO5, unter Rz. 22 zu § 9 BAO wiedergegebene Rechtsprechung).

9        Soweit die Revision bemängelt, „dem Bescheid“ sei nicht zu entnehmen, ob die Abgabenbescheide vom 1. Juli 2015 sowie der Vorhalt vom 20. Juli 2015 dem Revisionswerber ordnungsgemäß zugestellt worden seien, somit nicht einmal einen Begründungsmangel des angefochtenen Erkenntnisses selbst, sondern nur des Haftungsbescheides vom 5. November 2015 behauptet, wird damit eine Zustellung der Abgabenbescheide an die Gesellschaft nicht konkret in Abrede gestellt wird. Schließlich hätte der Revisionswerber seinerseits gemäß § 248 BAO die Mitteilung eines ihm noch nicht zur Kenntnis gebrachten Abgabenanspruches beantragen können, hat dies jedoch nicht getan und das Gehör zu den entscheidungswesentlichen Tatsachen war letztlich durch die Beschwerde gegen den (unbestrittenermaßen auch in slowenischer Sprache zugestellten) Haftungsbescheid vom 5. November 2015 gewahrt.

10       Wenn die Revision schließlich in den Raum stellt, dass möglicherweise der Umsatzsteuerbescheid an die L Bau GmbH nicht wirksam zugestellt worden sei, würde der Erfolg der Revision diesfalls davon abhängen, dass sie die Höhe der Umsatzsteuerschuld der Gesellschaft als im Rahmen des Haftungsverfahrens beantwortete wesentliche Vorfrage substantiiert in Zweifel zieht; dass das Gericht im Zuge der wiedergegebenen Begründung der Höhe der Umsatzsteuerschuld wesentliche Verfahrensgrundsätze verletzt hätte, legt die Revision nicht dar.

11       Die Revision ist daher wegen Nichtvorliegen der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG ohne weiteres Verfahren mit Beschluss zurückzuweisen.

Wien, am 4. Oktober 2016

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2016:RA2016160085.L00

Im RIS seit

06.07.2020

Zuletzt aktualisiert am

14.07.2020
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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