TE Lvwg Erkenntnis 2020/5/7 LVwG-AV-78/001-2020

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 07.05.2020
beobachten
merken

Entscheidungsdatum

07.05.2020

Norm

GewO 1994 §74 Abs2
GewO 1994 §360 Abs1
GewO 1994 §360 Abs1a

Text

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Landesverwaltungsgericht Niederösterreich erkennt durch den Richter Mag. Gindl über die Beschwerde des A, in ***, ***, gegen den Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Gänserndorf vom 17. Dezember 2019, Zl. ***, betreffend Maßnahmen zur Herstellung des der Rechtsordnung entsprechenden Zustandes gemäß § 360 Abs. 1 GewO 1994, zu Recht:

1.   Der Beschwerde wird gemäß § 28 Abs. 1 keine Folge gegeben und diese abgewiesen.

2.   Gemäß § 25a Verwaltungsgerichtshofgesetz 1985 (VwGG) ist eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof gemäß Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Entscheidungsgründe:

Mit dem angefochtenen Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Gänserndorf (in der Folge: belangte Behörde) vom 17. Dezember 2019, Zl. ***, wurde gegenüber Herrn A (in der Folge: Beschwerdeführer) gemäß § 360 Abs. 1 und 5 Gewerbeordnung 1994 (GewO 1994) verfügt, dass im Standort ***, ***, KG ***, Grundstück Nr. ***, die bestehende Tischlerwerkstätte (eine KFZ-Werkstätte, 131,36 m² laut Bescheid der belangten Behörde vom 16.09.1987, Zahl ***, sowie deren westlicher und nördlicher Zubau) sowie die darin befindlichen maschinellen Einrichtungen mit sofortiger Wirkung nicht mehr betrieben werden dürfen.

Dieser Bescheid wurde dem Beschwerdeführer entsprechend dem Rsb-Rückschein nachweislich durch Hinterlegung am 20. Dezember 2019 zugestellt.

Der Beschwerdeführer gegen diesen Bescheid fristgerecht mit Schreiben vom 15. Jänner 2020 Beschwerde erhoben. In dieser führte er im Wesentlichen aus, dass er der Begründung, wonach „der Verfahrensanordnung vom 28.5.2019 wurde nicht folgegeleistet“ worden sei, in keinster Weise verstehen könne. Der Bericht der PI *** sei völlig unpräzise. Die Aussage „unter anderen Arbeiten“ und „diversen Arbeiten“ könne nicht zum selben Zeitpunkt von einer Person getätigt worden sein. Wie könne eine Zielperson das alles gleichzeitig um 16.40 Uhr schaffen? Tatsache sei, es habe eine Person ohne Verwendung von maschinellen Einrichtungen an einem Freitag Nachmittag ein vorgefertigtes Möbelstück von Hand zusammengebaut. Das sei doch keine gewerbliche Tätigkeit, die eine gewerbebehördliche Betriebsanlage erfordere. So etwas würde man gewöhnlich in der privaten Autogarage (Ikeakasterl) machen, welche keine Genehmigung verlange.

Daher könne auch nicht gegen die am 28.5.2019 erlassene Verfahrensanordnung verstoßen worden sein.

Der nördliche Teil, der am 27.5.2019 behördlich festgestellten zwei Zubauteile sei zwischenzeitlich entfernt worden. Der westliche Zubau sei zur Zeit der Behörde in Form einer Bauanzeige zum Rückbau als „Flugdach“ mit einer Seitenwand angezeigt worden.

Aus dem vorgelegten Verwaltungsakt der belangten Behörde ergibt sich nachstehender unstrittiger entscheidungsrelevante Sachverhalt:

Am gegenständlichen Standort (***, ***, KG ***, Grundstück Nr. ***) liegt folgender gewerberechtlicher Betriebsanlagenkonsens vor:

-    Bescheid der belangten Behörde vom 16.09.1987, Zahl ***
Mit dieser Genehmigung wurde in der Betriebsanlage zur Ausübung des Bau- und Zimmermeistergewerbes ua. die Einrichtung einer KFZ-Werkstätte (131,36 m² laut dem bezughabenden Plan) gewerbebehördlich genehmigt. In diesem Plan ist die Nutzung als KFZ-Werkstatt ebenfalls ersichtlich gemacht.

Am 29. Mai 2019 wurde seitens der belangten Behörde ein unangekündigter Lokalaugenschein am gegenständlichen Standort durchgeführt. Aus dem Aktenvermerk über diesen Lokalaugenschein ergibt sich u.a. Folgendes:

„….
Bei der Überprüfung konnten Herr A, zwei Beschäftigte von Herrn A und eine unbekannte Frau im Bereich der „KFZ-Werkstatt“ sowie des anschließenden westlichen Zubaus angetroffen werden. Die Beschäftigten von Herrn A waren gerade dabei, unter ausdrücklicher Anleitung von Herrn A, wie dieser auf Nachfrage bestätigte, Spannplatten zuzuschneiden, welche für Möbelstücke für Kunden von Herrn A bestimmt waren. Der Bereich der „KFZ-Werkstatt“ war mit Geräten für die Holzverarbeitung und Möbelstücken bestückt.

Im hinteren Bereich der „KFZ-Werkstatt“ wurde in Trockenbauweise eine WC-Anlage sowie ein Raum in welchem ein Lackieranlage mitsamt zugehörigen technischen Einrichtungen wie Lack-Spritzpistole, Spritzwand mit Absaugung und verschiedenen gelagerten Lacken abgetrennt vorgefunden. Laut Aussage von Herrn A ist diese Lackieranlage ca. ein Mal im Monat in Verwendung; zuletzt „vor ca. 14 Tagen bis 3 Wochen“.

Weiters waren der westliche sowie nördliche Zubau (vgl. Verhandlungsschrift vom 06.08.2018) unverändert weiterhin vorhanden und wurden diese auch genutzt. Im westlichen Zubau wurde die nunmehr als Tischlerei genutzte „KFZ-Werkstätte“ vergrößert und auch entsprechend wie oben beschrieben genutzt. Im nördlichen Zubau (Rohbau) wurden mobile Regale und gelagertes Holz vorgefunden und war dieses somit auch in Betrieb.

Die südlich an die „KFZ-Werkstätte“ angrenzenden Gebäudeteile waren augenscheinlich unbenutzt.

Im Rahmen der Amtshandlung wurde Herr A darauf hingewiesen, dass eine gewerbliche Nutzung der vorgefundenen Form einer Tischlerei nicht zulässig ist.

Herr A hat den Vertretern der Behörde gegenüber eingestanden, dass er dies auch einsehe, er jedoch darauf vertraut hat, dass seitens des Eigentümers des gegenständlichen Grundstückes bereits alle behördlichen Eventualitäten in Abklärung sind. Dass derzeit keine aufrechte gewerbebehördliche Genehmigung für den Betrieb einer Tischlerei im gegenständlichen Betriebsbereich vorliegt, war ihm jedoch bewusst.

Herr A hat zugesichert, bis 30.06.2019 entsprechende Einreichunterlagen der Behörde vorzulegen.

….“

Der Beschwerdeführer hat das „Tischlergewerbe“ im Standort ***, ***, angemeldet.

Mit Verfahrensanordnung der belangten Behörde vom 28. Mai 2019, ***, wurde dem Beschwerdeführer gegenüber gemäß § 360 Abs. 1 GewO Folgendes angeordnet:

„Die im ***, KG ***, Grst.Nr. ***, bestehende Tischlerwerkstätte (eine KFZ-Werkstätte, 131,36 m², laut Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Gänserndorf vom 16.09.1987, Zahl ***, sowie deren westlicher und nördlicher Zubau) sowie die darin befindlichen maschinellen Einrichtungen dürfen mit sofortiger Wirkung bis zur Erlangung einer gewerbebehördlichen Betriebsanlagengenehmigung nicht mehr betrieben werden.“

Diese Verfahrensanordnung wurde dem Beschwerdeführer (entsprechend dem RSb-Rückschein) durch Hinterlegung am 04. Juni 2019 zugestellt.

Der maschinenbautechnische Amtssachverständige führte zur Möglichkeit einer Beeinträchtigung der Vorgaben des § 74 Abs. 2 GewO 1994 durch die Ausführung der Tischlereibetriebsanlage am gegenständlichen Standort aus:

„Grundsätzlich entstehen durch Holzbearbeitungsmaschinen Lärmemissionen. Durch die spanabhebende Bearbeitung von Holz entsteht auch Holzstaub der den Anrainerschutz beeinträchtigen könnte.

Im Betrieb ist laut Erhebung eine Lackieranlage vorhanden durch welche beim Betrieb über die Absaugung, die im Lack- und Lösungsmittel vorhanden Bestandteile, als Emissionen in die Umgebungsluft freigesetzt werden können.

Über die technische Ausrüstung der maschinellen Einrichtung inkl. Lackieranlage und der eingesetzten Lacke und Lösungsmittel sowie der verwendeten Absauganlagen für die Holzbearbeitungsmaschinen liegen keine detaillierten Angaben vor, weshalb die Lärm- Geruchs- und Staubentwicklung, die von der Betriebsanlage ausgeht nicht quantifiziert werden kann. Daher ist auch nicht bekannt ob und in welchem Ausmaß die neuen Emissionen über den vorhandenen Konsens hinausgehen. Daraus resultiert, dass auch nicht abgeklärt werden kann ob eine Genehmigungs- oder Anzeigepflicht für die Änderung gegeben ist. Eine emissionsneutrale Änderung ist jedoch nicht anzunehmen.“

Aus dem Bericht der Polizeiinspektion *** vom 28. November 2019, GZ: ***, ergibt sich, dass im Zuge des Streifendienstes erhoben wurde, dass der Beschwerdeführer der Verfahrensanordnung vom 28. Mai 2019 zumindest am 22.11.2019, 16:40 Uhr, am 25.11.2019, 17:00 Uhr, am 27.11.2019, 17:05 Uhr und am 28.11.2019, 16:30 Uhr nicht eingehalten wurde. In den Werkstatträumlichkeiten wurden diverse Arbeiten durchgeführt.

Am 22.11.2019, 16:40 Uhr wurden zwei Personen wahrgenommen, wovon eine mit dem Zusammenbau von Möbeln beschäftigt war. Am 25.11.2019, 17:00 Uhr konnten drei Personen wahrgenommen werden.

Sodann wurde seitens der belangten Behörde der nunmehr angefochtene Bescheid erlassen.

Das Landesverwaltungsgericht Niederösterreich hat erwogen:

Gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 Bundes-Verfassungsgesetz erkennt das Verwaltungsgericht über Beschwerden gegen den Bescheid einer Verwaltungsbehörde wegen Rechtswidrigkeit.

Gemäß § 28 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht - sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist - über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG in der Sache selbst zu entscheiden. Das Verwaltungsgericht hat dann in der Sache selbst zu entscheiden, wenn der maßgebliche Sachverhalt feststeht oder die Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts durch das Verwaltungsgericht selbst im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden ist.

Soweit das Verwaltungsgericht nicht Rechtswidrigkeit wegen Unzuständigkeit der Behörde gegeben findet, hat es den angefochtenen Bescheid auf Grund der Beschwerde (§ 9 Abs. 1 Z 3 und 4) oder auf Grund der Erklärung über den Umfang der Anfechtung (§ 9 Abs. 3) zu überprüfen und nach § 28 Abs. 2 VwGVG grundsätzlich in der Sache zu entscheiden (§ 27 VwGVG). Relevant ist dabei im Bescheidbeschwerdeverfahren – nach h. M. (in diesem Sinn auch VwGH 21.10.2014, Ro 2014/03/0076) – regelmäßig die in seinem Entscheidungszeitpunkt geltende Sach- und Rechtslage, sodass diesbezügliche Änderungen – zum Vor- und Nachteil des Beschwerdeführers (VwGH 27.3.2007, 2007/18/0059) zu berücksichtigen sind. In seinem Verfahren hat das Verwaltungsgericht – soweit sich nicht aus dem VwGVG anderes ergibt – die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1-5 sowie des IV. Teiles, und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem, dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte (§ 17 VwGVG).

Die Verwaltungsgerichte entscheiden nicht bloß kassatorisch, sondern grundsätzlich in der Sache selbst. Ausnahmen von diesem Grundsatz – insbesondere die Möglichkeit zur Zurückverweisung nach § 28 Abs. 3 Satz 2 – sind nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes „strikt auf den ihnen gesetzlich zugewiesenen Raum zu beschränken". [Hans Peter Lehofer, Die Prüfung des angefochtenen Bescheids durch die Verwaltungsgerichte, ÖJZ 2015/73 (541)]. Der Verwaltungsgerichtshof hat klargestellt, dass die frühere Rechtsprechung zur "Sache" des Berufungsverfahrens auch auf das verwaltungsgerichtliche Verfahren zu übertragen ist. Sache des Beschwerdeverfahrens vor dem Verwaltungsgericht ist demnach jedenfalls nur jene Angelegenheit, die den Inhalt des Spruchs der vor dem Verwaltungsgericht belangten Verwaltungsbehörde gebildet hat. Das Verwaltungsgericht darf auch nicht über Anträge absprechen, die von der belangten Behörde nicht behandelt wurden, ebenso wenig darf es ein zusätzliches Begehren zum Gegenstand seiner Entscheidung machen (Hans Peter Lehofer, Die Prüfung des angefochtenen Bescheids durch die Verwaltungsgerichte, aaO).

„Sache“ des Beschwerdeverfahrens ist – ungeachtet des durch § 27 VwGVG vorgesehenen Prüfungsumfanges – jedenfalls nur jene Angelegenheit, die den Inhalt des Spruches der vor dem Verwaltungsgericht belangten Verwaltungsbehörde gebildet hat (vgl. VwGH vom 17.12.2014, Ra 2014/03/0049).

Die Prüfungsbefugnis der Verwaltungsgerichte ist keine unbegrenzte; der äußerste Rahmen für die Prüfbefugnis ist die "Sache" des bekämpften Bescheides; innerhalb des so eingeschränkten Prüfungsumfanges findet noch einmal eine weitere Beschränkung insofern statt, als Parteibeschwerden iSd Art. 132 Abs. 1 Z 1 B-VG nur insoweit zu prüfen sind, als die Frage einer Verletzung von subjektiv-öffentlichen Rechten Gegenstand ist (vgl. VwGH 17. Dezember 2014, Ro 2014/03/0066).

Gemäß § 360 Abs. 1 GewO 1994 hat die Behörde unabhängig von der Einleitung eines Strafverfahrens den Gewerbeausübenden bzw. den Anlageninhaber mit Verfahrensanordnung zur Herstellung des der Rechtsordnung entsprechenden Zustandes innerhalb einer angemessenen, von der Behörde zu bestimmenden, Frist aufzufordern, wenn der Verdacht einer Übertretung gemäß § 366 Abs. 1 Z 1, 2 oder 3 besteht; eine solche Aufforderung hat auch dann zu ergehen, wenn der Verdacht einer Übertretung gemäß § 367 Z 25 besteht und nicht bereits ein einschlägiges Verfahren gemäß § 79c oder § 82 Abs. 3 anhängig ist. Kommt der Gewerbeausübende bzw. der Anlageninhaber dieser Aufforderung innerhalb der gesetzten Frist nicht nach, so hat die Behörde mit Bescheid die zur Herstellung des der Rechtsordnung entsprechenden Zustandes jeweils notwendigen Maßnahmen, wie die Stilllegung von Maschinen oder die Schließung von Teilen des Betriebes oder die Schließung des gesamten Betriebes zu verfügen.

Gemäß § 360 Abs. 1a GewO 1994 hat in den Fällen des Verdachts einer Übertretung gemäß § 366 Abs. 1 Z 2 oder Z 3 oder § 367 Z 25 ein Bescheid gemäß Abs. 1 nicht zu ergehen, wenn und solange im konkreten Einzelfall

1. für die Behörde keine Bedenken vom Standpunkt des Schutzes der im § 74 Abs. 2 umschriebenen Interessen oder der Vermeidung von Belastungen der Umwelt (§ 69a) hervorkommen, und

2. innerhalb einer von der Behörde gleichzeitig mit der Verfahrensanordnung gemäß Abs. 1 bestimmten, angemessenen und nicht erstreckbaren Frist ein diesem Bundesgesetz entsprechendes Ansuchen (§ 353) um die erforderliche Genehmigung eingebracht und sodann auf Grund dieses Ansuchens ein entsprechender Genehmigungsbescheid erlassen wird.

Abs. 1a gilt nicht für in der Anlage 3 zu diesem Bundesgesetz angeführte Betriebsanlagen.

Aus der zitierten gesetzlichen Regelung ist eindeutig abzuleiten, dass der Normadressat von Maßnahmen gemäß § 360 GewO nur der Gewerbeausübende bzw. der Anlageninhaber sein kann. Nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes sind darunter der eine gewerbliche Tätigkeit Ausübende oder eine Betriebsanlage Betreibende zu verstehen. Es können auch juristische Personen oder Personengesellschaften des Handelsrechtes die Normadressaten von Maßnahmen nach § 360 GewO sein. Im verfahrensgegenständlichen Fall war der Normadressat sowohl hinsichtlich der Verfahrensanordnung als auch des bekämpften Bescheides der Beschwerdeführer, welcher entsprechend der Aktenlage Betreiber der gegenständlich geänderten Betriebsanlage (Änderung durch Betrieb eines Tischlereibetriebes) im verfahrensgegenständlichem Standort ist. Dies ergab sich aus der Aktenlage und wird vom Beschwerdeführer auch nicht bestritten.

Gemäß § 366 Abs. 1 Z. 1, 2 und 3 GewO 1994 begeht eine Verwaltungsübertretung, die mit Geldstrafe bis zu € 3.600,00 zu bestrafen ist, wer

1. ein Gewerbe ausübt, ohne die erforderliche Gewerbeberechtigung erlangt zu haben;

2. eine genehmigungspflichtige Betriebsanlage (§ 74) ohne die erforderliche Genehmigung errichtet oder betreibt und

3. eine genehmigte Betriebsanlage ohne die erforderliche Genehmigung ändert oder nach der Änderung betreibt (§ 81).

Aufgrund der unbestrittenen Aktenlage (Akt der belangten Behörde) ergab sich zweifelsfrei, dass für den gegenständlichen Standort eine genehmigte Betriebsanlage zur Ausübung des Bau- und Zimmermeistergewerbes vorliegt (Genehmigung der belangten Behörde vom 16.09.1987, Zahl ***). Diese beinhaltet auch die Einrichtung einer KFZ-Werkstätte (131,36 m² laut dem bezughabenden Plan). In diesem Bereich führte der Beschwerdeführer eine Änderung der Betriebsanlage in der Art durch als er eine Tischlereiwerkstatt einrichtete und betrieb (vgl. oben – Ausführungen im Aktenvermerk über den Lokalaugenschein vom 29. Mai 2019), Für dieser Änderung wurde keine (notwendige) betriebsanlagenrechtliche Genehmigung erteilt bzw. lag keine derartige vor. Es lag daher der Verdacht einer im § 360 Abs. 1 leg. cit genannten Übertretung vor. Der Beschwerdeführer wurde mit Verfahrensanordnung der belangten Behörde vom 28. Mai 2019 aufgefordert, den der Rechtsordnung entsprechenden Zustand innerhalb einer angemessenen Frist herzustellen.

Die Aktenlage ist unstrittig und wird auch seitens des Beschwerdeführers in der Beschwerde nicht bestritten.

§ 74 Abs. 2 GewO 1994 lautet:

„Gewerbliche Betriebsanlagen dürfen nur mit Genehmigung der Behörde errichtet oder betrieben werden, wenn sie wegen der Verwendung von Maschinen und Geräten, wegen ihrer Betriebsweise, wegen ihrer Ausstattung oder sonst geeignet sind,

1.   das Leben oder die Gesundheit des Gewerbetreibenden, der nicht den Bestimmungen des ArbeitnehmerInnenschutzgesetzes, BGBl. Nr. 450/1994, in der jeweils geltenden Fassung, unterliegenden mittätigen Familienangehörigen oder des nicht den Bestimmungen des ArbeitnehmerInnenschutzgesetzes, BGBl. Nr. 450/1994, in der jeweils geltenden Fassung, unterliegenden mittätigen eingetragenen Partners, der Nachbarn oder der Kunden, die die Betriebsanlage der Art des Betriebes gemäß aufsuchen, oder das Eigentum oder sonstige dingliche Rechte der Nachbarn zu gefährden; als dingliche Rechte im Sinne dieses Bundesgesetzes gelten auch die im § 2 Abs. 1 Z 4 lit. g angeführten Nutzungsrechte,

2.   die Nachbarn durch Geruch, Lärm, Rauch, Staub, Erschütterung oder in anderer Weise zu belästigen,

3.   die Religionsausübung in Kirchen, den Unterricht in Schulen, den Betrieb von Kranken- und Kuranstalten oder die Verwendung oder den Betrieb anderer öffentlichen Interessen dienender benachbarter Anlagen oder Einrichtungen zu beeinträchtigen,

4.   die Sicherheit, Leichtigkeit und Flüssigkeit des Verkehrs an oder auf Straßen mit öffentlichem Verkehr wesentlich zu beeinträchtigen oder

5.   eine nachteilige Einwirkung auf die Beschaffenheit der Gewässer herbeizuführen, sofern nicht ohnedies eine Bewilligung auf Grund wasserrechtlicher Vorschriften vorgeschrieben ist.“

Aus dem Akt der belangten Behörde ergab sich zweifelsfrei, dass der gegenständliche geänderte Betrieb (gewerblich genutzte Tischlereiwerkstätte und die damit verbundenen Tätigkeiten zu einer geänderten Emissionssituation (Andersartigkeit, Erhöhung) insbesondere hinsichtlich der Lärm- Geruchs- und Staubentwicklung geeignet ist, die im § 74 Abs. 2 GewO 1994 umschriebenen Interessen zu beeinträchtigen. Es liegt daher eine Genehmigungspflicht der gegenständlichen Änderung bzw. liegt jedenfalls der Verdacht einer Übertretung gemäß § 366 Abs. 1 Z 3 GewO 1994 vor.

Ergänzend wird hierzu ausgeführt, dass eine Genehmigungspflicht einer gewerblichen Betriebsanlage (auch eine Genehmigung einer Änderung) bereits bei grundsätzlicher Eignung, einen (oder mehrere) der Tatbestände der Z 1 bis 5 des § 74 Abs. 2 GewO 1994 zu erfüllen, gegeben ist. Um dies zu beurteilen, genügt es in der Regel, auf das allgemeine menschliche Erfahrungsgut zurückzugreifen (VwGH vom 20.9.1994, 94/04/0068).

Ob im konkreten Einzelfall tatsächlich Gefährdungen usw. bestehen, ist im Genehmigungsverfahren (nach § 81 bzw. § 77) zu überprüfen (vgl. u.a. VwGH vom 20.12.1994, 94/04/0162; 8.11.2000, 2000/04/0157).

Die Genehmigungspflicht ist immer schon dann gegeben, wenn solche Auswirkungen (Gefährdungen, Belästigungen, Beeinträchtigungen, nachteilige Einwirkungen) auf bestimmte Personen nicht auszuschließen sind.

Die Änderung der gegenständlichen Betriebsanlage und der geänderte Betrieb stellen zweifelsfrei aus Sicht des erkennenden Gerichtes eine genehmigungspflichtige Maßnahme dar. Die Tätigkeiten sind geeignet die im § 74 Abs. 2 GewO 1994 umschriebenen Interessen zu beeinträchtigen.

Im Übrigen ergab sich dies auch bereits aus dem erstinstanzlichen Verwaltungsakt, insbesondere den Ausführungen des beigezogenen Amtssachverständigen (vgl. auch obigen Ausführungen des maschinenbautechnischen ASV).

Es konnte daher davon ausgegangen werden, dass jedenfalls zumindest der Verdacht der Übertretung gemäß § 366 Abs. 1 Z 3 GewO vorliegt.

§ 360 Abs. 1 GewO 1994 sieht bei Bestehen eines Verdachtes einer Übertretung nach § 366 Abs. 1 Z 3, unabhängig von der Einleitung eines Verwaltungsstrafverfahrens, ein stufenweises Vorgehen vor. Dieses hat nach dem ersten Satz des § 360 Abs. 1 GewO den Gewerbetreibenden bzw. Anlageninhaber mittels Verfahrensanordnung zur Herstellung des der Rechtsordnung entsprechenden Zustandes aufzufordern und erforderlichenfalls, wenn dieser Aufforderung nicht nachgekommen wird, mittels Bescheid die erforderlichen Maßnahmen zur Herstellung dieses Zustandes zu verfügen.

Die Verfahrensanordnung stellt selbst keinen Bescheid dar. Ihr Wesen erschöpft sich vielmehr in der Bekanntgabe der Rechtsansicht der Gewerbebehörde über die Gesetzwidrigkeit des Betriebes der Betriebsanlage, verbunden mit der nicht weiter sanktionierten Aufforderung, innerhalb der gesetzten Frist den gesetzmäßigen Zustand herzustellen. Die Gewerbebehörde hat dabei in der Verfahrensanordnung noch keine konkreten Maßnahmen zur Wiederherstellung des rechtmäßigen Zustandes vorzuschreiben, wohl aber den Sollzustand, und zwar so hinreichend konkret zu beschreiben, dass kein Zweifel daran bestehen kann, welches Ergebnis der Anlageninhaber innerhalb der gesetzten Frist zu bewirken hat (vgl. VwGH vom 16.7.1996, 96/04/0062).

In der Verfahrensanordnung muss von der Behörde eine, zur Herstellung des der Rechtsordnung entsprechenden Zustandes, angemessene Frist eingeräumt werden. Die Angemessenheit richtet sich nach dem Zeiterfordernis, das für die Durchführung der Maßnahmen, die zur Herstellung des der Rechtsordnung entsprechenden Zustandes notwendig sind, erforderlich ist (vgl. VwGH vom 13.12.2000, 2000/04/0189).

Mit Verfahrensanordnung der belangten Behörde vom 28. Mai 2019, wurde dem nunmehrigen Beschwerdeführer aufgetragen die Tischlereiwerkstätte mit sofortiger Wirkung einzustellen.

Die Angemessenheit richtet sich nach dem Zeiterfordernis, das für die Durchführung der Maßnahmen, die zur Herstellung des der Rechtsordnung entsprechenden Zustandes notwendig sind, erforderlich ist (VwGH 8. 11. 2000, Zl 2000/04/0156; 13. 12. 2000, Zl 2000/04/0189).

Wird dieser Aufforderung innerhalb der gesetzten Frist nicht nachgekommen, hat die Behörde sodann die zur Herstellung des der Rechtsordnung entsprechenden Zustandes jeweils notwendigen Maßnahmen ohne Einräumung einer weiteren Frist zu verfügen (VwGH 23. 4. 1996, Zl 96/04/00).

Seitens der belangten Behörde wurde somit zweifellos eine angemessene Frist eingeräumt, in welcher die Einstellung sämtlicher gewerblicher Tätigkeiten erfolgen hätte können und stellt diese Einstellung auch die notwendige Maßnahme dar, um den von der Rechtsordnung geforderten Zustand herzustellen. Die Einstellung der Ausübung der gewerblichen Tätigkeit des Tischlergewerbes (Einstellung der Arbeiten in der Tischlereiwerkstätte) ist jedenfalls unverzüglich möglich.

Auch stellt diese Maßnahme den „contrarius actus“ der (festgestellten) Zuwiderhandlung dar.

Auf Grund der Aktenlage, insbesondere des Berichtes der Polizeiinspektion *** vom 28. November 2019 (siehe oben) ergibt sich unzweifelhaft, dass am 22. November 2019, 25. November 2019, 27. November 2019 und am 28. November 2019 Arbeiten durchgeführt wurden. Am 22. November 2019 wurden demnach Möbel zusammengebaut. Dies wird auch vom Beschwerdeführer in der Beschwerde vom 05. Jänner 2020 nicht bestritten bzw. eingestanden. Das Zusammenbau von Möbel (in einer Tischlereiwerkstätte) ist unzweifelhaft auch eine Tätigkeit des Tischlergewerbes zuzuordnen. Der angezogene Vergleich in der Beschwerde, wonach der Zusammenbau auch durch Privatpersonen in einer Garage vorgenommen werde könne vermag den „Weiterbetrieb der Betriebsanlage“ in der geänderten Form (Tischlereibetrieb) nicht zu wiederlegen. Im Sinne der Einheit der Betriebsanlage sind damit sämtliche Tätigkeiten des Tischlereigewerbes zu unterlassen. Auf einen Vergleich mit vereinzelten Tätigkeiten von Privatpersonen, welche nicht in das Regime der Gewerbeordnung 1994 (GewO 1994) fallen braucht im gegenständlichen Verfahren nicht weiter eingegangen werden.

Es war daher die Schließung der Tischlereiwerkstätte mit Bescheid zu verfügen. Auch war nicht im Sinne der Bestimmung des § 360 Abs. 1a GewO 1994 hiervon abzusehen, da die Voraussetzungen – insbesondere - der Z. 1 nicht vorlagen.

Von der Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung war gemäß § 24 Abs. 4 VwGVG abzusehen, da eine mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht hätte erwarten lassen und einem Entfall der Verhandlung weder Art 6 Abs. 1 der Konvention zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten, BGBl. Nr. 210/1958, noch Art 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union, ABl. Nr. C 83 vom 30.03.2010, S.389, entgegenstanden. Es handelt sich im vorliegenden Beschwerdeverfahren ausschließlich um Rechtsfragen, zu deren Lösung im Sinne der Judikatur des EGMR eine mündliche Verhandlung nicht geboten ist (vgl. VwGH vom 24. 6.2014, 2014/05/0059, 17.4.2012, 2012/05/0029 bzw. 21.12.2012, 2012/03/0038).

Zur Nichtzulassung der ordentlichen Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 Verwaltungsgerichtshofgesetz 1985 – VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist.

Gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Eine Rechtsfrage im Sinne des Artikel 133 Abs. 4 B-VG, welcher grundsätzliche Bedeutung zukommt, war gegenständlich nicht zu lösen, sodass eine ordentliche Revision nicht zulässig ist.

Schlagworte

Gewerberecht; Betriebsanlage; Maßnahmen; Verfahrensanordnung; Frist;

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:LVWGNI:2020:LVwG.AV.78.001.2020

Zuletzt aktualisiert am

18.03.2021
Quelle: Landesverwaltungsgericht Niederösterreich LVwg Niederösterreic, http://www.lvwg.noe.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten