TE Lvwg Erkenntnis 2020/1/30 VGW-211/055/RP23/14692/2019

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Veröffentlicht am 30.01.2020
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Entscheidungsdatum

30.01.2020

Index

L82009 Bauordnung Wien
40/01 Verwaltungsverfahren

Norm

BauO Wr §60 Abs1 lita
BauO Wr §129 Abs1
BauO Wr §129 Abs10
AVG §59 Abs1

Text

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Verwaltungsgericht Wien hat durch die Landesrechtspflegerin Ing. Zant über die Beschwerde 1) der A. GmbH, vertreten durch Rechtsanwälte, gegen den Bescheid des Magistrats der Stadt Wien, Magistratsabteilung 37, Baupolizei - …, Bauinspektion, vom 16.09.2019, Zl. …, gemäß § 129 Abs. 1 und 10 BO für Wien - Vorschriftswidrigkeit,

zu Recht e r k a n n t:

Gemäß § 28 Abs. 1 VwGVG wird der Beschwerde hinsichtlich Spruchpunkt 1.) stattgegeben und der angefochtene Bescheid diesbezüglich behoben.

Gemäß § 28 Abs. 1 VwGVG wird die Beschwerde hinsichtlich der Spruchpunkte 2.), 3.) und 6.) als unbegründet abgewiesen und der angefochtene Bescheid diesbezüglich bestätigt.

Gemäß § 28 Abs. 1 und 2 VwGVG wird die Beschwerde hinsichtlich der Spruchpunkte 4.) und 5.) als unbegründet abgewiesen und der angefochtene Bescheid diesbezüglich mit der Maßgabe bestätigt, als nach der Wortfolge „in der Feuermauer“ die Wortfolge „der Top 9a“ ergänzt wird.

Gemäß § 28 Abs. 1 und 2 VwGVG wird die Beschwerde hinsichtlich der Spruchpunkte 7.) bis 10.) als unbegründet abgewiesen und der angefochtene Bescheid diesbezüglich mit der Maßgabe bestätigt, als diese Spruchpunkte nunmehr insgesamt zu lauten haben:

„7. – 10. Der neu errichtete Vorraum vor dem Abstellraum (97,13 m2), das neu errichtete WC und die neu errichtete Dusche, sind zu entfernen und dieser Bereich entsprechend der Bewilligung vom 21.08.1947, Zl. Mag.Abt. 36-…, konsensgemäß samt Kloset wiederherzustellen.“

Entscheidungsgründe

Mit Vorhalt vom 03.06.2019 wurde den Eigentümern der Baulichkeit Wien, B.-straße ONr. 5, EZ 7 der Kat. Gemeinde C. durch die Magistratsabteilung 37 mitgeteilt, dass die Wohnung, welche sich im rechten Hoftrakt, zugänglich über das 1. OG des Straßentraktes befindet, ohne baubehördliche Bewilligung umgebaut wurde (Änderung der Raumaufteilung, Fenster in der Feuermauer, Errichtung eines Vorraumes in Form eines Zubaues,…). Es wurde den Eigentümern die Möglichkeit zur Stellungnahme eingeräumt und sollten keine neuen Tatsachen hervorkommen, ein Bauauftrag in Aussicht gestellt.

Nachdem keinerlei Stellungnahmen eingingen, erließ die Behörde den nunmehr gegenständlichen Bescheid vom 16.09.2019, mit dem den Eigentümern der Baulichkeit binnen 4 Monaten nach Rechtskraft, gemäß § 129 Abs. 1 und 10 BO für Wien der Auftrag erteilt wurde:

„1. Die Nutzung des begehbaren Flachdaches als Terrasse ist aufzulassen.

2. Der ca. 4,00 x 2,30 m große Zubau vor der Eingangstür zu Top 9a ist zu entfernen.

3. Die ca. 1,20 x 1,50 m große Fensteröffnung im Zimmer (26,82 m2) der Top 9a ist fachgerecht und konsensgemäß zu verschliessen.

4. Die ca. 1,50 x 1,10 m große Fensteröffnung in der Feuermauer ist fachgerecht und konsensgemäß zu verschliessen.

5. Die ca. 0,50 x 0,30 m große Öffnung in der Feuermauer ist fachgerecht und konsensgemäß zu verschliessen.

6. Die Nutzung des "Bodens" (23,80 m2) als Schlafzimmer (17,89 m2) ist aufzulassen.

7. Der neu errichtete Vorraum vor dem Abstellraum (97,13 m2) ist zu entfernen.

8. Das neu errichtete WC ist zu entfernen.

9. Die neu errichtete Dusche ist zu entfernen.

10. Es ist das konsensgemäße Kloset wiederherzustellen.“

In der Begründung des Bescheides wurde zudem ausgeführt:

1. Das begehbare Flachdach, welches sich zwischen dem Straßen- und dem rechten Hoftrakt befindet, wird widmungswidrig als Terrasse genutzt.

2. Auf diesem Flachdach wurde vor der Eingangstüre zur Top 9a eine Art Vorraum in Form eines ca. 4,00 x 2,30 m großen und ca. (i.M.) 2,75 m hohen Zubaues geschaffen ohne hierfür die erforderliche Baubewilligung zu erwirken.

3. Im Zimmer (26,82 m2) wurde in der Wand zum Innenhof eine ca. 1,20 x 1,50 m große Fensteröffnung geschaffen.

4, 5, und 6. Es wurden in der Feuermauer zur Liegenschaft Wien, B.-straße 7-9 hin zwei Öffnungen hergestellt ohne eine Baubewilligung zu erwirken und ohne die schriftliche Zustimmung der/des Anrainer/s einzuholen. Durch die Schaffung dieser zwei Öffnungen wurde die Nutzung des als "Boden" gewidmeten Raumes als Schlafzimmer ermöglicht.

7.-10. Durch das Errichten und Entfernen von Zwischenwänden wurde die innere Raumaufteilung der Top 9a dergestalt geändert, dass ein Vorraum, ein WC und eine Dusche neu geschaffen wurden. Weiters wurde das konsensgemäße Klosett entfernt.

Raumbezeichnungen wurden von den Konsensplänen übernommen. Als letztgültiger Konsens wird die Bewilligung vom 21. August 1947, Zahl: MA 36 - … (inkl. dazugehörigen Plan) angesehen.

Der in Punkt 6 des im Auftrag bezeichnete Raum weist nach der Baubewilligung vom 21. August 1947, Zahl: MA 36 - … und dem zugehörigen Bauplan die Widmung als "Boden" auf.

Die Benützung als Schlafzimmer ist daher bewilligungswidrig und muss gemäß § 129 Abs. 1 BO aufgelassen werden.

Gemäß § 129 Abs. 10 BO sind die ohne Baubewilligung durchgeführten baulichen Abänderungen zu beseitigen.

An der Nutzungseinheit Top. Nr. 9a besteht Wohnungseigentum.

Aus der Zustellverfügung des Bescheides ist ersichtlich, dass sich dieser hinsichtlich der Spruchpunkte 1.) bis 10.) gegen die Beschwerdeführerin 1.) A. richtet, hinsichtlich der weiteren Wohnungsmiteigentümer richtet sich der Bescheid lediglich betreffend der Spruchpunkte 1.) bis 5.) gegen diese.

In ihrem dagegen eingebrachten Rechtsmittel führte die Beschwerdeführerin dazu als Beschwerdegründe aus:

4.1. Zur Rechtswidrigkeit des Inhaltes

4.1.1. Bescheidadressaten

Der angefochtene Beseitigungsauftrag ist undeutlich.

Aus den Spruchpunkten ist nicht ersichtlich, welche Spruchpunkte von welchen Beschwerdeführern (Miteigentümern) umgesetzt werden müssen.

Es wird lediglich festgehalten, dass der Magistrat gemäß § 129 Abs. 1 und 10 der Bauordnung für Wien (BO) gegen die “Eigentümer" der Baulichkeit Aufträge erlassen hat.

Jedoch hätte die belangte Behörde eine Differenzierung vornehmen müssen. Aus der Zustellverfügung („ergeht an") ist zu entnehmen, dass die Spruchpunkte 1-5 von den 2. bis 33. Beschwerdeführern umzusetzen sind. Hingegen sind sämtliche Bauaufträge gegen die Erstbeschwerdeführerin ergangen.

Aus der Textierung des Bauauftrages (Bescheidspruchs) kann nur der Schluss gezogen werden, dass sämtliche Beschwerdeführer bzw. Eigentümer, sohn auch die 2. bis 33. Beschwerdeführer, auch sämtliche Spruchpunkte (Punkte 1. bis 10.) zu erfüllen haben, insbesondere die Spruchpunkte 6. bis 10. Die 2. bis 33. Beschwerdeführer dürfen nicht zur Umsetzung des Bauauftrages gemäß Spruchpunkt 6. bis 10. verpflichtet werden, da die Wohnung Top 9a, an der Wohnungseigentum begründet ist, im Eigentum der Erstbeschwerdeführerin steht.

Hierzu wird auf die jüngste Entscheidung vom Verwaltungsgerichtshof (VWGH Ra 2018/05/0158) verwiesen:

„Wie das Verwaltungsgericht im angefochtenen Erkenntnis - (u.a.) unter Hinweis auf hg. Judikatur - zutreffend dargelegt hat, trifft die Verpflichtung zur Beseitigung eines vorschriftswidrigen Baues dessen jeweiligen Eigentümer und ist daher im Falle eines Superädifikates der Bauauftrag dem Eigentümer des Superädi?kates zu erteilen. Die Erteilung dieses Auftrages sowohl an den Grundeigentümer als auch an den von diesem verschiedenen Eigentümer der Baulichkeit wäre somit rechtswidrig (vgl. dazu auch Moritz, BauO Wien5, zu § 129 Abs. 4 BO, 356 zweiter Absatz)..."

Folglich muss im Spruch des Bescheides eine eindeutige Unterscheidung bzw. Zuweisung getroffen werden, damit in letzter Konsequenz eine allfällige Vollstreckung gegen den richtigen Eigentümer erfolgen kann.

4.1.2. Zur behaupteten Konsenswidrigkeit

Die belange Behörde führt in der Bescheidbegründung aus, dass gemäß § 129 Abs. 10 Bauordnung für Wien die ohne Baubewilligung durchgeführten baulichen Maßnahmen zu beseitigen sind. Die belange Behörde geht daher davon aus, dass die baulichen Änderungen, welche in den Spruchpunkten näher spezifiziert sind, ohne Baubewilligung durchgeführt wurden.

Die Annahme der belangten Behörde ist jedoch unrichtig. Sämtliche baulichen Abänderungen am Gebäude wurden bewilligt. Insbesondere verkennt die belange Behörde, dass im Jahr 1994 der damalige Grundeigentümer einen Einreichplan über bauliche Veränderungen im Hause B.-straße 5, Wien, eingebracht hat. Dieser Einreichplan wurde inhaltsgleich von der belangten Behörde bewilligt. Es besteht daher ein baulicher Konsens für die verfahrensgegenständlichen Abänderungen.

Sofern im behördlichen Akt die entsprechende Baubewilligung nicht mehr au?iegt, kann dies nicht zum Nachteil der Beschwerdeführer gewertet werden.

4.2. Zur Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften

Die belange Behörde hat bei Erlassung des angefochtenen Bescheides Verfahrensvorschriften außer Acht gelassen, bei deren Einhaltung sie zu einem anders lautenden - für den Beschwerdeführer günstigeren - Bescheid hätte kommen können. Der VwGH hat wesentliche Mängel des Verwaltungsverfahrens im Rahmen der Beschwerdepunkte von Amts wegen wahrzunehmen (VwSlgNF 9186 A).

Es liegt ein Unterlassen der amtswegigen Sachverhaltsermittlung („Pflicht zur Erforschung der materiellen Wahrheit“) vor. Die belangte Behörde hat es in Anknüpfung an die oa. Verkennung der Rechtslage unterlassen, den für die Erledigung maßgeblichen Sachverhalt von Amts wegen zu ermitteln und festzustellen, sowie die notwendigen Beweise aufzunehmen. (VwGH 16.6.94, 94/19/295).

Der Sachverhalt ist sohin in wesentlichen Punkten ergänzungsbedürftig.

Es besteht eine (besondere) Vermutung:

Für seit Jahrzehnten bestehende Gebäude, bei welchen Unterlagen über eine seinerzeitige Baugenehmigung nicht auffindbar sind, von denen aber andererseits feststeht, dass von der Baubehörde Beanstandungen wegen eines fehlenden Konsenses niemals stattgefunden haben, spricht eine besondere Vermutung dafür dass das Gebäude in seiner derzeitigen Gestaltung auf Grund einer nach den im Zeitpunkt der Erbauung in Geltung gestandenen Vorschriften erteilten Baubewilligung errichtet worden ist. Es handelt sich hierbei um ständige Rechtsprechung des VWGH zu seit Jahrzehnten bestehenden konsenslosen Bauten, so darf insbesondere auf die Entscheidungen vom 03.11.1969 zu 623/69, vom 25.05.1972 zu 414/71, 09.12.1975 zu Sig. 8940 A und vom 10.10.1977 zu 1156/77 verwiesen werden (mwN Gender/Fuchs, Bauordnung für Wien2 (2014) § 129 W-BauO ? s 478f, Kirchmayer, Wiener Baurecht2 (2008) S 398).

Die belangte Behörde hat es gänzlich verabsäumt, das Vorliegen dieser besonderen Vermutung auch nur zu prüfen. Dies stellt einen wesentlichen Verfahrensmangel dar, welcher hiermit ausdrücklich gerügt wird. Auch aufgrund dieser besonderen Vermutung hätte die belangte Behörde niemals die Beseitigungsaufträge anordnen dürfen.

Beweis: PV,

Beischaffung des Bauaktes der Liegenschaft EZ 7, GSt. Nr. 3, Katastralgemeinde C.,

Einreichplan vom September 1994 (Beilage J1).

5. Anträge

Die Beschwerdeführer stellen daher die folgenden ANTRÄGE an das zuständige Verwaltungsgericht Wien:

Das Verwaltungsgericht Wien möge

1. gemäß § 24 VWGVG eine mündliche Verhandlung durchführen,

2. gemäß Art 130 Abs 4 B-VG und § 28 VWGVG in der Sache selbst entscheiden und den angefochtenen Bescheid vom 16.09.2019, Zahl MA37/…, ersatzlos aufheben,

in eventu

3. den angefochtenen Bescheid gemäß § 2 8 Abs 3 VwGVG beheben und die Angelegenheit zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung an die belangte Behörde zurückverweisen.“

Mit Vorlage des Aktes übermittelte die Behörde aus dem elektronischen Protokoll eine Verfahrensinformation zu der Geschäftszahl …2/1994 (selbe Zahl wie auf den durch die Beschwerdeführer vorgelegten Plan) mit Stand 10.12.2004. Aus diesem elektronischen Protokoll geht hervor, dass um diese Bewilligung mit 13.10.1994 angesucht wurde und die diesbezügliche Enderledigung (Bewilligung) am 10.01.1995 erfolgte. Allerdings geht aus dem Betrefftext/Ergänzungen hervor, dass diese baulichen Änderungen abgelaufen sind.

In der am 21.01.2020 mit den Parteien des Verfahrens durchgeführten Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht Wien ergab sich Folgendes:

Der BFV gab zu Protokoll:

Wir verweisen auf das bisherige Vorbringen und beantrage wie schon im Schreiben vom 07.01.2020 die Einvernahme des Herrn D. E. bzw. der F. GmbH. Der bevollmächtigte der F. GesmbH, Herr G. wurde zur Verhandlung mitgebracht. Zum Beweis dafür, dass um Baubewilligung im Jahr 1994 angesucht wurde, und eine solche auch vorgelegen hat.

Ein Bescheid zu dem von uns vorgelegten Plan von 1994 liegt nicht vor.

Wir erhalten es weiterhin aufrecht, dass der Bescheid durch alle Beschwerdeführer hinsichtlich aller Bescheidpunkte bekämpft wird.

A. GmbH ist alleinige Wohnungseigentümerin der Wohnung Top 9a.

Grundsätzlich werden die Feststellung der Behörde hinsichtlich der hergestellten Baulichkeiten (Zubau, Fensterdurchbrüche und bauliche Änderungen in der inneren Wohnung nicht bestritten).

Die Änderungen stimmen daher mit den Plänen der von der A. GmbH angestrebten Bewilligung im August 2019 überein.

Der Vertreter der Behörde gab bekannt, dass nicht konsumierte Bewilligungen nach 7 bis 10 Jahren vernichtet werden, inkl. des gesamten Bewilligungsaktes.

Sämtliche festgestellte Änderungen betreffen die Wohnung 9a.

Die Konsenswidrigkeiten wurden auch anhand des im Jahr 2019 eingereichten Planes festgestellt. Ich habe diese aber auch vor Ort besichtigt.

Die Anzeige erfolgte durch die A. GmbH, Herrn H..

Die VL stellt weiters fest, dass sich der durch die Beschwerdeführer vorgelegte Planauszug der Bewilligung von 1994, nicht mit jener die im Jahr 2019 angestrebt wurde und den vor Ort vorhandenen Konsens darstellt, übereinstimmt. Es sind hierbei die Fensteröffnungen anderes ausgeführt, ebenso wie die Raumteilungen und befindet sich der Zubau des Vorraumes etwas verschoben an anderer Stelle. Der weitere Zubau auf der Terrasse ist überhaupt nicht vorhanden.

Aus der durch die Behörde vorgelegten Verfahrensinformation zum Akt …2/1994 (dies deckt sich mit der auf dem vorgelegten Einreichplan angegebenen Bescheidzahl) geht hervor, dass die Bewilligung von 10.01.1995 abgelaufen ist. Dieser Stand der Verfahrensinformation trägt das Datum 10.12.2004.

Die beantragte Einvernahme des Zeugen wurde abgewiesen, da sich dadurch keine weitere Klärung des Sachverhaltes ergibt. Das 1994 eine Bewilligung erwirkt wurde, wird durch die Behörde auch nicht in Abrede gestellt. Doch ergibt sich aus der behördlichen Dokumentation, dass diese durch Zeitablauf erloschen ist.

Das Verwaltungsgericht Wien hat erwogen:

Gemäß § 129 Abs. 1 BO für Wien ist für die bewilligungsgemäße Benützung der Räume der Eigentümer (jeder Miteigentümer) des Bauwerkes verantwortlich. Im Falle der Benützung der Räume durch einen anderen geht die Haftung auf diesen über, wenn er vom Eigentümer über die bewilligte Benützungsart in Kenntnis gesetzt worden ist. Im Falle der Benützung von Räumen als Heim oder wie Unterkunftsräume in einem Heim haftet jedenfalls nur der Eigentümer.

Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes besteht eine Änderung der Raumwidmung nur dann, wenn entweder der Raum regelmäßig und ausschließlich auf eine mit der im Konsens ausgewiesenen Widmungsbezeichnung nicht übereinstimmenden Weise verwendet wird, wenn also die verschiedenartigen Verwendungen des Raumes nicht nebeneinander statthaben, sondern die eine Verwendungsart an die Stelle der anderen getreten ist, oder aber die - wenn auch nicht regelmäßig und ausschließlich stattfindende - widmungsfremde Nutzung mit der konsensgemäßen Zweckbestimmung des Raumes schlechthin unvereinbar ist (VwGH vom 29.11.1972, Zl. 0723/71).

Für die rechtliche Qualifikation eines Raumes ist die behördliche Widmung und nicht die tatsächliche Verwendung entscheidend (VwGH 10.12.1962, 1128/62).

Gemäß § 129 Abs. 10 BO für Wien ist jede Abweichung von den Bauvorschriften einschließlich der Bebauungsvorschriften zu beheben. Ein vorschriftswidriges Bauwerk, für das eine nachträgliche Bewilligung nicht erwirkt oder eine Bauanzeige nicht rechtswirksam (§ 62 Abs. 6) erstattet wurde, ist zu beseitigen. Gegebenenfalls kann die Behörde Aufträge erteilen; solche Aufträge müssen erteilt werden, wenn augenscheinlich eine Gefahr für das Leben oder die Gesundheit von Menschen besteht. Aufträge sind an den Eigentümer (jeden Miteigentümer) des Bauwerkes zu richten; im Falle des Wohnungseigentums sind sie gegebenenfalls an den Wohnungseigentümer der betroffenen Nutzungseinheit zu richten.

Vorschriftswidrig im Sinne dieser Gesetzesstelle ist nach ständiger Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes jeder Bau, für den im Zeitpunkt seiner Errichtung eine baubehördliche Bewilligung erforderlich war und auch weiterhin erforderlich ist, für den aber eine Bewilligung nicht vorliegt. Gleiches gilt für den Fall der sonstigen Vorschriftswidrigkeit.

Seitens der Beschwerdeführerin werden die durchgeführten baulichen Änderungen (Fensteröffnungen), die Änderung der Raumwidmung und widmungswidrige Verwendung, noch die Errichtung des Zubaus, in Abrede gestellt. Auch ihre Stellung als alleinige Wohnungseigentümerin der gegenständlichen Nutzungseinheiten Top Nr. 9a wird nicht bestritten.

Zum Vorbringen, dass sich aus dem Bescheid nicht klar ergibt wer verpflichtet wurde, ist festzuhalten, dass es keinen Verstoß gegen die Vorschrift des § 59 Abs. 1 AVG bedeutet, wenn die Behörde im Spruch zwar den Verpflichteten zunächst abstrakt bezeichnet (wie hier: Eigentümer der Baulichkeit ….), dann aber in der Zustellverfügung diejenige Person benennt, auf welche sich der Spruch bezieht, weil durch eine solche Erfassung der Person des zu einer Leistung Verpflichteten das im Spruch des Bescheides genannte konkrete Rechtsverhältnis klar zum Ausdruck kommt. Wird also im Spruch eine Person nur abstrakt bezeichnet, so kommt der Zustellverfügung, in der sie dann namentlich bezeichnet ist, wesentliche Bedeutung zu, weil dadurch erst die notwendige Individualisierung bewirkt wird (VwGH vom 16.02.2017, Zl.: Ro 2014/05/0018).

Aus der Zustellverfügung des gegenständlichen Bescheides ist klar ersichtlich, dass sich der gegenständliche Bescheid hinsichtlich der Spruchpunkte 1.) bis 10.) an die Beschwerdeführerin richtet und lediglich die Spruchpunkte 1.) bis 5.) sich auch gegen die weiteren Wohnungsmiteigentümer richten und kommt daher dem diesbezüglichen Vorbringen in Ansehung der wiedergegeben Judikatur keine Berechtigung zu.

Hinsichtlich ihres Vorbringens, dass für die durchgeführten Änderungen eine Baubewilligung im Jahr 1994 erwirkt wurde und diese Unterlagen bei der Behörde verloren gegangen sind, konnte nunmehr im Beschwerdeverfahren geklärt werden, dass diese Bewilligung tatsächlich zur Zahl …2/1994 (selbe Zahl wie auf dem durch die Beschwerdeführerin vorgelegten Plan) am 10.01.1995 erwirkt wurde, diese jedoch durch Zeitablauf erloschen ist, wie sich dem elektronischen Protokoll der Behörde entnehmen lässt. Daraus lässt sich auch erklären, warum diese Bewilligung im Akt der Behörde nicht mehr auffindbar ist, da solche nicht konsumierten Bewilligungen wie der Behördenvertreter in der Verhandlung des Verwaltungsgerichts Wien erläuterte, nach 7 bis 10 Jahren vernichtet werden. Es ergibt sich daher, entgegen dem Beschwerdevorbringen, auch kein Hinweis auf einen vermuteten Konsens aufgrund eines unvollständigen Behördenarchivs.

Weiters steht fest, da dies auch in der Verhandlung des Verwaltungsgerichts Wien durch beide Parteien bestätigt wurde, dass die tatsächlich ausgeführten Maßnahmen jenen entsprechen, wie sie in dem im August 2019 angestrebten Bewilligungsverfahren zur Zl. MA 37/…6-2019-1 zugrunde liegenden Plänen dargestellt wurden. Dieser Antrag um Bewilligung wurde allerdings durch die Behörde mit Bescheid vom 29.08.2019 zurückgewiesen. Aus diesem zugrunde liegenden Plan ergibt sich jedoch, dass die durchgeführten Änderungen anderes ausgeführt wurden, als jene im Jahr 1995 bewilligten Maßnahmen. So ist die Lage des Vorraumzubaus verschoben, der damals bewilligte weitere Zubau wurde überhaupt nicht ausgeführt, die Raumteilungen und Raumwidmungen im inneren der Einheit wurden anders ausgeführt (z.B. kein Bad) und auch die Anzahl und Lage der Fensteröffnung stimmt nicht vollends überein. Es ist daher festzustellen, dass sich auch aus den nunmehr tatsächlich ausgeführten Änderungen keine Übereinstimmung mit der nicht konsumierten Baubewilligung aus dem Jahr 1995 ergibt.

Hinsichtlich Spruchpunkt 1.) ist jedoch festzustellen, dass § 129 Abs. 1 Wr BauO nach seinem eindeutigen Wortlaut ausschließlich auf Räume Anwendung findet (Hinweis E vom 12. November 1957, Zl. 617/55, betreffend die Einstellung von Autobussen in einem ehemaligen Tanzsaal). Auf Grund des eindeutigen Wortlautes des § 129 Abs. 1 Wr BauO scheidet auch eine analoge Anwendung dieser Bestimmung auf sonstige Flächen aus (VwGH vom 30.4.2013, Zl. 2012/05/0114).

Da über dem als Terrasse genutzten Flachdach keine Deckfläche vorhanden ist, liegt im gegenständlichen Fall somit kein Raum im Sinne des § 60 Abs. 1 lit. a BO vor und eine bewilligungswidrige Benützung eines Raumes ist demnach nicht gegeben. Daher kann auch im vorliegenden Fall ein bescheidmäßiger Auftrag zur Auflassung der widmungswidrigen Benützung des Flachdaches als Terrasse nach § 129 Abs. 1 BO nicht erteilt werden.

Es war daher der Spruchpunkt 1.) des bekämpften Bescheides spruchgemäß zu beheben.

Weiters ist auszuführen, dass ein Beseitigungsauftrag auch dann zulässig ist, wenn ein Verfahren betreffend eine nachträgliche Baubewilligung anhängig ist (VwGH vom 21. Mai 2007, Zl. 2006/05/0165). Allerdings besteht während der Anhängigkeit keine Strafbarkeit und darf ein Beseitigungsauftrag nicht vollstreckt werden (VwGH vom 26. Juni 2005, Zl. 2005/05/0075). Sollte eine nachträgliche Baubewilligung erwirkt werden, ist der Beseitigungsauftrag gegenstandslos (VwGH vom 31. März 2008, Zl. 2006/05/0063).

Hinsichtlich der Dauer der Erfüllungsfrist ist festzustellen, dass die Beschwerdeführerin nicht bestritten hat, dass diese zur technischen Durchführung der aufgetragenen Maßnahme nicht ausreichen würde, und bestanden für das Verwaltungsgericht Wien bezüglich der Angemessenheit der 4-monatigen Leistungsfrist auch sonst keine Zweifel.

Der gestellte Antrag auf Einvernahme des Herrn D. E. bzw. der F. GmbH zum Beweis dafür, dass im Jahr 1994 um Baubewilligung angesucht wurde und eine solche auch vorgelegen hat, war abzuweisen, da feststeht, dass eine solche Bewilligung zwar tatsächlich erwirkt wurde, doch durch Zeitablauf erloschen ist. Auch entspricht die damalige Baubewilligung nicht den durchgeführten Änderungen.

Hinsichtlich der Spruchpunkte 2.) bis 10.) war der angefochtene Bescheid mit der teilweisen Maßgabe der sprachlichen Konkretisierung, spruchgemäß zu bestätigen.

Schlagworte

Baupolizeilicher Auftrag; Bescheid; Verpflichteter; bewilligungsgemäße Benützung; Raum; Konsenswidrigkeit

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:LVWGWI:2020:VGW.211.055.RP23.14692.2019

Zuletzt aktualisiert am

04.06.2020
Quelle: Landesverwaltungsgericht Wien LVwg Wien, http://www.verwaltungsgericht.wien.gv.at
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