Entscheidungsdatum
06.04.2020Norm
AsylG 2005 §3 Abs1Spruch
W251 2160239-1/26E
W251 2213772-1/18E
W251 2124122-1/19E
Schriftliche Ausfertigung des am 16.09.2019 mündlich verkündeten Erkenntnisses:
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Dr. Angelika SENFT als Einzelrichterin über die Beschwerden von 1) XXXX , geboren am XXXX , 2) XXXX , geboren am XXXX sowie 3) XXXX , geboren am XXXX , alle StA. Somalia und vertreten durch Diakonie Flüchtlingsdienst gemeinnützige GmbH, gegen die Spruchpunkte I. der Bescheide des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl 1) vom 21.04.2017, Zl. 1043793806 - 140104600, 2) vom 21.12.2018, Zl. 1185997206 - 180305213 und 3) vom 09.02.2016, Zl. 1019778508 - 14655538, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung zu Recht erkannt:
A)
Die Beschwerden werden als unbegründet abgewiesen.
B)
Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:
I. Verfahrensgang:
1. Die Erst- und der Drittbeschwerdeführer sind die Eltern der Zweitbeschwerdeführerin. Der Drittbeschwerdeführer stellte am 26.05.2014, die Erstbeschwerdeführerin am 24.10.2014 einen Antrag auf internationalen Schutz in Österreich.
2. Am 26.05.2014 fand vor einem Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes die niederschriftliche Erstbefragung des Drittbeschwerdeführers statt. Dabei gab er zu seinen Fluchtgründen befragt an, dass er dem Minderheitenclan der Ashraf angehöre und er seit seinem 12 Lebensjahr vom Clan der Isaaq diskriminiert werde. Ein Angehöriger seines Clans habe einen Mann aus dem Mehrheitenclan der Isaaq umgebracht. Da der Beschwerdeführer einer der wenigen seines Minderheitenclans gewesen sei, der im Ort der Isaaq gelebt habe, habe er Angst gehabt, umgebracht zu werden.
Die niederschriftliche Erstbefragung der Erstbeschwerdeführerin fand am 25.10.2014 vor einem Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes statt. Sie gab zu ihren Fluchtgründen befragt an, dass sie in XXXX geboren und aufgewachsen sei und dort die Schule besucht habe. Sie sei mit ihren Eltern am 16.01.2014 nach Somalia zurückgekehrt, weil sei aus den Vereinigten Arabischen Emiraten abgeschoben worden seien. Da die Lage in Somalia furchtbar gewesen sei und die Erstbeschwerdeführerin mit einem Mitglied der islamistischen Gruppe Al Shabaab zwangsverheiratet werden habe sollen, habe ihre Familie beschlossen, sie nach Österreich zu ihrem Bruder zu schicken. Dem Vater sei vom Mitglied der Al Shabaab für den Fall, dass er die Heirat verhindere, gedroht worden, dass die Familie der Erstbeschwerde-führerin getötet werde.
3. Das in Auftrag gegebenen Sachverständigengutachten zur Altersfeststellung vom 26.07.2014 nennt betreffend den Drittbeschwerdeführer den XXXX als spätestmöglichen "fiktiven" Geburtstag, sodass eine Minderjährigkeit des Beschwerdeführers zum Zeitpunkt der Asylantragstellung nicht ausgeschlossen werden konnte. Die Vollendung des 18. Lebensjahres wurde anhand des errechneten "fiktiven" Geburtsdatums am XXXX erreicht.
4. Am 14.12.2015 fand die niederschriftliche Einvernahme des Drittbeschwerdeführers beim Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (Bundesamt) statt. Zu seinen Fluchtgründen gab er im Wesentlichen an, in XXXX in Mittelsomalia geboren und aufgewachsen zu sein und im Alter von 12 Jahren mit seiner Familie nach Hargeysa, Somaliland, übersiedelt zu sein, weil sein Vater mit der Al Shabaab zusammengearbeitet habe und aufgrund von diesbezüglichen Problemen die Flucht antreten habe müssen. Der Drittbeschwerdeführer sei in Hargeysa aufgrund seiner Clanzugehörigkeit zu den Ashraf von Angehörigen des Hauptclans der Isaaq diskriminiert worden. Zudem habe er eines Tages auf dem Fußballplatz in seinem Dorf mit vielen Leuten Fußball gespielt. Es sei dann zu einem Streit zwischen ihm und einem Angehörigen der Isaaq gekommen. Sein Cousin habe den Beschwerdeführer von dem Mitspieler mit Gewalt getrennt, wobei der Angehörige der Isaaq mit dem Kopf auf einen Stein gefallen sei und schließlich nach ein paar Tagen im Krankenhaus gestorben sei. Der Beschwerdeführer habe deshalb befürchtet, dass dessen Familie oder Clan an ihm Rache nehmen werde, weshalb er Somaliland verlassen habe.
Am 08.02.2017 fand die niederschriftliche Einvernahme der Erstbeschwerdeführerin beim Bundesamt statt. Sie gab an, dass sie in XXXX geboren und aufgewachsen sei. Da ihr Vater seinen Job in XXXX und somit auch seinen Aufenthaltstitel verloren habe, sei sie mit ihrer Familie nach Somalia zurückgekehrt. Sie habe sich in Somalia nicht an die Kleidungsvorschriften gehalten, weshalb sie beschimpft worden sei. Zudem sei sie eines Tages auf ihrem Heimweg von der Schule von Männern wegen ihres Kleidungsstils, der als Sünde angesehen worden sie, entführt und festgehalten sowie geschlagen worden. Ihr Vater habe sie gefunden und ihm sei vom Entführer angeboten worden, die Erstbeschwerdeführerin mit ihm zu verheiraten, damit sie der angedrohten Strafe von hundert Schlägen entgehe. Der Vater der Erstbeschwerdeführerin habe den Entführer seine Zusage vorgetäuscht und so die Erstbeschwerdeführerin befreit. Als der Entführer eineinhalb Wochen später die Heirat verlangt habe, habe ihr Vater die Ausreise der Erstbeschwerdeführerin organisiert. Darüber hinaus sei sie in der Schule vom Religionslehrer wegen ihrem freizügigen äußeren Erscheinungsbild geschlagen worden.
5. Der Drittbeschwerdeführer erstattete am 20.01.2016 eine Stellungnahme zu der am 14.12.2015 stattgefundenen Einvernahme des Drittbeschwerdeführers und den ausgefolgten Länderberichten. Es wurde der Antrag gestellt, eine neuerliche Einvernahme durchzuführen um dem Drittbeschwerdeführer die Möglichkeit zu geben seine Fluchtgründe genau und detailliert darzulegen, weil er aufgrund starker Schmerzen am 14.12.2015 nicht dazu in der Lage gewesen sei. In eventu wurde die Einholung eines fachärztlichen Gutachtens über die schmerzlichen Symptome bei Auftreten bei XXXX beantragt. Zudem wurde die Durchführung von Nachforschungen durch Länderberichte oder einen Vertrauensanwalt in Somalia dazu, wie die Imame der Moscheen in XXXX in der Zeit zwischen 1997 und 2009 hießen um die Glaubwürdigkeit des Drittbeschwerdeführers zu beweisen, beantragt. Der Drittbeschwerdeführer sei aufgrund seiner Clanzugehörigkeit von asylrelevanter Verfolgung bedroht, die zwar nicht staatlicher Natur sei, jedoch könne ihn der Staat vor dieser nicht schützen und sei ihm daher Asyl zuzuerkennen.
Mit Stellungnahme vom 22.02.2017 brachte die Erstbeschwerdeführerin vor, dass sie in Somalia von der Praxis der Genitalverstümmelung betroffen sei, weil sie in XXXX aufgewachsen sei. An erwachsenen Frauen werde zwar keine Genitalverstümmelung mehr vorgenommen, unbeschnittene Frauen würden in der Gesellschaft jedoch stigmatisiert werden. Auch wenn liberal denkende, alleinstehende, nicht in Somalia aufgewachsene oder unbeschnittene Frauen nicht automatisch aufgrund einer dieser Umstände in Somalia direkt in einer asylrelevanten Intensität verfolgt würden, trete eine solche Gefahr von Verfolgung in Zusammenschau dieser Merkmale ein. Darüber hinaus müsste die Erstbeschwerdeführerin mangels familiärer Anknüpfungspunkte als alleinstehende Frau in Somalia in einem IDP-Lager leben.
6. Das Bundesamt wies mit Bescheid vom 09.02.2016 betreffend den Drittbeschwerdeführer sowie mit Bescheid vom 21.04.2017 betreffend die Erstbeschwerdeführerin, die Anträge auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status von Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 AsylG ab (Spruchpunkt I.) und erkannte der Erst- und dem Drittbeschwerdeführer gemäß § 8 Abs. 1 AsylG den Status der subsidiär Schutzberechtigten zu (Spruchpunkt II).
Begründend führte das Bundesamt betreffend den Drittbeschwerdeführer zu Spruchpunkt I. aus, dass er weder seine Clanzugehörigkeit noch eine asylrelevante Verfolgung habe glaubhaft machen können. Auch betreffend die Erstbeschwerdeführerin wurde die Abweisung des Antrags zu Spruchpunkt I. damit begründet, dass die Erstbeschwerdeführerin keine asylrelevante Verfolgung habe glaubhaft machen können. Zudem reiche die Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe alleine nicht aus um die Flüchtlingseigenschaft zu begründen. Vielmehr müsse eine Verfolgung mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit eintreten, es genüge nicht, dass sie bloß nicht ausgeschlossen werden könne.
7. Die Erst- und der Drittbeschwerdeführer erhoben jeweils gegen Spruchpunkt I. dieser Bescheide fristgerecht Beschwerde wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit infolge unrichtiger rechtlicher Beurteilung sowie der Verletzung von Verfahrensvorschriften, bei deren Einhaltung ein für die Erst- bzw. den Drittbeschwerdeführer günstigerer Bescheid erzielt worden wäre. Sie brachten im Wesentlichen jeweils vor, dass die vom Bundesamt getroffenen Länderfeststellungen unvollständig, veraltet und betreffend die Erstbeschwerdeführerin auch teilweise unrichtig seien. Das Bundesamt habe es insbesondere unterlassen Länderberichte betreffend das konkrete Fluchtvorbringen der Erst- und des Drittbeschwerdeführers heranzuziehen. Darüber hinaus habe sich das Bundesamt im Verfahren des Drittbeschwerde-führers teilweise staatlicher oder nicht überprüfbarer Quellen bedient, sodass es dem Drittbeschwerdeführer unmöglich gewesen sei sein Recht auf Parteiengehör vollumfänglich wahrzunehmen. Die vom Bundesamt durchgeführte Beweiswürdigung sei jeweils unschlüssig und einer mangelhaften Sachverhaltsermittlung geschuldet. Zudem habe es die Behörde gänzlich unterlassen sich beweiswürdigend mit dem jeweiligen konkreten Fluchtvorbringen des Dritt- und der Erstbeschwerdeführerin auseinanderzusetzen. Der Erstbeschwerdeführerin drohe in Somalia Verfolgung wegen der Zugehörigkeit zur sozialen Gruppe der alleinstehenden, westlich orientierten, nicht in Somalia sozialisierten und unbeschnittenen Frauen.
Betreffend das Verfahren des Drittbeschwerdeführers wurde weiters vorgebracht, dass die Anträge auf neuerliche Einvernahme des Drittbeschwerdeführers, weil er aufgrund seines gesundheitlichen Zustandes zum Zeitpunkt der Einvernahme nicht konzentriert gewesen sei sowie der Antrag auf Durchführung von Recherchen in Somalia nicht behandelt worden seien, weshalb die Durchführung von Nachforschungen betreffend die Moschee in XXXX und welcher Imam zu der Zeit in der Moschee XXXX tätig gewesen sei, neuerlich angeregt werde. Dem Drittbeschwerdeführer drohe Verfolgung in Somalia wegen der Zugehörigkeit zur ethnischen Gruppe der Ashraf und der sozialen Gruppe der von Blutrache Betroffenen.
8. Am XXXX wurde die Zweitbeschwerdeführerin in Österreich geboren. Für sie wurde durch die Erstbeschwerdeführerin als gesetzliche Vertreterin am 29.03.2018 ein Antrag auf internationalen Schutz gestellt. Es wurde vorgebracht, dass die Zweitbeschwerdeführerin keine eigenen Fluchtgründe bzw. Rückkehrbefürchtungen habe und sich der Antrag ausschließlich auf die Gründe des Vaters bzw. der Mutter beziehe.
Die Erstbeschwerdeführerin wurde am 23.10.2018 vom Bundesamt zu den Fluchtgründen der Zweitbeschwerdeführerin befragt. Dabei gab sie im Wesentlichen an, dass sie selber nicht beschnitten sei. Die Einheimischen in Somalia hätten ihre Mutter nach deren Ankunft in Somalia zwar danach gefragt, diese habe die Einheimischen jedoch angelogen, sodass die Erstbeschwerdeführerin in Somalia keine Probleme gehabt habe. Sie und der Vater der Zweitbeschwerdeführerin - der Drittbeschwerdeführer - seien ebenso gegen eine Beschneidung ihrer Tochter. Sie befürchte aber, dass ihre Tochter dennoch aufgrund des Drucks in Somalia beschnitten werden würde. Zudem drohe der Erstbeschwerdeführerin eine Verfolgung in Somalia, weil die Zweitbeschwerdeführerin ein uneheliches Kind sei. Darüber hinaus sei es der Zweitbeschwerdeführerin in Somalia nicht möglich ein selbstbestimmtes Leben ohne Zwänge zu führen.
Mit Stellungnahme vom 06.11.2018 wurde vorgebracht, dass die Zweitbeschwerdeführerin in Somalia der Gefahr einer Genitalverstümmelung ausgesetzt sei. Ihre Mutter würde eine solche auch nicht verhindern können, zumal die Erstbeschwerdeführerin nur für kurze Zeit in Somalia gelebt habe und mit den somalischen Bräuchen nicht vertraut sei, in Somalia keine Verwandten oder Bekannte habe und somit äußerst vulnerabel sei. Der Zweitbeschwerdeführerin drohe zudem Verfolgung aufgrund der Zugehörigkeit zur sozialen Gruppe der unehelichen Kinder sowie jener, der vergleichsweise liberal und säkular bzw. "westlich" Erzogenen.
Das Bundesamt wies mit Bescheid vom 21.12.2018 den Antrag der Zweitbeschwerdeführerin auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status von Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 AsylG ab (Spruchpunkt I.) und erkannte ihr gemäß § 8 Abs. 1 iVm § 34 Abs. 3 AsylG den Status der subsidiär Schutzberechtigten zu (Spruchpunkt II).
Die Zweitbeschwerdeführerin erhob vertreten durch ihre gesetzliche Vertreterin fristgerecht Beschwerde gegen diesen Bescheid wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit und Mangelhaftigkeit des Verfahrens. Das Bundesamt habe die Stellungnahme vom 06.11.2018 und somit wesentliches Parteienvorbringen ignoriert, was einen gravierenden Verfahrensmangel darstelle. Das Bundesamt habe trotz des Vorbringens der Erstbeschwerdeführerin keine Feststellungen zur Bescheidungssituation der Zweitbeschwerdeführerin getroffen. Zudem seien die vom Bundesamt herangezogenen Länderberichte unvollständig und Großteils veraltet. Der Zweitbeschwerdeführerin drohe in Somalia Verfolgung wegen ihrer Zugehörigkeit zur sozialen Gruppe der unverheirateten Mädchen bzw. Frauen, an welchen noch keine weibliche Genitalverstümmelung verübt wurde sowie zur Gruppe der Familie in Hinblick auf die Fluchtgründe ihrer Eltern und zur Gruppe der in Somalia als "verwestlicht" wahrgenommenen Rückkehrerinnen aus dem Ausland.
9. Das Bundesverwaltungsgericht stellte das Beschwerdeverfahren des Drittbeschwerde-führers mit Beschluss vom 09.05.2019 ein, weil sich der Drittbeschwerdeführer dem Verfahren entzogen hat. Mit Beschluss des Bundesverwaltungsgerichts vom 19.06.2019 wurde das Beschwerdeverfahren fortgesetzt.
10. Das Bundesverwaltungsgericht führte am 23.04.2019 betreffend die Erst- und die Zweitbeschwerdeführerin sowie am 09.09.2019 betreffend den Drittbeschwerdeführer jeweils in Anwesenheit einer Dolmetscherin und im Beisein ihres jeweiligen Rechtsvertreters öffentliche mündliche Verhandlungen durch, die jeweils vertagt wurden. Am 16.09.2019 wurden die einzelnen Verfahren fortgesetzt und zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung verbunden. Nach Schluss der Verhandlung wurde das Erkenntnis samt den wesentlichen Entscheidungsgründen gemäß § 29 Abs. 2 VwGVG mündlich verkündet und Rechtsmittelbelehrung erteilt. Die Beschwerden wurden als unbegründet abgewiesen.
11. Mit Schreiben vom 17.09.2019 beantragte die Erst- und die Zweitbeschwerdeführerin die schriftliche Ausfertigung des am 16.09.2019 mündlich verkündeten Erkenntnisses.
II. Entscheidungsgründe:
1. Feststellungen:
1.1. Zur Person der Beschwerdeführer:
1.1.1. Die Erstbeschwerdeführerin führt in Österreich den Namen XXXX und das Geburtsdatum XXXX . Der Drittbeschwerdeführer führt in Österreich den Namen XXXX und das Geburtsdatum XXXX . Er ist mit der Erstbeschwerdeführerin traditionell verheiratet (Akt W251 2160239-1
= BF 1 Verhandlungsprotokoll vom 23.04.2019-OZ 15, S. 7; Akt W251
2124122-1 = BF 3 Verhandlungsprotokoll vom 09.09.2019-OZ 9, S. 7).
Die Zweitbeschwerdeführerin ist die leibliche Tochter der Erst- und des Drittbeschwerdeführers. Die Zweitbeschwerdeführerin wurde am XXXX in Österreich geboren und führt den Namen XXXX . Die Erstbeschwerdeführerin war am 16.09.2019 im XXXX . Monat schwanger.
Die Beschwerdeführer sind somalische Staatsangehörige. Die Erst- und der Drittbeschwerdeführer bekennen sich zum sunnitisch-muslimischen Glauben (BF 1 AS 23, 96; BF 3 AS 11, 167, OZ 9, S. 7) und sprechen Somali als Muttersprache. Die Erstbeschwerdeführerin spricht weiters noch die Sprachen Arabisch und Englisch (BF 1 AS 23, 94; Akt 2213772-1 = BF 2 AS 58; BF AS 11).
1.1.2. Die Erstbeschwerdeführerin wurde in XXXX in den Vereinigten Arabischen Emiraten geboren und ist dort aufgewachsen (BF 1 AS 23, 95, OZ 15, S. 8). Die Erstbeschwerdeführerin kehrte ca. im Alter von acht Jahren mit ihrer Familie nach Somalia zurück. Sie lebte mit ihrer Familie einen längeren Zeitraum über in Mogadischu. Sie war nie in Afgooye. Die Erstbeschwerdeführerin hat 10 Jahre die Schule besucht (BF 1 AS 23, 96, OZ 15, S. 7). Sie hat die Schule über einen längeren Zeitraum in Somalia besucht als in den Vereinigten Arabischen Emirate.
Die Erstbeschwerdeführerin ist Angehörige des Clans der Hawiye, Subclan der XXXX , Subsub-Clan der XXXX (BF 1 AS 23, 95, OZ 15, S. 7).
1.1.3. Der Drittbeschwerdeführer wurde in XXXX geboren und ist zunächst dort aufgewachsen. Im Alter von ca. 12 Jahren zog der Drittbeschwerdeführer mit seiner Familie nach Hargeysa in Somaliland. Er hat dort drei Jahre die Grundschule besucht (BF 3 AS 11, 167 ff, OZ 9, S. 6 f).
Der Drittbeschwerdeführer ist kein Angehöriger der Ashraf oder einer Minderheit. Es kann nicht festgestellt werden welchem Clan der Drittbeschwerdeführer tatsächlich angehört.
1.1.4. Die Erst- und der Drittbeschwerdeführer sind strafgerichtlich unbescholten. Die Zweitbeschwerdeführerin ist aufgrund ihres Alters noch strafunmündig.
1.2. Zu den Fluchtgründen der Beschwerdeführer:
Das von den Beschwerdeführern ins Treffen geführte Verfolgungsvorbringen kann nicht festgestellt werden.
1.2.1. Die Erstbeschwerdeführerin wurde in Somalia, insbesondere wegen ihres Lebens- oder Kleidungsstils, weder entführt, noch festgehalten oder geschlagen. Die Erstbeschwerdeführerin wurde in Somalia auch noch nie aufgefordert, einen Mann (der Al Shabaab) gegen ihren Willen zu heiraten, derartiges wurde weder von der Erstbeschwerdeführerin noch von ihrer Familie verlangt.
Die Erstbeschwerdeführerin hat Somalia weder aus Furcht vor Eingriffen in ihre körperliche Integrität noch wegen Lebensgefahr verlassen.
Im Falle der Rückkehr nach Somalia droht der Erstbeschwerdeführerin weder Lebensgefahr noch ein Eingriff in ihre körperliche Integrität durch den Mann, der die Erstbeschwerdeführerin heiraten hätte wollen oder durch andere Personen.
Im Falle der Rückkehr nach Somalia droht der Erstbeschwerdeführerin keine Zwangsheirat.
Die Erstbeschwerdeführerin kann bei einer Rückkehr auf Clanschutz und Schutz durch ihren Ehemann zurückgreifen. Die Erstbeschwerdeführerin müsste bei einer Rückkehr nach Somalia nicht in ein IDP-Lager gehen, sondern kann bei ihrem Clan und durch die Unterstützung durch ihren Mann Schutz, Unterkunft und Verpflegung vorfinden.
1.2.2. Die Erst- und die Zweitbeschwerdeführerin sind nicht beschnitten. Die Erstbeschwerdeführerin hatte aufgrund der Tatsache, dass sie nicht beschnitten ist, in Somalia keine Probleme. Sie und der Drittbeschwerdeführer lehnen die Beschneidung ab. Auch die Familie der Erstbeschwerdeführerin lehnt die Praxis der Genitalbeschneidung bei Frauen und Mädchen ab. Für die Erstbeschwerdeführerin besteht in Somalia kein Risiko einer Beschneidung. Auch der Zweitbeschwerdeführerin droht in Somalia nicht die Gefahr Opfer einer weiblichen Genitalverstümmelung zu werden.
1.2.3. Die Erst- und die Zweitbeschwerdeführerinnen sind in Somalia allein aufgrund ihres Geschlechts keiner asylrelevanten Verfolgung ausgesetzt.
Bei der Erstbeschwerdeführerin ist kein auf Eigenständigkeit bedachter Lebensstil zu erkennen, der bei einer Rückkehr nach Somalia einen nachhaltigen und wesentlichen Bruch mit den dortigen Gegebenheiten und Sitten darstellen würde. Der Erstbeschwerdeführerin droht aufgrund ihres in Österreich ausgeübten Kleidungs- oder Lebensstils in Somalia weder Lebensgefahr noch psychische oder physische Gewalt.
Zudem wurde die Erstbeschwerdeführerin in Somalia nicht von ihrem Religionslehrer geschlagen. Die Erstbeschwerdeführerin wurde in Somalia weder verdächtigt noch beschuldigt eine freizügige oder gegen die islamischen Sitten gerichtete Lebensweise bzw. Erscheinungsbild zu haben.
Der Zweitbeschwerdeführerin ist es möglich, sich in das somalische Gesellschaftssystem zu integrieren.
1.2.4. Der Zweitbeschwerdeführerin droht aufgrund ihres Alters bzw. vor dem Hintergrund der Situation der Kinder in Somalia weder physische oder psychische Gewalt noch ist sie deswegen einer Verfolgung oder Lebensgefahr ausgesetzt. Der Zweitbeschwerdeführerin ist es in Somalia auch möglich die Schule zu besuchen.
Die Zweitbeschwerdeführerin würde bei einer Ansiedlung in Somalia als eheliches Kind der Erstbeschwerdeführerin und des Drittbeschwerdeführers betrachtet werden.
1.2.5. Der Vorfall, wonach der Drittbeschwerdeführer einen Mitspieler beim Fußballspielen gestoßen habe und dieser mit dem Kopf auf einen Stein gefallen und schließlich gestorben sei, hat nicht stattgefunden. Der Drittbeschwerdeführer wurde in Somalia weder von den Familienangehörigen eines Mitspielers noch von dessen Clan wegen Rachehandlungen verfolgt.
Im Falle der Rückkehr nach Somalia droht dem Drittbeschwerdeführer weder Lebensgefahr noch ein Eingriff in seine körperliche Integrität durch die Familienangehörigen des angeblich verstorbenen Mitspielers noch durch dessen Clanangehörige oder durch andere Personen.
1.3. Zur maßgeblichen Situation in Somalia:
Politische Situation
Das Gebiet von Somalia ist in drei unterschiedliche administrative Einheiten unterteilt. Somaliland, Puntland sowie Süd-/Zentralsomalia. Im Jahr 1988 brach in Somalia Bürgerkrieg aus. Somalia hat den Zustand eines failed state überwunden, bleibt aber ein fragiler Staat. Die vorhandenen staatlichen Strukturen sind fragil und schwach. Die föderale Regierung hat es bislang kaum geschafft, sich außerhalb Mogadischus durchzusetzen (Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl, Länderinformationsblatt der Staatendokumentation für Somalia vom 12.01.2018 mit Aktualisierung vom 17.09.2018 - LIB 17.09.2018, S. 13 f).
Mogadischu:
Mogadischu bleibt weiterhin unter Kontrolle von Regierung und AMISOM. Die Stadtverwaltung von Mogadischu ist verhältnismäßig präsent und aktiv. Schritte von Stadt- und Bundesregierung haben bei der Sicherheitslage zu einer Verbesserung geführt - speziell durch die Aufstellung der Mogadishu Stabilization Mission (MSM). Die Zahl von Angriffen der Al Shabaab im jeweiligen Ramadan ist von 269 im Jahr 2015 auf 208 im Jahr 2017 zurückgegangen. Andererseits scheint sich die Al Shabaab aufgrund der Erfolge der Sicherheitskräfte zunehmend auf Sprengstoffanschläge zu verlegen, welche unter der Zivilbevölkerung ein höheres Maß an Schaden verursachen (LIB 17.09.2018, S. 37). Es ist höchst unwahrscheinlich, dass Al Shabaab wieder die Kontrolle über Mogadischu erlangt. Es gibt in der Stadt auch kein Risiko mehr, von der Al Shabaab zwangsrekrutiert zu werden. Es besteht kein Risiko, alleine aufgrund der eigenen Clanzugehörigkeit angegriffen zu werden. Trotzdem sind Clan und Clanzugehörigkeit in Mogadischu nach wie vor relevant (LIB 17.09.2018, S. 37).
Insgesamt verlegt sich Al Shabaab bei der Durchführung von Attentaten von Quantität auf Qualität. Dabei sucht die Al Shabaab ihre Ziele vor allem im Bereich der Regierung. Für die Zivilbevölkerung ist das größte Risiko, zur falschen Zeit am falschen Ort zu sein. Die Situation in Mogadischu ist nicht derartig, dass jeder Mensch in der Stadt einem Risiko eines Eingriffs in die körperliche Integrität oder Lebensgefahr ausgesetzt wäre (LIB 17.09.2018, S. 38).
Mogadischu ist über einen internationalen Flughafen sicher erreichbar (LIB 17.09.2018, S. 144). Mogadischu verfügt über einige Gesundheitseinrichtungen, Spitäler und Kliniken. Die medizinische Versorgung in Somalia ist mangelhaft, diese ist in Somaliland und Mogadischu am besten. In Mogadischu wurden seit 2014 einige Gesundheitseinrichtungen, Spitäler und Kliniken neu eingerichtet. In Somalia gibt es fünf Zentren zur Betreuung psychischer Erkrankungen. Diese befinden sich in Berbera, Bossaso, Garoowe, Hargeysa und Mogadischu. Allerdings arbeiten insgesamt nur drei Psychiater an diesen Einrichtungen (LIB 17.09.2018, S. 138).
Al-Shabaab:
Ziel der Al Shabaab ist es, die somalische Regierung und ihre Alliierten aus Somalia zu vertreiben und in Groß- Somalia ein islamisches Regime zu installieren. Außerdem verfolgt al Shabaab auch eine Agenda des globalen Dschihads und griff im Ausland Ziele an. Je höher der militärische Druck auf al Shabaab anwächst, je weniger Gebiete sie effektiv kontrollieren, desto mehr verlegt sich die Gruppe auf asymmetrische Kriegsführung (Entführungen, Anschläge, Checkpoints) und auf Drohungen. Dabei ist auch die Al Shabaab in ihrer Entscheidungsfindung nicht völlig frei. Die Gruppe unterliegt durch die zahlreichen Verbindungen z.B. zu lokalen Clan-Ältesten auch gewissen Einschränkungen (LIB 17.09.2018, S. 49).
Schutzwilligkeit und Schutzfähigkeit des Staates:
Staatlicher Schutz ist in Gebieten der al Shabaab nicht verfügbar (LIB 17.09.2018, S. 50). In Mogadischu und anderen urbanen Gebieten unter Kontrolle der Regierung und ihrer Alliierten können die Behörden schutzwillig sein, jedoch sind sie meist nicht in der Lage, einen effektiven Schutz zu gewährleisten. Dies kann der strukturellen Schwäche der Sicherheitskräfte, dem Mangel an Ressourcen, Ausbildung und Ausrüstung, schwachen Kommandostrukturen, der Korruption und der Straflosigkeit für schwerste Verbrechen angelastet werden (LIB 17.09.2018, S. 65).
Clanstruktur:
Die Zugehörigkeit zu einem Clan ist der wichtigste identitätsstiftende Faktor für Somalier. Sie bestimmt, wo jemand lebt, arbeitet und geschützt wird. Dieses Identifikationsmerkmal bestimmt, welche Position eine Person oder Gruppe im politischen Diskurs oder auch in bewaffneten Auseinandersetzungen einnimmt. Darum kennen Somalier üblicherweise ihre exakte Position im Clansystem. Allerdings gibt es keine physischen Charakteristika, welche die Zugehörigkeit zu einem bestimmten Clan erkennen ließen. Daher wissen die Menschen in Mogadischu und anderen großen Städten nicht automatisch, welchem Clan eine andere Person angehört (LIB 17.09.2018 - S. 94).
Dabei gelten als "noble" Clanfamilien die traditionell nomadischen Hawiye, Darod, Dir und Isaaq sowie die sesshaften Digil und Mirifle/Rahanweyn. Es ist nicht möglich, die genauen Zahlenverhältnisse der einzelnen Clans anzugeben. Hawiye, Darod, Isaaq und Digil/Mirifle stellen wohl je 20-25% der Gesamtbevölkerung, die Dir deutlich weniger. Als Minderheiten werden jene Gruppen bezeichnet, die aufgrund ihrer geringeren Anzahl schwächer als die "noblen" Mehrheitsclans sind. Dazu gehören Gruppen mit nichtsomalischer ethnischer Abstammung; Gruppen, die traditionell als unrein angesehene Berufe ausüben (LIB 17.09.2018 - S. 94 f).
Die Clanfamilien unterteilen sich weiter in die Ebenen der Clans, Sub(sub)clans, Lineages und die aus gesellschaftlicher Sicht bei den nomadischen Clans wichtigste Ebene, die sogenannte Mag/Diya (Blutgeld/Kompensation) zahlenden Gruppe (Jilib), die für Vergehen Einzelner gegen das traditionelle Gesetz (xeer) Verantwortung übernimmt (Focus Somalia Clans und Minderheiten vom 31.05.2017 - Focus, S. 8 f; LIB 17.09.2018 - S. 58).
Clanschutz bedeutet für eine Einzelperson die Möglichkeit vom eigenen Clan gegenüber einem Aggressor von außerhalb des Clans geschützt zu werden. Die Rechte einer Gruppe werden durch Gewalt oder die Androhung von Gewalt geschützt. Ein Jilib oder Clan muss in der Lage sein, Kompensation zu zahlen - oder zu kämpfen. Schutz und Verletzlichkeit einer Einzelperson sind deshalb eng verbunden mit der Macht ihres Clans. Die Mitglieder eines Jilib sind verpflichtet, einander bei politischen und rechtlichen Verpflichtungen zu unterstützen, die im Xeer-Vertrag festgelegt sind - insbesondere bei Kompensations-zahlungen (Mag/Diya). Generell - aber nicht überall - funktioniert Clanschutz besser als der Schutz durch Staat oder Polizei. Dementsprechend wenden sich viele Menschen bei Gewaltverbrechen eher an den Clan als an die Polizei. (LIB 17.09.2018 - S. 57 f).
Es kann nicht festgestellt werden, dass Angehörige der Hawiye in Somalia allein aufgrund ihrer Clanzugehörigkeit psychischer und physischer Gewalt ausgesetzt sind.
Ashraf
Die Ashraf und die Sheikhal werden als religiöse Clans bezeichnet. Grundsätzlich sehen sich die Ashraf als direkte Abkommen des Propheten Mohammed. Dessen Tochter Fatima hatte mit Ali bin Talib zwei Söhne: Hassan und Hussein. Jeder Ashraf, der älter als zwei Jahre alt ist, rechnet sich einem dieser beiden Enkel des Propheten zu, die von letzterem den Titel ‚Sharif' verliehen bekommen haben. Angehörige dieser Gruppe sehen sich daher in einem speziellen Status (Analyse der Staatendokumentation Ashraf vom 05.09.2011 - Ashraf, S. 4).
Zum Status der Ashraf gibt es unterschiedliche Meinungen und keine gesamtgültige Zuordnung. Den Ashraf kommt ein spezieller Status zu. Es kann keiner der unterschiedlichen Bewertungen durch diverse Autoren widersprochen werden: Die Ashraf sind teils Clan, teils Sub-Clan, teils adoptiert und teils Minderheit. Keinesfalls sind sie jedoch ausschließlich eines davon. Dementsprechend ist es durchaus sinnvoll, einen Angehörigen der Ashraf nicht durch die bloße Zuteilung zu dieser Gruppe, sondern mittels Hinterfragung des persönlichen, geographischen und sozialen Hintergrunds sowie der Eruierung der Verortung des Individuums innerhalb der somalischen Clanstruktur zu definieren. Die bloße Behauptung der Zugehörigkeit zu den Ashraf unterminiert die Glaubwürdigkeit einer Person. (Ashraf, S. 14).
Der den Ashraf zukommende Schutz hängt stark von geographischer Position und Integration ab. Hat sich eine Gruppe von Ashraf erfolgreich einem großen Clan anschließen können, ist ihm also durch eine Art Adoption beigetreten, dann kann dieser auch Schutz bieten (Ashraf, S. 14).
Die Ashraf sind immer noch eine der schwächsten Gruppen in Somalia. Sie werden nicht mehr systematisch verfolgt. Ashraf sind jedoch auf Grund der instabilen Sicherheitslage anfällig gegenüber Ausbeutung, Übergriffen, Kriminalität bzw. sexueller Gewalt.
Es kann nicht festgestellt werden, dass Angehörige der Ashraf in Somalia allein aufgrund ihrer Clanzugehörigkeit psychischer und physischer Gewalt ausgesetzt sind.
Minderheiten
Die berufsständischen Gruppen stehen auf der untersten Stufe der sozialen Hierarchie der somalischen Gesellschaft. Sie unterscheiden sich in ethnischer, sprachlicher und kultureller Hinsicht nicht von der Mehrheitsbevölkerung, sind aber traditionell in Berufen tätig, die von den Mehrheitsclans als "unrein" oder "unehrenhaft" angesehen werden. Diese Berufe und andere ihrer Praktiken (z.B. Fleischverzehr) gelten darüber hinaus als unislamisch (Focus, S. 14).
Die Clans der berufsständischen Gruppen sind gleich strukturiert wie die Mehrheitsclans, mit dem einzigen Unterschied, dass sie ihre Abstammung nicht auf die Gründerväter Samaale bzw. Saab zurückverfolgen können, sondern "nur" auf den "Vater" ihres Clans. Gleich wie die Mehrheitsclans haben das Aufzählen der Väter (Abtirsiimo) und die Zugehörigkeit zu einem Clan eine große Bedeutung (Focus, S. 15 f).
Für die Berufsgruppen gibt es zahlreiche somalische Bezeichnungen, bei denen regionale Unterschiede bestehen. Häufig genannt werden Waable, Sab, Madhibaan und Boon. Die landesweit geläufige Bezeichnung Midgaan ist negativ konnotiert (er bedeutet "unberührbar" oder "ausgestoßen") und wird von den Berufsgruppen-Angehörigen als Beleidigung empfunden; sie bevorzugen Begriffe wie Madhibaan oder Gabooye. Der Ausdruck Gabooye wird besonders im Norden des somalischen Kulturraums als Dachbegriff benutzt. Der Begriff umfasst nicht alle Berufsgruppen, aber zumindest vier untereinander nicht verwandte Clans berufsständischer Gruppen: Tumaal, Madhibaan, Muse Dheriyo und Yibir. Der Begriff Gabooye kann auch als Begriff für einen eigenen Clan der berufsständischen Gruppen unter vielen gebraucht werden. Ursprünglich bezeichnete Gabooye nur einen Clan aus dem Süden, dessen Angehörige sich als Jäger betätigten. Madhibaan sind ursprünglich Jäger, heute aber als Färber, Gerber, Schuhmacher und in anderen Berufen tätig. Sie leben im ganzen somalischen Kulturraum (Focus, S. 16 f).
Aufgrund der großen sozialen, wirtschaftlichen und politischen Bedeutung der Clans ist es auch heute für Somalier im somalischen Kulturraum essentiell und in der Diaspora zumindest nicht irrelevant, sich in diesem System verorten zu können (Focus, S. 20). Jüngere Somalier im urbanen Raum oder in der Diaspora sind heute häufig nur noch in der Lage, ihre Clanzugehörigkeit bis zur Stufe Sub-Clan sowie vier oder fünf Generationen im Abtirsiimo (Abstammungslinie) aufzuzählen. Es kommt aber selbst bei jungen Somalier in der Diaspora nicht vor, dass sie gar keine Ahnung von ihrem Clan und ihrem Abtirsiimo haben. Sogar wenn sie sich für das Clansystem nicht interessieren, können sie zumindest ihren Clan und Sub-Clan sowie den Abtirsiimo bis zum Urgroßvater nennen. Fast alle Somalier kennen zumindest ihren Clan-Ältesten (Focus, S. 24).
Aufgrund der wahrgenommenen Bevorzugung der berufsständischen Gruppen im Asylverfahren in westlichen Staaten sind andere Somalier dazu übergegangen, sich als Angehörige von Berufsgruppen auszugeben. Da andere Somalier aber im Durchschnitt gebildeter sind als die Angehörigen berufsständischer Gruppen, sind sie in der Lage, sich mehr Wissen über die berufsständischen Gruppen anzueignen, als diese selbst haben (Focus, S. 25).
Frauen im Clansystem
Wie nahe die Frau mit dem Mann verwandt ist und wie ihre Beziehung aussieht, beeinflusst, inwieweit der Ehemann laut xeer über das Mandat verfügt, die Interessen der Frau zu vertreten. Folgende männliche Verwandte können prinzipiell die Frau vertreten: der Vater, der Ehemann, der Großvater väterlicherseits, die Brüder des Vaters, die Brüder, die Söhne und Cousins. Der Mann muss sich jedoch am selben geographischen Ort wie die Frau befinden. Frauen, die kein männliches Netzwerk haben, befinden sich in einer sehr unsicheren Situation, da sie über keinen Clanschutz genießen (Frauen im somalischen Clansystem 27.04.2018, S. 13).
Eine Frau gehört ihr Leben lang zum Clan ihres Vaters. Auch wenn sie einen Mann von einem anderen Clan heiratet und in das Territorium des anderen Clans zieht, verbleibt die Frau Mitglied im Clan ihres Vaters (Frauen im somalischen Clansystem 27.04.2018, S. 17).
Frauen, die im geographischen Gebiet ihres Clans wohnen, genießen normalerweise Clanschutz. Das Ausmaß des Schutzes variiert jedoch, abhängig davon, zu welchem Clan man gehört. Frauen von schwachen Clans, die in internen Flüchtlingslagern wohnen, sind im Allgemeinen besonders verletzlich und es kommt nicht selten vor, dass sie keinen Clanschutz gegen beispielsweise Gewalt und sexuelle Übergriffe haben (Frauen im somalischen Clansystem 27.04.2018, S. 14).
In Somalia ist es weit verbreitet, dass Mädchen sehr früh heiraten. Kinderehen kommen vor, auch wenn das Bundesgesetz die Einwilligung und ein "reifes" Alter verlangt. Ein Kind wird laut der provisorischen Bundesverfassung als eine Person unter 18 Jahren definiert. Kinderehen kommen eher am Land vor sowie in Gebieten, die von Al-Shabaab kontrolliert werden (Frauen im somalischen Clansystem 27.04.2018, S. 13).
Frauen
Die aktuelle Verfassung betont in besonderer Weise die Rolle und die Menschenrechte von Frauen und Mädchen und die Verantwortung des Staates in dieser Hinsicht. Tatsächlich ist deren Lage jedoch weiterhin besonders prekär. Frauen und Mädchen bleiben den besonderen Gefahren der Vergewaltigung, Verschleppung und der systematischen sexuellen Versklavung ausgesetzt. Wirksamer Schutz gegen solche Übergriffe - insbesondere in IDP-Lagern - ist mangels staatlicher Autorität bisher nicht gewährleistet. Auch Frauen und Mädchen von Minderheiten sind häufig unter den Opfern von Vergewaltigungen (LIB 17.09.2018 - S. 101).
In Somalia, insbesondere im urbanen Raum, gibt es einen erheblichen Anteil von Familien mit weiblichem Haushaltsvorstand. 8,3% aller Haushalte werden von alleinstehenden Frauen (nie verheiratet, verlassen, geschieden, verwitwet) geführt. Der überwiegende Anteil letztgenannter Haushalte findet sich im urbanen Raum und in IDP-Lagern; gleichzeitig haben die meisten dieser Haushaltsvorstände keine Bildung. Zu den unteren Wohlstandskategorien (sehr arm, arm) zählen 43,2% dieser Haushalte, zur mittleren 19,8% und zu den oberen zwei 37%. Es liegen keine Informationen darüber vor, wonach es allen diesen Frauen an einer Existenzgrundlage mangeln würde oder dass alle diese Frauen keine Unterkunft haben würden (Anfragebeantwortung der Staaten-dokumentation zu alleinstehenden Frauen, Wohnen, Arbeiten in Somalia vom 22.03.2018, S. 3).
Aufgrund der Tatsache, dass Frauen in der konfliktbelasteten somalischen Gesellschaft immer öfter die Rolle des "Versorgers" übernehmen mussten, haben sich ihnen auch immer mehr wirtschaftliche Möglichkeiten eröffnet. So sind Frauen in zahlreichen Bereichen beruflich tätig (Haus-zu-Haus-Kleidungsverkäuferin;
Kioskbetreiberin; Landwirtin; Selbständige; Zimmerer; IT;
Schneiderin; Schönheitspflegerin; Catering; Handy-Reparatur;
Handarbeiterin; Mechanikerin; Bauarbeiterin; Stofffärberin;
Bäckerin; Klimaanlagen- und Kühlschrank-Reparatur;
Fischhaltbarmachung und Fischtrocknung; Geflügelzucht; Elektrikerin;
Greißlerin; Fleischerin; (Klein-)Händlerin; Gemüseverkäuferin;
Restaurantbetreiberin.) Für ungebildete (IDP-)Frauen stehen in erster Line die Berufe Dienstmädchen, Müllsammlerin und Wäscherin offen. Frauen sind v.a. im primären Sektor (Landwirtschaft u.a.) tätig (67,8%). An zweiter Stelle folgen Dienstleistung und Handel (14,7%), danach die Tätigkeit als Hilfsarbeiterin (u.a. Dienstmädchen; 6,3%). Personen ohne Bildung finden sich vor allem im primären Sektor (Landwirtschaft u.a.) mit 64%, als Handwerker (16%), Fabriksarbeiter (11,7%) und in Dienstleistung und Handel (11,2%) (Anfragebeantwortung Frauen 22.03.2018, S. 3 f).
In Mogadischu überwiegen generell Dienstleistung/Handel (31,8%), höhere (bildungsabhängige) Berufe (28,7%), Handwerk (15,6%), Hilfs- (11,2%) und Fabrikarbeiter (10,7%) (Anfragebeantwortung Frauen 22.03.2018, S. 4).
Über ganz Somalia verteilt sind drei von zehn Jugendlichen arbeitslos. Insgesamt beträgt die mit westlichen Standards vergleichbare Arbeitslosigkeit 24%. Bei der Personengruppe ohne Bildung sind es 22%. Besonders in nomadischen und ländlichen Gebieten ist die Arbeitslosigkeit vergleichsweise gering. Im urbanen Raum und in IDP-Lagern sind 34% arbeitslos, in Mogadischu 28%. Frauen ohne Bildung sind zu 22% arbeitslos. Generell ist die Arbeitslosigkeit bei jüngeren Menschen höher (Altersgruppe 20-29:
29%, als bei älteren (Altersgruppe 30-39: 20%) (Anfragebeantwortung Frauen 22.03.2018, S. 4).
Trotzdem ist die Arbeitslosigkeit bei Frauen höher als jene bei Männern. Von Frauen geführte IDP-Haushalte reagieren besser auf Not, als von Männern geführte. Insgesamt sind von Frauen geführte Haushalte weniger von Armut betroffen. Dies gilt aber nicht in IDP-Lagern und in urbanen Gebieten (Anfragebeantwortung Frauen 22.03.2018, S. 3).
Bei der Anmietung von Häusern kommt es zu keiner signifikanten Diskriminierung aufgrund des Geschlechts. Oft sind die Vermieter bzw. jene Personen, mit welchen Verträge abgeschlossen werden, selbst Frauen. Der entscheidende Faktor bei einer Anmietung ist nicht das Geschlecht, sondern die Frage, ob die Miete auch bezahlt werden kann. Von Frauen geführte Haushalte in Mietobjekten sind einem höheren Risiko der Zwangsräumung durch die Besitzer ausgesetzt, als von Männern geführte Haushalte (Anfragebeantwortung Frauen 22.03.2018, S. 4).
Weibliche Genitalverstümmelung (FGM)
Die Übergangsverfassung verbietet zwar weibliche Genitalverstümmelung, diese ist in Somalia aber weit verbreitet. Es sind ca. 98% aller Frauen und Mädchen beschnitten. Die Berichtslage, in welchem Alter die Beschneidung erfolgt divergiert und spricht von einem Bereich bis zum Alter von 14 Jahren. Mädchen, welche die Pubertät erreicht haben, werden nicht mehr beschnitten. Dies wäre aus Sicht der Gesellschaft gesundheitlich zu riskant. Hat ein Mädchen die Pubertät erreicht, fällt auch der Druck durch die Verwandtschaft weg (LIB 17.09.2018 - S. 105 f).
63% der Beschnittenen erlitten die weitreichendsten Form (pharaonische Beschneidung/Infibulation/WHO Typ III). Verbreitet sind die hieraus resultierenden Gesundheitsprobleme der Betroffenen. Viele überleben die Verstümmelung nicht. Bei den Bendiri und den arabischen Gemeinden in Somalia ist nicht die Infibulation sondern die Sunna (WHO Typen I und II) verbreitet. Bei diesen Gruppen scheint die Beschneidung bei der Geburt stattzufinden, möglicherweise auch nur als symbolischer Schnitt. Auch in anderen Teilen Somalias wird zunehmend die Sunna verwendet (LIB 17.09.2018 - S. 106).
Landesweit bemühen sich die Regierungen, diese Praxis einzuschränken. UNICEF arbeitet mit der somalischen Regierung, mit Puntland und anderen Akteuren zusammen, um die Menschen gegen FGM zu mobilisieren und die Praktik zu verhindern. In Puntland ist FGM verboten und es gibt Zeichen einer Reduzierung. Laut einer Untersuchung von UNICEF in Zusammenarbeit mit den Regierungen von Somaliland und Puntland sind in Nordsomalia 25% der Mädchen zwischen 1-14 Jahren von FGM betroffen. Im Gegensatz dazu sind es bei den über 15jährigen 99% (LIB 17.09.2018 - S. 105 f).
In den Gebieten der Al Shabaab ist FGM verboten. Es gibt allerdings keine Behörden oder Organisationen für Mütter, die hinsichtlich der Verhinderung einer FGM Unterstützung oder Schutz bieten (LIB 17.09.2018 - S. 106).
Um eine Verstümmelung zu vermeiden, kommt es auf die Standhaftigkeit der Mutter an. Auch der Bildungshintergrund, der soziale Status sowie die kulturelle und geographische Zugehörigkeit spielen eine Rolle. Es gibt sowohl in urbanen als auch in ländlichen Gebieten Eltern, die ihre Töchter nicht verstümmeln lassen. Leichter ist es aber in den Städten, wo die Anonymität eher gegeben bzw. die enge soziale Interaktion geringer ist (LIB 17.09.2018 - S. 106).
Generell stößt eine Mutter, die ihre Tochter nicht beschneiden lassen will, in ländlichen Gebieten auf erhebliche Probleme. Auch in urbanen Gebieten kann es zu großem sozialen und psychischem Druck kommen, damit die Tochter beschnitten wird. Der psychische Druck kann auch extreme Formen annehmen, derartige Fälle sind aber außergewöhnlich. Spricht sich auch der Kindesvater gegen eine Verstümmelung aus, und bleibt dieser standhaft, dann ist es leichter, dem psychischen Druck standzuhalten (LIB 17.09.2018 - S. 106 f).
Unbeschnittene Frauen sind in der somalischen Gesellschaft sozial stigmatisiert. Allerdings kommt es zu keinen körperlichen Untersuchungen, um den Status hinsichtlich einer vollzogenen Verstümmelung bei einem Mädchen festzustellen. Dies gilt auch für Rückkehrer aus dem Westen. In ländlichen Gebieten wird wahrscheinlich schneller herausgefunden, dass ein Mädchen nicht verstümmelt ist. Eine Möglichkeit ist, dass eine Mutter vorgibt, dass ihre Tochter einer Sunna unterzogen worden ist (LIB 17.09.2018 - S. 107).
Eine Reinfibulation (Wiederverschließung) wird nur dann von Frauen angewendet, wenn sie Jungfräulichkeit vorgeben wollen. Für verheiratete oder geschiedene Frauen und für Witwen gibt es keinen Grund, eine Jungfräulichkeit vorzugeben. Für junge Mädchen, die Opfer einer Vergewaltigung wurden oder vorehelichen Geschlechtsverkehr hatten, kann es zu Druck oder Zwang seitens der Eltern kommen, sich einer Reinfibulation zu unterziehen. Ansonsten gibt es keinen Druck auf somalische Frauen, sich einer Reinfibulation zu unterziehen. Viele Frauen fragen aber offenbar von sich aus nach einer (manchmal nur teilweisen) Reinfibulation.
Es handelt sich um eine persönliche Entscheidung, die Gesellschaft hat kein Problem damit, wenn eine Defibulation nach einer Geburt bestehen bleibt. Frauen entscheiden sich selber für eine Vorheriger Reinfibulation im Sinne einer weitestmöglichen Verschließung: a) nach einer Geburt: Manche Frauen verlangen z.B. eine Reinfibulation, weil sie sich nach Jahren an ihren Zustand gewöhnt hatten und sich die geöffnete Narbe ungewohnt und unwohl anfühlt; b) manche geschiedene Frauen möchten als Jungfrauen erscheinen; c) Eltern von Vergewaltigungsopfern fragen danach; d) in manchen Bantu-Gemeinden in Süd-/Zentralsomalia möchten Frauen, deren Männer für längere Zeit von zu Hause weg sind, eine Reinfibulation als Zeichen der Treue (LIB 17.09.2018 - S. 108).
Binnenflüchtlinge (IDPs):
IDPs gehören in Somalia zu den am meisten gefährdeten Personengruppen. Diese sind besonders benachteiligt, da sie kaum Schutz genießen und Ausbeutung, Misshandlung und Marginalisierung ausgesetzt sind. Alleinstehende oder alleinerziehende Frauen und Kinder sind besonders gefährdet. Die Regierung und Regionalbehörden bieten den IDPs nur unwesentlichen Schutz und Unterstützung und trugen sogar in manchen Fällen zur Vertreibung von IDPs bei. In Mogadischu sind für Vergewaltigungen bewaffnete Männer - darunter Regierungssoldaten und Milizionäre - verantwortlich. Weibliche IDPs sind hinsichtlich einer Vergewaltigung besonders gefährdet (LIB 17.09.2018 - S. 120 f).
IDPs sind über die Maßen von der Dürre betroffen, da sie steigende Preise für Lebensmittel nicht bezahlten können. Außerdem gibt es für sie weniger Beschäftigungsmöglichkeiten. Üblicherweise überleben sie aufgrund der Überweisung von Remissen und mittels internationaler Unterstützung. IDPs - und hier v.a. Frauen und Kinder - sind sehr vulnerabel und von Unterstützung abhängig (LIB 17.09.2018 - S. 121).
Kinder
Missbrauch und Vergewaltigung von Kindern sind ernste Probleme. Alleine im Zeitraum Jänner bis Juni 2018 wurden 140 Vorfälle sexueller Gewalt an insgesamt 145 Kindern dokumentiert. Es gibt keine bekannten Anstrengungen der Regierung oder von Regionalregierungen, dagegen vorzugehen (LIB 17.09.2018 - S. 101).
Kinderarbeit ist weit verbreitet. Es ist nicht unüblich, dass Jugendliche schon in jungen Jahren als Hirten, in der Landwirtschaft oder im Haushalt arbeiten oder aber zum Betteln gezwungen werden. Kinder werden außerdem zum Zerkleinern von Steinen, als Verkäufer oder Träger eingesetzt. Im ländlichen Somalia ist meist von Feldarbeit oder nomadischer Hilfstätigkeit auszugehen. In urbanen Zentren werden Kinder als Dienstboten und für einfache Erledigungen eingesetzt. Die körperliche Züchtigung von Kindern ist gesetzlich nicht verboten, allgemein üblich und gesellschaftlich akzeptiert (LIB 17.09.2018 - S. 101).
Die Alphabetisierungsquote liegt bei Erwachsenen bei 40%. Sie ist im Norden und in urbanen Gebieten höher, als in Süd-/Zentralsomalia und bei Nomaden. Die aktuelle Einschulungsrate liegt bei 36% und ist u. a. von finanziellen Möglichkeiten der Familie beeinflusst (LIB 17.09.2018 - S. 102).
2. Beweiswürdigung:
Beweis wurden erhoben durch Einsicht in den Verwaltungsakt sowie in den Gerichtsakt, durch Einvernahme der Erst- und des Drittbeschwerdeführers in der mündlichen Verhandlung und durch Einsichtnahme in die zum Akt genommenen Urkunden betreffend die Erst- und die Zweitbeschwerdeführerin (Beilage ./I bis ./VI:
Konvolut ZMR, GVS, Strafregister - Beilage ./I;
Länderinformationsblatt der Staatendokumentation über Somalia vom 12.01.2018 mit Kurzinformation vom 17.09.2018 - Beilage ./II; FFM Report Somalia, Sicherheitslage aus August 2017 - Beilage ./III;
Focus Somalia, Clans und Minderheiten vom 31.05.2017 - Beilage ./IV;
Lifos Bericht, die Position der Frauen im Clansystem - Beilage ./V;
Anfragebeantwortung der Staatendokumentation, alleinstehende Frauen, Wohnen und Arbeiten vom 22.03.2018 - Beilage ./VI) und betreffend den Drittbeschwerdeführer (Beilage ./I bis ./IV: Konvolut ZMR, GVS, Strafregister - Beilage ./I; Länderinformationsblatt der Staatendokumentation über Somalia vom 12.01.2018 mit Kurzinformation vom 17.09.2018 - Beilage ./II; Focus Somalia, Clans und Minderheiten vom 31.05.2017 - Beilage ./III; Analyse der Staatendokumentation, die Ashraf 2011 vom 05.09.2011 - Beilage ./IV).
2.1. Zu den Feststellungen zur Person der Beschwerdeführer:
2.1.1. Die einzelnen Feststellungen beruhen auf den jeweils in der Klammer angeführten Beweismitteln.
Die Feststellungen zur Identität der Beschwerdeführer ergeben sich aus ihren Angaben vor den Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes, vor dem Bundesamt, in der Beschwerde und vor dem Bundesverwaltungsgericht. Die getroffenen Feststellungen zum Namen und zum Geburtsdatum der Beschwerdeführer gelten ausschließlich zur Identifizierung der Personen der Beschwerdeführer im Asylverfahren.
Dass die Erst- und der Drittbeschwerdeführer lediglich traditionell, nicht jedoch standesamtlich miteinander verheiratet sind, ergibt sich aus ihren diesbezüglich schlüssigen und übereinstimmenden Angaben in der Beschwerdeverhandlung (BF 1 OZ 15, S. 7; BF 3 OZ 9, S. 7). Die Feststellung zur Geburt der gemeinsamen Tochter ergibt sich aus deren im Verfahren vorgelegten Geburtsurkunde. Dass die Erstbeschwerdeführerin in der Verhandlung am 16.09.2019 hochschwanger war, ergab sich einerseits aus ihrem persönlichen Erscheinungsbild und andererseits aus ihren diesbezüglich schlüssigen Angaben in der Beschwerdeverhandlung (Verhandlungsprotokoll vom 16.09.2019 = VP, S. 13).
2.1.2. Entgegen den Angaben der Erstbeschwerdeführerin in der Beschwerdeverhandlung vom 23.04.2019, wonach sie Somalisch nicht beherrsche, gab sie sowohl in der Erstbefragung als auch in der Einvernahme beim Bundesamt am 08.02.2017 an, dass Somalisch ihre Muttersprache ist. Die Einvernahme beim Bundesamt am 08.02.2017 wurde in der Sprache Somalisch geführt und machte die Erstbeschwerdeführerin diesbezüglich keine Verständigkeitsschwierigkeiten geltend, sondern gab vielmehr an, den Dolmetscher einwandfrei zu verstehen (BF 1 AS 94, 99, 101). Die Einvernahme der Erstbeschwerdeführerin beim Bundesamt am 23.10.2018 fand zwar in der Sprache Arabisch statt, die Erstbeschwerdeführerin gab jedoch auch dort an, fließend Somalisch zu sprechen. In der Beschwerdeverhandlung am 16.09.2019 führte die Erstbeschwerdeführerin zudem an, dass sie mit ihrem nach traditionellem Recht angetrauten Mann in Somalisch spreche. Dass die Erstbeschwerdeführerin daher der somalischen Sprache nicht mächtig sei, entspricht offenkundig nicht der Wahrheit. Es ist daher nicht glaubhaft, dass die Erstbeschwerdeführerin Verständigungsschwierigkeiten in der Sprache Somalisch hatte.
Die Feststellungen zur Staatsangehörigkeit der Erstbeschwerdeführerin und ihrer Volksgruppen- und Religionszugehörigkeit sowie zu ihrem 10-jährigen Schulbesuch und dem Umstand, dass sie nicht beschnitten ist, gründen sich auf ihre diesbezüglich schlüssigen und stringenten Angaben. Das Bundesverwaltungsgericht hat keine Veranlassung, an diesen im Verfahren im Wesentlichen gleich gebliebenen Aussagen der Erstbeschwerdeführerin zu zweifeln.
Hinsichtlich der Angaben der Erstbeschwerdeführerin betreffend ihr Aufwachsen in den Vereinigten Arabischen Emirate und ihre familiären Verhältnisse ergaben sich erhebliche Widersprüche zu den Angaben ihres in Österreich aufhältigen Halbbruders in seiner Einvernahme beim Bundesamt. So gab dieser nämlich an, dass er 1988 in den Arabischen Emiraten geboren sei und bis 2006 dort gelebt habe. Im Juli 2006 habe er sich für 2 1/2 Monate in Hargeysa in Somaliland aufgehalten und sei dann zu seiner Mutter nach Mogadischu gegangen. In seiner Erstbefragung am 05.04.2008 gab der Halbbruder der Erstbeschwerde-führerin zudem an, dass seine Mutter und seine Geschwister - darunter zählte er unter anderem die Erstbeschwerdeführerin namentlich auf - in Mogadischu im Bezirk XXXX leben würden. Die Erstbeschwerdeführerin führte hingegen aus, dass sie erst 2014 im Alter von XXXX Jahren für ca. neun Monate nach Somalia nach Afgooye zurückkehrte. Sie sei zwar im Alter von ca. XXXX oder XXXX Jahren schon einmal in Somalia in Afgooye gewesen, sei dann jedoch mit ihren Eltern wieder in die Vereinigte Arabische Emirate zurückgekehrt (BF 1 AS 95, 98; BF 2 AS 58; VP, S. 9). Insbesondere vor dem Hintergrund, dass die Beschreibung der Erstbeschwerdeführerin hinsichtlich Afgooye ("BF 1: Es gibt 2 Brücken. Es regnet viel in Afgooye. Wie in einem normalen afrikanischen Land." [VP, S. 8]) nicht so wirkte, als hätte sie tatsächlich dort gelebt, geht das Gericht - den Angaben des Halbbruders der Erstbeschwerdeführerin folgend - davon aus, dass die Erstbeschwerdeführerin einen längeren Zeitraum über in Mogadischu gelebt hat, jedoch nie in Afgooye war. Es ist zudem offenkundig, dass die Erstbeschwerdeführerin versuchte ihren Aufenthalt in Mogadischu zu verschleiern. Das Gericht geht deshalb auch davon aus, dass die Erstbeschwerdeführerin nach ihrer ersten Rückkehr im Alter von ca. XXXX Jahren (BF 1 AS 98; VP, S. 9) - somit ca. im Jahr 2006, was mit den Angaben ihres Halbbruders in Einklang steht - nicht mehr in die Vereinigten Arabischen Emiraten zurückkehrte. Dies auch insbesondere deshalb, weil ihre Angaben zur Rückkehr in die Vereinigten Arabische Emirate auch sehr vage waren und sie nicht angeben konnte, warum sie Somalia wieder verlassen haben (VP, S. 9). Da die Erstbeschwerdeführerin bereits ab dem Alter von ca. XXXX Jahren in Somalia lebte, steht fest, dass die Erstbeschwerdeführerin den Großteil ihrer zehnjährigen Schulausbildung in Somalia absolvierte.
Die Erstbeschwerdeführerin machte insbesondere betreffend ihre Sprachkenntnisse offenkundig falsche Angaben. Zudem waren die Ausführungen betreffend ihr Aufwachsen in den Vereinigten Arabischen Emirate bzw. Somalia widersprüchlich und daher ebenso unglaubhaft, weshalb dies die Unglaubwürdigkeit der Person der Erstbeschwerdeführerin indiziert. Die Erstbeschwerdeführerin ist daher als Person unglaubwürdig.
2.1.3. Die Feststellungen zur Staatsangehörigkeit des Drittbeschwerdeführers, zu seiner Religionszugehörigkeit sowie zu seinen Sprachkenntnissen und seinem Lebenslauf (sein Aufwachsen und seine familiäre und wirtschaftliche Situation in Somalia sowie seine Schulbildung) stützen sich auf seine diesbezüglich schlüssigen und stringenten Angaben. Das Bundesverwaltungsgericht hat keine Veranlassung, an diesen im Verfahren im Wesentlichen gleich gebliebenen Aussagen des Drittbeschwerdeführers zu zweifeln.
Bezüglich seiner Clanzugehörigkeit machte der Drittbeschwerdeführer sowohl beim Bundesamt als auch in der Beschwerdeverhandlung lediglich vage Angaben. Zu Beginn der Beschwerdeverhandlung versuchte der Drittbeschwerdeführer seine vagen Angaben im verwaltungsbehördlichen Verfahren zu ergänzen, indem er angab, dass er beim Bundesamt " XXXX " als religiöses Mitglied seines Clans genannt habe, es jedoch zu einer Verwechslung gekommen sei und nun aus der Niederschrift der Eindruck entstehe, dass er - anstatt des Dolmetschers - angegeben habe den genannten Namen nicht zu kennen (BF 3 OZ 9, S. 5 f). Aus der Niederschrift der Einvernahme des Drittbeschwerdeführers geht jedoch keine Verwechslung hervor, sondern dieser ist zu entnehmen, dass der Drittbeschwerdeführer " XXXX " als religiöses Mitglied seines Clans nannte und der Dolmetscher dazu bemerkte, dass ihm dieser Name nicht bekannt sei (BF 3 AS 173). Es erweckt den Eindruck als versuchte der Drittbeschwerdeführer nunmehr lediglich einen anderen Namen zu nennen um seine unrichtigen Angaben beim Bundesamt in Bezug auf seinen Clan zu korrigieren. Zudem konnte er in der Beschwerdeverhandlung den Clanältesten in seinem Wohnort nicht nennen und gab hinsichtlich der Abstammung seines Clans lediglich ausweichend an, dass Angehörige der Ashraf Somalier seien, die in verschiedenen Gebieten in Somalia leben würden. Näheres sei ihm nicht erzählt worden (BF 3 OZ 9, S. 6).
Den diesbezüglichen Länderfeststellungen ist zu entnehmen, dass aufgrund der großen sozialen, wirtschaftlichen und politischen Bedeutung der Clans es auch heute für Somalier im somalischen Kulturraum essentiell und in der Diaspora zumindest nicht irrelevant ist, sich in diesem System verorten zu können. Jüngere Somalier im urbanen Raum oder in der Diaspora sind heute häu