TE Bvwg Erkenntnis 2020/2/21 W101 2154269-3

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Veröffentlicht am 21.02.2020
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Entscheidungsdatum

21.02.2020

Norm

AsylG 2005 §10 Abs1 Z3
AsylG 2005 §3 Abs1
AsylG 2005 §34 Abs4
AVG §68 Abs1
B-VG Art. 133 Abs4
VwGVG §28 Abs2

Spruch

W101 2154269-3/8E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Dr. Christine AMANN als Einzelrichterin über die Beschwerde der mj. XXXX , geb. XXXX , StA. Iran, gesetzlich vertreten durch ihre Mutter XXXX , geb. XXXX , StA. Iran, diese vertreten durch RA Dr. Gerhard KOLLER, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 16.07.2019, Zl. 1147288706/19010575, zu Recht erkannt:

A)

Der Beschwerde wird gemäß § 28 Abs. 2 VwGVG iVm § 68 Abs. 1 AVG stattgegeben und der angefochtene Bescheid behoben.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

Die mj. Beschwerdeführerin, eine iranische Staatsangehörige und Zugehörige der Volksgruppe der Fars, wurde am XXXX - nach illegaler Einreise ihrer Eltern und ihres minderjährigen Bruders - in Österreich nachgeboren. Diese stellten am 17.10.2015 einen Antrag auf internationalen Schutz (in weiterer Folge auch als erster Asylantrag bezeichnet). Für die Beschwerdeführerin wurde nach deren Geburt am 29.03.2017 ein Antrag auf internationalen Schutz gestellt.

Mit Bescheid des BFA vom 03.04.2017, Zl. 1147288706/170387620, wurde der Antrag der Beschwerdeführerin auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status der Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG abgewiesen (Spruchpunkt I.). Gemäß § 8 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG wurde der Antrag auf internationalen Schutz hinsichtlich der Zuerkennung des Status der subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Iran abgewiesen (Spruchpunkt II.). Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG wurde nicht erteilt; gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG iVm § 9 BFA-VG wurde gegen die Beschwerdeführerin eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG erlassen und gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass deren Abschiebung in den Iran gemäß § 46 FPG zulässig sei (Spruchpunkt III.). Gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG betrage die Frist für die freiwillige Ausreise vierzehn Tage ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung (Spruchpunkt IV.).

Gegen diesen Bescheid erhob die Beschwerdeführerin durch ihre gesetzliche Vertretung fristgerecht eine Beschwerde.

Mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 28.11.2018, GZ. L5062151469-1/12E, war die Beschwerde gegen den Bescheid des BFA vom 03.04.2017 als unbegründet abgewiesen worden. Mit der rechtswirksamen Zustellung dieses Erkenntnisses am 06.12.2018 erwuchs das erste Asylverfahren der minderjährigen Beschwerdeführerin in Rechtskraft.

Am 29.01.2019 stellte die minderjährige Beschwerdeführerin durch ihre gesetzliche Vertreterin zum zweiten Mal einen Antrag auf internationalen Schutz (in der Folge auch als zweiter Asylantrag bezeichnet). Am selben Tag fand durch Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes die Erstbefragung ihrer gesetzlichen Vertreterin statt. Am 20.02.2019 fand die niederschriftliche Einvernahme ihrer gesetzlichen Vertreterin vor dem BFA statt.

Mit Bescheid vom 16.07.2019, Zl. 1091427610/190100309, wies das BFA den zweiten Asylantrag der Beschwerdeführerin hinsichtlich des Status der Asylberechtigten und hinsichtlich des Status der subsidiär Schutzberechtigten gemäß § 68 Abs. 1 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 - AVG, BGBl. Nr. 51/1991 idgF, (in der Folge: AVG) wegen entschiedener Sache zurück. Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG war nicht erteilt worden (Spruchpunkt III.). Gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG iVm § 9 BFA-VG erließ das BFA gegen die Beschwerdeführerin eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG (Spruchpunkt IV.) und stellte gemäß § 52 Abs. 9 FPG fest, dass seine Abschiebung gemäß § 46 FPG in den Iran zulässig sei (Spruchpunkt V.). Gemäß § 55 war keine Frist für eine freiwillige Ausreise festgelegt worden (Spruchpunkt VI.) Gemäß § 15b Abs. 1 AsylG trug das BFA der Beschwerdeführerin auf, von 26.02.2019 bis 10.07.2019 in einem näher genannten Quartier Unterkunft zu nehmen (Spruchpunkt VII.).

Ebenso stellten die Eltern und der minderjährige Bruder der minderjährigen Beschwerdeführerin am 29.01.2019 ihren zweiten Asylantrag. Der Beschwerde des Vaters der minderjährigen Beschwerdeführerin gegen die Zurückweisung seines zweiten Asylantrages war mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 2102.2020, Zl. W101 2151451-3/8E, stattgegeben und der angefochtene Bescheid behoben worden.

Laut aktuellem Auszug aus dem zentralen Melderegister leben die minderjährige Beschwerdeführerin, ihre Eltern und ihr minderjähriger Bruder an derselben Adresse.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Die minderjährige Beschwerdeführerin ist iranische Staatsangehörige und Zugehörige der Volksgruppe der Fars.

Die minderjährige Beschwerdeführerin ist die minderjährige Tochter des XXXX , dessen Beschwerde gegen die Zurückweisung seines zweiten Asylantrages stattgegeben und sein Asylverfahren damit erneut zugelassen wurde.

Die Beschwerdeführerin gehört sohin der Familie an und es liegt im gegenständlichen Fall ein Familienverfahren vor. Die Beschwerdeführerin ist strafunmündig.

2. Beweiswürdigung:

Die zuständige Einzelrichterin des Bundesverwaltungsgerichtes hat nach dem Grundsatz der freien Beweiswürdigung über die Beschwerde gegen den o.a. Bescheid folgende Erwägungen getroffen:

Der unter Punkt II.1. festgestellte Sachverhalt ergibt sich aus den eigenen Angaben der gesetzlichen Vertreterin der minderjährigen Beschwerdeführerin im Verfahren sowie aus den damit übereinstimmenden Akteninhalten der anderen Familienangehörigen. Auch das BFA ging vom Vorliegen eines Familienverfahrens gemäß § 34 AsylG aus.

3. Rechtliche Beurteilung:

3.1. Gemäß § 6 BVwGG entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist. Da im vorliegenden Verfahren keine Entscheidung durch Senate vorgesehen ist, liegt gegenständlich Einzelrichterzuständigkeit vor.

Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichtes ist durch das VwGVG, BGBl. I 2013/33 idF BGBl. I 2013/122, geregelt (§ 1 leg.cit.). Gemäß § 58 Abs. 2 VwGVG bleiben entgegenstehende Bestimmungen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht wurden, in Kraft.

Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung - BAO, BGBl. Nr. 194/1961, des Agrarverfahrensgesetzes - AgrVG, BGBl. Nr. 173/1950, und des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984 - DVG, BGBl. Nr. 29/1984, und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.

3.2. Gemäß § 21 Abs. 7 BFA-VG kann eine mündliche Verhandlung unterbleiben, wenn der Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde geklärt erscheint oder sich aus den bisherigen Ermittlungen zweifelsfrei ergibt, dass das Vorbringen nicht den Tatsachen entspricht. Im Übrigen gilt § 24 VwGVG.

Nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes zur am 30.06.2008 außer Kraft getretenen (vgl. BGBl. I Nr. 87/2008) Regelung des Art. II Abs. 2 lit. D Z 43a EGVG war der Sachverhalt nicht als geklärt anzusehen, "wenn die erstinstanzliche Beweiswürdigung in der Berufung substantiiert bekämpft wird oder der Berufungsbehörde ergänzungsbedürftig oder in entscheidenden Punkten nicht richtig erscheint, wenn rechtlich relevante Neuerungen vorgetragen werden oder wenn die Berufungsbehörde ihre Entscheidung auf zusätzliche Ermittlungsergebnisse stützen will" (VwGH 02.03.2006, Zl. 2003/20/0317 mit Hinweisen auf VwGH 23.01.2003, Zl. 2002/20/0533; 12.06.2003, Zl. 2002/20/0336).

Auch der Verfassungsgerichtshof hat im Zuge der Prüfung der Verfassungsmäßigkeit der Vorgängerbestimmung des § 21 Abs. 7 BFA-VG, nämlich des § 41 Abs. 7 AsylG 2005, ausdrücklich klargestellt, dass die Durchführung einer mündlichen Verhandlung vor dem "Asylgerichtshof" (nunmehr: Bundesverwaltungsgericht) erforderlich ist, wenn die vom betroffenen Asylwerber bereits im Verwaltungsverfahren oder in der Beschwerde aufgeworfenen Fragen - allenfalls mit ergänzenden Erhebungen - nicht aus den Verwaltungsakten beantwortet werden können, und insbesondere, wenn der Sachverhalt zu ergänzen oder die Beweiswürdigung mangelhaft ist (VfGH 14.03.2012, Zl. U466/11 u.a.).

Ausgehend von dieser Rechtsprechung, war der maßgebliche Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde (und aus der den Vater der Beschwerdeführerin betreffenden Aktenlage zu W101 2151451-3) als geklärt anzusehen. Somit konnte die Durchführung einer mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht im Fall der Beschwerdeführerin gemäß § 21 Abs. 7 BFA-VG unterbleiben.

3.3. Zu A)

3.3.1. Gemäß § 2 Abs. 1 Z 22 AsylG 2005 ist im Sinne dieses Bundesgesetzes Familienangehöriger: wer Elternteil eines minderjährigen Kindes, Ehegatte oder zum Zeitpunkt der Antragstellung minderjähriges lediges Kind eines Asylwerbers oder eines Fremden ist, dem der Status des subsidiär Schutzberechtigten oder des Asylberechtigten zuerkannt wurde, sofern die Ehe bei Ehegatten bereits vor der Einreise bestanden hat, sowie der gesetzliche Vertreter der Person, der internationaler Schutz zuerkannt worden ist, wenn diese minderjährig und nicht verheiratet ist, sofern dieses rechtserhebliche Verhältnis bereits vor der Einreise bestanden hat; dies gilt weiters auch für eingetragene Partner, sofern die eingetragene Partnerschaft bereits vor der Einreise bestanden hat.

Die Beschwerdeführerin ist das minderjährige ledige Kind des XXXX , sodass die Beschwerdeführerin die Begriffsbestimmung eines Familienangehörigen erfüllt.

Gemäß § 34 Abs. 4 AsylG 2005 hat die Behörde (hier: das Bundesverwaltungsgericht) Anträge von Familienangehörigen eines Asylwerbers gesondert zu prüfen; die Verfahren sind unter einem zu führen; unter den Voraussetzungen der Abs. 2 und 3 erhalten alle Familienangehörigen den gleichen Schutzumfang. Entweder ist der Status des Asylberechtigten oder des subsidiär Schutzberechtigten zuzuerkennen, wobei die Zuerkennung des Status des Asylberechtigten vorgeht, es sei denn, alle Anträge wären als unzulässig zurückzuweisen oder abzuweisen. Jeder Asylwerber erhält einen gesonderten Bescheid (hier: Erkenntnis). Ist einem Fremden der faktische Abschiebeschutz gemäß § 12a Abs. 4 zuzuerkennen, ist dieser auch seinen Familienangehörigen zuzuerkennen.

Der Verwaltungsgerichtshof hat mit Erkenntnis vom 24.03.2015, Zl. Ra 2014/19/0063, dazu ausdrücklich für den Fall einer minderjährigen Beschwerdeführerin inhaltlich ausgeführt:

"Bereits aus § 34 Abs. 1 AsylG 2005 ergibt sich, dass jeder Antrag eines Familienangehörigen - anders als nach dem Asylerstreckungsverfahren nach dem AsylG 1997 (in der Fassung vor der Asylgesetz-Novelle 2003, BGBl. I Nr. 101/2003) - ex lege als ‚Antrag auf Gewährung desselben Schutzes' gilt. Die Behörde hat bei einem Antrag eines Familienangehörigen somit in jedem Fall die Bestimmungen des Familienverfahrens anzuwenden. Dies ändert jedoch nichts daran, dass jeder Antrag eines Familienangehörigen gesondert zu prüfen und über jeden mit gesondertem Bescheid abzusprechen ist (§ 34 Abs. 4 AsylG 2005). Unabhängig von der konkreten Formulierung ist jeder Antrag eines Familienangehörigen überdies in erster Linie auf die Zuerkennung des Status eines Asylberechtigten gerichtet. Es sind daher für jeden Antragsteller allfällige eigene Fluchtgründe zu ermitteln. Nur wenn solche - nach einem ordnungsgemäßen Ermittlungsverfahren - nicht hervorkommen, ist dem Antragsteller jener Schutz zu gewähren, der bereits einem anderen Familienangehörigen gewährt wurde (siehe besonders auch zur historischen Entwicklung des Familienverfahrens Putzer/Rohrböck, Asylrecht, Rz 522 ff; siehe weiters Frank/Anerinhofer/Filzwieser, AsylG 20056, K 13 f zu § 34; Feßl/Holzschuster, Asylgesetz 2005, 496 f, Schrefler-König in Schrefler-König/Szymanski, Fremdenpolizei- und Asylrecht, Anm. 8 zu § 34 AsylG 2005; vgl. zur gesonderten Prüfung der Anträge von Familienangehörigen nach § 34 Abs. 4 AsylG 2005 etwa auch das Erkenntnis vom 21. Oktober 2010, 2007/01/0164)."

Entsprechend den erläuternden Bemerkungen zu § 34 Abs. 4 AsylG 2005 sollen alle Familienmitglieder einen eigenen Bescheid (hier: ein gesondertes Erkenntnis), aber mit gleichem Inhalt zugesprochen bekommen. Jener Schutzumfang, der das stärkste Recht gewährt, ist auf alle Familienmitglieder anzuwenden.

Da das Asylverfahren des Vaters der Beschwerdeführerin durch Stattgebung seiner Beschwerde gegen die Zurückweisung seines zweiten Asylantrages erneut zugelassen und ihm damit das stärkste Recht gewährt wurde, hat die Beschwerdeführerin als Familienangehörige ihres Vaters gemäß § 34 Abs. 4 AsylG 2005 das Recht, ein gesondertes Erkenntnis mit demselben Inhalt zu erhalten.

3.3.2. Gemäß § 3 Abs. 1 AsylG 2005 ist einem Fremden, der in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, soweit dieser Antrag nicht bereits gemäß §§ 4, 4a oder 5 zurückzuweisen ist, der Status des Asylberechtigten zuzuerkennen, wenn glaubhaft ist, dass ihm im Herkunftsstaat Verfolgung im Sinne des Art. 1 Abschnitt A Z 2 GFK droht.

Flüchtling im Sinne des Art. 1 Abschnitt A Z 2 GFK ist, wer sich aus wohlbegründeter Furcht, aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Gesinnung verfolgt zu werden, außerhalb seines Heimatlandes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, sich des Schutzes dieses Landes zu bedienen; oder wer staatenlos ist, sich in Folge obiger Umstände außerhalb des Landes seines gewöhnlichen Aufenthaltes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, in dieses Land zurückzukehren.

Zentraler Aspekt der dem § 3 Abs. 1 AsylG 2005 zugrunde liegenden, in Art. 1 Abschnitt A Z 2 GFK definierten Verfolgung im Herkunftsstaat ist die wohlbegründete Furcht vor Verfolgung (vgl. VwGH 22.12.1999, Zl. 99/01/0334). Eine Furcht kann nur dann wohlbegründet sei, wenn sie im Licht der speziellen Situation des Asylwerbers unter Berücksichtigung der Verhältnisse im Verfolgerstaat objektiv nachvollziehbar ist. Unter Verfolgung ist ein ungerechtfertigter Eingriff von erheblicher Intensität in die zu schützende persönliche Sphäre des Einzelnen zu verstehen. Erhebliche Intensität liegt vor, wenn der Eingriff geeignet ist, die Unzumutbarkeit der Inanspruchnahme des Schutzes des Heimatstaates zu begründen (vgl. VwGH 21.09.2000, Zl. 2000/20/0241; VwGH 14.11.1999, Zl. 99/01/0280). Die Verfolgungsgefahr steht mit der wohlbegründeten Furcht in engstem Zusammenhang und ist Bezugspunkt der wohlbegründeten Furcht. Eine Verfolgungsgefahr ist dann anzunehmen, wenn eine Verfolgung mit einer maßgeblichen Wahrscheinlichkeit droht, die entfernte Möglichkeit einer Verfolgung genügt nicht (vgl. VwGH 19.04.2001, Zl. 99/20/0273; VwGH 22.12.1999, Zl. 99/01/0334). Relevant kann darüber hinaus nur eine aktuelle Verfolgungsgefahr sein; sie muss bei Bescheiderlassung vorliegen, auf diesen Zeitpunkt hat die der Asylentscheidung immanente Prognose abzustellen, ob der Asylwerber mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit Verfolgung aus den in Art. 1 Abschnitt A Z 2 GFK genannten Gründen zu befürchten habe (vgl. VwGH 19.10.2000, Zl. 98/20/0233; VwGH 09.03.1999, Zl. 98/01/0318). Besteht für den Asylwerber die Möglichkeit, in einem Gebiet seines Heimatstaates, in dem er keine Verfolgung zu befürchten hat, Aufenthalt zu nehmen, so liegt eine inländische Flucht- bzw. Schutzalternative vor, welche die Asylgewährung ausschließt (vgl. VwGH 24.03.1999, Zl. 98/01/0352; VwGH 21.03.2002, Zl. 99/20/0401; VwGH 22.05.2003, Zl. 2001/20/0268, mit Verweisen auf Vorjudikatur).

Im vorliegenden Fall wurde der Beschwerde des Vaters der minderjährigen ledigen Beschwerdeführerin gegen die Zurückweisung seines zweiten Asylantrages stattgegeben und ihr Asylverfahren damit erneut zugelassen. Der Beschwerdeführerin ist daher nach § 34 Abs. 4 AsylG 2005 der gleiche Schutzumfang zuzuerkennen und auch ihrer Beschwerde gegen den zurückweisenden Bescheid des BFA vom 16.07.2019 stattzugeben und der angefochtene Bescheid zu beheben.

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

3.4. Zu B) Unzulässigkeit der Revision

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab (siehe oben unter 3.3.1. und 3.3.2. zit. Judikatur), noch fehlt es an einer Rechtsprechung. Weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

Schlagworte

Behebung der Entscheidung, entschiedene Sache, Familienverfahren

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2020:W101.2154269.3.00

Zuletzt aktualisiert am

29.06.2020
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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