TE Vwgh Beschluss 2020/5/20 Ra 2019/07/0086

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 20.05.2020
beobachten
merken

Index

L66508 Flurverfassung Zusammenlegung landw Grundstücke Flurbereinigung Vorarlberg
001 Verwaltungsrecht allgemein
10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG)
10/07 Verwaltungsgerichtshof
20/01 Allgemeines bürgerliches Gesetzbuch (ABGB)
80/06 Bodenreform

Norm

ABGB §1075
ABGB §914
B-VG Art133 Abs4
FlVfGG §18 Abs1
FlVfLG Vlbg 1979 §33 Abs8
FlVfLG Vlbg 1979 §35 Abs1
VwGG §34 Abs1
VwRallg

Beachte


Miterledigung (miterledigt bzw zur gemeinsamen Entscheidung verbunden):
Ra 2019/07/0087

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Senatspräsidentin Dr. Hinterwirth sowie die Hofräte Dr. N. Bachler und Mag. Haunold als Richter, unter Mitwirkung des Schriftführers Mag. Sinai, über die Revision des 1. W K in B und 2. S G in N, beide vertreten durch die Achammer & Mennel Rechtsanwälte OG in 6800 Feldkirch, Schlossgraben 10, gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichts Vorarlberg vom 21. Juni 2019, Zl. LVwG-359-1/2019-R7, betreffend Versagung der agrarbehördlichen Genehmigung für die Übertragung eines Weiderechts nach dem Vorarlberger Flurverfassungsgesetz (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Vorarlberger Landesregierung; mitbeteiligte Partei: Agrargemeinschaft Alpe M in L, vertreten durch Mag. Rainer Stemmer, Rechtsanwalt in 6721 Thüringerberg 19), den Beschluss gefasst:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

Die Revisionswerber haben der mitbeteiligten Partei Aufwendungen in der Höhe von € 1.106,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

1        § 4 Abs. 5 der Satzung der mitbeteiligten Agrargemeinschaft hat folgenden Wortlaut (Anonymisierung durch den Verwaltungsgerichtshof):

„Bei der Übertragung (Verkauf, Schenkung oder Übergabe) von Weiderechten an Nichtmitglieder haben Mitglieder, welche im Verwaltungsbezirk B. ihren Hauptwohnsitz haben, das Vorkaufsrecht. Dieses Vorkaufsrecht gilt für alle Übertragungen, ausgenommen bei einer Übertragung an Ehegatten oder Kinder. Eine beabsichtigte Übertragung von Weiderechten an Nichtmitglieder ist dem Obmann zur Verständigung der Mitglieder anzuzeigen. Ein schriftlich angegebener Verkaufspreis ist für den Verkäufer verpflichtend - eine Nachbesserung ist nicht möglich. Bei Schenkung und Übergabe können Mitglieder die Weiderechte zum ortsüblichen Preis erwerben. Das Vorkaufsrecht kann innerhalb eines Monats ab dem Tage der Anzeige geltend gemacht werden. Über Verlangen stellt der Obmann über die Anzeige eine Bestätigung aus.“

2        Am 12. Mai 2018 erhielt der Obmann der mitbeteiligten Agrargemeinschaft ein Schreiben des Zweitrevisionswerbers, worin dieser die Absicht mitteilte, sein an der mitbeteiligten Agrargemeinschaft bestehendes Weiderecht um € 5.500,-- an den Erstrevisionswerber, mit dem er bereits einen bedingten Kaufvertrag abgeschlossen habe, zu verkaufen. Gemäß § 4 Abs. 5 der Satzung der mitbeteiligten Agrargemeinschaft zeige er dem Obmann die beabsichtigte Übertragung des Weiderechts zur Verständigung der Mitglieder an.

3        Mit Schreiben vom 28. Mai 2018 verständigte der Obmann die Mitglieder der mitbeteiligten Agrargemeinschaft vom beabsichtigten Weiderechtsverkauf. Dieses Schreiben hat folgenden Inhalt (Anonymisierung durch den Verwaltungsgerichtshof; Hervorhebungen im Original):

„Betreff: Vorkaufsrecht

Werte Weidebesitzer.

Herr G. S. verkauft an Herrn K. W. 1 Weiderechte. Der Kaufpreis beträgt 5.500.- Euro pro Weide.

Herr K. W. ist Pferdehalter im Bezirk B.

Laut § 4, Abs. 5 unserer Satzung haben jedoch Mitglieder der [mitbeteiligten Agrargemeinschaft] das Vorkaufsrecht.

Sollte ein Mitglied bereit sein, 5.500.- Euro pro Weide zu bezahlen, dann bitte ich dies schriftlich per EINSCHREIBEN innert 1 Monat an mich zu senden.

Das erst einlangende Schreiben (Poststempel) erhält den Zuschlag.

Laut Satzung ist Herr G. S. verpflichtet an den Vorkaufsberechtigten zu verkaufen.

Mit freundlichen Grüßen

der Obmann

J. B.“

4        Mit einem an den Obmann gerichteten Schreiben vom 30. Mai 2018 teilte das Mitglied der mitbeteiligten Agrargemeinschaft H. B. Folgendes mit (Anonymisierung durch den Verwaltungsgerichtshof):

„Sehr geehrte/r Herr B., lieber J.,

ich habe heute das Schreiben der [mitbeteiligten Agrargemeinschaft] bekommen.

Ich als Weidebesitzer würde mich für das Weiderecht von Hr. G. S. interessieren.

Der Kaufpreis von € 5.500,- (fünftausendfünfhundert) geht für mich in Ordnung.

Es würde mich freuen, wenn ich den Zuschlag für das Weiderecht bekomme.

Mit freundlichen Grüßen

[Unterschrift]

B. H.“

5        Dieses Schreiben langte am 4. Juni 2018 beim Obmann ein.

6        Am 5. Juni 2018 teilte der Obmann dem Zweitrevisionswerber die Absicht des H. B. telefonisch mit. Der Obmann werde dem Zweitrevisionswerber daher einen von H. B. unterfertigten Kaufvertrag zur Unterschrift zukommen lassen, sobald er von der Alpe U. ins Tal zurückkomme.

7        Die Übermittlung (Postaufgabe) dieses Kaufvertrags an den Zweitrevisionswerber erfolgte am 18. Juni 2018.

8        Mit Eingabe vom 5. Juli 2018 beantragten die Revisionswerber bei der belangten Behörde die Genehmigung des zwischen ihnen abgeschlossenen und am 10. August 2018 notariell beglaubigten Kaufvertrags folgenden Inhalts (Anonymisierung durch den Verwaltungsgerichtshof):

„1.

S. G. ist Eigentümer eines Weiderechts an der [mitbeteiligten Agrargemeinschaft].

2.

S. G. verkauft hiemit dieses Weiderecht an W. K. um den einvernehmlich festgelegten Kaufpreis von € 5.500,-- und W. K. kauft und übernimmt dieses Weiderecht.

[Unterschrift Zweitrevisionswerber][Unterschrift Erstrevisionswerber]“

9        Mit Bescheid vom 15. Februar 2019 versagte die belangte Behörde gemäß §§ 33 Abs. 8 und 35 Abs. 1 Vorarlberger Flurverfassungsgesetz (FlVG) die Übertragung des Weiderechts an den Erstrevisionswerber.

10       Mit dem angefochtenen Erkenntnis wies das Verwaltungsgericht die dagegen erhobene Beschwerde der Revisionswerber ab. Die Revision erklärte es für nicht zulässig.

11       Nach Feststellung des oben dargestellten, unbestrittenen Sachverhalts führte das Verwaltungsgericht in rechtlicher Hinsicht aus, nach § 4 Abs. 5 der Satzung der mitbeteiligten Agrargemeinschaft hätten bei Übertragung von Weiderechten an Nichtmitglieder die Mitglieder, welche im Verwaltungsbezirk B. ihren Hauptwohnsitz hätten, das Vorkaufsrecht. Eine beabsichtigte Übertragung von Weiderechten an Nichtmitglieder sei dem Obmann zur Verständigung der Mitglieder anzuzeigen. Diese Anzeige sei vorliegend mit dem Zugehen des Schreibens des Zweitrevisionswerbers am 12. Mai 2018 an den Obmann erfolgt.

12       Weiters ergebe sich aus § 4 Abs. 5 der Satzung, dass das Vorkaufsrecht innerhalb eines Monats ab dem Tage der Anzeige geltend gemacht werden könne. Daher beginne die genannte Frist ab der erfolgten Anzeige an den Obmann. Dies lasse sich auch aus dem letzten Satz des § 4 Abs. 5 der Satzung, wonach über Verlangen der Obmann über die Anzeige eine Bestätigung ausstelle, ableiten. Somit laufe die Frist für die Ausübung des Vorkaufsrechts mit der Anzeige an den Obmann ab dem 12. Mai 2018.

13       Das Ende der Frist für die Geltendmachung des Vorkaufsrechts sei vorliegend der 12. Juni 2018. Die Geltendmachung des Vorkaufsrechts habe gegenüber dem Obmann innerhalb der genannten Frist zu erfolgen. Dies lasse sich einerseits schon aus den in der Satzung festgelegten Aufgaben des Obmanns ableiten und ergebe sich andererseits aus dem Umstand, dass der Obmann zunächst die Mitglieder vom beabsichtigten Verkauf des Weiderechts an ein Nichtmitglied informieren müsse. Aus der Systematik des § 4 Abs. 5 der Satzung folge, dass eine Geltendmachung bzw. Ausübung des Vorkaufsrechts eines Mitglieds innerhalb der Frist beim Obmann einzulangen habe.

14       Der Obmann sei durch das Mitglied H. B. mit Schreiben vom 30. Mai 2018, welches beim Obmann am 4. Juni 2018 eingelangt sei, darüber informiert worden, dass H. B. sein Vorkaufsrecht ausüben wolle. Daher sei das Vorkaufsrecht innerhalb der Frist am 4. Juni 2018 geltend gemacht worden. Selbst wenn davon ausgegangen würde, dass die Geltendmachung des Vorkaufsrecht innerhalb der Frist auch dem jeweiligen Verkäufer mitzuteilen wäre - was vorliegend durch das Telefonat des Obmanns mit dem Zweitrevisionswerber am 5. Juni 2018 erfolgt sei -, wäre die Geltendmachung des Vorkaufsrechts auch unter diesen Umständen innerhalb der Frist erfolgt.

15       Aus den zur Anwendung kommenden Bestimmungen der Satzung lasse sich im Zusammenhang mit dem Sachverhalt feststellen, dass innerhalb eines Monats ab der Anzeige des beabsichtigten Verkaufs eines Weiderechts an ein Nichtmitglied von einem Mitglied der mitbeteiligten Agrargemeinschaft ordnungsgemäß das Vorkaufsrecht geltend gemacht worden sei. Dabei spiele es keine Rolle, ob die Ausübung bzw. Geltendmachung des Vorkaufsrechts mittels eines Schreibens oder auch telefonisch gegenüber dem Obmann bzw. Verkäufer (Zweitrevisionswerber) erfolgt sei, denn der Satzung seien diesbezüglich keine zwingenden Formerfordernisse zu entnehmen.

16       Das Verwaltungsgericht könne nicht erkennen, dass H. B. sein Vorkaufsrecht nicht rechtswirksam ausgeübt hätte, weshalb spruchgemäß zu entscheiden gewesen sei.

17       Dagegen richtet sich die vorliegende Revision wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes bzw. Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften.

18       Die mitbeteiligte Agrargemeinschaft erstattete eine Revisionsbeantwortung, in der sie die kostenpflichtige Zurück- bzw. Abweisung der Revision beantragt.

19       Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

20       Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen.

21       Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.

22       Die Beurteilung der Zulässigkeit der Revision durch den Verwaltungsgerichtshof erfolgt ausschließlich anhand des Vorbringens in der Zulässigkeitsbegründung.

23       Wird darin als Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung vorgebracht, das Verwaltungsgericht sei von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abgewichen, ist konkret anzuführen, in welchen Punkten die angefochtene Entscheidung von welcher Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht. Auch eine bloße Wiedergabe von Rechtssätzen von Entscheidungen des Verwaltungsgerichtshofes oder ein Zitieren von Erkenntnissen der Zahl nach, ohne auf konkrete Unterschiede hinzuweisen, wird diesen Anforderungen nicht gerecht. Der Verwaltungsgerichtshof ist nicht verpflichtet, Gründe für die Zulässigkeit einer Revision anhand der übrigen Revisionsausführungen gleichsam zu suchen (vgl. VwGH 28.2.2019, Ra 2018/07/0477, mwN).

24       In der Zulässigkeitsbegründung der vorliegenden Revision wird zunächst vorgebracht, das angefochtene Erkenntnis weiche von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, indem es lediglich auf die Regelungen in der Satzung der mitbeteiligten Agrargemeinschaft Bezug nehme, jedoch die Bestimmungen des §§ 1072 ff ABGB völlig ausblende und offenbar nicht als rechtlich relevant einstufe (Hinweis auf VwGH 16.12.2010, 2009/07/0040, und 10.11.2011, 2009/07/0200).

25       Damit wird die Revision den Anforderungen des § 28 Abs. 3 VwGG nicht gerecht, weil diesem Vorbringen nicht zu entnehmen ist, konkret in welchen Punkten das angefochtene Erkenntnis von den ins Treffen geführten hg. Entscheidungen abweiche. Zwar zitieren die Revisionswerber den jeweils darin enthaltenen Rechtssatz, wonach § 1075 erster Satz ABGB für die Ausübung des Vorkaufsrechts eine „wirkliche Einlösung“ verlange. Daraus leiten sie jedoch bloß ab, dass bei der Beurteilung, ob das Vorkaufsrecht im vorliegenden Revisionsfall rechtswirksam ausgeübt worden sei, nicht nur die Satzungsbestimmungen, sondern auch die §§ 1072 ff ABGB heranzuziehen gewesen wären.

26       Dem ist zunächst entgegenzuhalten, dass nach der Rechtsprechung des OGH die Bestimmung des § 1075 ABGB dispositives Recht ist und vertraglich abweichend geregelt werden kann (vgl. RIS Justiz RS0020173). Daher ist es grundsätzlich möglich, ein in der Satzung einer Agrargemeinschaft vorgesehenes Vorkaufsrecht von § 1075 ABGB abweichend zu regeln.

27       Darüber hinaus legen die Revisionswerber mit ihrer Behauptung nicht dar, dass die den Entscheidungen VwGH 16.12.2010, 2009/07/0040, und 10.11.2011, 2009/07/0200, zu Grunde liegenden Sachverhalte mit dem vorliegenden Revisionsfall vergleichbar wären. Sie übersehen nämlich, dass H. B. in seinem Schreiben vom 30. Mai 2018 die Zahlung des Kaufpreises für das Weiderecht des Zweitrevisionswerbers angeboten hat (arg.: „Der Kaufpreis von € 5.500,- (fünftausendfünfhundert) geht für mich in Ordnung.“). Damit unterscheidet sich der vorliegende Sachverhalt tatsächlich von den zitierten hg. Entscheidungen, denen eine rein im Konjunktiv formulierte Kaufabsicht bzw. gar keine Einlösungserklärung von Vorkaufsberechtigten zu Grunde liegt.

28       Weshalb daher die Schlussfolgerung des Verwaltungsgerichts, dass das Schreiben des H. B. eine „wirkliche Einlösung“ im Sinn des § 1075 ABGB darstelle, unzutreffend wäre, zumal bei Untunlichkeit eines realen Anbotes für eine solche ein verbales Zahlungsanbot genügt (vgl. OGH 30.5.1985, 7 Ob 559/85; 11.3.2008, 4 Ob 14/08z), wird in der Zulässigkeitsbegründung nicht im Ansatz dargelegt. Es ist somit nicht zu erkennen, dass das angefochtene Erkenntnis von der hg. Rechtsprechung abweicht. Im Übrigen kann die Frage, ob es zu einer „wirklichen Einlösung“ durch den Vorkaufsberechtigten gekommen ist, regelmäßig nur anhand der speziellen Umstände des Einzelfalles beantwortet werden; Rechtsfragen grundsätzlicher Bedeutung stellen sich in diesem Zusammenhang daher im Allgemeinen nicht (vgl. OGH 23.1.2020, 6 Ob 9/20x).

29       In der Zulässigkeitsbegründung wird in diesem Zusammenhang weiters vorgebracht, der Satzung der mitbeteiligten Agrargemeinschaft lasse sich eine Berechtigung bzw. Verpflichtung des Obmanns zur Entgegennahme von Erklärungen, mit denen das Vorkaufsrecht ausgeübt werden solle, gerade nicht entnehmen. Der Obmann habe die Mitglieder zu verständigen und über deren Verlangen eine Bestätigung über die erfolgte Anzeige auszustellen. Weitere Befugnisse oder Kompetenzen habe er nicht. Es fehle daher Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu der Frage, ob mit einer Satzungsregelung, wonach der Vorkaufsfall dem Obmann anzuzeigen sei, gleichzeitig auch die Rechtsfolge verbunden sei, dass die Einlösungserklärung im Sinn des § 1075 ABGB gegenüber dem Obmann zu erfolgen habe, und eine derartige Erklärung gegenüber dem Obmann ausreiche, um die Frist zur wirklichen Einlösung nach § 1075 ABGB einzuhalten.

30       Nach der hg. Rechtsprechung kann eine im konkreten Einzelfall getroffene Auslegung von Verträgen oder Satzungen - wie etwa Satzungen von Agrargemeinschaften - nur dann eine Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung aufwerfen, wenn sie grobe Auslegungsfehler oder sonstige krasse Fehlbeurteilungen erkennen lässt (vgl. VwGH 25.4.2019, Ro 2019/07/0001; 27.2.2019, Ra 2019/10/0010, jeweils mwN).

31       § 4 Abs. 5 der Satzung der mitbeteiligten Agrargemeinschaft trifft keine ausdrückliche Regelung, wem gegenüber ein Mitglied die Einlösung des Vorkaufsrechts innerhalb der in dieser Bestimmung vorgesehenen einmonatigen Frist zu erklären hat. Das Verwaltungsgericht geht aufgrund „der Systematik des § 4 Abs. 5 der Satzung“ allerdings davon aus, dass eine Einlösungserklärung gegenüber dem Obmann abzugeben sei.

32       Nach § 14 Z 1 der Satzung vertritt der Obmann die mitbeteiligte Agrargemeinschaft nach außen und leitet die gesamten Verwaltungsgeschäfte, sofern nicht die Vollversammlung oder der Ausschuss zuständig ist. Vor diesem Hintergrund ist dem Verwaltungsgericht aus systematischen Erwägungen kein grober Fehler vorzuwerfen, wenn es § 4 Abs. 5 der Satzung derart interpretiert, dass nicht nur die Anzeige des Vorkaufsfalls durch ein vorkaufsverpflichtetes Mitglied, sondern auch die Einlösungserklärung eines vorkaufsberechtigten Mitglieds der mitbeteiligten Agrargemeinschaft an den Obmann zu richten sei und dieser damit als zentrale Stelle für Einlösungserklärungen fungieren könne. Dies ist gerade auch deshalb geboten, weil sich im Revisionsfall - bedingt durch das Bestehen einer Vielzahl Vorkaufsberechtigter - eine zentrale Stelle, die vor allem eine chronologische Reihung der abgegebenen Einlösungserklärungen der Vorkaufsberechtigten vornehmen kann, als zweckmäßig erweist.

33       Daher kann es dem Mitglied H. B. - nicht zuletzt aufgrund der unmissverständlichen Formulierung des Aufforderungsschreibens des Obmanns vom 28. Mai 2018 (arg. „an mich zu senden“) - nicht zur Last fallen, dass er seine Einlösungserklärung vom 30. Mai 2018 direkt an den Obmann richtete.

34       Ausgehend von dem unbestritten gebliebenen Beginn der Frist nach § 4 Abs. 5 der Satzung am 12. Mai 2018 erweist sich das Ergebnis des Verwaltungsgerichts, es sei nicht zu erkennen, dass H. B. sein Vorkaufsrecht nicht rechtswirksam innerhalb dieser Frist ausgeübt hätte, daher als nicht unvertretbar.

35       Den Revisionswerbern ist es somit nicht gelungen, darzulegen, dass dem Verwaltungsgericht bei der Auslegung des § 4 Abs. 5 der Satzung grobe Fehler unterlaufen wären.

36       Indem die Revisionswerber in der Zulässigkeitsbegründung weiter vorbringen, es fehle hg. Rechtsprechung zu der Frage, inwieweit die Einlösungserklärung auch darauf gerichtet sein müsse, dass alle Zahlungsmodalitäten, Bedingungen, Nebenrechte und Nebenpflichten des dem Vorkaufsfall zugrunde liegenden Kaufvertrags übernommen würden, verkennen sie, dass der den Vorkaufsfall auslösende Kaufvertrag keine derartigen Nebenabreden enthält. Die Lösung der genannten Rechtsfrage wäre daher von theoretischer Natur und steht damit mit einem Eingriff in subjektive Rechte der Revisionswerber in keinem Zusammenhang; für die Lösung abstrakter Rechtsfragen ist der Verwaltungsgerichtshof aber nicht zuständig (vgl. VwGH 19.4.2018, Ra 2017/07/0084 bis 0086, mwN).

37       Sofern die Revisionswerber daran anknüpfend meinen, der in der Folge von H. B. unterschriebene Kaufvertrag - der vom Obmann aufgesetzt und an den Zweitrevisionswerber adressiert am 18. Juni 2018 zur Post gegeben worden sei - enthalte im Gegensatz zu dem den Vorkaufsfall auslösenden Kaufvertrag Nebenabreden und es sei in der Übersendung dieses Kaufvertrags ein niemals angenommenes Angebot des Vorkaufsberechtigten zu erblicken, ist ihnen zu entgegnen, dass dieses Vorbringen für die hier allein maßgebliche Frage der rechtzeitigen Ausübung des Vorkaufsrechtes ohne Relevanz ist.

38       In der Revision werden somit keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinn des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme.

39       Die Revision war daher gemäß § 34 Abs. 1 und 3 VwGG zurückzuweisen.

40       Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff, insbesondere § 51 VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2014.

Wien, am 20. Mai 2020

Schlagworte

Rechtsgrundsätze Allgemein Anwendbarkeit zivilrechtlicher Bestimmungen Verträge und Vereinbarungen im öffentlichen Recht VwRallg6/1

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2020:RA2019070086.L00

Im RIS seit

04.08.2020

Zuletzt aktualisiert am

04.08.2020
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten