TE Vwgh Erkenntnis 2020/6/4 Ra 2019/15/0020

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Veröffentlicht am 04.06.2020
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Index

10/07 Verwaltungsgerichtshof
34 Monopole
40/01 Verwaltungsverfahren

Norm

AVG §58 Abs2
AVG §60
GSpG 1989 §52 Abs2
VStG §16 Abs2
VStG 1991 §16 Abs2
VwGG §42 Abs2 Z1

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Zorn und die Hofräte MMag. Maislinger sowie Mag. Novak als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. Engenhart, über die Revision des G Ö in I, vertreten durch Dr. Patrick Ruth und MMag. Daniel Pinzger in 6020 Innsbruck, Kapuzinergasse 8/4, gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichtes Tirol vom 21. Dezember 2018, Zl. LVwG-2018/42/1304-8, betreffend Übertretung des Glücksspielgesetzes (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Landespolizeidirektion Tirol),

Spruch

1. den Beschluss gefasst:

Soweit das angefochtene Erkenntnis den Schuldspruch betrifft, wird die Revision zurückgewiesen.

2. zu Recht erkannt:

Soweit das angefochtene Erkenntnis den Ausspruch über die Strafe sowie die Kosten des verwaltungsbehördlichen Strafverfahrens und des Beschwerdeverfahrens betrifft, wird das angefochtene Erkenntnis wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat dem Revisionswerber Aufwendungen in der Höhe von € 1.346,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

1        Mit Straferkenntnis der Landespolizeidirektion Tirol vom 2. Mai 2018 wurde der Revisionswerber der zweifachen Übertretung des § 52 Abs. 1 Z 1 Glücksspielgesetz (GSpG) schuldig erkannt und wurden über ihn zwei Geldstrafen in der Höhe von jeweils 3.000 € sowie für den Fall der Uneinbringlichkeit Ersatzfreiheitsstrafen in der Höhe von jeweils 12 Tagen und 9 Stunden verhängt. Das Straferkenntnis ist an den Revisionswerber adressiert und ihm auch persönlich zugestellt worden.

2        Mit dem angefochtenen Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichtes Tirol wurde die dagegen erhobene Beschwerde mit geringfügigen Modifizierungen des Spruches als unbegründet abgewiesen, dem Revisionswerber ein Beitrag zu den Kosten des Beschwerdeverfahrens auferlegt und ausgesprochen, dass die Revision an den Verwaltungsgerichtshof nicht zulässig sei.

3        Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vorliegende außerordentliche Revision, zu der die belangte Behörde nach Einleitung des Vorverfahrens Stellung genommen hat.

4        Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

5        Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

6        Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.

7        Liegen - wie hier in Bezug auf den Ausspruch von Schuld und Strafe - trennbare Absprüche vor, so ist die Zulässigkeit einer dagegen erhobenen Revision getrennt zu prüfen (VwGH 22.11.2018, Ra 2018/15/0041, 0042, mwN).

8        Zunächst ist dem Zulässigkeitsvorbringen der vorliegenden Revision zu erwidern, dass die für eine Vorlage an den Gerichtshof der Europäischen Union (EuGH) gemäß Art. 267 AEUV aufgeworfenen Fragen klar bzw. geklärt sind. Die Anforderungen an eine Prüfung der Unionsrechtskonformität im Zusammenhang mit einer Monopolregelung im Glücksspielsektor durch die nationalen Gerichte sind ebenso geklärt (vgl. EuGH 15.9.2011, Dickinger und Ömer, C-347/09, Rn. 83 f; 30.4.2014, Pfleger, C-390/12, Rn. 47 ff; 30.6.2016, Admiral Casinos & Entertainment, C-464/15, Rn. 31, 35 ff; 28.2.2018, Sporting Odds Ltd., C-3/17, Rn. 28, 62 ff; sowie 6.9.2018, Gmalieva s.r.o. u.a., C-79/17, Rn. 22 ff). Diesen Anforderungen ist der Verwaltungsgerichtshof im Erkenntnis vom 16. März 2016, Ro 2015/17/0022, durch die Durchführung der nach der Rechtsprechung des EuGH erforderlichen Gesamtwürdigung nachgekommen. Er hat an dieser Gesamtwürdigung mit Erkenntnis vom 11. Juli 2018, Ra 2018/17/0048, 0049, mit näherer Begründung festgehalten. Von dieser - weiterhin maßgeblichen - Rechtsprechung ist das Verwaltungsgericht mit seiner Beurteilung im Revisionsfall im Ergebnis nicht abgewichen. Entgegen dem weiteren Vorbringen steht die angefochtene Entscheidung daher nicht im Widerspruch zum Urteil des EuGH vom 30. April 2014, Pfleger, C-390/12.

9        Ebenso stehen nach den Ausführungen des EuGH in seinem Urteil vom 14. Juni 2017, Online Games Handels GmbH u.a., C-685/15, die Art. 49 AEUV (Niederlassungsfreiheit) und Art. 56 AEUV (Dienstleistungsfreiheit) im Lichte des Art. 47 GRC einem Verfahrensregime wie dem vor dem Verwaltungsgericht geltenden betreffend die amtswegige Ermittlung der Umstände der vom Gericht entschiedenen Rechtssachen nicht entgegen (vgl. zuletzt auch EuGH 28.2.2018, Sporting Odds Ltd., C-3/17, Rn. 55; sowie VwGH 11.7.2018, Ra 2018/17/0048 bis 0049, Rn. 24 ff).

10       Entgegen dem Vorbringen der revisionswerbenden Partei steht das in § 14 Abs. 3 GSpG statuierte Erfordernis eines Sitzes im Inland bzw. der davon normierten Ausnahme, wenn die ausländische Kapitalgesellschaft in ihrem Sitzstaat über eine vergleichbare Lotterienkonzession verfügt und einer vergleichbaren staatlichen Glücksspielaufsicht unterliegt, die im Sinne des § 19 GSpG der österreichischen Aufsicht erforderlichenfalls Kontrollauskünfte übermittelt und für sie Kontrollmaßnahmen vor Ort durchführt, nicht mit Unionsrecht im Widerspruch (vgl. näher VwGH 11.7.2018, Ra 2018/17/0048, 0049, Rn. 34 ff). In diesem Zusammenhang stellt sich daher vor dem Hintergrund dieser Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes keine Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung.

11       Mit dem Vorbringen, dass das Verwaltungsgericht im Hinblick auf die Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofes vom 11. Juli 2018, Ra 2017/17/0052, bezüglich (unzulässiger) Werbepraktiken ein entsprechendes Beweisverfahren durchzuführen und entsprechende Feststellungen zu treffen gehabt hätte, wird die Relevanz des behaupteten Verfahrensmangels nicht ausreichend dargetan (vgl. VwGH 21.2.2019, Ra 2018/09/0202, 0203).

12       Der Revisionswerber bringt zur Zulässigkeit der gegenständlichen Revision überdies vor, das Straferkenntnis der Landespolizeidirektion Tirol sei nicht seinem ausgewiesenen Rechtsvertreter, sondern ihm persönlich zugestellt worden, weshalb keine rechtswirksame Zustellung stattgefunden habe. Dazu genügt es auf die Ausführungen im angefochtenen Erkenntnis zu verweisen. Im Hinblick auf die Erkenntnisse des Verwaltungsgerichtshofes vom 23. Oktober 2018, Ra 2018/02/0276, und vom 10. April 2013, 2011/08/0180, wird damit keine Rechtsfrage iSd Art. 133 Abs. 4 B-VG aufgezeigt.

13       Auch sonst wirft das Zulässigkeitsvorbringen, soweit es sich gegen den Schuldspruch richtet, keine Rechtsfragen von grundsätzlicher Bedeutung auf.

14       Der Revisionswerber ist jedoch im Hinblick auf den Strafausspruch insbesondere der verhängten Ersatzfreiheitsstrafe im Recht. Die Revision ist in diesem Umfang auch begründet.

15       Nach dem vom Verwaltungsgericht in Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG in Verwaltungsstrafsachen anzuwendenden § 16 Abs. 2 VStG (§ 38 VwGVG) darf die Ersatzfreiheitsstrafe das Höchstmaß der für die Verwaltungsübertretung angedrohten Freiheitsstrafe und, wenn keine Freiheitsstrafe angedroht und nicht anderes bestimmt ist, zwei Wochen nicht übersteigen. Eine Ersatzfreiheitsstrafe von mehr als sechs Wochen ist nicht zulässig. Sie ist ohne Bedachtnahme auf § 12 VStG nach den Regeln der Strafbemessung festzusetzen.

16       § 52 Abs. 2 GSpG sieht weder eine Freiheitsstrafe vor, noch ist für die Verhängung einer Ersatzfreiheitsstrafe von § 16 Abs. 2 VStG Abweichendes vorgesehen (vgl. VwGH 24.1.2019, Ra 2018/17/0209).

17       Sowohl das Landesverwaltungsgericht als auch die Landespolizeidirektion Tirol sind von der Wiederholung einer Übertretung des § 52 Abs. 1 Z 1 GSpG ausgegangen. Durch die Bestätigung des verwaltungsbehördlichen Straferkenntnisses hat das Landesverwaltungsgericht - ausgehend von einem Strafrahmen von 3.000 € bis 30.000 € pro Glücksspielgerät - eine Geldstrafe von 3.000 € verhängt. Die Ersatzfreiheitsstrafe wurde mit 12 Tagen und 90 Stunden bemessen. Sie steht jedoch - da ihr Höchstausmaß zu ca. 90 % ausgeschöpft wurde - in einem auffallenden Missverhältnis zur Höhe der verhängten Geldstrafe, die mit der Mindeststrafe festgesetzt wurde. Eine Begründung für die Bemessung der Ersatzfreiheitsstrafe in dieser Höhe ist dem angefochtenen Erkenntnis nicht zu entnehmen. Auch das Straferkenntnis enthielt keine Begründung.

18       Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist jedenfalls dann, wenn zwischen der Höhe der verhängten Geldstrafe und der verhängten Ersatzfreiheitsstrafe ein erheblicher, nach dem Verhältnis zur Höchststrafe zu bemessender Unterschied besteht, dafür eine Begründung erforderlich. Da - wie in der Zulässigkeitsbegründung der Revision zutreffend aufgezeigt wird - eine solche im angefochtenen Erkenntnis nicht erfolgte, belastet dies jedenfalls den Strafausspruch mit Rechtswidrigkeit (vgl. VwGH 24.1.2019, Ra 2018/17/0209).

19       Ist der Ausspruch bezüglich der Ersatzfreiheitsstrafe rechtswidrig, so ist der Strafausspruch nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zur Gänze aufzuheben (vgl. erneut VwGH 24.1.2019, Ra 2018/17/0209).

20       Das angefochtene Erkenntnis war daher im Umfang des Strafausspruchs wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG aufzuheben.

21       Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2014.

Wien, am 4. Juni 2020

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2020:RA2019150020.L00

Im RIS seit

22.07.2020

Zuletzt aktualisiert am

22.07.2020
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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