TE Vwgh Erkenntnis 2020/4/27 Ra 2019/19/0530

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Veröffentlicht am 27.04.2020
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Index

10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG)
10/07 Verwaltungsgerichtshof
40/01 Verwaltungsverfahren
41/02 Asylrecht
41/02 Passrecht Fremdenrecht

Norm

BFA-VG 2014 §16 Abs1 idF 2016/I/024
B-VG Art140 Abs1
B-VG Art140 Abs7
VwGG §42 Abs2 Z1
VwGVG 2014 §7 Abs4

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Zens sowie den Hofrat Dr. Pürgy und die Hofrätin Dr.in Lachmayer als Richter, unter Mitwirkung des Schriftführers Mag. Schara, über die Revision des H A, vertreten durch Dr. Florian Legit, MBL, Rechtsanwalt in 6020 Innsbruck, Bürgerstraße 26, Erdgeschoß, gegen den Beschluss des Bundesverwaltungsgerichts vom 10. Oktober 2019, Zl. L515 2169382- 1/16E, betreffend Zurückweisung einer Beschwerde in einer Angelegenheit nach dem AsylG 2005 und dem FPG (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl), zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Beschluss wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat dem Revisionswerber Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.346,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

1 Mit dem angefochtenen Beschluss wies das Bundesverwaltungsgericht (BVwG) die Beschwerde des Revisionswerbers gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl (BFA) vom 28. Juli 2017, mit dem sein Antrag auf internationalen Schutz abgewiesen wurde sowie weitere von Amts wegen zu tätigende Aussprüche - unter anderem die Erlassung einer Rückkehrentscheidung - erfolgten, gemäß § 16 Abs. 1 BFA-Verfahrensgesetz (BFA-VG) als verspätet zurück. Die Revision wurde für nicht zulässig erklärt.

2 In seiner Begründung stellte das BVwG fest, dass der Bescheid des BFA dem Revisionswerber am 7. August 2017 durch persönliche Ausfolgung zugestellt worden sei. Die dagegen erhobene Beschwerde habe der Revisionswerber am 25. August 2017 eingebracht.

3 Rechtlich führte das BVwG aus, es hätte die Frage der Rechtzeitigkeit der Beschwerde nach jener Rechtslage zu beurteilen gehabt, die während der Beschwerdefrist anzuwenden gewesen sei. Abweichend von § 7 VwGVG, wonach die Beschwerdefrist gegen Bescheide der Behörde vier Wochen betrage, habe § 16 Abs. 1 BFA-VG im gegenständlichen Fall eine Beschwerdefrist von lediglich zwei Wochen angeordnet. Nach den Bestimmungen des 5. Abschnitts des AVG zur Fristenberechnung ergebe sich daher, dass im gegenständlichen Fall die Beschwerdefrist mit Ablauf des 21. August 2017 geendet habe. Die am 25. August 2017 eingebrachte Beschwerde sei daher verspätet gewesen.

4 Die vom Revisionswerber vertretene Auffassung, dass angesichts der Erkenntnisse des Verfassungsgerichtshofes vom 26. September 2017, G 134/2017 und G 207/2017, im gegenständlichen Fall von einer vierwöchigen Beschwerdefrist auszugehen sei, erweise sich - so das BVwG - als verfehlt, weil die genannte Judikatur mit BGBl. I Nr. 140/2017 am 16. Oktober 2017 veröffentlicht worden sei, der Verfassungsgerichtshof keine rückwirkende Anwendung angeordnet habe und der gegenständliche Fall nicht zu den Anlassfällen zu zählen sei, womit während der gesamten Rechtsmittelfrist das BFA-VG idF BGBl. I Nr. 84/2017 (gemeint wohl: BGBl. I Nr. 24/2016) anzuwenden gewesen sei.

5 Der Verwaltungsgerichtshof hat über die dagegen erhobene außerordentliche Revision nach Einleitung des Vorverfahrens - eine Revisionsbeantwortung wurde nicht erstattet - in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:

6 Die Revision bringt zu ihrer Zulässigkeit vor, der angefochtene Beschluss stütze sich auf die Anwendung einer vom Verfassungsgerichtshof als verfassungswidrig aufgehobenen Gesetzesbestimmung.

7 Die Revision ist zulässig und auch berechtigt.

8 Der vorliegende Revisionsfall gleicht in den für seine

Erledigung wesentlichen Punkten jenem, den der Verwaltungsgerichtshof mit dem Erkenntnis vom 1. März 2018, Ra 2017/19/0494, entschieden hat. Gemäß § 43 Abs. 2 zweiter Satz VwGG wird auf die Entscheidungsgründe dieses Erkenntnisses verwiesen.

9 Der Verfassungsgerichtshof hob mit Erkenntnis vom 26. September 2017, G 134/2017-12 ua., die in § 16 Abs. 1 BFA-VG idF BGBl. I Nr. 24/2016 enthaltene, vom BVwG angewendete Bestimmung als verfassungswidrig auf und verfügte eine Erstreckung der Anlassfallwirkung (Art. 140 Abs. 7 B-VG).

10 Mangels Geltung einer auf den gegenständlichen Fall vom VwGVG abweichenden Anordnung ist für die Beurteilung der Rechtzeitigkeit der gegenständlichen Beschwerde § 7 Abs. 4 erster Satz VwGVG heranzuziehen. Die danach vom Revisionswerber für deren Einbringung einzuhaltende Frist von vier Wochen endete - ausgehend von den unbestrittenen Feststellungen zu den Zustellvorgängen - am 4. September 2017. Die am 25. August 2017 vom Revisionswerber beim BFA eingebrachte Beschwerde wurde demnach rechtzeitig erhoben.

11 Der angefochtene Beschluss ist somit mit inhaltlicher Rechtswidrigkeit belastet. Er war aus diesem Grund gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG aufzuheben.

12 Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2014.

13 Von der Durchführung der beantragten Verhandlung vor dem Verwaltungsgerichtshof konnte gemäß §  39 Abs. 2 Z 4 und Z 5 VwGG abgesehen werden.

Wien, am 27. April 2020

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2020:RA2019190530.L00

Im RIS seit

09.06.2020

Zuletzt aktualisiert am

09.06.2020
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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