TE Vwgh Erkenntnis 2020/4/28 Ro 2019/09/0011

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Veröffentlicht am 28.04.2020
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Index

E000 EU- Recht allgemein
E1E
E1M
E3L E19103000
E6J
10/07 Verwaltungsgerichtshof
59/04 EU - EWR
60/04 Arbeitsrecht allgemein
62 Arbeitsmarktverwaltung

Norm

AuslBG §4
AuslBG §4b
AuslBG §5
EURallg
VwGG §42 Abs2 Z1
11997E010 EG Art10
11997E249 EG Art249
12010E288 AEUV Art288 Abs3
12010M004 EUV Art4 Abs3
32013L0033 Aufnahme-RL Art15
32013L0033 Aufnahme-RL Art15 Abs1
32013L0033 Aufnahme-RL Art15 Abs3
32013L0033 Aufnahme-RL Art28
61999CJ0462 Connect Austria VORAB

Beachte


Serie (erledigt im gleichen Sinn):
Ro 2019/09/0015 E 03.08.2020
Ro 2020/09/0003 E 06.10.2020
Ro 2020/09/0004 E 30.06.2020
Ro 2020/09/0005 E 30.06.2020
Ro 2020/09/0006 E 30.06.2020

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Präsident Dr. Thienel, die Hofräte Dr. Doblinger, Dr. Hofbauer und Mag. Feiel sowie die Hofrätin Mag. Rossmeisel als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. Hotz, über die Revision der regionalen Geschäftsstelle des Arbeitsmarktservice Ried in 4910 Ried im Innkreis, Peter Roseggerstraße 27, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 10. Juli 2019, Zlen. 1. L517 2217964-1/5E und 2. L517 2217631-1/5E, betreffend Antrag auf Erteilung einer Beschäftigungsbewilligung gemäß § 4 Ausländerbeschäftigungsgesetz (mitbeteiligte Parteien: 1. A B in C und 2. D GmbH in E, beide vertreten durch Dr. Peter Krömer und Mag. Michaela Krömer, Rechtsanwälte in 3100 St. Pölten, Riemerplatz 1), zu Recht erkannt:

Spruch

Das angefochtene Erkenntnis wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Begründung

1        Mit Bescheid vom 12. Februar 2019 wies die vor dem Verwaltungsgericht belangte Behörde (die revisionswerbende Partei) den Antrag der zweitmitbeteiligten Partei vom 7. Februar 2019 auf Erteilung einer Beschäftigungsbewilligung für den Erstmitbeteiligten, einen afghanischen Staatsangehörigen, für die berufliche Tätigkeit als Elektrotechniker/in - Elektro- und Gebäudetechnik (Lehrling/Auszubildende/r) gemäß § 4 Abs. 3 Ausländerbeschäftigungsgesetz (AuslBG) mit der Begründung ab, dass die Erteilung einer Beschäftigungsbewilligung vom Regionalbeirat nicht einhellig befürwortet worden sei und auch die sonstigen Voraussetzungen des § 4 Abs. 3 leg. cit. nicht vorliegen würden.

2        Mit dem angefochtenen Erkenntnis gab das Bundesverwaltungsgericht der gegen diesen Bescheid erhobenen Beschwerde statt und stellte fest, dass die Voraussetzungen für die Ausstellung einer Beschäftigungsbewilligung gemäß § 4 Abs. 1, 2 und 3 AuslBG vorliegen.

3        In seiner Entscheidungsbegründung zitierte es nach Darlegung des Verfahrensganges neben den maßgeblichen gesetzlichen Bestimmungen die gemäß Art. 28 der Richtlinie erstattete österreichische Stellungnahme an die Europäische Kommission zur Umsetzung der Richtlinie 2013/33/EU vom 26. Juni 2013 zur Festlegung von Normen für die Aufnahme von Personen, die internationalen Schutz beantragen (Aufnahmerichtlinie) wie folgt:

„In Entsprechung des Artikels 15 Abs. 1 der Aufnahme-Richtlinie haben Asylwerberinnen und Asylwerber Arbeitsmarktzugang im Wege eines Beschäftigungsbewilligungsverfahrens gemäß § 4 des Ausländerbeschäftigungsgesetzes (AuslBG). Potentielle Arbeitgeberinnen und Arbeitgeber haben die Beschäftigungsbewilligung vor Arbeitsaufnahme der Asylwerberinnen und Asylwerber einzuholen. Die nach Art. 15 Abs. 2 der Richtlinie 2013/33/EU zulässige Arbeitsmarktprüfung erfolgt nach Maßgabe des § 4b AuslBG, wonach Ausländerinnen und Ausländer mit Anspruch auf Leistungen aus der Arbeitslosenversicherung, EWR-Bürgerinnen und -Bürger, Schweizerinnen und Schweizer, türkische Assoziationsarbeitnehmerinnen und -arbeitnehmer oder Ausländerinnen und Ausländer mit unbeschränkten Arbeitsmarktzugang Vorrang einzuräumen ist. Beschäftigungsbewilligungen sind für Asylwerber und Asylwerber zulässig, die seit drei Monaten zum Asylverfahren zugelassen sind und einen faktischen Abschiebschutz oder ein Aufenthaltsrecht nach dem Asylgesetz haben. Die übrigen für die Erteilung einer Beschäftigungsbewilligung erforderlichen allgemeinen Voraussetzungen des § 4 Abs. 1 AuslBG dienen insbesondere der Verhinderung illegaler Beschäftigung und der Sicherung einer ordnungsgemäßen Beschäftigung unter Einhaltung der geltenden Lohn- und Arbeitsbedingungen.“

4        Dazu führte das Verwaltungsgericht im Wesentlichen aus, dass die zweitmitbeteiligte Partei am 7. Februar 2019 bei der revisionswerbenden Partei die Erteilung einer Beschäftigungsbewilligung für den Erstmitbeteiligten, einen im Jahr 1994 geborenen afghanischen Staatsangehörigen, für die berufliche Tätigkeit als Elektrotechnik-Lehrling beantragt und dazu näher bezeichnete Unterlagen vorgelegt habe. Der Erstmitbeteiligte sei am 3. März 2017 zum Asylverfahren zugelassen worden; gegen die am 6. August 2018 ergangene Rückkehrentscheidung sei Beschwerde eingebracht worden und das Verfahren dazu noch offen. Mit Texteintrag zur Arbeitsmarktpolitischen Stellungnahme vom 7. Februar 2019 habe die revisionswerbende Partei festgehalten, dass ein „bereits seit 19.10.2019 (richtigerweise wohl 19.10.2018)“ geschalteter Vermittlungsauftrag bisher aufgrund des Lehrlingsmangels in diesem Beruf ergebnislos geblieben sei; ein Einwand gegen die Erteilung bestünde daher nicht. Die Behandlung im Regionalbeirat sei per E-Mail-Korrespondenz erfolgt; der diesbezügliche Texteintrag vom 8. Februar 2019 enthalte keine Begründung für die Versagung, sondern werde im Gegenteil ausgeführt, dass „kein Einwand gegen die Erteilung“ bestehe und die Voraussetzungen des § 4 Abs. 1 AuslBG erfüllt seien. Eine Begründung für die Versagung sei von der revisionswerbenden Partei in der Beschwerdevorlage nachgereicht worden, worin diese sich auf die ergangenen Erlässe GZ 435.006/6-II/7/2004 vom 11. Mai 2004 und GZ 435.006/0013-VI/B/7/2018 vom 12. September 2018 berufen habe, wonach „im Hinblick auf die Sicherstellung eines geordneten Asylwesens Aufträge [Anm. des VwGH: wohl gemeint Anträge], die sich nicht auf eine Beschäftigung im Rahmen des Kontingentes gem. § 5 AuslBG beziehen, entsprechend ersterem Erlass nicht positiv erledigt werden können.“

5        Mit der Entscheidung, Asylwerber nicht als Lehrlinge im Sinne des AuslBG zuzulassen, vertrete die revisionswerbende Behörde - so das Verwaltungsgericht weiter - eine, von der in der Stellungnahme an die Europäische Kommission zur Umsetzung der RL 2013/33/EU geäußerten Rechtsansicht Österreichs abweichende Meinung, derzufolge bei der Erteilung von Beschäftigungsbewilligungen für Asylwerber lediglich die Voraussetzungen des § 4 Abs. 1 iVm § 4b AuslBG erfüllt sein müssten. Einer derartigen Einschränkung der Arbeitsmarktzulassung auf die im § 4 Abs. 3 AuslBG oder in der Verordnung des Bundesministers für Arbeit und Soziales, mit der die Gesamtzahl der unselbständig beschäftigten und arbeitslosen Ausländer überzogen wird (BHZÜV), genannten Personengruppe stünde darüber hinaus Art. 15 Abs. 2 der RL 2013/33/EU entgegen, wonach Asylwerbern ein effektiver Arbeitsmarktzugang zu ermöglichen sei. So sei auch dem Vorschlag des Europäischen Parlaments und des Rates zur RL 2013/33/EU (COM/2008/815/FINAL) zu entnehmen, dass der tatsächliche Zugang von Asylwerbern zu einer Beschäftigung nicht in unangemessener Weise beschränkt werden dürfe und eine faire Chance auf Zugang zu einer Beschäftigung bestehen müsse. Dies wäre aber jedoch bei einer Einschränkung auf Asylwerber, die die Voraussetzungen des § 4 Abs. 3 AuslBG oder der BHZÜV erfüllen - also de facto auf Asylwerber, deren Bewilligung vom Regionalbeirat einhellig befürwortet werde (Abs. 3 Z 1) oder die im Rahmen von Kontingenten gemäß § 5 AuslBG beschäftigt werden sollen (Abs. 3 Z 5) - gerade nicht der Fall, zumal damit nur in Einzelfällen eine Beschäftigung ermöglicht würde.

6        Das Verwaltungsgericht hielt zur Umsetzung der Richtlinie fest, dass grundsätzlich die Mitgliedstaaten zur Umsetzung in innerstaatliches Recht verpflichtet seien; die innerstaatlichen Behörden hätten aber die von der Richtlinie berührten Normen soweit wie möglich im Einklang mit der Richtlinie („richtlinienkonform“) auszulegen. Eine „unmittelbare Anwendung“ der Richtlinie scheide nach der Rechtsprechung des EuGH aus, solange die Umsetzungsfrist nicht abgelaufen sei. Der Mitgliedstaat, an den diese Richtlinie gerichtet ist, dürfe allerdings während der Umsetzungsfrist keine Vorschriften erlassen, die geeignet seien, die Erreichung des in der Richtlinie vorgeschriebenen Ziels bei Ablauf der Umsetzungsfrist ernstlich in Frage zu stellen. Die Frist für die Umsetzung der RL 2013/33/EU sei der 20. Juli 2015 gewesen; die in Österreich für Asylwerber bestehenden Einschränkungen des Arbeitsmarktzuganges - durch Beschränkung der möglich auszustellenden Beschäftigungsbewilligungen auf die Bereiche Lehrstellen in Mangelberufen (wobei auch diese Möglichkeit mit dem, die Erstbehörde bindenden Erlass GZ 435.006/0013-VI/B/7/2018 des BMASGK vom 12. September 2018, gestrichen worden sei) sowie befristete Saisonkontingente, Erntearbeiten und gemeinnützige Hilfsarbeiten - würden keine Deckung in der Richtlinie finden. Die an die Verwaltung als Empfänger gerichteten Erlässe würden das Ziel der Richtlinie - die Erreichung eines fairen Arbeitsmarktzuganges für Asylwerber - verhindernde Mittel darstellen. Da im vorliegenden Fall diese Richtlinie nicht ordnungsgemäß umgesetzt worden sei, gelange Art. 15 der RL 2013/33/EU unmittelbar zur Anwendung. Dementsprechend würde das Nichtvorliegen der Voraussetzungen des § 4 Abs. 3 AuslBG der Erteilung einer Beschäftigungsbewilligung hier auch konkret nicht entgegenstehen. Das Vorliegen eines Aufenthaltsrechts gemäß § 4 Abs. 1 Z 1 AuslBG sei gegenständlich zu bejahen, weil der Erstmitbeteiligte mehr als drei Monate zum Asylverfahren zugelassen sei; die Einhaltung der Lohn- und Arbeitsbedingungen einschließlich der sozialversicherungsrechtlichen Vorschriften (§ 4 Abs. 1 Z 2 AuslBG) sei gewährleistest, weil sich die zweitmitbeteiligte Partei bereit erklärt habe, jedenfalls eine dem hier anzuwendenden Kollektivvertrag entsprechende Lehrlingsentschädigung zu leisten. Sonstige der in § 4 Abs. 1 Z 3 ff AuslBG normierte Ausschlussgründe, insbesondere eine Beschäftigung entgegen den Bestimmungen des AuslBG, seien von der revisionswerbenden Partei nicht behauptet worden und auch nach der Aktenlage nicht evident. Gemäß § 4 Abs. 1 iVm § 4b AuslBG sei vor der Erteilung einer Beschäftigungsbewilligung eine Arbeitsmarktprüfung (Ersatzkraftstellungsverfahren) durchzuführen. Das Ermittlungsverfahren habe ergeben, dass keine geeignete Ersatzkraft habe gestellt werden können.

7        Im Weiteren begründete das Verwaltungsgericht das Unterbleiben einer mündlichen Verhandlung damit, dass bereits aufgrund der Aktenlage der angefochtene Bescheid aufzuheben gewesen sei, eine weitere Klärung der Rechtsfrage nicht zu erwarten sei und der Sachverhalt nicht ergänzungsbedürftig erschienen sei.

8        Die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG erklärte das Verwaltungsgericht für zulässig, weil es an Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zur Frage fehle, ob im Falle der Arbeitsmarktzulassung von Antragstellern im Sinne des Art. 15 der RL 2013/33/EU mittels Beschäftigungsbewilligung die Voraussetzungen des § 4 Abs. 3 AuslBG erfüllt sein müssen.

9        Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die Amtsrevision der belangten Behörde vor dem Verwaltungsgericht; die Mitbeteiligten erstatteten eine Revisionsbeantwortung.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

10       Gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes ist die Revision nach Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

11       Die Amtsrevision, die sich in ihrem Zulässigkeitsvorbringen auf das Fehlen von höchstgerichtlicher Rechtsprechung zur Frage des Arbeitsmarktzuganges von Asylwerbern im Hinblick auf die RL 2013/33/EU stützt, erweist sich als zulässig und berechtigt:

12       In der Richtlinie 2013/33/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Juni 2013 zur Festlegung von Normen für die Aufnahme von Personen, die internationalen Schutz beantragen (Aufnahmerichtlinie), heißt es (auszugsweise):

„Artikel 15

Beschäftigung

(1) Die Mitgliedstaaten tragen dafür Sorge, dass der Antragsteller spätestens neun Monate nach der Stellung des Antrags auf internationalen Schutz Zugang zum Arbeitsmarkt erhält, sofern die zuständige Behörde noch keine erstinstanzliche Entscheidung erlassen hat und diese Verzögerung nicht dem Antragsteller zur Last gelegt werden kann.

(2) Die Mitgliedstaaten beschließen nach Maßgabe ihres einzelstaatlichen Rechts, unter welchen Voraussetzungen dem Antragsteller Zugang zum Arbeitsmarkt gewährt wird, wobei sie gleichzeitig für einen effektiven Arbeitsmarktzugang für Antragsteller sorgen.

Aus Gründen der Arbeitsmarktpolitik können die Mitgliedstaaten Bürgern der Union, Angehörigen der Vertragsstaaten des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum und rechtmäßig aufhältigen Drittstaatsangehörigen Vorrang einräumen.

(3) Das Recht auf Zugang zum Arbeitsmarkt darf während eines Rechtsbehelfsverfahrens, bei dem Rechtsmittel gegen eine ablehnende Entscheidung in einem Standardverfahren aufschiebende Wirkung haben, bis zum Zeitpunkt, zu dem die ablehnende Entscheidung zugestellt wird, nicht entzogen werden.

...

Artikel 28

System zur Lenkung, Überwachung und Steuerung

(1) Die Mitgliedstaaten führen im Einklang mit ihrer verfassungsrechtlichen Struktur Mechanismen ein, um eine geeignete Lenkung, Überwachung und Steuerung des Niveaus der im Rahmen der Aufnahmebedingungen gewährten Vorteile sicherzustellen.

(2) Die Mitgliedstaaten übermitteln der Kommission unter Verwendung des Vordrucks in Anhang I spätestens am 20. Juli 2016 die entsprechenden Informationen.

...“

13       Die §§ 4, 4b, 5 und 32 Ausländerbeschäftigungsgesetz (AuslBG), in der maßgeblichen Fassung BGBl. I Nr. 56/2018, lauten (auszugsweise) wie folgt:

„§ 4. (1) Einem Arbeitgeber ist auf Antrag eine Beschäftigungsbewilligung für den im Antrag angegebenen Ausländer zu erteilen, wenn die Lage und Entwicklung des Arbeitsmarktes die Beschäftigung zulässt (Arbeitsmarktprüfung), wichtige öffentliche und gesamtwirtschaftliche Interessen nicht entgegenstehen und

1.   der Ausländer über ein Aufenthaltsrecht nach dem NAG oder dem Fremdenpolizeigesetz 2005 (FPG), BGBl. I Nr. 100, verfügt, das die Ausübung einer Beschäftigung nicht ausschließt, oder seit drei Monaten zum Asylverfahren zugelassen ist und über einen faktischen Abschiebeschutz oder ein Aufenthaltsrecht gemäß den §§ 12 oder 13 AsylG 2005 verfügt oder über ein Aufenthaltsrecht gemäß § 54 Abs. 1 Z 2 oder 3 AsylG 2005 verfügt oder gemäß § 46a FPG geduldet ist und zuletzt gemäß § 1 Abs. 2 lit. a vom Anwendungsbereich dieses Bundesgesetzes ausgenommen war,

2.   die Gewähr gegeben erscheint, dass der Arbeitgeber die Lohn- und Arbeitsbedingungen einschließlich der sozialversicherungsrechtlichen Vorschriften einhält,

3.   keine wichtigen Gründe in der Person des Ausländers vorliegen, wie wiederholte Verstöße infolge Ausübung einer Beschäftigung ohne Beschäftigungsbewilligung während der letzten zwölf Monate,

4.   die Beschäftigung, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, nicht bereits begonnen hat,

5.   der Arbeitgeber während der letzten zwölf Monate vor der Antragseinbringung nicht wiederholt Ausländer entgegen den Bestimmungen dieses Bundesgesetzes beschäftigt hat,

6.   die Vereinbarung über die beabsichtigte Beschäftigung (§ 2 Abs. 2) nicht aufgrund einer gemäß dem Arbeitsmarktförderungsgesetz, BGBl. Nr. 31/1969, unerlaubten Arbeitsvermittlung zustande gekommen ist und der Arbeitgeber dies wusste oder hätte wissen müssen,

7.   der Arbeitgeber den Ausländer auf einem Arbeitsplatz seines Betriebes beschäftigen wird, wobei eine Zurverfügungstellung des Ausländers an Dritte unbeschadet des § 6 Abs. 2 nicht als Beschäftigung im eigenen Betrieb gilt,

8.   die Erklärung über die Verständigung des Betriebsrates oder der Personalvertretung von der beabsichtigten Einstellung des Ausländers vorliegt,

9.   der Arbeitgeber nicht hinsichtlich des antragsgegenständlichen oder eines vergleichbaren Arbeitsplatzes innerhalb von sechs Monaten vor oder im Zuge der Antragstellung

a)   einen Arbeitnehmer, der das 50. Lebensjahr vollendet hat, gekündigt hat oder

b)   die Einstellung eines für den konkreten Arbeitsplatz geeigneten Arbeitnehmers, der das 50. Lebensjahr vollendet hat, abgelehnt hat,

es sei denn, er macht glaubhaft, dass die Kündigung oder die Ablehnung der Einstellung nicht aufgrund des Alters des Arbeitnehmers erfolgt ist,

10.  der Arbeitgeber im Fall der Beschäftigung eines Ausländers gemäß § 5 während der letzten zwölf Monate vor der Antragseinbringung nicht wiederholt Ausländern eine nicht ortsübliche Unterkunft zur Verfügung gestellt hat und

11.  der Arbeitgeber im Fall der Beschäftigung eines Ausländers gemäß § 5 bestätigt, dass dem Ausländer für die beabsichtigte Dauer der Beschäftigung eine ortsübliche Unterkunft zur Verfügung stehen wird und, sofern die Unterkunft vom oder über den Arbeitgeber zur Verfügung gestellt wird, die Miete nicht automatisch vom Lohn abgezogen wird.

(2) Einem Arbeitgeber ist auf Antrag eine Beschäftigungsbewilligung für den im Antrag angegebenen ausländischen Lehrling zu erteilen, wenn die Lage auf dem Lehrstellenmarkt dies zulässt (Arbeitsmarktprüfung), keine wichtigen Gründe hinsichtlich der Lage und Entwicklung des übrigen Arbeitsmarktes entgegenstehen und die Voraussetzungen des Abs. 1 Z 1 bis 9 vorliegen.

(3) Die Beschäftigungsbewilligung darf dem Arbeitgeber bei Erfüllung der allgemeinen Voraussetzungen gemäß Abs. 1 und 2 nur erteilt werden, wenn

1.   der Regionalbeirat die Erteilung einhellig befürwortet oder

(Anm.: Z 2 bis 4 aufgehoben durch BGBl. I Nr. 72/2013)

5.   der Ausländer gemäß § 5 befristet beschäftigt werden soll oder

6.   der Ausländer über eine Aufenthaltsbewilligung als Schüler (§ 63 NAG) oder Student (§ 64 Abs. 1 und 4 NAG) verfügt oder Inhaber eines gültigen Aufenthaltstitels „Student“ eines anderen Mitgliedstaates der Europäischen Union ist und im Rahmen eines Unions- oder multilateralen Programms mit Mobilitätsmaßnahmen oder einer Vereinbarung zwischen zwei oder mehreren Hochschuleinrichtungen einen Teil des Studiums in einer inländischen Hochschuleinrichtung absolviert oder

7.   der Ausländer Betriebsentsandter ist (§ 18) oder

(Anm.: Z 8 aufgehoben durch Art. 1 Z 8, BGBl. I Nr. 66/2017)

9.   der Ausländer gemäß § 57 AsylG 2005 besonderen Schutz genießt oder

10.  für den Ausländer eine Bewilligung zur grenzüberschreitenden Überlassung gemäß § 16 Abs. 4 AÜG bzw. § 40a Abs. 2 des Landarbeitsgesetzes 1984 vorliegt oder, sofern eine solche Bewilligung gemäß § 16a AÜG bzw. § 40a Abs. 6 des Landarbeitsgesetzes 1984 nicht erforderlich ist, die Voraussetzungen des § 16 Abs. 4 Z 1 bis 3 AÜG bzw. § 40a Abs. 2 Z 1 bis 3 des Landarbeitsgesetzes 1984 sinngemäß vorliegen oder

11.  der Ausländer auf Grund allgemein anerkannter Regeln des Völkerrechts oder zwischenstaatlicher Vereinbarungen zu einer Beschäftigung zuzulassen ist oder

12.  der Ausländer Anspruch auf Leistungen nach dem Arbeitslosenversicherungsgesetz 1977 (AlVG), BGBl. Nr. 609, hat oder

13.  der Ausländer nicht länger als sechs Monate als Künstler (§14) beschäftigt werden soll oder

14.  der Ausländer einer Personengruppe gemäß einer Verordnung nach Abs. 4 angehört.

(4) Der Bundesminister für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz kann durch Verordnung festlegen, dass für weitere Personengruppen, an deren Beschäftigung öffentliche oder gesamtwirtschaftliche Interessen bestehen, Beschäftigungsbewilligungen erteilt werden dürfen. Die Verordnung kann eine bestimmte Geltungsdauer der Beschäftigungsbewilligungen, einen Höchstrahmen für einzelne Gruppen und - sofern es die Lage und Entwicklung des Arbeitsmarktes zulässt - den Entfall der Arbeitsmarktprüfung im Einzelfall vorsehen.

(5) ...

(7) Die Arbeitsmarktprüfung gemäß Abs. 1 und 2 entfällt bei

(Anm.: Z 1 aufgehoben durch Art. 1 Z 9, BGBl. I Nr. 66/2017)

2.   Schülern und Studenten (Abs. 3 Z 6) für eine Beschäftigung, die 20 Wochenstunden nicht überschreitet,

3.   Studienabsolventen (§ 12b Z 2),

4.   Fachkräften hinsichtlich einer Beschäftigung in einem in der Fachkräfteverordnung (§ 13) festgelegten Mangelberuf,

5.   Ausländern, die besonderen Schutz genießen (Abs. 3 Z 9) und

6.   registrierten befristet beschäftigten Ausländern (§ 5 Abs. 7).

Prüfung der Arbeitsmarktlage

§ 4b. (1) Die Lage und Entwicklung des Arbeitsmarktes (§ 4 Abs. 1) lässt die Erteilung einer Beschäftigungsbewilligung zu, wenn für die vom beantragten Ausländer zu besetzende offene Stelle weder ein Inländer noch ein am Arbeitsmarkt verfügbarer Ausländer zur Verfügung steht, der bereit und fähig ist, die beantragte Beschäftigung zu den gesetzlich zulässigen Bedingungen auszuüben. Unter den verfügbaren Ausländern sind jene mit Anspruch auf Leistungen aus der Arbeitslosenversicherung, EWR-Bürger, Schweizer, türkische Assoziationsarbeitnehmer (§ 4c) und Ausländer mit unbeschränktem Arbeitsmarktzugang (§ 17) zu bevorzugen. Der Prüfung ist das im Antrag auf Beschäftigungsbewilligung angegebene Anforderungsprofil, das in den betrieblichen Notwendigkeiten eine Deckung finden muss, zu Grunde zu legen. Den Nachweis über die zur Ausübung der Beschäftigung erforderliche Ausbildung oder sonstige besondere Qualifikationen hat der Arbeitgeber zu erbringen.

(2) ...

Saisonarbeitskräfte und ErntehelferInnen

§ 5. (1) Der Bundesminister für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz kann im Falle eines vorübergehenden zusätzlichen Arbeitskräftebedarfs, der weder aus dem im Inland verfügbaren Arbeitskräftepotenzial noch mit EWR-BürgerInnen, SchweizerInnen und gemäß Abs. 7 registrierten AusländerInnen abgedeckt werden kann, durch Verordnung zahlenmäßige Kontingente

1.   für eine zeitlich befristete Zulassung ausländischer Saisonarbeitskräfte in einem bestimmten Wirtschaftszweig, in einer bestimmten Berufsgruppe oder Region oder

2.   für die kurzfristige Zulassung ausländischer ErntehelferInnen

festlegen. Er hat dabei die allgemeine Lage und Entwicklung des Arbeitsmarktes, insbesondere im betreffenden Teilarbeitsmarkt, zu berücksichtigen und darf die gemäß § 13 Abs. 4 Z 1 NAG festgelegte Höchstzahl für befristet beschäftigte Fremde im Jahresdurchschnitt nicht überschreiten. Zeitlich begrenzte Überschreitungen sind zulässig.

(2) Die Länder und die Interessenvertretungen der ArbeitgeberInnen und der ArbeitnehmerInnen auf Landesebene sind vor der Festlegung von Kontingenten gemäß Abs. 1 anzuhören.

(3) Im Rahmen von Kontingenten gemäß Abs. 1 Z 1 werden Saisonarbeitskräfte mittels Beschäftigungsbewilligungen (§ 4) für eine befristete Saisonbeschäftigung zugelassen. Die zulässige Höchstdauer der Beschäftigungsbewilligungen wird in der jeweiligen Verordnung geregelt, darf jedoch die Dauer von sechs Monaten nicht überschreiten. Innerhalb eines Zeitraumes von 12 Monaten dürfen für ein und dieselbe Saisonarbeitskraft Beschäftigungsbewilligungen für eine Gesamtdauer von längstens neun Monaten erteilt oder verlängert werden.

(4) Abweichend von Abs. 3 dürfen für Saisonarbeitskräfte, die den Übergangsbestimmungen zur Arbeitnehmerfreizügigkeit unterliegen (§ 32a), Beschäftigungsbewilligungen für eine Gesamtdauer von zwölf Monaten innerhalb von 14 Monaten erteilt werden. Für Saisonarbeitskräfte, die bereits in den vergangenen drei Jahren im Rahmen von Kontingenten für den Wirtschaftszweig Land- und Forstwirtschaft beschäftigt waren, dürfen neuerliche Beschäftigungsbewilligungen in diesem Wirtschaftszweig für eine Gesamtdauer von bis zu neun Monaten erteilt oder verlängert werden.

(5) Im Rahmen von Kontingenten gemäß Abs. 1 Z 2 werden ErntehelferInnen mittels Beschäftigungsbewilligungen (§ 4) für eine kurzfristige, einen Zeitraum von sechs Wochen nicht überschreitende, Beschäftigung zugelassen.

(6) Im Rahmen von Kontingenten gemäß Abs. 3 bis 5 erteilte oder verlängerte Beschäftigungsbewilligungen binden für ihre jeweilige Geltungsdauer einen Kontingentplatz. Nach Ablauf der Geltungsdauer der Beschäftigungsbewilligung kann der Kontingentplatz mit einer neuen Beschäftigungsbewilligung belegt werden. Für Saisonarbeitskräfte, die bereits im Rahmen eines Kontingents bewilligt beschäftigt sind, dürfen weitere Beschäftigungsbewilligungen bis zur zulässigen Höchstdauer nach Maßgabe der Abs. 3 bis 5 ungeachtet eines freien Kontingentplatzes erteilt werden. Saisonarbeitskräfte, die bereits zum Aufenthalt im Bundesgebiet berechtigt sind oder mindestens einmal in den vorangegangenen fünf Jahren als Saisonarbeitskraft oder ErntehelferIn im Rahmen eines Kontingents gemäß Abs. 1 Z 1 oder 2 beschäftigt waren, sind bevorzugt zu bewilligen.

(7) Beschäftigungsbewilligungen für Saisonarbeitskräfte, die in den Kalenderjahren 2006 bis 2010 im selben Wirtschaftszweig jeweils mindestens vier Monate im Rahmen von Kontingenten gemäß § 5 Abs. 1 Z 1 in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 135/2009 befristet beschäftigt waren und sich bis 30. April 2012 bei den regionalen Geschäftsstellen des Arbeitsmarktservice für eine weitere Beschäftigung in diesem Wirtschaftszweig registrieren haben lassen, können außerhalb von Kontingenten gemäß Abs. 1 Z 1 nach Maßgabe des Abs. 3 erteilt werden und sind nicht auf Kontingente anzurechnen. Die Arbeitsmarktprüfung im Einzelfall entfällt (§ 4 Abs. 7 Z 6).

(8) Die Prüfung des Aufenthaltsrechts gemäß § 4 Abs. 1 Z 1 und das Verfahren gemäß § 11 entfallen, wenn die Beschäftigungsbewilligung im Rahmen von Kontingenten gemäß Abs. 1 Z 1 oder Z 2 beantragt wurde und die Saisonarbeitskraft oder der/die ErntehelferIn der Visumpflicht gemäß § 24 Abs. 1 Z 3 FPG unterliegt. Die Aufnahme der Beschäftigung ist jedoch erst nach Erteilung eines Visums nach Maßgabe des § 24 Abs. 1 Z 3 FPG erlaubt.

(9) Die zuständige regionale Geschäftsstelle des Arbeitsmarktservice hat Anträge auf Beschäftigungsbewilligungen für AusländerInnen, die über ein Visum C mit mehrjähriger Gültigkeitsdauer verfügen, der örtlich zuständigen Landespolizeidirektion vor der Entscheidung zur Kenntnis zu bringen (§ 24 Abs. 5 FPG).

Übergangsbestimmungen

§ 32. (1) ...

(10) Verordnungen, die vor In-Kraft-Treten des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 25/2011 aufgrund des § 12a Abs. 2 erlassen wurden, gelten als Verordnungen gemäß § 14 Abs. 3 weiter.

(11) ...

(12) Verordnungen, die vor Inkrafttreten des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 72/2013 aufgrund des § 14 Abs. 3 erlassen wurden, gelten als Verordnungen gemäß § 4 Abs. 4 weiter.“

14       § 1 der Verordnung des Bundesministers für Arbeit und Soziales, mit der die Gesamtzahl der unselbständig beschäftigten und arbeitslosen Ausländer überzogen wird (Bundeshöchstzahlenüberziehungsverordnung - BHZÜV), in der Fassung BGBl. II Nr. 206/2011, lautet (auszugsweise):

„Über die Gesamtzahl der unselbständig beschäftigten und arbeitslosen Ausländer (Bundeshöchstzahl) gemäß § 14 Abs. 1 AuslBG hinaus dürfen Sicherungsbescheinigungen ausgestellt und Beschäftigungsbewilligungen erteilt werden für

1.   Ausländer, deren Beschäftigung im Hinblick auf ihre fortgeschrittene Integration geboten erscheint;

...“

15       Mit der Neufassung der Richtlinie 2013/33/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Juni 2013 war intendiert, für die Mitgliedstaaten übergreifende Mindestnormen zur Aufnahme von Asylwerbern festzulegen. Zum im vorliegenden Fall relevanten Thema der Beschäftigung und des Arbeitsmarktzuganges (geregelt im zuvor zitierten Art. 15 der Richtlinie) ist in den einleitenden Erwägungsgründen (unter Pkt. 23) festgehalten, dass „[u]m die wirtschaftliche Unabhängigkeit der Antragsteller zu fördern und erhebliche Diskrepanzen zwischen den Mitgliedstaaten zu begrenzen, [...] der Zugang der Antragsteller zum Arbeitsmarkt klar geregelt werden [muss].“

16       Nach den unbestrittenen Feststellungen des Bundesverwaltungsgerichts hat die Republik Österreich gemäß Art. 28 der Richtlinie zu deren Umsetzung die oben genannte Stellungnahme abgegeben, wonach (zusammengefasst) dafür ein Beschäftigungsbewilligungsverfahren nach § 4 in Verbindung mit § 4b AuslBG zur Anwendung kommt. Darüberhinausgehende Adaptierungen der Bestimmungen des Ausländerbeschäftigungsgesetzes sind innerhalb der Frist für die Umsetzung der RL 2013/33/EU bis 20. Juli 2015 unterblieben. In den erwähnten Erlässen des zuständigen Ministeriums (zur GZ 435.006/6-II/7/2004 vom 11. Mai 2004 und GZ 435.006/0013-VI/B/7/2018 vom 12. September 2018) wurden diese Beschäftigungsbewilligungen für Asylwerber dahingehend beschränkt, dass diese nur im Rahmen der Kontingente gemäß § 5 AuslBG zu erteilen seien.

17       Wenn das Bundesverwaltungsgericht als Ergebnis seiner Argumentation zur Annahme einer nicht ordnungsgemäßen Umsetzung der Richtlinie durch den innerstaatlichen Gesetzgeber gelangt, die in Österreich für Asylwerber bestehenden Einschränkungen des Arbeitsmarktzuganges als nicht richtlinienkonform erachtet und auf Grundlage einer daraus abgeleiteten unmittelbaren Anwendung von Art. 15 der RL 2013/33/EU die Voraussetzungen für die Erteilung der beantragten Beschäftigungsbewilligung als gegeben sieht, ist ihm Folgendes zu erwidern:

18       Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofes der Europäischen Union obliegt die sich aus einer Richtlinie ergebende Verpflichtung der Mitgliedstaaten, das in dieser vorgesehene Ziel zu erreichen, sowie die Pflicht der Mitgliedstaaten, alle zur Erfüllung dieser Verpflichtung geeigneten Maßnahmen allgemeiner oder besonderer Art zu treffen, allen Trägern öffentlicher Gewalt in den Mitgliedstaaten, im Rahmen ihrer Zuständigkeiten auch den Gerichten. Das nationale Gericht hat, soweit es das nationale Recht bei der Anwendung einer Richtlinie auszulegen hat, seine Auslegung soweit wie möglich am Wortlaut und Zweck der Richtlinie auszurichten, um das mit der Richtlinie verfolgte Ziel zu erreichen. Ist eine den Anforderungen der Richtlinie genügende Anwendung des nationalen Rechts nicht möglich, so ist das nationale Gericht verpflichtet, das Unionsrecht in vollem Umfang anzuwenden und die Rechte, die dieses dem Einzelnen einräumt, zu schützen, „indem es notfalls jene Bestimmung unangewendet lässt, deren Anwendung im konkreten Fall zu einem gegen diese Richtlinie verstoßenden Ergebnis führen würde, während die Nichtanwendung dieser Bestimmung das nationale Recht mit der Richtlinie in Einklang bringen würde“ (vgl. zum Ganzen EuGH 22. 5. 2003, Rs C-462/99, Connect Austria Gesellschaft für Telekommunikation GmbH, Rn. 38, 40).

19       Art. 15 Abs. 1 der Richtlinie verlangt von den Mitgliedstaaten dafür Sorge zu tragen, dass der Asylwerber „spätestens neun Monate nach der Stellung des Antrags auf internationalen Schutz Zugang zum Arbeitsmarkt erhält, sofern die zuständige Behörde noch keine erstinstanzliche Entscheidung erlassen hat“; die Mitgliedstaaten haben weiters „für einen effektiven Arbeitsmarktzugang für Antragsteller [zu] sorgen“ (Abs. 2 der Richtlinie). Für den Zeitraum nach der (ablehnenden) erstbehördlichen Entscheidung sieht Art. 15 Abs. 3 der Richtlinie einen Schutz dahingehend vor, dass dem Antragsteller „das Recht auf Zugang zum Arbeitsmarkt während eines Rechtsbehelfsverfahrens, bei dem Rechtsmittel gegen eine ablehnende Entscheidung in einem Standardverfahren aufschiebende Wirkung haben, bis zum Zeitpunkt, zu dem die ablehnende Entscheidung zugestellt wird, nicht entzogen werden darf.“ (Unterstreichungen durch den Verwaltungsgerichtshof)

20       Nach dem selbst vom Bundesverwaltungsgericht ins Treffen geführten Vorschlag des Europäischen Parlaments und des Rates zur RL 2013/33/EU (COM/2008/815/FINAL) dürfe der tatsächliche Zugang von Asylwerbern zu einer Beschäftigung nicht in unangemessener Weise beschränkt werden und es müsse eine faire Chance auf Zugang zu einer Beschäftigung bestehen.

21       Unter Berücksichtigung des eindeutigen, keiner anderen Auslegung zugänglichen Wortlautes von Art. 15 der Richtlinie ist unter Gewährung eines „effektiven“ Arbeitsmarktzuganges zu verstehen, dass der Antragsteller einen tatsächlichen und wirksamen Zugang erhält, der also nicht in unangemessener Weise beschränkt ist, wie es im Einklang dazu im genannten, bezughabenden Vorschlag des Europäischen Parlaments und des Rates heißt; ein unbeschränktes Offenstehen sämtlicher Berufsfelder kann nach dem Wortlaut und Zweck der Regelung daraus aber nicht abgeleitet werden. Darüber hinaus sieht Abs. 1 nach seinem Wortlaut die Verpflichtung der Einräumung eines solchen Zugangs nur bis zur Erlassung einer erstinstanzlichen Entscheidung über den Antrag auf internationalen Schutz vor. Ein Schutz vor Entzug des Rechts auf Arbeitsmarktzugang im Rechtsmittelverfahren über den Antrag auf internationalen Schutz (nach Abs. 3 der Richtlinie) setzt voraus, dass die Gewährung des Rechts, also des Arbeitsmarktzuganges durch Erteilung einer (entsprechenden) Beschäftigungsbewilligung vor Erlassung der (ablehnenden) erstinstanzlichen Entscheidung im Asylverfahren erfolgte. Diese Auslegung von Art. 15 der Richtlinie in seinem Gesamtzusammenhang führt dazu, dass ein Asylwerber innerhalb der ersten Monate seines Aufenthaltes in Österreich nach Zulassung zum Asylverfahren (nach einer Wartefrist von drei Monaten) dem Arbeitsmarkt während des laufenden (behördlichen) Asylverfahrens zugeführt werden kann. Eine weitergehende Anwendung auf Fälle der Antragstellung nach Vorliegen einer ablehnenden behördlichen (erstinstanzlichen) Asylentscheidung findet darin keine Deckung. Der vom Bundesverwaltungsgericht und den Mitbeteiligten in ihrer Revisionsbeantwortung vertretenen Ansicht eines allein aus Art. 15 der Richtlinie ableitbaren Anspruches auf einen solcher Arbeitsmarktzugang auch zu einem späteren Zeitpunkt - also wie hier im Rechtsbehelfsverfahren - kann daher nicht gefolgt werden.

22       Im vorliegenden Fall steht - wie die Amtsrevision zutreffend aufzeigt - der unmittelbaren Anwendung von Art. 15 der Richtlinie schon entgegen, dass der gegenständliche Antrag am 7. Februar 2019 und somit erst nach der ablehnenden Entscheidung im erstinstanzlichen Asylverfahren vom 6. August 2018 gestellt wurde. Die Zulässigkeit der Einschränkung des Zugangs von Asylwerbern zum österreichischen Arbeitsmarkt auf Kontingentbewilligungen nach § 5 AuslBG kann bei diesem Ergebnis dahingestellt bleiben.

23       Indem das Bundesverwaltungsgericht dies verkannte und die Voraussetzungen für die Ausstellung der beantragten Beschäftigungsbewilligung als gegeben sah, hat es seine Entscheidung mit Rechtswidrigkeit des Inhaltes belastet, sodass diese gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG aufzuheben war.

24       Von der Durchführung der von den mitbeteiligten Parteien beantragten Verhandlung konnte gemäß § 39 Abs. 2 Z 4 VwGG abgesehen werden.

Wien, am 28. April 2020

Gerichtsentscheidung

EuGH 61999CJ0462 Connect Austria VORAB

Schlagworte

Besondere Rechtsgebiete Gemeinschaftsrecht Anwendungsvorrang, partielle Nichtanwendung von innerstaatlichem Recht EURallg1 Gemeinschaftsrecht Auslegung Allgemein EURallg3 Gemeinschaftsrecht Richtlinie EURallg4 Gemeinschaftsrecht Richtlinie richtlinienkonforme Auslegung des innerstaatlichen Rechts EURallg4/3 Gemeinschaftsrecht Richtlinie unmittelbare Anwendung EURallg4/1

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2020:RO2019090011.J00

Im RIS seit

10.11.2020

Zuletzt aktualisiert am

10.11.2020
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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