TE Vwgh Beschluss 2020/5/19 Ra 2018/13/0091

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Veröffentlicht am 19.05.2020
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Index

E1E
E6J
32/04 Steuern vom Umsatz
59/04 EU - EWR

Norm

UStG 1994 §12
12010E107 AEUV Art107
62002CJ0174 Streekgewest Westelijk Noord-Brabant VORAB
62004CJ0393 Air Liquide Industries Belgium VORAB
62018CJ0075 Vodafone Magyarorszag VORAB
62018CJ0323 Tesco-Global Aruhazak VORAB

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Nowakowski und den Hofrat MMag. Maislinger sowie die Hofrätin Dr.in Lachmayer als Richter, unter Mitwirkung des Schriftführers Karlovits, LL.M., über die Revision der D GmbH in W, gegen das Erkenntnis des Bundesfinanzgerichts vom 20. August 2018, Zl. RV/7104834/2017, betreffend Umsatzsteuer für September und Oktober 2016, den Beschluss gefasst:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

Die Revisionswerberin hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 553,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

1 Die Revisionswerberin beantragte in ihren Umsatzsteuervoranmeldungen für September und Oktober 2016 jeweils einen Vorsteuerabzug für die Anschaffung eines Personenkraftwagens mit einem CO2-Emissionswert von 0 Gramm pro Kilometer, dessen Anschaffungskosten über EUR 80.000 lagen.

2 In den Bescheiden vom 26. Juni 2017 betreffend Festsetzung der Umsatzsteuer für die Monate September und Oktober 2016 erkannte das Finanzamt gestützt auf § 12 Abs. 2 Z 2a iVm § 12 Abs. 2 Z 2 lit. a UStG 1994 diese Vorsteuerbeträge nicht an. In der rechtzeitig erhobenen Beschwerde machte die Revisionswerberin geltend, dass eine Beihilfe im Sinne der Art. 107 ff AEUV vorliege. Gemäß § 12 Abs. 2 Z 2a UStG 1994 stünde für die Anschaffung der als ZEV (Zero Emission Vehicle) bezeichneten Fahrzeuge grundsätzlich ein Vorsteuerabzug zu. Durch § 20 Abs. 1 Z 2 lit. b EStG 1988 in Verbindung mit der PKW-Angemessenheitsverordnung würden Anschaffungskosten, die einen Wert von maximal EUR 80.000 übersteigen, vollständig vom Vorsteuerabzug ausgeschlossen sein. Die vorliegende österreichische Regelung sei aus näher dargestellten Gründen vor dem Hintergrund der beihilfenrechtlichen Vorgaben der EU bedenklich.

3 Mit dem angefochtenen Erkenntnis wies das Bundesfinanzgericht die Beschwerde als unbegründet ab und erklärte die Revision für nicht zulässig. Begründend führte es aus, Leistungen, deren Entgelte überwiegend keine abzugsfähigen Ausgaben (Aufwendungen) im Sinne des § 20 Abs. 1 Z 1 bis 5 EStG 1988 oder der § 8 Abs. 2 und § 12 Abs. 1 Z 1 bis 5 KStG 1988 seien, gälten gemäß § 12 Abs. 2 Z 2 lit. a UStG 1994 nicht als für das Unternehmen ausgeführt. Gegen diese Vorschrift bestünden unter Verweis auf näher bezeichnete Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes keine unionsrechtlichen Bedenken, weil der damit verbundene Ausschluss vom Vorsteuerabzug bereits unverändert bei In-Kraft-Treten der 6. EG-RL (RL 77/388/EWG) bestanden hatte und deshalb gemäß Art. 17 Abs. 6 der 6. EG-RL (nunmehr Art. 176 MwStSystRL, RL 2006/112/EG) beibehalten werden durfte.

4 Die Anschaffungskosten der beiden PKW würden jeweils über EUR 80.000 betragen. Da § 12 Abs. 2 Z 2 lit. a UStG 1994 von § 12 Abs. 2 Z 2a UStG 1994 idF StRefG 2015/2016 unberührt bleibe, komme es zur Versagung des Vorsteuerabzuges für die gesamten Anschaffungskosten, weil die Lieferung des Elektrofahrzeuges in diesem Fall jeweils nicht als für das Unternehmen ausgeführt gelte.

5 Zum Vorbringen der Revisionswerberin, es würde ein Verstoß gegen das Beihilfeverbot des Art. 107 AEUV vorliegen, verwies das Bundesfinanzgericht auf Rechtsprechung des Gerichtshofes der Europäischen Union und des Verwaltungsgerichtshofes, wonach ein Unternehmer außer in bestimmten Ausnahmefällen in einem seine Abgabenschuld betreffenden Abgabenverfahren nicht erfolgreich geltend machen könne, die Befreiung eines anderen Unternehmers (oder dessen niedrigere Besteuerung) sei eine unionsrechtswidrige Beihilfe. Ein solcher Ausnahmefall liege nicht vor. 6 Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vorliegende Revision, die zu ihrer Zulässigkeit ausführt, dass ein derartiger Ausnahmefall vorliege, weil ein Verwendungszusammenhang zwischen der eingehobenen Abgabe (Umsatzsteuer) und der gewährten Beihilfe (Vorsteuerabzug) gegeben sei. Die Entrichtung der Umsatzsteuer und der damit zusammenhängende Vorsteuerabzug würden eine Einheit bilden. Selbst wenn kein Verwendungszusammenhang vorliegen würde, gäbe es noch keine höchstgerichtliche Judikatur zur Beihilfenverfangenheit von § 12 Abs. 2 Z 2a UStG 1994. Das Unionsrecht räume ein subjektives Recht ein, (potentielle) beihilferechtliche Verstöße gegenüber dem subventionierenden Staat geltend zu machen. Das Bundesfinanzgericht habe die Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht vollumfänglich gewürdigt. 7 Das Finanzamt erstattete nach Einleitung des Vorverfahrens eine Revisionsbeantwortung, in der das Vorliegen einer Beihilfe im Sinne des Art. 107 AEUV bestritten wurde.

8 Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

9 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in

nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen. Gemäß § 34 Abs. 3 VwGG ist ein solcher Beschluss in jeder Lage des Verfahrens zu fassen.

10 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer

außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen. 11 Der Verwaltungsgerichtshof hat sich bereits mit der Frage der Geltendmachung einer Verletzung von Art. 107 AEUV durch Steuerpflichtige, die von einer Abgabenbegünstigung nicht profitieren können, auseinandergesetzt. Er hat dazu ausgeführt, dass nach der ständigen Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union ein Unternehmer in einem seine Abgabenschuld betreffenden Abgabenverfahren nicht erfolgreich geltend machen könne, dass die Befreiung eines anderen Unternehmers (oder dessen niedrigere Besteuerung) eine unionsrechtswidrige Beihilfe sei. Der Schuldner einer Abgabe könne sich also nicht mit der Begründung, die Befreiung (oder eine niedrigere Besteuerung) anderer Unternehmer stelle eine staatliche Beihilfe dar, der Zahlung der Abgabe entziehen (vgl. VwGH 18.12.2019, Ro 2016/15/0041; 28.4.2011, 2009/15/0172, VwSlg. 8641/F; 31.5.2011, 2009/15/0169, VwSlg. 8648/F).

12 Abgaben fallen nach der Rechtsprechung des EuGH nicht in den Anwendungsbereich der Vertragsvorschriften über staatliche Beihilfen, es sei denn, dass sie die Art der Finanzierung einer Beihilfemaßnahme darstellen, so dass sie Bestandteil dieser Maßnahme sind. Damit eine Abgabe oder ein Teil einer Abgabe nach der Judikatur des EuGH als Bestandteil einer Beihilfemaßnahme angesehen werden kann, muss nach der einschlägigen nationalen Regelung zwischen der Abgabe und der Beihilfe notwendig ein zwingender Verwendungszusammenhang in dem Sinne bestehen, dass das Abgabenaufkommen notwendig für die Finanzierung der Beihilfe verwendet wird. Es besteht nach dieser Judikatur kein zwingender Zusammenhang zwischen einer Abgabe und der Befreiung von dieser Abgabe zugunsten einer Gruppe von Unternehmen. Die Anwendung einer Abgabenbefreiung und deren Umfang hängen nämlich nicht vom Aufkommen der Abgabe ab (vgl. zu alldem EuGH 13.1.2005, C-174/02, Streekgewest Westelijk Noord-Brabant; 15.6.2006, C-393/04 und C- 41/05, Air Liquide Industries Belgium; sowie aktuell 3.3.2020, C- 75/18, Vodafone Magyarorszag, und C-323/18, Tesco-Global Aruhazak, jeweils mwN).

13 Im Revisionsfall besteht daher kein zwingender Verwendungszusammenhang zwischen dem Aufkommen der Umsatzsteuer und der Finanzierung des Vorsteuerabzugs im Sinne der Rechtsprechung des Gerichtshofes der Europäischen Union. Der Umstand, dass der Vorsteuerabzug systembedingt nicht höher sein kann als die Umsatzsteuer, die der Verkäufer an das Finanzamt abführen muss, begründet entgegen der Ansicht der Revisionswerberin keinen derartigen Zusammenhang.

14 Es handelt sich daher um keinen solchen Ausnahmefall, bei dem sich die Revisionswerberin darauf berufen könnte, dass die Befreiung anderer Unternehmen eine staatliche Beihilfe darstelle, um sich der Zahlung der Abgabe zu entziehen bzw. fallbezogen einen Vorsteuerabzug geltend zu machen (vgl. dazu nochmals VwGH 28.4.2011, 2009/15/0172; 31.5.2011, 2009/15/0169). 15 Die Revision bringt zudem vor, in der beihilfenrechtlichen Prüfung sei auf die jeweilige einfachgesetzliche Norm abzustellen, um zu prüfen, ob diese beihilfenverfangen sei, und zu § 12 Abs. 2 Z 2a UStG 1994 gebe es diesbezüglich noch keine höchstgerichtliche Judikatur. Die Frage, ob § 12 Abs. 2 Z 2a UStG 1994 beihilfenverfangen ist, ist allerdings entgegen der Annahme der Revisionswerberin keine die Zulässigkeit der Revision begründende Rechtsfrage im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG, weil sich die Revisionswerberin - wie dargelegt - selbst dann, wenn es sich um eine Beihilfe handeln würde, nicht darauf berufen könnte, um den begehrten Vorsteuerabzug zu erlangen. Das Schicksal der Revision hängt daher von der Lösung dieser Rechtsfrage nicht ab. 16 Soweit die Revision in diesem Zusammenhang auf das Urteil des EuGH vom 13. Jänner 2005, C-174/02, Streekgewest Westelijk Noord-Brabant, verweist und vermeint, daraus ableiten zu können, dass das Unionsrecht in Fällen wie dem revisionsgegenständlichen dem benachteiligten Abgabepflichtigen ein Recht einräume, potentielle beihilferechtliche Verstöße bei den nationalen Gerichten zu bekämpfen und gegenüber dem subventionierenden Staat geltend zu machen, ist darauf zu verweisen, dass die in der Revision zitierten diesbezüglichen Aussagen des EuGH, wie dieser in den Randnummern 22 ff seines Urteils festhält, voraussetzen, dass zwischen der Abgabe und der gewährten Beihilfe ein zwingender Verwendungszusammenhang besteht (vgl. dazu auch die Aussagen des EuGH in den Rn. 20 ff des Urteils vom 3. März 2020, C-75/18, Vodafone Magyarorszag, wonach das Einschreiten der nationalen Gerichte bei einer Verletzung des Art. 108 Abs. 3 Satz 3 AEUV im Zusammenhang mit Abgaben voraussetzt, dass die Abgabe als Bestandteil einer Beihilfemaßnahme angesehen werden kann). Dass dies im Revisionsfall nicht vorliegt, wurde bereits dargelegt. 17 Der Verwaltungsgerichtshof sieht nach dem Vorgesagten auch keine Veranlassung für einen Antrag auf Vorabentscheidung an den EuGH.

18 In der Revision werden keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher zurückzuweisen.

19 Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 20

14.

Wien, am 19. Mai 2020

Gerichtsentscheidung

EuGH 62002CJ0174 Streekgewest Westelijk Noord-Brabant VORAB
EuGH 62004CJ0393 Air Liquide Industries Belgium VORAB
EuGH 62018CJ0075 Vodafone Magyarorszag VORAB
EuGH 62018CJ0323 Tesco-Global Aruhazak VORAB

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2020:RA2018130091.L00

Im RIS seit

24.06.2020

Zuletzt aktualisiert am

24.06.2020
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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