TE Vwgh Beschluss 2020/5/6 Ra 2017/08/0108

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Veröffentlicht am 06.05.2020
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Index

10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG)
10/07 Verwaltungsgerichtshof
32/02 Steuern vom Einkommen und Ertrag
62 Arbeitsmarktverwaltung
66/01 Allgemeines Sozialversicherungsgesetz
66/02 Andere Sozialversicherungsgesetze

Norm

AlVG 1977 §1 Abs1 lita
ASVG §4 Abs1 Z1
ASVG §4 Abs2
B-VG Art133 Abs4
EStG 1988 §47 Abs1
EStG 1988 §47 Abs2
EStG 1988 §82
VwGG §28 Abs3
VwGG §34 Abs1

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Bachler sowie die Hofräte Dr. Strohmayer und Mag. Berger als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Klima LL.M., über die Revision der D GmbH in W, vertreten durch die Lansky, Ganzger + partner Rechtsanwälte GmbH in 1010 Wien, Biberstraße 5, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 10. Februar 2017, W198 2112847-1/10E, W198 2112848-1/8E, W198 2112849-1/8E, W198 2112850-1/8E, betreffend Pflichtversicherung nach dem ASVG und dem AlVG (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Wiener Gebietskrankenkasse [nunmehr: Österreichische Gesundheitskasse] in 1100 Wien, Wienerbergstraße 15-19; mitbeteiligte Parteien: 1. Pensionsversicherungsanstalt in 1020 Wien, Friedrich-Hillegeist-Straße 1; 2. Allgemeine Unfallversicherungsanstalt in 1200 Wien, Adalbert-Stifter-Straße 65-67; 3. J Z in W; 4. H H in W; 5. J P in W; 6. D H in W), den Beschluss gefasst:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

Begründung

1. Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichts die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs nicht einheitlich beantwortet wird.

Gemäß § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen.

Gemäß § 34 Abs. 1a VwGG ist die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision nach Art. 133 Abs. 4 B-VG im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.

2. Mit dem angefochtenen Erkenntnis bestätigte das Bundesverwaltungsgericht die Bescheide der belangten Behörde vom 9. Juli 2015, mit denen festgestellt wurde, dass der Dritt-, der Viert-, der Fünft- und der Sechstmitbeteiligte auf Grund ihrer Beschäftigung durch die Revisionswerberin als (Trocken)Bauarbeiter in jeweils näher genannten Zeiträumen in den Jahren 2005 bis 2007 als Dienstnehmer der Pflichtversicherung (Vollversicherung) in der Kranken-, Unfall- und Pensionsversicherung gemäß § 4 Abs. 1 Z 1 iVm. Abs. 2 ASVG sowie der Arbeitslosenversicherung gemäß § 1 Abs. 1 lit. a AlVG unterlegen seien.

Die Revision wurde für nicht zulässig erklärt.

3.1. Dagegen wendet sich die außerordentliche Revision, zu deren Zulässigkeit im Wesentlichen ausgeführt wird:

Das Bundesverwaltungsgericht sei von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs abgewichen, indem es die erforderlichen Ermittlungen, vor allem die beantragte zeugenschaftliche Vernehmung des Dritt-, des Viert-, des Fünft- und des Sechstmitbeteiligten, zum Beweis für das Vorbringen der Revisionswerberin, dass die Genannten als Werkunternehmer und nicht als abhängige Beschäftigte tätig gewesen seien, unterlassen habe. Das Bundesverwaltungsgericht sei weiters von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs abgewichen, indem es vom Vorliegen abhängiger Dienstverhältnisse ausgegangen sei, obwohl die hierfür notwendigen Voraussetzungen nach den Feststellungen nicht vollständig erfüllt gewesen seien, bzw. indem es die gegen das Vorliegen von Dienstverhältnissen sprechenden Kriterien unberücksichtigt gelassen habe. Ferner fehle Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs zu der Frage der Abgrenzung zwischen wesentlichen Betriebsmitteln, deren Beistellung durch die Auftragnehmer ein wesentliches Kriterium für das Vorliegen von Werkverträgen darstelle, und dem vom Auftraggeber beigestellten zu verarbeitenden Stoff.

3.2. Mit diesem Vorbringen zeigt die Revisionswerberin schon deshalb keine Rechtsfragen von grundsätzlicher Bedeutung im Sinn des Art. 133 Abs. 4 B-VG auf, weil es auf die aufgeworfenen Fragen fallbezogen nicht ankommt.

4.1. Gemäß § 4 Abs. 2 dritter Satz ASVG gilt als Dienstnehmer - von hier nicht relevanten Ausnahmen abgesehen - jedenfalls auch, wer nach § 47 Abs. 1 iVm. Abs. 2 EStG 1988 lohnsteuerpflichtig ist.

Wie der Verwaltungsgerichtshof in ständiger Rechtsprechung vertritt, liegt die wesentliche Bedeutung der Verweisung auf die Lohnsteuerpflicht nach dem EStG 1988 in § 4 Abs. 2 ASVG darin, dass für jene Zeiträume, für welche die Lohnsteuerpflicht nach § 47 Abs. 1 iVm. Abs. 2 EStG 1988 mit Bescheid der Finanzbehörde festgestellt ist, auch die Sozialversicherungspflicht nach § 4 Abs. 1 Z 1 iVm. Abs. 2 ASVG bindend feststeht. Eine solche bindende Wirkung kommt aber nur Bescheiden zu, die über die Lohnsteuerpflicht als Hauptfrage absprechen, in erster Linie also Haftungsbescheiden gemäß § 82 EStG 1988 (vgl. VwGH 13.11.2013, 2011/08/0165; 13.12.2019, Ra 2019/08/0164).

Die Pflichtversicherung nach § 4 Abs. 2 ASVG ist somit (nur) bei Fehlen eines bindenden Bescheids, mit dem durch die Finanzbehörden die Lohnsteuerpflicht nach § 47 Abs. 1 iVm. Abs. 2 EStG 1988 bejaht wurde, eigenständig zu beurteilen (vgl. VwGH 25.2.2019, Ra 2019/08/0025).

4.2. Fallbezogen sprach das Finanzamt Wien 9/18/19 Klosterneuburg mit Haftungsbescheiden vom 15. April 2009 für die Kalenderjahre 2005, 2006 und 2007 (unter anderem) aus, dass die Revisionswerberin als Arbeitgeberin gemäß § 82 EStG 1988 für die Einbehaltung und Abfuhr der vom Arbeitslohn zu entrichtenden Lohnsteuer in Anspruch genommen werde. Die Bescheide stützten sich begründend auf den Bericht vom 15. April 2009 über die gemeinsame Prüfung lohnabhängiger Abgaben (GPLA) für die genannten Jahre, in dem (unter anderem) der Dritt-, der Viert-, der Fünft- und der Sechstmitbeteiligte als Dienstnehmer ausgewiesen waren.

Die gegen die Haftungsbescheide erhobene Beschwerde der Revisionswerberin wurde mit Erkenntnis des Bundesfinanzgerichts vom 19. Oktober 2016 als unbegründet abgewiesen. Die gegen das soeben genannte Erkenntnis erhobene außerordentliche Revision wurde mit Beschluss des Verwaltungsgerichtshofs vom 26. Februar 2020, Ra 2018/13/0008, zurückgewiesen.

5.1. Vorliegend berief sich bereits das Bundesverwaltungsgericht im angefochtenen Erkenntnis auf die rechtskräftigen Haftungsbescheide, mit denen das Finanzamt die Lohnsteuerpflicht nach § 47 Abs. 1 iVm. Abs. 2 EStG 1988 für die Kalenderjahre 2005, 2006 und 2007 bejahte. Ferner wies es zutreffend auf die Bindungswirkung derartiger Haftungsbescheide auf die Sozialversicherungspflicht nach § 4 Abs. 1 Z 1 iVm. Abs. 2 ASVG hin.

Ist aber fallbezogen von einer Bindungswirkung der Haftungsbescheide auszugehen, so kommt - nach der oben aufgezeigten Rechtsprechung - eine eigenständige Beurteilung des Vorliegens der Voraussetzungen für die Pflichtversicherung nach § 4 Abs. 2 ASVG nicht mehr in Betracht. Im Hinblick darauf kommt den von der Revisionswerberin aufgeworfenen Rechtsfragen keine Relevanz zu.

5.2. Dem Bundesverwaltungsgericht kann daher im Ergebnis nicht entgegengetreten werden, wenn es bereits mit Blick auf die Haftungsbescheide die Pflichtversicherung des Dritt-, des Viert-, des Fünft- und des Sechstmitbeteiligten gemäß § 4 Abs. 1 Z 1 iVm. Abs. 2 ASVG sowie die Arbeitslosenversicherung gemäß § 1 Abs. 1 lit. a AlVG auf Grund ihrer Beschäftigung durch die Revisionswerberin bejaht hat.

6. Die Revision war deshalb zurückzuweisen.

Wien, am 6. Mai 2020

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2020:RA2017080108.L00

Im RIS seit

07.07.2020

Zuletzt aktualisiert am

14.07.2020
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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