TE Vwgh Erkenntnis 1998/3/17 96/04/0220

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Veröffentlicht am 17.03.1998
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Index

10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG);
50/01 Gewerbeordnung;

Norm

B-VG Art140 Abs1;
B-VG Art7 Abs1;
B-VG Art83 Abs2;
GewO 1994 §335a;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Vizepräsident Dr. W. Pesendorfer und die Hofräte DDr. Jakusch, Dr. Mizner, Dr. Stöberl und Dr. Blaschek als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. Urban, über die Beschwerde der Dr. E in L, vertreten durch Dr. G, Rechtsanwalt, gegen den Bescheid des Bundesministers für wirtschaftliche Angelegenheiten vom 26. Juni 1996, Zl. 317.841/1-III/A/2a/95, betreffend Verfahren gemäß § 77 GewO 1994 (mitbeteiligte Partei: M Ges.m.b.H. in L, vertreten durch Dr. E, Rechtsanwalt), zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Die Beschwerdeführerin hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 4.565,-- und der mitbeteiligten Partei Aufwendungen in der Höhe von S 12.860,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem - im Namen des Landeshauptmannes von Oberösterreich ergangenen - Bescheid des Bürgermeisters der Landeshauptstadt Linz vom 22. Dezember 1994 wurden der mitbeteiligten Partei die gewerbebehördliche Genehmigung zur Errichtung und zum Betrieb einer näher beschriebenen Betriebsanlage unter Vorschreibung von im Einzelnen angeführten Auflagen erteilt und die von der Beschwerdeführerin dagegen erhobenen Einwendungen zum Teil als unzulässig zurückgewiesen, zum anderen Teil auf den Zivilrechtsweg verwiesen. Die Zurückweisung der Einwendungen wurde - nach deren Wiedergabe - im wesentlichen damit begründet, daß weder mit der Behauptung, das Vorhaben der mitbeteiligten Partei stehe mit der im Flächenwidmungsplan festgelegten Widmung in Widerspruch, noch mit der Behauptung, die Verkehrsverhältnisse würden beeinträchtigt, eine Verletzung subjektiv-öffentlicher Rechte geltend gemacht würde. Gleiches gelte für die Behauptung, durch die Einwirkung auf das Grundwasser sei eine Gesundheitsgefährdung für große Bevölkerungsteile von Linz gegeben. Soweit die Beschwerdeführerin jedoch Einwendungen wegen Gefährdung des Lebens und der Gesundheit sowie wegen unzumutbarer Belästigungen durch Geruch, Lärm, Rauch, Staub, Erschütterungen, Dämpfe und Abgase erhoben habe, habe sie, obwohl das in ihrem Eigentum stehende Nachbargrundstück gänzlich unbebaut sei und sich hier keinerlei Einrichtungen befänden, aus denen auf einen vorübergehenden Aufenthalt geschlossen werden könne, es unterlassen, sich auf Sachverhaltsumstände zu berufen, die den Eintritt einer persönlichen Gefährdung oder Belästigung im Hinblick auf einen, wenn auch nur vorübergehenden Aufenthalt überhaupt möglich erscheinen ließen. Die Einwendungen der Beschwerdeführerin betreffend die strittige Grundgrenze habe schließlich ihren Rechtsgrund ausschließlich in privatrechtlichen Bestimmungen. Mangels Zustandekommens einer Einigung sei die Beschwerdeführerin mit diesem Vorbringen gemäß § 357 GewO 1994 auf den Zivilrechtsweg zu verweisen gewesen.

In ihrer gegen diesen Bescheid erhobenen Berufung brachte die Beschwerdeführerin im wesentlichen vor, sie finde auf dem Grundstück Erholung, arbeite im Garten und sei deshalb durch Chemikalien, Lärm, Staub und Erschütterungen in ihrer Gesundheit gefährdet, ebenso ihre Angehörigen. Außerdem befürchte sie eine Verunreinigung des Grundwassers aus ihrem Brunnen. Sie halte alle ihre Einwendungen aufrecht.

Mit Bescheid des Bundesministers für wirtschaftliche Angelegenheiten vom 26. Juni 1996 wurde die Berufung abgewiesen. Begründend wurde im wesentlichen ausgeführt, bezüglich der Einwendungen der Beschwerdeführerin wegen Gefährdung des Lebens und der Gesundheit durch Emissionen aus der Betriebsanlage der mitbeteiligten Partei werde auf die - oben wiedergegebenen - Ausführungen des Erstbescheides verwiesen. In der Berufung sei insbesondere auch nicht behauptet worden, daß die diesbezüglichen Feststellungen der Erstbehörde falsch seien. Die Beschwerdeführerin habe als Wohnadresse L, S-Straße 55, angegeben, die sich in einer Entfernung von ca. 6.500 m Luftlinie auf der anderen Seite des Stadtkernes befinde. Als zweite Adresse scheine im Akt eine in Frankfurt am Main auf. Aufgrund dieser Entfernungen zur Betriebsanlage könnten gesundheitliche Beeinträchtigungen bzw. unzumutbare Belästigungen der Beschwerdeführerin durch die Betriebsanlage ausgeschlossen werden.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragte. Auch die mitbeteiligte Partei erstattete eine Gegenschrift, in der sie beantragte, die Beschwerde kostenpflichtig abzuweisen.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Die Beschwerdeführerin erachtet sich durch den angefochtenen Bescheid im Recht auf meritorische Behandlung der von ihr erhobenen Einwendungen sowie im Recht, durch eine Betriebsanlage nicht gefährdet bzw. unzumutbar belästigt zu werden, verletzt. Sie bringt in Ausführung dieses Beschwerdepunktes im wesentlichen vor, sie sei entgegen der rechtlichen Beurteilung der belangten Behörde als Nachbar im Sinne des § 75 GewO zu qualifizieren, weil sie nunmehr Behauptungen aufgestellt habe, denen sehr wohl zu entnehmen sei, daß sie sich oft auf ihrem an die Betriebsanlage angrenzenden Grundstück aufhalte, nämlich zur Verrichtung von Gartenarbeiten, zur Pflege des Grundstückes und zu Erholungszwecken. Aus der - erstbehördlichen - Feststellung, das Grundstück sei unbebaut und es befänden sich darauf keine Einrichtungen, die auf einen vorübergehenden Aufenthalt der Beschwerdeführerin schließen ließen, wären - selbst wenn dieser Sachverhalt zuträfe - noch keine Rückschlüsse auf einen vorübergehenden Aufenthalt der Beschwerdeführerin auf ihrem Grundstück möglich. Die Erstbehörde und - dieser folgend - die belangte Behörde hätten aber nicht dargelegt, aus welchen (sonstigen) Gründen angenommen werde, die Beschwerdeführerin halte sich nicht (zumindest) vorübergehend auf ihrem Grundstück auf und sei daher - schon aus diesem Grund - den Gefährdungen und Belästigungen durch die Betriebsanlage nicht ausgesetzt. Hätte die belangte Behörde das Ermittlungsverfahren im Hinblick auf die von der Beschwerdeführerin erhobenen Einwendungen ergänzt, wäre sie zum Ergebnis gelangt, daß von der Betriebsanlage der mitbeteiligten Partei Emissionen ausgingen, die die Beschwerdeführerin in unzumutbarer Weise belästigten und in ihrer Gesundheit gefährdeten, zumal auch im einzelnen angeführte Auflagen des Genehmigungsbescheides ungeeignet wären, die Genehmigungsfähigkeit der in Rede stehenden Betriebsanlage zu bewirken. Schließlich bestünden gegen die "unbeschränkte Ermächtigung" des § 335a GewO 1994 verfassungsrechtliche Bedenken im Hinblick auf Art. 18 und 83 Abs. 2 B-VG. Aufgrund des Umfanges der durch die Verordnung des Landeshauptmannes von Oberösterreich vom 7. Juni 1993, LGBl. Nr. 57/1993, vorgenommenen Delegation bestünde schließlich das Bedenken, daß die gesetzliche Ermächtigung, die eine Delegation nur in Einzelfällen vorsehe, überschritten und die Verordnung daher gesetzwidrig sei. Es werde daher angeregt, beim Verfassungsgerichtshof ein Gesetzes- bzw. Verordnungsprüfungsverfahren zu beantragen.

Gemäß § 74 Abs. 2 GewO 1994 - in der im vorliegenden Beschwerdefall anzuwendenden Fassung vor der Gewerberechtsnovelle 1997, BGBl. I 63/1997 - dürfen gewerbliche Betriebsanlagen nur mit Genehmigung der Behörde errichet oder betrieben werden, wenn sie wegen der Verwendung von Maschinen und Geräten, wegen ihrer Betriebsweise, wegen ihrer Ausstattung oder sonst geeignet sind,

1.

das Leben oder die Gesundheit des Gewerbetreibenden, der nicht den Bestimmungen des Arbeitnehmerschutzgesetzes, BGBl. Nr. 234/1972, unterliegenden mittätigen Familienangehörigen, der Nachbarn oder der Kunden, die die Betriebsanlage der Art des Betriebes gemäß aufsuchen, oder das Eigentum oder sonstige dingliche Rechte der Nachbarn zu gefährden; als dingliche Rechte im Sinne dieses Bundesgesetzes gelten auch die im § 2 Abs. 1 Z. 4 lit. g angeführten Nutzungsrechte,

2.

die Nachbarn durch Geruch, Lärm, Rauch, Staub, Erschütterung oder in anderer Weise zu belästigen,

3.

die Religionsausübung in Kirchen, den Unterricht in Schulen, den Betrieb von Kranken- und Kuranstalten oder die Verwendung oder den Betrieb anderer öffentlichen Interessen dienender benachbarter Anlagen oder Einrichtungen zu beeinträchtigen,

4.

die Sicherheit, Leichtigkeit und Flüssigkeit des Verkehrs an oder auf Straßen mit öffentlichem Verkehr wesentlich zu beeinträchtigen oder

5.

eine nachteilige Einwirkung auf die Beschaffenheit der Gewässer herbeizuführen, sofern nicht ohnedies eine Bewilligung aufgrund wasserrechtlicher Vorschriften vorgeschrieben ist.

Gemäß § 356 Abs. 3 GewO 1994 sind im Verfahren aufgrund eines Ansuchens um Genehmigung der Errichtung und des Betriebes einer Betriebsanlage - unbeschadet des im vorliegenden Fall nicht in Betracht kommenden zweiten Satzes - nur jene Nachbarn Parteien, die spätestens bei der Augenscheinsverhandlung Einwendungen gegen die Anlage im Sinne des § 74 Abs. 2 Z. 1, 2, 3 oder 5 erheben, und zwar vom Zeitpunkt ihrer Einwendungen an.

Nachbarn im Sinne der GewO 1994 sind gemäß § 75 Abs. 2 leg. cit. alle Personen, die durch die Errichtung, den Bestand oder den Betrieb einer Betriebsanlage gefährdet oder belästigt oder deren Eigentum oder sonstige dingliche Rechte gefährdet werden könnten. Als Nachbarn gelten nicht Personen, die sich vorübergehend in der Nähe der Betriebsanlage aufhalten und nicht im Sinne des vorherigen Satzes dinglich berechtigt sind.

Wie der Verwaltungsgerichtshof in diesem Zusammenhang in ständiger Judikatur dargetan hat (vgl. z.B. das hg. Erkenntnis vom 28. Jänner 1997, Zl. 96/04/0257, und die hier zitierte Vorjudikatur), haben die Eigentümer oder sonstigen dinglich Berechtigten das in § 75 Abs. 2 zweiter Satz erster Satzteil GewO 1994 normierte Erfordernis des nicht (bloß) vorübergehenden Aufenthaltes im Nahebereich der Betriebsanlage zwar nicht zu erfüllen. Allerdings kann der Eigentümer oder sonstige dinglich Berechtigte den seine Person betreffenden Nachbarschutz nur bei Zutreffen der in § 75 Abs. 2 erster Satz erster Satzteil GewO 1994 enthaltenen Merkmale und daher jedenfalls nur unter Berufung auf Sachverhaltsumstände geltend machen, die den Eintritt einer - persönlichen - Gefährdung oder Belästigung in Hinsicht auf einen, wenn auch nur vorübergehenden Aufenthalt überhaupt möglich erscheinen lassen.

Dieser Voraussetzung werden die von der Beschwerdeführerin erhobenen Einwendungen - nach Ausweis der vorgelegten Verwaltungsakten - nicht gerecht; ergibt sich daraus doch nicht einmal ansatzweise ein Umstand, dem zufolge der Eintritt einer - persönlichen - Gefährdung oder Belästigung der Beschwerdeführerin im Hinblick auf einen, wenn auch nur vorübergehenden Aufenthalt auf ihrem - unbebauten - Grundstück möglich wäre. Das in der Berufung erstattete Vorbringen ist in diesem Zusammenhang nicht relevant, weil in einem Fall wie dem vorliegenden, die Geltendmachung des persönlichen Nachbarschutzes bereits unter Berufung auf die dargelegten Sachverhaltsumstände zu erfolgen hat. Da die Beschwerdeführerin weiters eine rechtlich relevante Gefährdung ihres Eigentums (§ 75 Abs. 1 GewO 1994) oder sonstiger dinglicher Rechte nicht geltend gemacht hat, waren die von ihr erhobenen Einwendungen insgesamt nicht geeignet, ihr im gegenständlichen Genehmigungsverfahren Parteistellung zu vermitteln. Die in der vorliegenden Beschwerde geltend gemachte Rechtsverletzung der Beschwerdeführerin liegt daher nicht vor.

Der Verwaltungsgerichtshof teilt auch die von der Beschwerdeführerin gegen § 335a GewO 1994 und gegen die Verordnung des Landeshauptmannes von Oberösterreich vom 7. Juni 1993, LGBl. Nr. 57/1993, vorgebrachten Bedenken nicht. Zum einen ist nämlich die Zuständigkeit der Gewerbebehörden auch im Anwendungsbereich des § 335a GewO 1994, wonach der Bundesminister für wirtschaftliche Angelegenheiten oder der in erster Instanz zuständige Landeshauptmann mit der Durchführung von Verfahren ganz oder teilweise die nachgeordnete Behörde betrauen und diese auch ermächtigen können, in ihrem Namen zu entscheiden, präzise festgelegt. Zum anderen ist dieser Bestimmung - im Gegensatz zur Auffassung der Beschwerdeführerin - eine Beschränkung in dem Sinne, daß davon nur im einzelnen Fall, nicht aber auch in einer Mehrzahl gleichartiger Fälle Gebrauch gemacht werden dürfe, nicht zu entnehmen.

Die sich als unbegründet erweisende Beschwerde war gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG i.V.m. der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1998:1996040220.X00

Im RIS seit

20.11.2000
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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