TE Vfgh Beschluss 1996/6/11 G1360/95, B3072/95

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 11.06.1996
beobachten
merken

Index

83 Natur- und Umweltschutz
83/01 Natur- und Umweltschutz

Norm

B-VG Art140 Abs1 / Individualantrag
UVP-G §46 Abs3
GewO 1994 §78 Abs1
AbfallwirtschaftsG §44, §45

Leitsatz

Ablehnung einer Beschwerde gegen die Errichtung einer Reststoffdeponie und Zurückweisung der Individualanträge auf Aufhebung des §46 Abs3 UVP-G, des §44 Abs6 und §45 Abs7 AbfallwirtschaftsG, des §78 Abs1 GewO 1994, des §2 Abs2 lite Sbg BaupolizeiG und des §15 Abs1 Sbg AbfallG mangels aktueller Betroffenheit - keine "Doppelgleisigkeit" des Rechtsschutzes - und mangels Erfüllung der formellen Erfordernisse

Spruch

I. Die Behandlung der Beschwerde wird abgelehnt.

II. Die Anträge werden zurückgewiesen.

Begründung

Begründung:

I. Der Verfassungsgerichtshof kann die Behandlung einer Beschwerde in einer nicht von der Zuständigkeit des Verwaltungsgerichtshofes ausgeschlossenen Angelegenheit ablehnen, wenn sie keine hinreichende Aussicht auf Erfolg hat oder von der Entscheidung die Klärung einer verfassungsrechtlichen Frage nicht zu erwarten ist (Art144 Abs2 B-VG). Eine solche Klärung ist dann nicht zu erwarten, wenn zur Beantwortung der maßgebenden Fragen spezifisch verfassungsrechtliche Überlegungen nicht erforderlich sind.

Die (nicht weiter auf das Vorliegen der Prozeßvoraussetzungen zu prüfende) Beschwerde rügt die Verletzung der verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechte auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz, auf Unverletzlichkeit des Eigentums sowie im Recht auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter. Nach den Beschwerdebehauptungen wären diese Rechtsverletzungen aber zum erheblichen Teil nur die Folge einer - allenfalls grob - unrichtigen Anwendung des einfachen Gesetzes. Zur Beurteilung der aufgeworfenen Fragen, sowie insbesondere zur Frage, ob innerstaatliches, einfachgesetzliches Recht oder unmittelbar anwendbares Gemeinschaftsrecht anzuwenden ist, sind spezifisch verfassungsrechtliche Überlegungen nicht anzustellen.

Soweit die Beschwerde die Verfassungswidrigkeit der §§44 Abs6 und 45 Abs7 Abfallwirtschaftsgesetz, BGBl. 325/1990 idgF, (AWG), sowie des §46 Abs1 und Abs3 des Umweltverträglichkeitsprüfungsgesetzes, BGBl. 697/1993, (UVP-G) rügt, läßt ihr Vorbringen vor dem Hintergrund der Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes zum rechtspolitischen Gestaltungsfreiraum bei der Regelung von Übergangsvorschriften (etwa VfSlg. 12652/1991, 13299/1992, VfGH 30.9.1995, B1535/94) die Verletzung eines anderen verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechtes oder die Verletzung in einem sonstigen Recht wegen Anwendung einer rechtswidrigen generellen Norm als so wenig wahrscheinlich erkennen, daß sie keine hinreichende Aussicht auf Erfolg hat.

Die Angelegenheit ist auch nicht von der Zuständigkeit des Verwaltungsgerichtshofes ausgeschlossen.

Demgemäß wurde beschlossen, von einer Behandlung der Beschwerde abzusehen (§19 Abs3 Z1 VerfGG).

II. 1. Unter einem werden auf Art140 Abs1 letzter Satz B-VG gestützte Anträge gestellt, die Bestimmungen des §46 Abs3 UVP-G, §44 Abs6 und §45 Abs7 AWG, §78 Abs1 GewO 1994, BGBl. 194/1994, §2 Abs2 lite Salzburger Baupolizeigesetz, LGBl. 117/1973, sowie §15 Abs1 Salzburger Abfallgesetz, LGBl. 5/1991, als verfassungswidrig aufzuheben. Diese Bestimmungen seien "für sämtliche antragstellenden Parteien unmittelbar wirksam geworden ...", weil auf Grund dieser Bestimmungen das verfahrensgegenständliche Vorhaben verwirklicht werden, bzw. mit seinem Bau begonnen werden konnte, ohne daß es einer Umweltverträglichkeitsprüfung nach dem UVP-G, einem Genehmigungsverfahren nach §29 AWG, einem Bewilligungsverfahren nach §2 ff und 7 ff Salzburger Baupolizeigesetz und einem Bewilligungsverfahren nach §15 ff Salzburger Abfallgesetz unterzogen werden mußte. Gegen einen Baubeginn könnten sich die antragstellenden Parteien trotz ihrer extremen Betroffenheit rechtlich nicht zur Wehr setzen. Sie hätten keinerlei Möglichkeit, zu erzwingen, daß wenigstens eines der vorstehend kumulativ angeführten Projektsprüfungs- und bzw. -genehmigungsverfahren durchgeführt würden. Dadurch seien sie in ihren Rechten verletzt.

2. Die Anträge sind unzulässig.

2.1. Im Zusammenhang mit nach Art140 B-VG gestellten Individualanträgen hat der Verfassungsgerichtshof wiederholt ausgeführt, daß dann, wenn ein Verfahren anhängig ist, in dem Gelegenheit zur Anregung einer Gesetzesprüfung besteht, ein Individualantrag nur bei Vorliegen außergewöhnlicher Umstände zulässig ist; andernfalls gelangte man zu einer Doppelgleisigkeit des Rechtsschutzes, die mit dem Charakter des Individualantrages als eines subsidiären Rechtsbehelfes nicht im Einklang stünde (VfSlg. 10856/1986, 11114/1986, 11442/1987, 12395/1990, 12552/1990).

Soweit die Antragsteller die Aufhebung der §44 Abs6 und §45 Abs7 AWG sowie des §46 Abs3 UVP-G beantragen, haben sie ihre Bedenken gegen diese Bestimmungen in der gleichzeitig erhobenen, zu B3072/95 protokollierten Beschwerde vorgebracht, und war der unter einem gestellte Individualantrag unzulässig.

Jene Antragsteller, die im wasserrechtlichen Verfahren keine Parteistellung erlangt haben, sind von den verfahrensrechtlichen Übergangsbestimmungen des AWG und des UVP-G von vornherein nicht aktuell beeinträchtigt.

2.2. Voraussetzung der Antragslegitimation ist einerseits, daß der Antragsteller behauptet, unmittelbar durch das angefochtene Gesetz - im Hinblick auf dessen Verfassungswidrigkeit - in seinen Rechten verletzt worden zu sein, dann aber auch, daß das Gesetz für den Antragsteller tatsächlich, und zwar ohne Fällung einer gerichtlichen Entscheidung oder ohne Erlassung eines Bescheides wirksam geworden ist. Grundlegende Voraussetzung der Antragslegitimation ist, daß das Gesetz in die Rechtssphäre des Antragstellers nachteilig eingreift und diese - im Falle seiner Verfassungswidrigkeit - verletzt.

Gemäß §62 Abs1 VerfGG sind in einem Antrag auf Aufhebung eines Gesetzes als verfassungswidrig die gegen die Verfassungsmäßigkeit des Gesetzes sprechenden Bedenken im einzelnen darzulegen. Wird ein solcher Antrag von einer Person gestellt, die unmittelbar durch die Verfassungswidrigkeit des Gesetzes in ihren Rechten verletzt zu sein behauptet, so ist auch darzutun, inwieweit das Gesetz ohne Fällung einer gerichtlichen Entscheidung oder ohne Erlassung eines Bescheides für sie wirksam geworden ist.

   2.2.1. Im Antrag sind jedoch keinerlei Darstellungen darüber

enthalten, inwieweit §78 Abs1 GewO 1994, wonach "Anlagen oder

Teile von Anlagen ... vor Eintritt der Rechtskraft des

Genehmigungsbescheides errichtet und betrieben werden (dürfen),

wenn 1. nur der Genehmigungswerber gegen den Genehmigungsbescheid

berufen hat oder 2. die Anlage vom Landeshauptmann genehmigt

wurde und die Auflagen ... eingehalten werden", für die

Antragsteller unmittelbar wirksam geworden ist.

2.2.2. Soweit im Antrag die Aufhebung des §2 Abs2 lite Salzburger Baupolizeigesetz begehrt wird, haftet ihm ein nicht iSd. §18 VerfGG verbesserungsfähiger - gravierender - Mangel an, denn er enthält entgegen der zwingenden Vorschrift des §62 Abs1 VerfGG keine eindeutige Bezeichnung jener Gesetzesstelle, deren Aufhebung begehrt wird. Wird im Aufhebungsbegehren als angefochtene Norm §2 Abs2 lite Salzburger Baupolizeigesetz bezeichnet, so bezieht sich das - im einzelnen nicht näher ausgeführte - Bedenken der mangelnden Sachgerechtigkeit inhaltlich auf §2 Abs2 litc Salzburger Baupolizeigesetz. Der Antrag ist daher insoweit schon aus diesem Grund zurückzuweisen (vgl. etwa VfSlg. 11152/1986, 12263/1990; VfGH 28.2.1995, V158/94).

2.2.3. Weiters wird die Aufhebung des §15 Abs1 des Salzburger Abfallgesetzes 1991 als verfassungswidrig begehrt, weil nach §15 Abs1 dieses Gesetzes "dessen Genehmigungsvorschriften bereits dann nicht zur Anwendung kommen sollen, wenn eine solche Anlage einem Betriebsanlagengenehmigungsverfahren nach den Bestimmungen der §§74 ff. der GewO unterliegt".

Auch aus diesen Ausführungen wird nicht ersichtlich, inwieweit diese Bestimmungen für die Antragsteller unmittelbar wirksam wurden. Der diesbezügliche Antrag war daher zurückzuweisen.

4. Die Anträge gemäß Art140 B-VG waren daher insgesamt schon aus diesen Gründen zurückzuweisen.

III. Diese Entscheidung konnte

gemäß §19 Abs3 Z2 lite VerfGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung getroffen werden.

Schlagworte

Abfallwirtschaft, Umweltschutz, Umweltverträglichkeitsprüfung, VfGH / Individualantrag

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:1996:G1360.1995

Dokumentnummer

JFT_10049389_95G01360_00
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten