TE Bvwg Erkenntnis 2020/2/13 W195 2215120-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 13.02.2020
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Entscheidungsdatum

13.02.2020

Norm

AsylG 2005 §10 Abs1 Z3
AsylG 2005 §2 Abs1 Z13
AsylG 2005 §3 Abs1
AsylG 2005 §57
AsylG 2005 §8 Abs1
BFA-VG §9
B-VG Art. 133 Abs4
FPG §46
FPG §50
FPG §52 Abs2 Z2
FPG §52 Abs9
FPG §55 Abs1
FPG §55 Abs2

Spruch

W195 2215120-1/11E

W195 2215121-1/10E

W195 2215119-1/11E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Vizepräsidenten Dr. Michael SACHS als Einzelrichter über die Beschwerden von XXXX , 2) XXXX und 3) XXXX , alle StA. Bangladesch, vertreten durch XXXX , gegen die Bescheide des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom XXXX ad 2) XXXX ad 3) nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am XXXX zu Recht erkannt:

A)

Die Beschwerden werden als unbegründet abgewiesen.

B)

Revisionen sind gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

I.1. Der Erstbeschwerdeführer (im Folgenden: BF 1) und die Zweitbeschwerdeführerin (im Folgenden: BF 2), miteinander verheiratet und bengalische Staatsangehörige, stellten gemeinsam mit ihrer Tochter, der unmündigen Drittbeschwerdeführerin (im Folgenden: BF 3), am 30.05.2018 Anträge auf internationalen Schutz.

Am Tag der Antragstellung wurden der BF 1 und die BF 2 niederschriftlichen Erstbefragungen zugeführt. Der BF 1 gab hiebei zu seinen Fluchtgründen an, seine Frau habe bei einer NGO namens XXXX (phonetisch) gearbeitet, wo sie Transgender/Transvestiten und auch die Frauen im Dorf betreut habe. Diese Arbeit sei aber von den moslemischen Fundamentalisten nicht gern gesehen worden. Die BF 2 sei aufgefordert worden, ihren Job zu kündigen und die Familie sei in Folge auch bedroht worden. Im September 2013 seien sie auch von Fundamentalisten angegriffen worden und der BF 1 sei verletzt worden. Auch die Familie der BF 2 sei mit ihrer Heirat nicht einverstanden gewesen und habe Probleme gemacht.

Nach diesem Vorfall im September 2013 sei ein Dorfgericht namens "Salish" einberufen worden um die Vorfälle zu klären, was aber nichts gebracht habe. Danach hätten sie bis zur Ausreise in verschiedenen Orten in Bangladesh gelebt. Als die BF 2 im Juni 2015 einen Studienplatz in Wien antreten habe können, sei ihr der BF 1 am 07.07.2016 nach Wien nachgereist, damit sie in Wien gemeinsam leben könnten.

Die BF 2 gab an, die Ehe mit dem BF 1 sei eine Liebeshochzeit gewesen. Die Familie der BF 2 sei damit nicht einverstanden gewesen. Somit habe die BF 2 mit ihren Geschwistern bzw. ihrer Mutter Probleme gehabt.

Seit 01.09.2010 habe sie für eine NGO namens " XXXX " in XXXX gearbeitet. Sie sei für die Transgender- wie auch Transvestitenbetreuung tätig gewesen, sowie für behinderte und auch für Aidsberatung. Im Februar 2011 sei die BF 1 zum ersten Mal von moslemischen Fundamentalisten angegriffen worden, weil sie mit ihrer Tätigkeit nicht einverstanden gewesen seien. Die BF 2 habe dann 2012 geheiratet, aber die Fundamentalisten hätten sie nicht in Ruhe gelassen. Im September 2013 sei sie mit einem Messer attackiert worden, wobei der BF 1 verletzt worden sei. Die BF 1 habe dann ihre Arbeit beendet und habe mit dem BF 1 den Wohnsitz bis zu ihrer Auseise gewechselt.

Die BF 2 habe dann einen Studienplatz an der Universität Wien bekommen und sie sei im Juni 2015 nach Österreich gereist. Das sei ein wichtiger Schritt gewesen, weil Österreich ein gutes und sicheres Land sei und sie auch bessere Zukunftsaussichten in ihrem Job habe als in Bangladesch, wo sie Probleme gehabt habe.

I.2. Am 07.11.2018 wurden die BF 2 und der BF 1 vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (im Folgenden: BFA) niederschriftlich einvernommen.

Dabei führte die BF 2 aus, sich bei der NGO beworben zu haben, weil sie es schon als Kind geliebt habe, sich ehrenamtlich zu engagieren. Die Situation für sexuelle Minderheiten in Bangladesch sei nicht besser als früher, eher schlechter. Die BF 2 habe ihre Arbeit und ihr Land wegen den radikalen Moslems verlassen. Die BF 2 habe in XXXX gearbeitet, dort habe es namentlich bekannte Transgender gegeben. Die gewöhnlichen Leute hätten Angst vor ihnen gehabt, weil sie immer gebettelt hätten und die Leute so abgeschreckt hätten. Die BF 2 habe versucht, sie zu einer Verhaltensänderung und zur Aufnahme von Berufstätigkeiten zu bewegen. Diese Transgender hätten sich nicht versteckt, aber sie hätten eigene Orte gehabt, an denen sie sich aufgehalten hätten. Sie seien aber verabscheut worden. NGO Gruppen würden mit ihnen arbeiten. Die BF 2 habe diesen Personen grenzenlos von Herzen geholfen. Die BF 2 habe diese Leute etwa im Zeitraum 2010 bis 2013 unterstützt. Danach, ab 2013 bis zu ihrer Ausreise, habe sich die BF 2 hauptsächlich versteckt, sie habe sich nicht dauerhaft irgendwo aufhalten können. Nach dem zweiten Anschlag habe sie es verstanden, dass es keiner gutheiße, wenn eine Frau auswärtig arbeite; die Leute, mit denen sie gearbeitet habe, seien misshandelte Frauen und Mädchen gewesen. Dann hätten sie die radikalen Mullahs bedroht. Sie habe immer wieder Widerstand von den Leuten bekommen, aber beim zweiten Anschlag, der sei im September 2013 gewesen, seien die Leute mit Messern und Schlagstöcken auf die BF 2 losgegangen. Ihr Mann, der sie habe retten wollen, sei am Arm verletzt worden. Weitere Vorfälle habe es nicht gegeben, aber die BF 2 habe sich versteckt gehalten. Diese Vorfälle hätten sie zur Ausreise veranlasst, sie habe sich danach zerstört gefühlt.

Zuerst habe sich die BF 2 in einer Mietunterkunft in XXXX versteckt gehalten, das sei 300 km entfernt von ihrem Wohnhaus gewesen. Dort sei sie einmal in der Nacht gerufen worden und vier bis fünf Tage später sei an ihrer Haustür geklopft und geschrien worden. Sie hätten keine Anzeige erstattet, sondern nur bei der Polizei Meldung gelegt, weil sie es nicht mit den eigenen Augen gesehen hätten. Den Vorfall vom September 2013 hätte sie nicht bei der Polizei angezeigt, weil sie es zwar gewollt hätte, aber sie habe sich an die Organisation halten müssen und der Bürgermeister des Gemeindeverbandes und andere hätten gesagt, sie würden das Problem lösen.

Nachdem sie in XXXX gewesen sei, sei die BF 2 mit dem BF 1 in den Stadtteil XXXX - das sei ein Teil der Sadt XXXX - gegangen. Dort hätten sie wieder Angst bekommen, weil "die Leute" ihnen auf der Spur gewesen seien. Von Ende März 2014 bis Dezember 2014 seien sie in XXXX gewesen. Dazwischen seien sie immer einige Tage in XXXX gewesen. In dieser Zeit sei nichts passiert, sie hätten auch keinen Kontakt zu der NGO gehabt.

Im Herkunftsland hielten sich noch die Mutter, ein Bruder und zwei Schwestern der BF 2 auf. Zu ihnen hätte die BF 2 keinen Kontakt mehr, weil ihre Familie ihre Ehe nicht goutiere. Ihre Familie hätte gewollt, dass die BF 2 einen gebildeten Mann heirate. Der BF 1 sei zwar wohlhabend, aber nicht gebildet.

Die BF 2 sei parteipolitisch nicht aktiv gewesen.

Der BF 2 wurde vorgehalten, dass sie seit 22.06.2015 im Bundesgebiet aufhältig sei. Mit Bescheid vom 07.05.2018 sei durch das Land Wien, MA 35, XXXX , ihr Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels für den Zweck "Studierender" abgewiesen worden. Warum sie erst am 30.05.2018 einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt habe. Dazu gab sie an, sie habe gedacht, nach dem Studium in Österreich bleiben zu können. Nachdem ihr ihre Schwiegermutter mitgeteilt habe, dass sie nach wie vor gesucht würde, habe sie sich gedacht, sie sei nicht sicher dort. Die Familie des BF 1 sei durch den XXXX bedroht worden.

Der BF 1 habe Bangladesch verlassen, weil die BF 2 nicht alleine hier leben könne und er hätte dort auch Schwierigkeiten gehabt, weil "sie" den BF 1 töten wollen würden, wenn er kein Geld mehr zahlen würde. Die BF 3 habe keine eigenen Fluchtgründe.

Bei ihrer NGO habe die BF 2 die Funktion gehabt, zwangsheiraten zu verhindern, was die betreffenden Familien nicht goutiert hätten.

Der BF 1 brachte zu seinen Fluchtgründen soweit wesentlich vor, vor vier bis fünf Monaten seien Leute zu ihm nachhause gekommen und hätten seine Mutter beschimpft und bedroht. Als sie gefragt habe, wer sie wären, hätten diese gesagt, dass es der BF 1, wenn er zurückkomme, schon verstünde. Sie habe Angst bekommen. Der BF 1 habe einen Handelsbetrieb gehabt und diese hätten erfahren, dass der BF 1 diesen Betrieb verkauft habe. Sie hätten seiner Mutter gesagt, dass sie Geld wollen würden, weil sie ja sehr viel Geld durch den Verkauf erlangt hätten. Früher hätte sie auch immer Geld bekommen. Dann hätten sie gesagt, dass sie ihren Sohn zurückkommen lassen solle, um zu sehen, wie schnell wieder Geld fließen würde. Dann seien Leute aus der Nachbarschaft gekommen und hätten gesagt, es sollte nicht herumgeschrien werden. Danach hätten "die Leute" es verstanden, dass der BF 1 schon länger im Ausland sei. Sie hätten dann wieder zum Schreien begonnen. Als die Nachbarn gesagt hätten: "hört auf, sonst holen wir mehr Leute", seien sie weggegangen. Beim Weggehen hätten sie die Wände beschädigt. Die Nachbarn hätten zur Mutter des BF 1 gesagt, sie sollte keine Angst haben, sie würden helfen, wenn es schlimmer würde. Dann habe sich Mutter des BF 1 mit den Nachbarn beraten und erfahren, dass die Familie des BF 1 ja ins Ausland gegangen sei, schon deshalb wegen der Heirat sie unter anderem wegen dem Job Probleme gehabt hätten. Sie hätte eingesehen, dass sie selbst noch Schwierigkeiten bekommen würde. Dann habe die Mutter des BF 1 mit einer älteren Person, er sei vermutlich der Kommissionär in der Ortschaft, gesprochen. Der habe ihr geraten, dass sie einen Eintrag in das Polizeiprotokoll machen könnte.

Dieser Vorfall sei vermutlich am 18.05.2018 gewesen, weil am 20.05.2018 habe die Mutter des BF 1 den Eintrag gemacht. Der Beschwerdeführer korrigierte sich, seine Mutter habe am 25.05.2018 den Eintrag ins Protokoll gemacht. Zu seiner Mutter habe er nicht viel Kontakt, von den Vorfällen habe er von einem Freund erfahren. Weitere Vorfälle habe es nicht gegeben.

Nach dem schon geschilderten Vorfall habe die BF 2 einen Antrag auf Entlassung vom Arbeitsplatz gestellt. Sie habe im November den Arbeitsplatz aufgegeben. Der BF 1 habe sie am selben Tag zu einer Freundin in die Wohnung gebracht. Die Wohnung der Freundin sei in XXXX in der Gegend XXXX gewesen. Er habe aber nicht dort gewohnt. Nach einem Streitvergleich sei die BF 2 zum BF 1 nach XXXX gekommen. Dort seien sie nur drei bis vier Monate gewesen, weil XXXX und XXXX berüchtigt für den Fischhandel seien. Die Leute, mit denen die BF 2 Probleme gehabt habe, seien mächtige Fischhändler gewesen. Sie hätten sich dann für ungefähr zwei bis drei Monate eine andere Wohnung in XXXX genommen und seien dann nach XXXX gezogen.

Sein Geschäft habe der Beschwerdeführer einem Mitarbeiter übertragen, weil er immer habe Schutzgeld zahlen müssen. Der Beschwerdeführer sei dann sieben Monate auf der Flucht gewesen und er sei telefonisch bedroht worden. Seine Mutter sei nicht bedroht worden. Eine Anzeige habe er nicht erstattet, weil er nicht den Mut dazu gehabt habe.

Dem Beschwerdeführer wurde vorgehalten, dass er seit 06.07.2016 im Bundesgebiet aufhältig sei. Mit Bescheid vom 07.05.2018 sei durch das Land Wien, MA 35, XXXX , sein Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels für den Zweck "Familieneigenschaft" abgewiesen worden. Warum er erst am 30.05.2018 seinen Antrag auf internationalen Schutz gestellt habe. Dazu gab der Beschwerdeführer an, er sei zunächst mit Visum hier gewesen. Da die Situation schlechter geworden sei, habe er den Antrag auf internationalen Schutz gestellt.

I.3. Mit den im Spruch bezeichneten Bescheiden vom 13.07.2018 wies das BFA die Anträge der Beschwerdeführer auf internationalen Schutz gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 bezüglich der Zuerkennung der Status von Asylberechtigten (Spruchpunkt I.) und gemäß § 8 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 bezüglich der Zuerkennung der Status von subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Bangladesch (Spruchpunkt II.) ab. Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG 2005 wurden den Beschwerdeführern nicht erteilt. Gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG 2005 iVm § 9 BFA-VG wurden gegen die Beschwerdeführer Rückkehrentscheidungen gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG erlassen. Darüber hinaus wurde gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass ihre Abschiebung nach Bangladesch gemäß § 46 FPG zulässig sei (Spruchpunkt III.) und ausgesprochen, dass gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG die Frist für die freiwillige Ausreise jeweils zwei Wochen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung betrage (Spruchpunkt IV.).

Die Abweisung der Anträge auf internationalen Schutz bezüglich der Status von Asylberechtigten begründete das BFA im Wesentlichen damit, dass der BF 1 und die BF 2 eine Verfolgung in Bangladesch nicht hätten glaubhaft machen können, weswegen Asylgewährungen (im Familienverfahren) nicht in Betracht kämen. Unter Berücksichtigung der individuellen (persönlichen) Umstände der Beschwerdeführer sei nicht davon auszugehen, dass sie im Falle einer Rückkehr in ihr Heimatland in eine ausweglose Situation geraten, weswegen auch keine Anhaltspunkte für die Gewährung von subsidiärem Schutz vorliegen würden. Ebenso wenig lägen Anhaltspunkte für die Erteilung von "Aufenthaltsberechtigungen besonderer Schutz" vor und zudem würden die öffentlichen Interessen an einem geordneten Vollzug des Fremdenwesens gegenüber den privaten Interessen des BF 1, der BF 2 und des BF 3 an einem Verbleib im Bundesgebiet überwiegen, weswegen Rückkehrentscheidungen zu erlassen seien. Die Abschiebung des BF 1, der BF 2 und des BF 3 sei als zulässig zu bewerten.

I.4. Mit Schriftsatz vom 15.02.2019 wurden die Bescheide des BFA seitens der - durch die XXXX unterstützten - Beschwerdeführer wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit und Mangelhaftigkeit des Verfahrens zur Gänze angefochten.

Nach kurzer Wiedergabe des Inhalts der in Beschwerde gezogenen Bescheide und einer Zusammenfassung des behaupteten Sachverhaltes (und zwar sowohl unter der Überschrift "Sachverhalt" als auch unter der Überschrift "Mangelhafte Beweiswürdigung", unter welcher abgesehen von Sachverhaltswiederholungen kein substantiiertes Vorbringen zu den Fluchtgründen erstattet und auch insbesondere der Beweiswürdigung nicht substantiiert entgegengetreten wurde) wurde im Wesentlichen moniert, die Beweiswürdigung der Bescheide sei mangelhaft. Daraus ergebe sich eine unrichtige rechtliche Beurteilung. Zu Spruchpunkt II. führt die Beschwerde aus, die Beschwerdeführer würden im Falle einer Rückkehr in Ermangelung familiärer Unterstützung in eine prekäre Lage geraten, im Sinne des Kindeswohls sollte zumindest subsidiärer Schutz erteilt werden. Zu Spruchpunkt III. moniert die Beschwerde, dass die BF 2 schon länger in Österreich lebe, gute Deutschkenntnisse habe und ein in Österreich noch nicht abgeschlossenes Studium, welches sie beenden wolle. Die Familie sei bemüht, sich in Österreich zu integrieren.

Es wurden die Anträge gestellt, den Beschwerdeführern Asyl zu gewähren, in eventu, die angefochtenen Bescheide wegen Rechtswidrigkeit zur Gänze zu beheben und die Angelegenheit an das BFA zurückzuverweisen, in eventu, den Beschwerdeführern subsidiären Schutz zu erteilen, festzustellen, dass die gem. § 52 FPG erlassenen Rückkehrentscheidungen gem. § 9 Abs. 3 BFA-VG auf Dauer unzulässig seien und festzustellen, dass die Voraussetzungen für die Erteilung von Aufenthaltsberechtigungen (plus) gem. § 55 AsylG 2005 vorlägen und den Beschwerdeführern daher gem. § 58 Abs. 2 AsylG 2005 Aufenthaltsberechtigungen (plus) von Amts wegen zu erteilen seien, sowie, in eventu, festzustellen, dass die Voraussetzungen für die Erteilung von Aufenthaltsberechtigungen besonderer Schutz gem. § 57 AsylG 2005 vorlägen und den Beschwerdeführern daher Aufenthaltsberechtigungen besonderer Schutz gem. § 57 Abs. 1 AsylG 2005 von Amts wegen zu erteilen seien, sowie, eine mündliche Verhandlung gem. § 24 Abs. 1 VwGVG durchzuführen.

I.5. Mit Schreiben vom 22.02.2019 legte das BFA die Beschwerden und die Akten des Verwaltungsverfahrens dem Bundesverwaltungsgericht zur Entscheidung vor.

I.6. Mit Schreiben vom 08.01.2020 wurde zur Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht geladen und damit den Beschwerdeführern auch das aktuelle Länderinformationsblatt der Staatendokumentation zu Bangladesch zur allfälligen Stellungnahme bis längstens im Rahmen der für den 31.01.2020 angesetzten mündlichen Beschwerdeverhandlung, übermittelt.

I.7. Am 31.01.2020 führte das Bundesverwaltungsgericht in Anwesenheit eines Dolmetschers für die Sprache Bengali und der ausgewiesenen Rechtsvertreterin der Beschwerdeführer eine öffentliche mündliche Beschwerdeverhandlung durch, im Zuge derer der BF 1 und die BF 2 ausführlich u.a. zu ihren Fluchtgründen, ihren Rückkehrbefürchtungen, ihren Familienverhältnissen und ihren Lebensverhältnissen in Österreich befragt wurden (die minderjährige BF3 war nicht anwesend).

Zusammengefasst ergibt sich auf Grund der Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht am 31.01.2020 folgender Sachverhalt:

Die dreijährige BF 3 ist ausschließlich an die von ihren Eltern formulierten Fluchtgründe gebunden.

Hinsichtlich BF 1:

Der Familienvater macht geltend, dass er Schutzgeld (behaupteter Maßen an die "Führer der machthabenden Partei") bezahlen müsse.

Hinsichtlich der BF 2:

Die BF 2 hat sich - nach Absolvierung eines entsprechenden Studiums, währenddessen sie bereits sehr sozial engagiert war - für gesellschaftliche Veränderungen in Bangladesch eingesetzt.

Sie hat Soziologie studiert und arbeitete in einer NGO. Bereits während ihres Studiums hat sie sich für ein NGO engagiert, konkret für XXXX und deren Sozialprojekte bzw. wichtige Gesundheitsprojekte.

Weiters wurde im Rahmen der Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht festgehalten, dass die Familie der BF2 bewusst das Studium der Soziologie gefördert und finanziert hat.

In der Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht trat zu Tage, dass die Familie der BF2 die (heimliche, jedoch amtliche) Heirat der BF2 mit dem BF1 nicht goutierte und dies zum Bruch der BF2 "mit ihrer Familie" führte. Aber auch die Familie des BF1 war von dieser Verbindung nicht begeistert.

Hinsichtlich der Fluchtgründe der BF2 führte diese letztlich aus, dass ihre Aktivität bei einer NGO primär das Thema "Frauen und Kinder" betraf (dies steht im Widerspruch zu ihren Aussagen vor dem BFA, wo sie vornehmlich Aktivitäten hinsichtlich Transgender Personen geltend machte).

Auf Grund ihres Engagements gelang es ihr widerholt Kinderheiraten zu verhindern. Konkret schilderte die BF2 zwei Vorfälle, bei denen sie bedroht wurde, aber durch die jeweiligen Bürgermeister und Gemeinde-Autoritäten in ihrem Handeln nicht nur bestärkt wurde, sondern deren Einschreiten auch zu Urteilen zu ihren Gunsten führte.

Befragt nach ihrem konkreten Fluchtgrund schilderte die BF2 einen Vorfall, welcher am 10.09.2013 stattfand. Sie sei bei einer "Verkaufshochzeit" von Minderjährigen eingeschritten. Sie sei dabei nicht nur beschimpft, sondern von einem Mann tätlich angegriffen worden. Letztlich sei jedoch der Bürgermeister in Begleitung anderer Mitarbeiter der NGO eingeschritten und habe sie beschützt. In weiterer Folge seien wenige Tage später sie und ihr Ehemann bei einer Rikschafahrt angegriffen worden und wurde ihr Ehemann mit einem Messer verletzt. Es sei zu einem Dorfgericht gekommen, welches ein Urteil zu ihren Gunsten fällte und zu einem Vergleich mit den Angreifern führte.

Die BF2 habe jedoch nach diesem Vorfall im September 2013 auf Drängen ihres Ehemannes ihre Beschäftigung bei der NGO am 28.11.2013 freiwillig beendet. Danach sei sie zu Hause geblieben und habe nicht mehr gearbeitet.

Am 21.06.2015 ist die BF2 mittels Direktflug und gültigem Visum nach Österreich geflogen, um in Österreich zu studieren.

Am 06.07.2016 folgte der BF2 ihr Ehemann, der BF1, nach und flog nach Österreich.

Seit Mai 2017 lebte der BF1 illegal in Wien.

Am 18.07.2017 wurde die BF3 in Wien geboren.

Mit rechtskräftigem Bescheid der MA 35 vom 07.05.2018, XXXX , wurde der BF2 der Antrag vom 18.5.2017 betreffend Erteilung eines Aufenthaltstitels für den Zweck "Studierender" mangels Studienerfolges (unzureichende Deutschkenntnisse sowie keine einzige Prüfung seit Ankunft 2015 absolviert) abgewiesen.

Am 30.05.2018 stellten der BF1, die BF2 sowie die Eltern für die mj BF3 einen Antrag auf internationalen Schutz. Der BF1 machte geforderte Schutzgeldzahlungen geltend sowie die Tätigkeit seiner Frau bei der NGO; die BF2 machte ihre früheren Tätigkeiten bei der NGO geltend.

Hinsichtlich der BF3 wurden keine eigenen Fluchtgründe geltend gemacht.

Befragt nach den Gründen, weshalb sie wirklich nach Österreich gekommen sei, stellte die BF2 fest, dass sie dachte, sie könne in Österreich studieren und "danach in Österreich ein gutes Leben führen". Ihre Reise nach Österreich sei mit ihrem Ehemann abgesprochen gewesen. Sie hätten in Bangladesch beschlossen, dass die BF2 nach Österreich gehe, um zu studieren, danach würden sie die Situation neu bewerten, insbesondere ob ihre Ehemann nachfolgen sollte. Dies habe er getan, dann sei, wieder ein Jahr später, die Tochter auf die Welt gekommen.

Die BF2 wolle in Wien eine Pflegeausbildung machen, der BF1 eine Taxilenkerausbildung. Derzeit lebe die ganze Familie von der staatlichen Unterstützung.

Die Familienmitglieder seien gesund; sie haben verschiedenste Freunde, einen österreichischen sowie einen nepalesischen Freund und eine pakistanische Freundin.

Die BF haben keinen Kontakt zur Familie der BF2. Dies hänge aber eher damit zusammen, dass die Familie der BF2 die Heirat mit dem BF1 nicht goutierte. Dennoch würde die BF2 ihre Familie vermissen. Teilweise, wenn auch nicht ausgeprägt, hat der BF1 Kontakt zu seiner Familie, allerdings sei diese Familie ebenso nicht über die Ehe mit der BF2 begeistert gewesen.

Der BF1 führte zu seinen Fluchtgründen aus, dass er bzw. seine Familie Schutzgelder zahlen musste; seit der Hochzeit mit der BF2 sei dieses Schutzgeld jedoch, da diese aus einer guten Familie stamme, erhöht worden.

Ein politisches Engagement, auch hinsichtlich von NGO, in Österreich konnte nicht festgestellt werden. Die Sprachkenntnisse von BF1 und BF2 sind für eine Verständigung in deutscher Sprache ausreichend, der Gesundheitszustand aller BF ist unbedenklich.

Die BF leben von der Grundversorgung.

BF1 möchte in weiterer Zukunft eine Ausbildung zum Taxilenker absolvieren, die BF2 eine Ausbildung zur Krankenschwester. Die dreijährige BF3 geht in den Kindergarten.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

II.1. Feststellungen:

II.1.1. Zu den Personen der Beschwerdeführer, ihren

Familienverhältnissen und ihren Lebensumständen in Österreich:

Die Beschwerdeführer sind Staatsangehörige von Bangladesch und der Volksgruppe der Bengalen sowie der sunnitischen Glaubensgemeinschaft zugehörig. Ihre Muttersprache ist Bengali (BF 1 AS 7; BF 2 AS 7). Der BF 1 und die BF 2 sind seit 2011 (BF 2 AS 5) miteinander verheiratet (BF 1 AS 9; BF 2 AS 9), die unmündige BF 3 ist ihre gemeinsame Tochter (BF 1 AS 9).

Der BF 1 ist im Ort XXXX geboren (BF 1 AS 72) und hat dort gewohnt (BF 1 AS 9). Er hat in seinem Heimatland für von 1987-1992 eine Grundschule und von 1992-1997 eine Hauptschule besucht (BF 1 AS 7). In Bangladesch hat der BF 1 einen Handel betrieben (AS 72 ff.; BF 2 AS 73: ein Schuhhaus). Die BF 2 wurde im Ort XXXX geboren (BF 2 AS 72) und hat zuletzt in XXXX gelebt (BF 2 AS 9). Sie hat in Bangladesch 1989-1994 die Grundschule, 1994-1999 die Hauptschule, 1999-2001 die AHS und 2003-2010 die Universität XXXX zum Studium der Soziologie besucht (AS 7) und nach legaler Einreise in das österreichische Bundesgebiet 2015-2016 die Universität XXXX zum Vorstudienlehrgang besucht (AS 7, 49).

In Bangladesch halten sich die Mutter, fünf Schwestern sowie Tanten und Onkel des BF 1 sowie die Mutter der Vater, zwei Schwestern und ein Bruder der BF 2 auf (BF 1 AS 77; BF 2 AS 9). Zwischen dem BF 1 und seinen in Bangladesch aufhältigen Familienangehörigen besteht aufrechter regelmäßiger Kontakt, nicht hingegen zur Familie der BF2.

Die BF 2 ist am 20.06.2015 (BF 2 AS 13) legal (BF 2 AS 23) in das Bundesgebiet eingereist. Der BF 1 reiste am 07.07.2016 (BF 1 AS 96) legal mit einem Visum in das österreichische Bundesgebiet ein (BF 1 AS 21, 33). Die BF 2 brachte im XXXX die BF 3 zur Welt (BF 3 AS 19).

Sämtliche Beschwerdeführer sind in die Grundversorgung einbezogen.

Außerhalb der Kernfamilie befinden sich keine Verwandten in Österreich (BF 1 AS 77; BF 2 AS 73). Weder der BF 1 noch die BF 2 gehen aktuell in Österreich einer Beschäftigung nach, die BF 2 hat in einem chinesischen und einem iranischen Restaurant in der Küche gearbeitet (BF 2 AS 73). Sie sind in keinen Vereinen oder sonstigen Organisationen tätig (BF 2 AS 74) und haben sich nicht ehrenamtlich engagiert; sie leben im Familienverband im gemeinsamen Haushalt.

Der BF 1 und die BF 2 verfügen über geringe, aber zur Verständigung ausreichende Deutschkenntnisse.

Die Beschwerdeführer sind gesund (BF 2 AS 72).

II.1.2. Zu den Fluchtvorbringen des BF 1 und der BF 2 sowie der BF3:

Nicht festgestellt werden kann eine konkrete Verfolgung der Beschwerdeführer in Bangladesch.

Die BF2 war bereits während ihres Studiums in Bangladesch sozial engagiert und unterstütze NGO.

Nach ihrem Studium arbeitete sie bei einem NGO um Frauen und Kindern zu helfen. Konkret arbeitete sie an der Aufklärung und Verhinderung von "Verkaufshochzeiten" von Minderjährigen.

Bei zwei derartigen Veranstaltungen, zuletzt am 10.09.2013, wurde die BF attackiert, aber haben staatliche Autoritäten, nämlich die Bürgermeister, die BF unterstützt und erreichte sie Urteile zu ihren Gunsten.

Eine Attacke auf Sie und ihrem Ehemann, BF1, während einer Ritschkafahrt am 23.09.2013, welche als Racheakt zu bewerten wäre, wurde durch Einschreiten der Bevölkerung sowie in weiterer Folge durch das Urteil eines Dorfgerichtes zu ihren Gunsten entschieden und wurde ein Vergleich mit den Angreifern abgeschlossen.

Die BF2 hat freiwillig ihre Arbeit bei der NGO am 28.11.2013 beendet. Danach blieb sie zu Hause.

Der BF1 wurde behaupteter Maßen wiederholt zu Schutzgeldzahlungen genötigt, seit der Hochzeit mit der BF2 im Jahr 2011 im erhöhten Ausmaß; Abwehrmaßnahmen gegen die behaupteten Schutzgelderpressungen, etwa durch Anzeige bei staatlichen Autoritäten, wurden vom BF1 nicht getroffen.

Der BF1 und die BF2 wechselten öfters ihren Wohnsitz in Bangladesch, wobei sie in machen Ortschaften das Gefühl der Unsicherheit hatten, (weiterhin) verfolgt zu werden, in manchen Städten, wie zB in XXXX , dieses Gefühl nicht gegeben war.

Die BF2 ist am 21.06.2015 in das Bundesgebiet eingereist, um zu studieren. Dies erfolgte in Abstimmung mit ihrem Ehemann, BF1, welcher, nach "Evaluierung der Situation" am 06.07.2016 ihr folgte.

Seit Mai 2017 lebte der BF1 illegal in Österreich.

Am 18.07.2017 wurde die BF3 in Wien geboren.

Am 07.05.2018 wurde rechtskräftig entschieden, dass der Antrag der BF2 auf Erteilung eines Aufenthaltstitels mangels Studienerfolges abgewiesen wird.

Festgestellt wird, dass die BF2 nach Österreich kam, um hier zu studieren "und danach ein gutes Leben führen" wollte.

Am 30.05.2018 stellten die BF den Antrag auf internationalen Schutz.

Auf Grund der Schilderungen der BF2 wird festgestellt, dass sie in einer NGO tätig war, welche sich primär für die Rechte von Frauen und Kindern einsetzte und gegen die "Verkaufshochzeiten" (Kinderehen) von Minderjährigen aufgetreten ist. Es wird festgestellt, dass sie in den von ihr geschilderten Konfliktfällen von Bürgermeistern und staatlichen Autoritäten unterstützt wurde und wiederholt Urteile zu ihren Gunsten erwirkte bzw. Vergleiche abgeschlossen wurden.

Es wird festgestellt, dass die BF2 ihre Tätigkeit für eine NGO am 28.11.2013 eingestellt hat und zu Hause geblieben ist.

Eine weitergehende Verfolgung der BF1 und BF2 konnte von den BF nicht personenbezogen konkretisiert werden.

Die BF3 macht keine eigenen Fluchtgründe geltend.

Festgestellt wird, dass es den Beschwerdeführern möglich und zumutbar ist, in ihr Heimatland zurückzukehren und sich, allenfalls außerhalb ihrer engeren Herkunftsregion, in Bangladesch niederzulassen.

Die BF werden im Falle einer Rückkehr nicht in eine ausweglose Lage geraten.

II.1.3. Zur maßgeblichen Lage in Bangladesch:

Politische Lage:

Bangladesch - offizielle Bezeichnung Volksrepublik Bangladesch (People' s Republic of Bangladesh / Ga?aprajatantri Ba?lades) ist seit 1991 eine parlamentarische Demokratie (GIZ 12.2018a). Das Land befindet sich größtenteils in der Deltaebene, die durch die Mündung der Flüsse Ganges und Brahmaputra in den Golf von Bengalen (Indischer Ozean) gebildet wird. Nachbarstaaten sind Indien (Westen, Norden und Osten) und Myanmar (Südosten). Die Hauptstadt ist Dhaka (ca. 20 Millionen Einwohner). Auf einer Fläche von ca. 148.000 km² (CIA 21.2.2019) leben etwa 159 bis 165 Millionen Einwohner (CIA 21.2.2019; vgl. GIZ 1.2019, AA 12.2018a). Bangladesch ist mit 1.127 Einwohnern pro Quadratkilometer der am dichtest besiedelte Flächenstaat der Welt (zum Vergleich: Österreich 104 Einwohner pro km²) (WPR o.D.; vgl. AA 12.2018a).

Das Staatsoberhaupt ist der Präsident, der vom Parlament alle fünf Jahre gewählt wird. Eine einmalige Wiederwahl ist möglich. Er übt größtenteils zeremonielle Funktionen aus, während die Macht in den Händen des Premierministers als Regierungschef liegt. Dieser wird von der stärksten im Parlament vertretenen Partei nominiert und vom Präsidenten formell ernannt. Der Premierminister ernennt die Regierungsmitglieder, die vom Präsidenten bestätigt werden. Nach Ende der fünfjährigen Legislaturperiode bildet der Präsident unter seiner Führung eine unabhängige Übergangsregierung, deren verfassungsmäßige Aufgabe es ist, innerhalb von 90 Tagen die Voraussetzungen für Neuwahlen zu schaffen (ÖB 12.2018; vgl. GIZ 12.2018a). Zusätzlich obliegt dem Premierminister die Kontrolle der Geheimdienste, der Streitkräfte und der paramilitärischen Einheiten (GIZ 12.2018a).

Das Parlament (National Parliament oder Jatiya Sangsad) besteht aus einer Kammer mit 300, in Einzelwahlkreisen auf fünf Jahre direkt gewählten, Abgeordneten (ÖB 12.2018) mit zusätzlichen 50 Sitzen, die nur für Frauen reserviert sind (AA 27.10.2017; vgl. GIZ 12.2018). Diese werden nicht direkt durch eine Wahl vergeben, sondern die Parteien, die es ins Parlament schaffen, nominiert (GIZ 12.2018a). Das Parlament tagt nicht während der Amtszeit der Übergangsregierung. Das Mehrheitswahlrecht führt zu stabilen Mehrheiten im Parlament und hat die Herausbildung der Bangladesch Nationalist Party (BNP) und der Awami League (AL) als dominierende und konkurrierende Parteien begünstigt. Während die konservative BNP Verbündete bei den islamistischen Parteien wie der Jamaat-e-Islami (JI) hat, bekommt die AL traditionell Unterstützung von linken und säkularen Parteien, wie der Arbeiterpartei, der liberaldemokratischen Partei, der national-sozialen Partei Jatiyo Samajtantrik Dal und jüngst auch von der Jatiya Partei, unter dem ehemaligen Militärdiktator Hossain Mohammad Ershad (ÖB 12.2018).

Das politische Leben wird seit 1991 durch die beiden größten Parteien, die "Awami League" (AL) und "Bangladesh Nationalist Party" (BNP) bestimmt. Klientelismus und Korruption sind weit verbreitet. Gewerkschaften, Studentenorganisationen, Polizei und Verwaltung sind parteipolitisch durchdrungen (AA 12.2018). Beide Parteien haben keine demokratische interne Struktur und werden von Familien geführt, die Bangladesch seit der Unabhängigkeit geprägt haben (FH 1.2018).

Seit 2009 ist Sheikh Hasina von der Awami League (AL) Premierministerin (GIZ 12.2018a; vgl. ÖB 12.2018). Im Jänner 2019 wurde Sheikh Hasina für ihre vierte Amtszeit, die dritte Amtszeit in Folge, als Premierministerin angelobt. Im Februar 2019 gab sie bekannt, dass sie nach dieser Amtszeit an die "junge Generation" übergeben wolle (DW 14.2.2019).

Bei den elften bangladeschischen Parlamentswahlen vom 30.12.2018 erzielte die "Große Allianz" um die regierende AL einen Erdrutschsieg mit 96 % der Stimmen und 289 der 300 zur Wahl stehenden Parlamentssitze (Guardian 30.12.2018; vgl. BN24 31.12.2018, DT 27.1.2019, DS 10.1.2019), wobei in zwei Wahlkreisen aufgrund von Gewalt (DS 10.1.2019) bzw. dem Tod eines Kandidaten Nachwahlen notwendig waren (DT 27.1.2019).

Es gibt Berichte über Wahlmanipulation. Die Opposition verurteilte die Wahl als "Farce" und fordert die Annullierung des Ergebnisses und Neuwahlen. Die Regierungspartei weist die Manipulationsvorwürfe und Neuwahlforderungen zurück und nennt die Wahl "völlig frei und unabhängig" (BBC 31.12.2018). In einer vorläufigen Bewertung erklärten Wahlbeobachter der SAARC (South Asian Association for Regional Cooperation), dass die Wahl "viel freier und fairer" ablief als die vorherigen (Hindu 1.1.2019). Bereits im Vorfeld der Wahl kam es zu Gewalt zwischen rivalisierenden Anhängern und zu harten Vorgehen der Regierung (BBC 31.12.2018; vgl. Hindu 1.1.2019). Von Oktober bis Anfang Dezember 2018 fanden wiederholt Fälle willkürlicher Verhaftungen und Inhaftierungen von Demonstranten und politischen Oppositionellen sowie von Gewalttaten und Einschüchterungen durch Mitglieder der Studenten- und Jugendabteilung der Regierungspartei statt. (HRW 13.12.2018). Am Wahltag waren rund 600.000 Sicherheitskräfte, darunter Armee und paramilitärische Truppen, im Einsatz, um die Gewalt einzudämmen (Guardian 30.12.2018). Am Wahltag wurden mindestens 17 Menschen bei Zusammenstößen zwischen Anhängern der regierenden Partei und der Opposition getötet (Reuters 1.1.2019).

2014 trat die BNP aus Protest gegen Verfahrensfehler bei der Organisation der Wahlen nicht zur Wahl an und forderte die Bevölkerung, ihre eigenen Parteimitglieder und Wähler zu einem Generalstreik (Hartal) auf. Eine der wichtigsten BNP-Vertreter der Opposition war und ist die ehemalige Premierministerin und amtierende BNP-Parteivorsitzende Khaleda Zia. Sie wurde im Februar 2018 wegen Veruntreuung zu einer Haftstrafe von fünf Jahren verurteilt (GIZ 12.2018a) und durfte bei den Parlamentswahlen am 30.12.2018 nicht als Kandidatin antreten (DT 8.12.2018). Die oppositionelle BNP hat aufgrund ihrer starken gesellschaftlichen Verankerung das Potential, durch Generalstreiks großen außerparlamentarischen Druck zu erzeugen (GIZ 12.2018a).

Infolge der Dominanz der AL und der fehlenden innerparteiischen Demokratie hat de facto die exekutive Spitze das ausschließliche Sagen bei Gesetzesentwürfen. Wie schon die Vorgängerregierungen baut auch die gegenwärtige AL-Regierung ihre Netzwerke in Verwaltung, Rechtswesen und Militär aus. Verschärfend kommt hinzu, dass die BNP als vormals größte Oppositionspartei nach ihrem Wahlboykott am 5.1.2014 überhaupt nicht mehr im Parlament vertreten war (GIZ 12.2018a) und bei den Parlamentswahlen am 30.12.2018 nur sechs Mandate erzielen konnte (BI 31.12.2018; vgl. DS 10.1.2019).

Durch Verfassungsänderung von Juni 1988 wurde der Islam zur Staatsreligion erklärt, bei gleichzeitiger verfassungsrechtlicher Verankerung des Rechts auf friedliche Ausübung anderer Religionen. Auch Säkularismus ist Staatsprinzip und genießt Verfassungsrang (AA 27.10.2017). Die verfassungsändernde Mehrheit der AL im Parlament führt zu einer enormen Machtkonzentration. Gesetzesinitiativen schränken den Spielraum der Zivilgesellschaft weiter ein. Die derzeitige Regierung hat es sich zum Ziel gemacht, Verbrechen des Unabhängigkeitskrieges von 1971 juristisch aufzuarbeiten. Angeklagt sind damalige Kollaborateure der pakistanischen Streitkräfte, von denen viele bis zur letzten innerparteilichen Wahl in führenden Positionen der islamistischen JI waren. Die Prozesse und (häufig Todes-) Urteile öffnen alte Wunden und führen zu gewaltsamen Auseinandersetzungen zwischen säkularen und islamistischen Kräften (AA 12.2018).

Bei den am 30.12.2015 in 234 Stadtbezirken durchgeführten Kommunalwahlen in Bangladesch ist die regierende AL in 176 Bezirken als Siegerin hervorgegangen (NETZ 2.1.2016). Die kommenden Kommunalwahlen werden an fünf verschiedenen Wahltagen zwischen 10.3. und 18.6.2019 stattfinden (bdnews24 3.2.2019). Am ersten Wahltermin wurden in den 78 Upazilas eine geringe Wahlbeteiligung beobachtet. Die Wahl wird von der BNP und einigen anderen Parteien boykottiert (DS 10.3.2019).

Der Verwaltungsaufbau von Bangladesch ist zentralstaatlich: Das Land ist in acht Regionen (Divisions), 64 Bezirke (Districts), 501 Landkreise bzw. Großstädte (Upazilas / City Corporations), 4.876 Gemeindeverbände (Union Councils / Municipalities) und circa 87.000 Dorfgemeinden gegliedert (AA 12.2018; vgl. ÖB 12.2018). Im Gebiet der Chittagong Hill Tracts gilt eine besondere Verwaltung, die der lokalen (indigenen), nicht-bengalischen Bevölkerung verstärkte Mitwirkungsmöglichkeiten einräumen soll (ÖB 12.2018).

Quellen:

* AA - Auswärtiges Amt der Bundesrepublik Deutschland (12.2018):

Bangladesch - Innenpolitik,

https://www.auswaertiges-amt.de/de/aussenpolitik/laender/bangladesch-node/-/206322, Zugriff 7.3.2019

* AA - Auswärtiges Amt der Bundesrepublik Deutschland (27.10.2017):

Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Volksrepublik Bangladesch (Stand: Oktober 2017).

* BBC (31.12.2018): Bangladesh election: PM Sheikh Hasina wins landslide in disputed vote,

https://www.bbc.com/news/world-asia-46718393, Zugriff 7.3.2019

* bdnews24 (3.2.2019): 87 Upazila councils go to election on Mar 10 in first phase,

https://bdnews24.com/bangladesh/2019/02/03/87-upazila-councils-go-to-election-on-mar-10-in-first-phase, Zugriff 7.3.2019

* BI - Bangla Insider (31.12.2018): final results of 11th parliamentary elction of Bangladesh 2018, https://en.banglainsider.com/bangladesh/4469/FINAL-RESULTS-OF-11th-PARLIAMENTARY-ELECTION-OF-BANGLADESH-2018, Zugriff 3.1.2019

* BN24 - Bangla News 24 (31.12.2018): Grand alliance wins 288 seats, https://www.banglanews24.com/english/national/article/73191/Grand-alliance-wins-288-seats, Zugriff 7.3.2019

* DS - Daily Star, the (10.1.2019): BNP's Sattar bags B'baria-2, https://www.thedailystar.net/bangladesh-national-election-2018/bangladesh-re-election-3-centres-brahmanbaria-2-constituency-going-peacefully-1685053, Zugriff 11.3.2019

* DS - Daily Star, the (10.3.2019): First phase upazila polls end, counting starts,

https://www.thedailystar.net/country/news/election-78-upazilas-begins-1712992, Zugriff 11.3.2019

* DT - Dhaka Tribune (27.1.2019): Ruling party's Dr Younus Ali Sarker wins Gaibandha 3

by-polls,https://www.dhakatribune.com/bangladesh/election/2019/01/27/voting-in-gaibandha-3-by-polls-underway, Zugriff 11.3.2019

* DT - Dhaka Tribune (8.12.2018): EC rejects Khaleda Zia's candidature by majority decision, https://www.dhakatribune.com/bangladesh/election/2018/12/08/khaleda-zia-s-appeal-remains-pending, Zugriff 7.3.2019

* DW - Deutsche Welle (14.2.2019): Bangladesh PM Sheikh Hasina hints at last term as prime minister, https://www.dw.com/en/bangladesh-pm-sheikh-hasina-hints-at-last-term-as-prime-minister/a-47513555, Zugriff 7.3.2019

* FH - Freedom House (1.2018): Freedom in the World 2018 - Bangladesh, https://www.ecoi.net/de/dokument/1442339.html, Zugriff 28.2.2019

* GIZ - Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (12.2018a): Bangladesch - Geschichte & Staat, https://www.liportal.de/bangladesch/geschichte-staat/, Zugriff 7.3.2019

* GIZ - Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (1.2019): Bangladesch - Überblick, https://www.liportal.de/bangladesch/ueberblick/, Zugriff 11.3.2019

* Guardian, The (30.12.2018): Bangladesh PM Hasina wins thumping victory in elections opposition reject as 'farcical', https://www.theguardian.com/world/2018/dec/30/bangladesh-election-polls-open-after-campaign-marred-by-violence, Zugriff 7.3.2019

* Hindu, The (1.1.2019): Hasina's triumph: on Bangladesh election results,

https://www.thehindu.com/opinion/editorial/hasinas-triumph/article25874907.ece, Zugriff 7.3.2019

* NETZ - Partnerschaft für Entwicklung und Gerechtigkeit e.V. (2.1.2016): Bangladesch Aktuell, http://bangladesch.org/bangladesch/aktuell/detailansicht/news/detail/News/kommunalwahlen/cHash/781fa29261a9302cfb84107680f22794.html, Zugriff 7.3.2019

* ÖB DEL - Österreichische Botschaft Neu Delhi (12.2018):

Asylländerbericht Bangladesch [Arbeitsversion].

* Reuters (1.1.2019): Western powers call for probe into Bangladesh election irregularities, violence, https://www.reuters.com/article/us-bangladesh-election/western-powers-call-for-probe-into-bangladesh-election-irregularities-violence-idUSKCN1OV1PK, Zugriff 7.3.2019

* RW - Human Rights Watch (13.12.2018): Bangladesh: Crackdown as Elections Loom, https://www.ecoi.net/de/dokument/1454483.html, Zugriff 7.3.2019

* WPR - World Population Review (o.D.): World Countries by Population Density 2019,

http://worldpopulationreview.com/countries/countries-by-density/. Zugriff 7.3.2019

Sicherheitslage:

Der Hass zwischen den politischen Parteien, insbesondere Awami League und die Bangladesch National Party, ist für den größten Teil an Gewalt im Land verantwortlich (ACLED 9.11.2018; vgl. FH 1.2018). Beide Parteien sind - gemeinsam mit unidentifizierten bewaffneten Gruppen - in Vandalismus und gewalttätige Auseinandersetzungen verwickelt und greifen auch friedliche Zivilisten an (ACLED 9.11.2018).

Von nichtstaatlichen Akteuren (insbesondere Opposition, Islamisten, Studenten) geht nach wie vor in vielen Fällen Gewalt aus. Die öffentliche Sicherheit ist fragil. Das staatliche Gewaltmonopol wird durchbrochen. Es kommt häufig zu Morden und gewalttätigen Auseinandersetzungen aufgrund politischer (auch innerparteilicher) oder krimineller Rivalitäten. Eine Aufklärung erfolgt selten. Politische Auseinandersetzungen werden von allen Lagern - mit einem teilweise massiven Aufgebot an Menschen und unter Rekrutierung von Studenten- und Jugendorganisationen - auf der Straße ausgetragen (AA 27.10.2017). Spontane Streiks und Kundgebungen können jederzeit stattfinden (BMEIA 14.12.2018; vgl. AA 25.2.2019), dabei können Kämpfe zwischen Sicherheitsbehörden und Demonstranten, Brandstiftung, Gewalt und Vandalismus unvorhergesehen auftreten (UKHO 28.2.2019).

Gewalt gegen Zivilisten oder staatliche Kräfte durch Rebellen macht einen relativ kleinen Anteil an allen Gewaltereignissen aus. Es gibt radikale islamistische Gruppen wie die Mujahideen Bangladesh (JMB) und Ansarullah Bangla Team (ABT). Sowohl der Islamische Staat (IS) und Al Qaeda in the Indian Subcontinent (AQIS) geben an, in Bangladesch aktiv zu sein, was von der Regierung jedoch dementiert wird (ACLED 9.11.2018). Im März 2017 kam es zu drei Selbstmordattentaten mit Todesfolge, zu denen sich der Islamische Staat bekannte (BMEIA 14.12.2018, vgl. USDOS 20.4.2018).

Extremistische Gruppen führen Angriffe auf Angehörige vulnerabler Gruppen durch (USDOS 20.4.2018; vgl. AI 22.2.2017; AA 27.10.2017). In vielen Fällen ist nicht eindeutig differenzierbar, ob religiöse Motive oder säkulare Interessen, wie z. B. Racheakte oder Landraub, Grund für die Vorfälle sind. In vielen Fällen wird den Sicherheitsbehörden vorgeworfen, nicht oder zu spät reagiert zu haben, vereinzelt sogar an Gewaltakten aktiv teilgenommen zu haben (AA 27.10.2017).

In der Division Chittagong, insbesondere im Gebiet der Chittagong Hill Tracts (Bezirke Rangamati, Khagrachari und Bandarban) kommt es zu bewaffneten Unruhen und kriminellen Übergriffen (BMEIA 14.12.2018; vgl. AA 25.2.2019; UKHO 28.2.2019). Im Juni 2017 griff eine aufgebrachte Menschenmenge indigene Bewohner der Stadt Langadu im Bezirk Rangamati Hill an und tötete dabei mindestens eine Person. Außerdem wurden Hunderte Häuser niedergebrannt. Berichten zufolge unternahmen Polizisten und Soldaten nichts, um die indigenen Bewohner zu schützen (AI 23.5.2018). Im südöstlichen Verwaltungsbezirk Cox's Bazar der Division Chittagong, hat es zuletzt in bzw. in der Nähe von Flüchtlingslagern vereinzelt gewalttätige Zwischenfälle gegeben. Am 21. Februar 2019 wurden dabei auch ausländische Journalisten angegriffen (AA 25.2.2019).

An der Grenze zu Indien kommt es gelegentlich zu Schusswechseln zwischen indischen und bangladeschischen Grenzwächtern. Regelmäßig werden Menschen getötet, die versuchen, illegal die Grenze zu überqueren (UKHO 28.2.2019).

In der Monsunzeit von Mitte Juni bis Mitte Oktober muss mit Überschwemmungen gerechnet werden, im südlichen Landesdrittel von Oktober bis November und Mitte April bis Mitte Mai grundsätzlich auch mit Wirbelstürmen (AA 25.2.2019). Regelmäßig wiederkehrende Überschwemmungen sowie die Erosion von Flussufern führen zu einer umfangreichen Binnenmigration (AA 27.10.2017). Die Kriminalität hat ist hoch, insbesondere Raubüberfälle (BMEIA 14.12.2018).

Quellen:

* AA - Auswärtiges Amt der Bundesrepublik Deutschland (25.2.2019):

Bangladesch: Reise- und Sicherheitshinweise, https://www.auswaertiges-amt.de/de/aussenpolitik/laender/bangladesch-node/bangladeschsicherheit/206292, Zugriff 27.2.2019

* AA - Auswärtiges Amt der Bundesrepublik Deutschland (27.10.2017):

Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Volksrepublik Bangladesch (Stand: Oktober 2017).

* ACLED - Armed Conflict Location & Event Data Project (9.11.2018):

The Anatomy of Violence in Bangladesh, https://www.acleddata.com/2018/11/09/the-anatomy-of-violence-in-bangladesh/, Zugriff 6.3.2019

* AI - Amnesty International (23.5.2018): Bangladesch 2017/18, https://www.amnesty.de/jahresbericht/2018/bangladesch, Zugriff 5.3.2019

* BMEIA - Bundesministerium Europa, Integration und Äußeres (14.12.2018): Bangladesch - Reiseinformation, https://www.bmeia.gv.at/reise-aufenthalt/reiseinformation/land/bangladesch/, Zugriff 6.3.2019

* FH - Freedom House (1.2018): Freedom in the World 2018 - Bangladesh, https://www.ecoi.net/de/dokument/1442339.html, Zugriff 28.2.2019

* ÖB - Österreichische Botschaft Neu Delhi (12.2018):

Asylländerbericht Bangladesch [Arbeitsversion].

* UKHO - UK Home Office (28.2.2019): Foreign travel advice Bangladesh - Safety and security, https://www.gov.uk/foreign-travel-advice/bangladesh/safety-and-security, Zugriff 6.3.2019

* USDOS - US Department of State (20.4.2018): Country Report on Human Rights Practices 2017 - Bangladesh, https://www.ecoi.net/de/dokument/1430114.html, Zugriff 27.2.2019

Rechtsschutz/Justizwesen:

Das Gerichtssystem besteht aus zwei Instanzen, den untergeordneten Gerichten (Magistrates, Session- und District Judges) und dem Obersten Gerichtshof. Beide verhandeln Zivil- und Strafrechtssachen. Das Rechtssystem beruht weitgehend auf dem englischen "Common Law". Der Oberste Gerichtshof besteht aus zwei Abteilungen, dem "High Court", der Verfassungsfragen verhandelt und als Berufungsinstanz zu den erstinstanzlichen Gerichten fungiert, sowie dem "Appellate Court", dessen Entscheidungen für alle übrigen Gerichte bindend sind. Die Richter beider Abteilungen werden gemäß der Verfassung vom Präsidenten ernannt (ÖB 12.2018).

Die Unabhängigkeit der Richter wird von der Verfassung garantiert. In der Praxis unterstellt allerdings eine schon lange geltende temporäre Bestimmung der Verfassung die erstinstanzlichen Richter der Exekutive. Auch ihre Ernennung und Remuneration ist Sache der Exekutive. Demgegenüber haben die Richter des Obersten Gerichtshofs des Öfteren ihre Unabhängigkeit demonstriert und gegen die Regierung entschieden (ÖB 12.2018). Gemäß einer Verfassungsänderung hat das Parlament seit 2014 das Recht, oberste Richter abzusetzen (USDOS 20.4.2018).

Auf Grundlage mehrerer Gesetze ("Public Safety Act", "Law and Order Disruption Crimes Speedy Trial Act", "Women and Children Repression Prevention Act", "Special Powers Act") wurden Sondertribunale errichtet, die Fälle innerhalb eines festgesetzten Zeitrahmens erledigen müssen. Es fehlen allerdings Vorschriften für den Fall, dass sie dieser Verpflichtung nicht nachkommen. Diese "Speedy Trial" Tribunale haben Medienberichten zufolge in den vergangenen Jahren ca. 200 Personen zum Tode verurteilt (ÖB 12.2018).

Wie die meisten Beobachter von Bangladesch übereinstimmend angeben, stellen Korruption, Ineffizienz der Justiz, gezielte Gewalt gegen Richter und ein gewaltiger Rückstau an offenen Fällen große Probleme dar (ÖB 12.2018). Gerichtsverfahren sind durch eine überlange Verfahrensdauer geprägt, was viele Angeklagten bei der Inanspruchnahme ihres Rechts auf ein faires Verfahren hindert. Weiters kommt es zu Zeugenbeeinflussung und Einschüchterung von Opfern (USDOS 20.4.2018; vgl. FH 1.2018). Strafanzeigen gegen Mitglieder der regierenden Partei werden regelmäßig zurückgezogen (FH 1.2018). Die schiere Zahl der gegen die politische Opposition eingeleiteten Klagen im Vorfeld zur 11. Parlamentswahl vom 30.12.2018, deutet auf ein ungehindertes Spielfeld und die Kontrolle der Regierungspartei über die Justiz- und Sicherheitsinstitutionen hin (FIDH 9.1.2019).

Zwei Drittel aller Streitfälle erreichen nicht das formelle Justizsystem, sondern werden von informellen Dorfgerichten oder bedeutenden Persönlichkeiten der lokalen Gemeinschaften entschieden. Diese behandeln meist Fälle betreffend Familienrecht, Unterhalt, Zweitehen, Mitgiftstreitigkeiten und Landeigentum. Obwohl diese "Gerichte" eine durch Tradition legitimierte, schnellere und günstigere Alternative zu ordentlichen Gerichten darstellen, sind sie hinsichtlich der Einflussnahmemöglichkeiten durch lokal bedeutsame Persönlichkeiten sowie der gesellschaftliche Stellung von Frauen nicht unproblematisch. Die islamische Scharia ist zwar nicht formell als Gesetz eingeführt, spielt aber insbesondere in den Bereichen des Zivilrechts (Erbschaft, Grunderwerb, Heirat und Scheidung etc.) eine große Rolle (ÖB 12.2018).

Quellen:

* FH - Freedom House (1.2018): Freedom in the World 2018 - Bangladesh, https://www.ecoi.net/de/dokument/1442339.html, Zugriff 28.2.2019

* FIDH - International Federation for Human Rights (Hg.) (9.1.2019):

Joint statement [by AHRC - Asian Human Rights Commission; ANFREL - Asian Network for Free Elections; GNDEM - Global Network of Domestic Election Monitors; FIDH - International Federation for Human Rights; CMEV - Centre for Monitoring Election Violence, Sri Lanka] on the undemocratic electoral environment in Bangladesh, https://www.fidh.org/en/region/asia/bangladesh/joint-statement-on-the-undemocratic-electoral-environment-in, Zugriff 6.3.2019

* ÖB - Österreichische Botschaft Neu Delhi (12.2018):

Asylländerbericht Bangladesch [Arbeitsversion].

* USDOS - US Department of State (20.4.2018): Country Report on Human Rights Practices 2017 - Bangladesh, https://www.ecoi.net/de/dokument/1430114.html, Zugriff 27.2.2019

NGOs und Menschenrechtsaktivisten:

Bangladesch verfügt über eine große, seit den 1970er Jahren wachsende Zahl an regierungsunabhängigen Menschenrechtsorganisationen (ÖB 12.2018; vgl. USDOS 20.4.2018). Die meisten NGOs können uneingeschränkt arbeiten, jedoch werden Gruppen, die als übermäßig regierungskritisch gelten, überwacht und schikaniert und ihnen werden regelmäßig notwendige behördliche Genehmigungen verweigert (FH 1.2018). NGOs können ihre Erkenntnisse veröffentlichen, jedoch sind Regierungsvertreter diesbezüglich nur selten interessiert oder kooperativ (USDOS 20.4.2018).

Die Schwerpunkte dieser Organisationen liegen eher im Bereich des sozialen Engagements, insbesondere der Bildungsarbeit und Gesundheitsversorgung der armen Landbevölkerung. Weit entwickelt sind auch Mikrokreditinstitutionen, deren Hauptzielgruppe der weibliche Teil der armen Bevölkerungsschichten ist. NGOs spielen ebenso eine wichtige Rolle für die Durchsetzung der Grundrechte von marginalisierten Bevölkerungsgruppen (ÖB 12.2018).

Menschenrechts-NGOs in Bangladesch üben oft harsche Kritik an der Regierung, sehen sich deswegen aber nicht generell staatlichen Repressionen ausgesetzt. Seit Ausrufung des Ausnahmezustandes kam es aber wieder zu einer Verschlechterung der Situation. Im Zuge der Anti-Korruptionskampagne der Übergangsregierung gerieten auch prominente NGO-Vertreter ins Visier der Behörden (ÖB 12.2018). Weiterhin werden häufig Berichte über Einschüchterungen und Bedrohungen gegenüber Menschenrechtsverteidigern bekannt. Der Druck auf die Zivilgesellschaft durch die Regierung ist hoch (AA 27.10.2017). Menschenrechtsgruppen praktizieren Selbstzensur und Bedrohungen von Extremisten sowie eine zunehmend autoritär agierende Regierungspartei führte zu einer Kultur der Angst in der Zivilgesellschaft (USDOS 20.4.2018).

Die Menschenrechtsorganisation Odhikar war von einer Schmierkampagne betroffen, in der ihr "anti-staatliche und regierungsfeindliche" Aktivitäten und die "Verschwörung gegen das Land" vorgeworfen wurde (FIDH 9.1.2019). Die Bangladesh Election Commission (BEC) verbot Odhikar Wahlbeobachter bei der Parlamentswahl vom 30.12.2018 einzusetzen (FIDH 9.1.2019; vgl. AI 13.12.2018). Insgesamt wurden nur etwa 26.000 Wahlbeobachter akkreditiert (FIDH 9.1.2019).

Alle aktiven NGOs müssen beim Ministry of Social Welfare registriert sein. Sowohl lokale als auch internationale Organisationen, die zu sensiblen Themen wie Menschenrechte, indigene Bevölkerung, Rohingya Flüchtlinge oder Arbeitsrecht arbeiten, sehen sich mit formellen und informellen Restriktionen konfrontiert (ÖB 12.2018; vgl. USDOS 20.4.2018). Durch eine Neuregelung der Regularien für die Annahme von Projektgeldern und Spenden aus dem Ausland wird die Arbeit vieler NGOs durch zusätzlichen bürokratischem

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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