TE Vwgh Erkenntnis 1984/10/24 84/02B/0009

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Veröffentlicht am 24.10.1984
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Index

StVO

Norm

StVO 1960 §11 Abs2

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Leibrecht und die Hofräte Dr. Pichler und Dr. Bernard als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. Schemel, über die Beschwerde des O L in W, vertreten durch Dr. Werner Zach, Rechtsanwalt in Wien IV, Brucknerstraße 4, gegen den Bescheid der Wiener Landesregierung vom 28. Juni 1984, Zl. MA 70-IX/L 67/84/Str, betreffend Übertretung der Straßenverkehrsordnung 1960, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Die Bundeshauptstadt (Land) Wien hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 8.450,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Das Mehrbegehren wird abgewiesen.

Begründung

Mit Strafverfugung der Bundespolizeidirektion Wien, Bezirkspolizeikommissariat Leopoldstadt, vom 9. März 1984 wurde der Beschwerdeführer schuldig erkannt, "am 12. 1. 1984 um 06.07 Uhr in Wien 20, Klosterneuburgerstraße Kreuzung Adalbert Stifter Straße Richtung 2. Bezirk mit dem Kraftfahrzeug mit dem Kennzeichen W..... die Änderung der Fahrtrichtung nicht angezeigt" zu haben, "so daß sich andere Straßenbenützer auf den Vorgang nicht einstellen konnten". Er habe dadurch eine Verwaltungsübertretung nach § 99 Abs. 3 lit. a in Verbindung mit § 11 Abs. 2 StVO 1960 begangen. Über ihn wurde eine Geldstrafe von S 1.000,-- (30 Stunden Ersatzarrest) verhängt.

Auf Grund eines rechtzeitig erhobenen Einspruchs wurde das ordentliche Verfahren eingeleitet. Der als Zeuge vernommene Meldungsleger gab dazu an: "Ich halte die in der Anzeige gemachten Angaben vollinhaltlich aufrecht. Ich kann mich auf den Sachverhalt erinnern. Der angezeigte Pkw-Lenker fuhr in der Klosterneuburgerstraße Richtung 2. Bezirk. Bei der Kreuzung mit der Adalbert Stifter-Straße bog der Angezeigte, ohne das vorher mit dem Fahrtrichtungsänderungsanzeiger anzuzeigen und entgegen eines VZ gem. § 52/15 StVO, vorgeschriebene Fahrtrichtung geradeaus oder rechts, nach links ein Richtung Floridsdorfer Brücke". Der Beschwerdeführer leistete einer Ladung zur mündlichen Strafverhandlung keine Folge. Hierauf erging das Straferkenntnis vom 18. Mai 1984, mit dem der Beschwerdeführer schuldig erkannt wurde, "am 12. 1. 1984 um 06.07 Uhr in Wien 20., Klosterneuburgerstr. Kreuzung Adalbert Stifterstr. Richtung

2. Bezirk den Pkw W..... gelenkt und die Änderung der Fahrtrichtung nicht angezeigt, obwohl dies für andere Verkehrsteilnehmer nötig gewesen wäre, sodaß sich diese rechtzeitig auf den Vorgang hatten einstellen können, und dadurch eine Verwaltungsübertretung nach § 99/3a StVO i.V.m. § 11/2 StVO begangen" zu haben. Über ihn wurde eine Geldstrafe von S 1.000,-- (30 Stunden Ersatzarrest) verhängt; ferner wurde ihm ein Verfahrenskostenbeitrag auferlegt.

In seiner Berufung bemängelte der Beschwerdeführer, daß der Tathergang nicht mit allen "unterscheidungsfähigen Merkmalen" angegeben werde. Insbesondere fehle jeder Hinweis auf den Standort des Meldungslegers, die schließlich eingeschlagene Fahrtrichtung des Beschwerdeführers sowie darauf, ob tatsächlich eine Behinderung anderer Verkehrsteilnehmer eingetreten sei.

Mit dem angefochtenen Bescheid wurde das Straferkenntnis hinsichtlich der Strafzumessung und der Kostenentscheidung vollinhaltlich und in der Schuldfrage mit der Abänderung bestätigt, daß die Tatumschreibung wie folgt zu lauten hat: "Der Beschuldigte ..... ist am 12. 1. 1984 um 6.07 Uhr als Lenker des PKW W..... in Wien 20, Klosterneuburger Straße, Kreuzung Adalbert-Stifter-Straße nach links Richtung Floridsdorfer Brücke eingebogen, ohne diesen Vorgang anzuzeigen, obwohl dies für andere Straßenbenutzer nötig gewesen wäre, damit sich diese rechtzeitig auf den Vorgang einstellen hätten können".

In der Beschwerde wird die Rechtswidrigkeit des Inhaltes des angefochtenen Bescheides und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften behauptet und die kostenpflichtige Aufhebung des angefochtenen Bescheides beantragt.

Die belangte Behörde hat eine Gegenschrift erstattet, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem nach § 12. Abs. 1 Z. 2 VwGG 1965 gebildeten Senat erwogen:

Der Beschwerdeführer begründet seine Behauptung der inhaltlichen Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides zunächst damit, daß der Anzeige, der Strafverfügung, dem Straferkenntnis und dem angefochtenen Bescheid nicht übereinstimmend die Fahrtrichtung des Beschwerdeführers entnommen werden könne; er vermeint einen Widerspruch zwischen den Angaben des Meldungslegers in der Anzeige und in seiner Zeugenaussage zu erkennen. Ein derartiger Widerspruch liegt aber nicht vor: Die Tatumschreibung in der Anzeige (und gleichlautend in der Strafverfügung) ist zwar insofern unvollständig, als ihr nicht zu entnehmen ist, ob die Änderung der Fahrtrichtung nach rechts oder nach links erfolgt ist. Die Fahrtrichtung selbst ist durch die Wendung "Richtung 2. Bezirk" hingegen eindeutig bestimmt, da die Klosterneuburger Straße durch den 20. Wiener Gemeindebezirk führt und an der Grenze zum 2. Bezirk endet. Wenn der Meldungsleger in seiner Zeugenaussage zusätzlich ausführt, der Beschwerdeführer sei in die Adalbert Stifter Straße nach links Richtung Floridsdorfer Brücke eingebogen, dann steht dies durchaus im Einklang mit dem Inhalt der Anzeige. Wenn ferner die belangte Behörde dieses Sachverhaltselement in den Spruch ergänzend aufgenommen hat, so hat sie damit die eingangs bezeichnete Unvollständigkeit behoben, was ihr in ihrer Funktion als Berufungsbehörde auch zusteht. Entgegen der offensichtlichen Meinung des Beschwerdeführers liegt keine Auswechslung, sondern lediglich eine Präzisierung der Angabe der als erwiesen angenommenen Tat im Sinne des § 44a lit. a VStG 1950 vor.

Aktenwidrig ist die weitere Behauptung des Beschwerdeführers, der Meldungsleger habe sich als Zeuge auf einen bloßen Verweis auf die Anzeige beschränkt. Er hat vielmehr den Tathergang geschildert und dabei die genannte Ergänzung vorgenommen.

Da der behauptete Widerspruch zwischen Anzeige einerseits und dem angefochtenen Bescheid andererseits nicht vorliegt, erübrigt sich ein Eingehen auf den diesbezüglich behaupteten Verfahrensmangel.

Anders als etwa bei der Schätzung der Geschwindigkeit eines fahrenden Fahrzeuges (vgl. dazu das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 17. Dezember 1982, Zl. 02/3361/80) ist es beim gegenständlichen Unterlassen der Anzeige einer Fahrtrichtungsänderung nicht erforderlich, daß der Standort des Meldungslegers zum Zeitpunkt der Wahrnehmung der Tat im Bescheid ausdrücklich angegeben wird. Für die Wahrnehmung der tatsbestandsmäßigen Vorgänge, des Nichtanzeigens einer Fahrtrichtungsänderung und des Vorhandenseins anderer Verkehrsteilnehmer, die durch den Abbiegevorgang behindert oder gefährdet werden können, bedarf es nicht eines besonders geeigneten und daher auch besonders hervorzuhebenden Beobachtungspunktes.

Dennoch führt die Beschwerde im Ergebnis zum Erfolg:

Tatbestandsmerkmal einer Übertretung des § 11 Abs. 2 StVO 1960 ist u. a., daß sich andere Straßenbenutzer auf den nicht angezeigten Vorgang (Abbiegen, Fahrstreifenwechsel) nicht einstellen konnten. Die Anzeigepflicht besteht somit nur, wenn andere Straßenbenutzer durch den beabsichtigten Vorgang behindert oder gefährdet werden können (vgl. Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 27. April 1983, Zl. 82/03/0168, 0170). Der Spruch des angefochtenen Bescheides enthält in der Beschreibung der als erwiesen angenommenen Tat im Sinne des § 44 a lit. a VStG 1950 zwar diesbezüglich die Wendung "obwohl dies für andere Straßenbenützer notwendig gewesen wäre, damit sich diese rechtzeitig auf den Vorgang einstellen hätten können". Für diesen Spruchbestandteil findet sich aber im angefochtenen Bescheid keine Begründung, obwohl der Beschwerdeführer bereits in der Berufung gegen das Straferkenntnis erster Instanz ausdrücklich das Fehlen derartiger Feststellungen im Straferkenntnis gerügt hat.

Das Fehlen dieses wesentlichen Begründungselementes muß zur Aufhebung des angefochtenen Bescheides wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften führen.

Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 lit. c Z. 3 VwGG 1965 aufzuheben. Bei diesem Ergebnis war auf das weitere Beschwerdevorbringen betreffend Strafbemessung nicht mehr einzugehen.

Hinsichtlich der zitierten Entscheidungen des Verwaltungsgerichtshofes wird an Art. 14 Abs. 4 der Geschäftsordnung des Verwaltungsgerichtshofes BGBl. Nr. 45/1965 erinnert.

Die beantragte Durchführung einer mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgerichtshof konnte im Hinblick auf § 39 Abs. 2 lit. c VwGG 1965 in der Fassung BGBl. Nr. 203/1982 unterbleiben.

Der Kostenzuspruch gründet sich auf die §§ 47 und 48 Abs. 1 lit. a und b VwGG 1965 in Verbindung mit Art. I lit. A Z. 1 der Verordnung des Bundeskanzlers BGBl. Nr. 221/1981. Das Mehrbegehren war abzuweisen, da Stempelgebühren nur in dem Ausmaß ersetzt werden können, in dem sie im verwaltungsgerichtlichen Verfahren zu entrichten waren.

Wien, am 24. Oktober 1984

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1984:1984020009.X00

Im RIS seit

25.06.2020

Zuletzt aktualisiert am

25.06.2020
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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