RS Vfgh 2020/2/25 A27/2019

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Veröffentlicht am 25.02.2020
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Index

34/01 Monopole

Norm

B-VG Art10 Abs1 Z4
B-VG Art137 / sonstige Klagen
ABGB §1431
GlücksspielG §52
VStG §54b Abs1a, §64 Abs2
VwGG §42
ZPO §43
VfGG §7 Abs2, §41

Leitsatz

Stattgabe einer Klage gegen das Land Tirol betreffend die Zahlung von Verfahrenskosten für ein Verfahren vor einer Bezirkshauptmannschaft wegen einer Strafe nach dem GlücksspielG mangels rechtlicher Grundlage; Abweisung des Klagebegehrens gegen das Land mangels Passivlegitimation wegen Vollzugskompetenz des Bundes in Glücksspielangelegenheiten

Rechtssatz

Soweit die klagende Partei kein Rechtsmittel gegen den Beschluss des Landesverwaltungsgerichtes Tirol (LVwG) erhoben hat, ist zu beachten, dass dieser Beschluss keinen Ausspruch über eine Zahlungsverpflichtung enthält. Die Vollstreckung dieses Beschlusses kam daher von vornherein gar nicht in Frage, weswegen die klagende Partei dagegen gar kein (zulässiges) Rechtsmittel erheben hätte können. Der Zulässigkeit der Klagsführung nach Art137 B-VG steht auch nicht entgegen, dass die klagende Partei als Verpflichtete eines Vollstreckungsverfahrens allenfalls Rechtsmittel oder Rechtsbehelfe gegen die Exekutionsführung in Anspruch nehmen hätte können. Selbst wenn die klagende Partei ihre Inanspruchnahme zur Zahlung im Exekutionsverfahren rechtlich bekämpfen hätte können und sie von einer solchen Möglichkeit keinen Gebrauch gemacht hat, bedeutet dies für sie nicht den Verlust des Rechtes auf Klagsführung gemäß Art137 B-VG.

Zur Zahlung des Strafbetrags iHv € 6.000,- samt Zinsen:

Die Verpflichtung zur Rückerstattung trifft, wie der VfGH in stRsp festhält, jene Gebietskörperschaft, in deren Vollzugsbereich die Behörde tätig gewesen ist, welche die Verwaltungsstrafe verhängt hat. Der Beschluss des LVwG sowie das hiedurch ergänzte Erkenntnis des LVwG (und auch das in Beschwerde gezogene Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Kufstein) stützen sich in der Sache auf §52 Abs1 Z1 und Abs2 GSpG. Da die Vollziehung des GSpG gemäß Art10 Abs1 Z4 B-VG Bundessache ist, ist das beklagte Land in der Angelegenheit, in der die Zahlung erging, funktional nicht zuständig. Das Klagebegehren ist daher mangels passiver Klagslegitimation des Landes Tirol insoweit abzuweisen, als die Zahlung von € 6.000,- samt 4 % Zinsen begehrt wurde.

Zur Zahlung des Verfahrenskostenbeitrages iHv € 600,- sowie der Mahngebühr iHv € 5,-:

Der Beitrag zu den Kosten des verwaltungsbehördlichen Strafverfahrens fließt gemäß §64 Abs2 VStG jener Gebietskörperschaft zu, die den Aufwand der Behörde zu tragen hat. Da das Verfahren, zu dessen Kosten der Kläger einen Beitrag zu leisten hatte, von der Bezirkshauptmannschaft Kufstein geführt wurde, deren Aufwand das beklagte Land zu tragen hat, ist es auch für die Rückzahlung des Verfahrenskostenbeitrages verantwortlich. Selbiges gilt für den pauschalierten Kostenbeitrag für die Mahnung iHv € 5,-, der gemäß §54b Abs1a VStG der Gebietskörperschaft zufließt, die den Aufwand der Behörde zu tragen hat. Die Mahnung erfolgte durch die Bezirkshauptmannschaft Kufstein, sodass das Land Tirol auch für die Rückzahlung dieser Mahngebühr verantwortlich ist.

Nach der Rsp des VfGH können entrichtete Geldstrafen unter zwei Voraussetzungen - gestützt auf §1431 ABGB - zurückgefordert werden, nämlich wenn es an einem Titel im Sinne einer rechtlichen Deckung fehlt und die Leistung auf Grund eines Irrtums erbracht worden ist. Einem Irrtum hat der VfGH - der zivilgerichtlichen Rsp folgend - die Zahlung einer Nichtschuld unter dem Druck der Exekution - somit unter Zwang - gleichgehalten.

Kein Titel für Geldstrafe und Verfahrenskosten: Im vorliegenden Fall hob der VwGH das Erkenntnis des LVwG im Umfang seines Ausspruches über die verhängte Strafe und die Kosten des verwaltungsbehördlichen Strafverfahrens gemäß §42 Abs2 Z1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes auf. Gemäß §42 Abs3 VwGG tritt die Rechtssache durch die Aufhebung des angefochtenen Erkenntnisses in die Lage zurück, in der sie sich vor Erlassung des angefochtenen Erkenntnisses befunden hat. Das Erkenntnis des LVwG gehört daher zufolge der Gestaltungswirkung des Erkenntnisses des VwGH im Umfang der erfolgten Aufhebung nicht mehr dem Rechtsbestand an. Abgesehen davon, dass das Erkenntnis des LVwG im Umfang dieser Aufhebung keiner Abänderung durch Beschluss zugänglich ist, erfolgte im vorliegenden Fall im Anschluss an die Aufhebung der Kostenentscheidung durch den VwGH kein erneuter Ausspruch über die Kosten des verwaltungsbehördlichen Strafverfahrens. Im vorliegenden Fall fehlt somit die rechtliche Grundlage für die Zahlung des Verfahrenskostenbeitrages iHv € 600,-. Ebenso erfolgte im Anschluss an die erfolgte Aufhebung des Ausspruches über die verhängte Strafe kein erneuter Ausspruch über die Verhängung einer Strafe. Aus diesem Grund gab es auch für die Entrichtung der Mahngebühr iHv € 5,- keine rechtliche Grundlage.

Die vorliegende Konstellation ist auch nicht mit jenen Fällen vergleichbar, in denen der VwGH angefochtene Erkenntnisse des LVwG betreffend die Strafsanktionsbestimmung ergänzt hat. Während ein in Revision gezogenes Erkenntnis bis zu einer anders lautenden Entscheidung des VwGH weiterhin dem Rechtsbestand angehört und dementsprechend von diesem ergänzt werden kann, bewirkt eine Aufhebung durch den VwGH gemäß §42 Abs3 VwGG, dass das Erkenntnis des LVwG nicht mehr dem Rechtsbestand angehört. Im vorliegenden Fall hob der VwGH zwar nicht das gesamte Erkenntnis des LVwG, aber die hier relevanten Aussprüche über die verhängte Strafe und die Kosten des verwaltungsbehördlichen Strafverfahrens auf. Eine Ergänzung des rechtskräftigen Teils des Erkenntnisses um eine Strafbestimmung ist jedenfalls nicht geeignet, die Zahlung des Strafbetrages sowie des Verfahrenskostenbeitrages rechtlich zu decken, zumal keine entsprechenden (dem Rechtsbestand angehörenden) Aussprüche über die Verpflichtung zur Zahlung eines Strafbetrages sowie eines Verfahrenskostenbeitrages existieren. Dementsprechend kann der Beschluss des LVwG vom 21.01.2019 (Ergänzung der Strafsanktionsbestimmung) auch nicht (sinnvoll) in Zusammenschau mit dem Erkenntnis des LVwG vom 15.02.2017 (Verpflichtung zur Zahlung eines Straf- und Verfahrenskostensbeitrags) gelesen werden, zumal der rechtskräftige Teil dieses Erkenntnisses keine Aussprüche über die verhängte Strafe und die Kosten des verwaltungsbehördlichen Strafverfahrens enthält.

Zahlung des Straf- und Verfahrenskostenbeitrags: Die Zahlung der Nichtschuld erfolgte vorliegend unter dem Druck der Exekution. Mit Schreiben vom 17.06.2019 und vom 18.09.2019 der Bezirkshauptmannschaft Kufstein erfolgten Zahlungserinnerungen, wobei auch eine Mahngebühr von

€ 5,- vorgeschrieben und für den Fall der Nichtzahlung die Exekution angedroht wurde. Im Unterschied zu VfSlg 18532/2008 wendete die klagende Partei auch ein, dass nach ihrer Ansicht kein Rechtsgrund für die Zahlung bestehe, woraufhin ihr jedoch mitgeteilt wurde, dass sie zur Zahlung verpflichtet sei und beabsichtigt werde, das Vollstreckungsverfahren fortzuführen.

Wenn das Gesetz - wie hier - nichts Gegenteiliges bestimmt, sind auch bei öffentlichen-rechtlichen Schuldverhältnissen Verzugszinsen zu entrichten. Im vorliegenden Fall erklärte der Rechtsvertreter der klagenden Partei mit E-Mail vom 04.09.2019 gegenüber der Bezirkshauptmannschaft Kufstein, dass der Strafbetrag jedenfalls nur zur Hintanhaltung der Exekution gezahlt werde und allenfalls gezahlte Straf- und Verfahrenskostenbeiträge über Klagen gemäß Art137 B-VG rückgefordert werden. Da die klagende Partei den Verfahrenskostenbeitrag sowie die Mahngebühr unbestritten am 09.10.2019 einbezahlt hat, ist dem Begehren auf Zuspruch von 4 % Zinsen aus € 605,- seit 10.10.2019 stattzugeben.

Kostenersatzansprüche sind bei Klagen gemäß Art137 B-VG vom Erfolgsprinzip beherrscht; sie hängen demnach vom Prozessausgang ab. Der Kläger ist nur mit einem verhältnismäßig geringfügigen Teil seines Anspruches, nämlich mit dem Verfahrenskostenbeitrag sowie der Mahngebühr, als obsiegend, im Übrigen aber als unterliegend anzusehen, sodass ihm keine Kosten zuzusprechen sind.

Entscheidungstexte

Schlagworte

VfGH / Klagen, Prozesskosten, VfGH / Kosten, Strafe (Verwaltungsstrafrecht), Glücksspiel, Verfahrenskostenbeitrag, Zinsen

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:2020:A27.2019

Zuletzt aktualisiert am

19.06.2020
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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