TE Vwgh Beschluss 2020/5/4 Ra 2020/04/0037

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Veröffentlicht am 04.05.2020
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Index

10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG)
10/07 Verwaltungsgerichtshof
97 Öffentliches Auftragswesen

Norm

BVergG 2006 §123
BVergG 2006 §129
BVergG 2006 §78
BVergG 2006 §79
B-VG Art133 Abs4
VwGG §34 Abs1

Beachte

Miterledigung (miterledigt bzw zur gemeinsamen Entscheidung verbunden):Ra 2020/04/0038

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Handstanger, sowie die Hofrätin Mag. Hainz-Sator und den Hofrat Dr. Pürgy als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Klima, LL.M., über die Revisionen der Bietergemeinschaft bestehend aus 1.) der I GmbH und 2.) der B GmbH in W, vertreten durch Dr. Roland Katary, Rechtsanwalt in 1070 Wien, Neubaugasse 64-66/1/12, gegen 1.) das Erkenntnis und den Beschluss des Bundesverwaltungsgerichts vom 27. Jänner 2020, Zl. W273 2226338-2/31E, (protokolliert zu Ra 2020/04/0037) betreffend jeweils vergaberechtliches Nachprüfungsverfahren, und

2.) den Beschluss des Bundesverwaltungsgerichts vom 12. Februar 2020, Zl. W273 2226338-3/2E, (protokolliert zu Ra 2020/04/0038) betreffend Antrag auf Ersatz der Pauschalgebühren, (mitbeteiligte Parteien: Republik Österreich, Bundesbeschaffung GmbH und Bundesimmobilien GmbH, alle vertreten durch die Bundesbeschaffung GmbH, Lasallestrasse 9b, 1020 Wien), den Beschluss gefasst:

Spruch

Die Revisionen werden zurückgewiesen.

Begründung

1 1.1 Die mitbeteiligten Parteien (Auftraggeberinnen) führten ein offenes Verfahren mit europaweiter Bekanntmachung unter der Bezeichnung "Reinigungsdienstleistungen W." zur Vergabe von Rahmenvereinbarungen im Oberschwellenbereich. Die Ausschreibung umfasste 30 Lose. Die Revisionswerberin - eine Bietergemeinschaft von zwei Unternehmen - legte jeweils ein Angebot für der dieser Lose.

2 Gemäß Punkt 97 der bestandfesten Ausschreibungsbedingungen hatte der Unternehmer zum Nachweis der beruflichen Zuverlässigkeit unter anderem folgende Urkunden vorzulegen:

- die letztgültige Kontobestätigung oder Unbedenklichkeitsbescheinigung des zuständigen Sozialversicherungsträgers oder gleichwertige Dokumente der zuständigen Behörde des Sitzstaates des Unternehmers, (am Tag der Angebotsöffnung nicht älter als drei Monate) zum Nachweis der Erfüllung der Verpflichtungen zur Zahlung der Sozialversicherungsbeiträge;

3 Mit Schreiben vom 22. November 2019 teilten die mitbeteiligten Parteien der Revisionswerberin mit, dass ihre Angebote ausgeschieden werden müssten.

4 Am 29. November 2019 gaben die mitbeteiligten Parteien hinsichtlich der drei Lose, für welche sich die Revisionswerberin beworben hatte, die jeweilige Zuschlagsentscheidung bekannt. 5 1.2 Die Revisionswerberin stellte am 9. Dezember 2019 den Antrag, die beiden dargestellten Auftraggeberentscheidungen - die Ausscheidensentscheidung vom 22. November 2019 und die Zuschlagsentscheidung vom 29. November 2019 - jeweils für nichtig zu erklären, sowie die Auftraggeberinnen zum Ersatz der entrichteten Pauschalgebühren zu verpflichten.

6 2.1 Mit dem angefochtenen Erkenntnis wies das Bundesverwaltungsgericht den Antrag auf Nichtigerklärung der Ausscheidensentscheidung ab (Spruchpunkt A. I.) und fasste den Beschluss, den Antrag auf Nichtigerklärung der Zuschlagsentscheidung zurückzuweisen (Spruchpunkt A. II.). Die Revision erklärte das Bundesverwaltungsgericht hinsichtlich beider Entscheidungen für nicht zulässig (Spruchpunkt B.). 7 2.2 Das Bundesverwaltungsgericht stellte zusammengefasst fest, die Revisionswerberin habe zunächst mit dem Angebot eine "Kontoinformation" betreffend eines der Unternehmen der Bietergemeinschaft vorgelegt. Nach Angebotsöffnung habe sie über Aufforderung der Auftraggeberinnen zur Ergänzung der Angebotsunterlagen einen Kontoauszug der Wiener Gebietskrankenkasse

vorgelegt, der einen Betragszeitraum von zwei Monaten umfasst habe. Der erfasste Beitragszeitraum habe mehr als einen Kalendermonat vor dem Tag der Angebotsöffnung geendet. Die Auftraggeberinnen hätten diesen Kontoauszug nicht als ausschreibungskonformen Nachweis angesehen und der Revisionswerberin die Ausscheidensentscheidung bekannt gegeben. 8 2.3 In rechtlicher Hinsicht führte das Bundesverwaltungsgericht aus, es sei zu klären, ob die von der Revisionswerberin vorgelegte Urkunde einen Nachweis im Sinne des Punktes 97 der bestandfesten Ausschreibungsbestimmungen dargestellt habe. Maßgeblich für die Auslegung der Ausschreibungsbestimmungen sei der objektive Erklärungswert. Zweck der vorzulegenden Unterlagen sei hier die Überprüfung, ob das anbietende Unternehmen seiner Verpflichtung zur Bezahlung der Sozialversicherungsbeiträge nachkomme. Es solle dem Auftraggeber ermöglicht werden, ohne weiteres Ermittlungsverfahren das allfällige Vorliegen des Ausschlussgrundes des § 78 Abs. 1 Z 6 BVergG 2018 zu prüfen. Die mit dem Angebot vorgelegte Kontoinformation habe in Bezug auf die Beitragszahlungen der Revisionswerberin zwei Informationen und zur Frage der Einhaltung der Verpflichtungen zur Entrichtung der Sozialversicherungsbeiträge keine Informationen enthalten. Auch die Revisionswerberin habe nicht behauptet, dass diese Kontoinformation ausschreibungskonform gewesen sei. 9 Der ergänzend vorgelegte Kontoauszug stamme zweifellos vom Sozialversicherungsträger. Diese Urkunde enthalte jedoch lediglich die Information über einen Buchungsstand für einen bestimmten Beitragszeitraum und keine Erklärung des Sozialversicherungsträgers

über die Erfüllung der Beitragsverpflichtung. Würde man diesen Auszug der geforderten "letztgültigen Kontobestätigung" gleichhalten, könnte der Bieter einen Beitragszeitraum auswählen, der keinen Rückstand ausweise, sodass die vom Auftraggeber mit den Ausschreibungsbedingungen geforderte Information über das Nichtvorliegen des Ausschlussgrundes des § 78 Abs. 1 Z 6 BVergG 201 8 nicht gegeben sei. Da bei einer Bietergemeinschaft die Zuverlässigkeit aller Mitglieder vorliegen müsse, hätten die Auftraggeberinnen die Revisionswerberin zu Recht ausgeschieden. Der Antrag auf Nichtigerklärung der Ausscheidensentscheidung sei - samt Eventualanträgen - abzuweisen (Spruchpunkt A. I.). 10 Damit fehle es der Revisionswerberin jedoch an der Antragslegitimation für den Antrag auf Nichtigerklärung der Zuschlagsentscheidung, weil ihr als ausgeschiedener Bieterin durch diese Auftraggeberentscheidung kein Schaden mehr entstehen könne. Der Antrag auf Nichtigerklärung der Zuschlagsentscheidung sei daher mit Beschluss zurückzuweisen (Spruchpunkt A. II.). 11 2.4 Mit dem angefochtenen Beschluss vom 12. Februar 2020 wies das Bundesverwaltungsgericht den Antrag der Revisionswerberin, die Auftraggeberinnen zum Ersatz der für die vergaberechtlichen Nachprüfungsanträge von ihr entrichteten Pauschalgebühren zu verpflichten, ab. Die Revision erklärte es für nicht zulässig.

12 Zur Begründung verwies das Bundesverwaltungsgericht auf den oben wiedergegebenen Verfahrensverlauf und das Ergebnis des Nachprüfungsverfahrens.

13 3. Gegen diese Entscheidungen richten sich die wegen ihres tatsächlichen und rechtlichen Zusammenhangs im Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof verbundenen außerordentlichen Revisionen. 14 Diese bringen übereinstimmend zur Begründung der Zulässigkeit gemäß § 28 Abs. 3 VwGG zusammengefasst vor, es handle sich bei der verfahrensgegenständlich zu klärenden Frage, ob der vorgelegte Kontoauszug der in den Ausschreibungsbedingungen festgelegten Anforderung einer "Kontobestätigung oder Unbedenklichkeitsbescheinigung" entspreche, um eine Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG. Es fehle Rechtsprechung zu § 82 Abs. 2 Z 4 BVergG 2018 bzw. zu korrespondierenden Ausschreibungsbestimmungen.

15 4.1 Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird. Auf Beschlüsse der Verwaltungsgerichte ist Art. 133 Abs. 4 B-VG sinngemäß anzuwenden (Art. 133 Abs. 9 B-VG). 16 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen. 17 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen. 18 4.2 Die Prüfung der Ausschreibungskonformität eines Angebotes stellt stets eine im Einzelfall vorzunehmende Beurteilung dar. Ob ein Angebot einen zum Ausscheiden führenden Mangel aufweist, ist am Maßstab der Ausschreibungsbestimmungen zu messen (ständige Rechtsprechung; vgl. etwa VwGH 18.9.2019, Ra 2018/04/0007; VwGH 18.9.2019, Ra 2018/04/0096; VwGH 18.12.2018, Ra 2018/04/0106; jeweils mwN).

19 Der Verwaltungsgerichtshof hat bereits wiederholt zum Ausdruck gebracht, dass die in vertretbarer Weise vorgenommene einzelfallbezogene Auslegung von Parteierklärungen oder Ausschreibungsunterlagen nicht revisibel ist, bzw. dass einer vertretbaren Auslegung keine über den konkreten Einzelfall hinausgehende Bedeutung zukommt. Die Auslegung einer Erklärung im Einzelfall ist nur dann als revisibel anzusehen, wenn dem Verwaltungsgericht eine krasse Fehlbeurteilung unterlaufen wäre (vgl. VwGH 26.06.2018, Ra 2016/04/0049, mwN).

20 4.3 Das Verwaltungsgericht hat aufgrund der bestandfesten Ausschreibungsbedingungen in nicht unvertretbarer Auslegung darauf geschlossen, dass das Angebot der Revisionswerberin nicht der in den Ausschreibungsbedingungen geforderten Leistungsbeschreibung entsprochen habe und daher der von der Auftraggeberin angezogene Ausscheidensgrund verwirklicht gewesen sei. Eine Unvertretbarkeit dieser Rechtsansicht zeigt die Revision nicht auf.

21 Hinsichtlich des angefochtenen Beschlusses betreffend die Abweisung des Ersatzes der Pauschalgebühren wurde kein eigenes Zulässigkeitsvorbringen erstattet.

22 4.4 In den Revisionen werden damit keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revisionen waren daher zurückzuweisen.

Wien, am 4. Mai 2020

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2020:RA2020040037.L00

Im RIS seit

23.06.2020

Zuletzt aktualisiert am

23.06.2020
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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