TE Bvwg Erkenntnis 2019/11/19 I408 2223932-2

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Veröffentlicht am 19.11.2019
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Entscheidungsdatum

19.11.2019

Norm

BFA-VG §21 Abs7
B-VG Art. 133 Abs4
VwGVG §24 Abs2 Z1
VwGVG §24 Abs4
VwGVG §28 Abs1
VwGVG §28 Abs2
VwGVG §31 Abs1
VwGVG §33
VwGVG §33 Abs1
VwGVG §7 Abs4
ZustG §17 Abs3

Spruch

I408 2223932-1/2E

I408 2223932-2/2E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

I. Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Dr. Harald NEUSCHMID in der Rechtssache der beschwerdeführenden Partei XXXX, geb. XXXX, StA. NIGERIA, vertreten durch: DIAKONIE FLÜCHTLINGSDIENST gemeinnützige GmbH Volkshilfe Flüchtlings - und MigrantInnenbetreuung GmbH p.A. ARGE Rechtsberatung - Diakonie und Volkshilfe:

A I.) über die Beschwerde gegen den Bescheid des BFA, Regionaldirektion Wien (BAW) vom 27.08.2019, Zl. 1086169902-151290492, zu Recht erkannt:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

A II.) über die Beschwerde gegen den Bescheid des BFA, Regionaldirektion Wien (BAW) vom 14.04.2018, Zl. 15-1086169902-151290492, beschlossen:

Die Beschwerde wird als verspätet zurückgewiesen

B)

Die Revision ist jeweils gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang und Sachverhalt:

Mit Bescheid vom 14.04.2018 wies die belangte Behörde den Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz vom 07.09.2015 hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten sowie hinsichtlich des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf seinen Herkunftsstaat Nigeria ab und erteilte dem Beschwerdeführer keinen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen. Zugleich erließ die belangte Behörde gegen den Beschwerdeführer eine Rückkehrentscheidung und stellte fest, dass seine Abschiebung nach Nigeria zulässig ist. Des Weiteren setzte die belangte Behörde eine Frist für die freiwillige Ausreise von zwei Wochen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung fest.

Von der belangten Behörde wurde die Zustellung des Bescheides, der Verfahrensanordnungen bezüglich Zuweisung eines Rechtsberaters sowie zur Rückkehrberatung und eine Information zur Ausreiseverpflichtung über die Polizei veranlasst.

Nach einem erfolglosen Zustellversuch am 21.04.2018 wurde eine Verständigung über die Hinterlegung bei der Polizeiinspektion in 1030 Wien an der Wohnungstür hinterlassen und dieser Bescheid samt Verfahrensanordnungen und Information zur Ausreiseverpflichtung am 23.04.2018 persönlich dem Beschwerdeführer ausgefolgt.

Mit 22.05.2018 erwuchs der Bescheid in Rechtskraft.

Erst am 20.08.2018 brachte der Beschwerdeführer gegen diesen Bescheid über seine Rechtsvertretung bei der belangten Behörde eine Beschwerde ein und stellte u.e. einen Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand.

Seinen Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand begründete er damit, dass er versucht habe über einen Anwalt eine Beschwerde einzureichen. Aufgrund der finanziell schwierigen Lage habe er jedoch die Anwaltskosten nicht decken können. Erst am 07.08.2018 habe er dann in Erfahrung gebracht, dass er Anspruch auf eine kostenlose Rechtsberatung habe. Es treffe ihn daher kein Verschulden, weil es ihm nicht möglich gewesen sei, fristgerecht Beschwerde zu erheben, zumal er tatsächlich gar keine Kenntnisse von einer kostenlosen Beratung gehabt habe.

Mit Bescheid vom 27.08.2019 wies die belangte Behörde den Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand vom 20.08.2018 ab (Spruchpunkt I.) und erkannte dem Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand die aufschiebende Wirkung zu (Spruchpunkt II.).

Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer über seine Rechtsvertretung fristgerecht Beschwerde. Begründend führte er darin aus, dass sich in dem Kuvert nur der Bescheid, aber keine Verfahrensanordnung befunden habe. Aus diesem Grund habe der Beschwerdeführer nicht gewusst, dass ihm eine Rechtsberatung zur Seite gestellt worden sei. Es treffe den Beschwerdeführer daher kein Verschulden, weil er irrtümlicherweise keine Verfahrensanordnung zugestellt bekommen habe. Er habe daher gar keine Kenntnisse von einer kostenlosen Rechtsberatung gehabt.

Die Beschwerde über die Abweisung seines Antrages auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand sowie die Beschwerde über die Abweisung seines Antrages auf internationalen Schutz wurden dem Bundesverwaltungsgericht am 01.10.2019 vorgelegt.

2. Beweiswürdigung:

Verfahrensgang und entscheidungswesentlicher Sachverhalt ergeben sich zweifelsfrei aus den Unterlagen des Behördenaktes.

Die Feststellung, dass die belangte Behörde eine Zustellung über die Polizei veranlasst und dazu Bescheid, Verfahrensanordnungen sowie die Information zur Ausreiseverpflichtung übermittelt wurden, ergibt sich zweifelsfrei aus dem Behördenakt (AS 189). Die Übernahme dieser Unterlagen sind zudem durch den, vom Beschwerdeführer unterfertigten Zustellschein (AS 209), in der alle übergebenen Schriftstücke einzeln angeführt sind, zweifelsfrei dokumentiert.

In der gegenständlichen Beschwerde gegen den angefochtenen Bescheid wurde das bisherige Vorbringen im Wesentlichen wiederholt und nochmals darauf hingewiesen, dass der Beschwerdeführer von der kostenlosen Rechtsberatung nicht gewusst und laut seinen Angaben keine Verfahrensanordnungen bekommen habe. Diese Angaben stehen, wie ausgeführt, im Widerspruch zu dem dokumentierten Zustellvorgang.

3. Rechtliche Beurteilung:

Zu A I.) Wiedereinsetzung in den vorigen Stand:

Nach § 33. Abs. 1 VWGVG ist auf Antrag die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu bewilligen, wenn eine Partei glaubhaft macht, dass sie durch ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis - so dadurch, dass sie von einer Zustellung ohne ihr Verschulden keine Kenntnis erlangt hat - eine Frist oder eine mündliche Verhandlung versäumt und dadurch einen Rechtsnachteil erleidet. Dass der Partei ein Verschulden an der Versäumung zur Last liegt, hindert die Bewilligung der Wiedereinsetzung nicht, wenn es sich nur um einen minderen Grad des Versehens handelt.

Zunächst ist festzuhalten, dass der Beschwerdeführer den negativen Asylbescheid erhalten hat, die Relevanz der Rechtsmittelfrist offensichtlich auch erkannt und deshalb auch einen Rechtsanwalt aufgesucht hat.

Unabhängig davon, dass sich aus dem Akteninhalt nicht ergibt, dass der Beschwerdeführer mit dem Bescheid nicht die entsprechenden Verfahrensanordnungen sowie die Information zur Ausreiseverpflichtung erhalten hat, ist daraus kein unabwendbares oder unvorhergesehenes Ereignis für die Versäumung der verfahrensgegenständlichen Beschwerdefrist erkennbar.

So stellt der Umstand, dass die Partei die deutsche Sprache nicht oder nur mangelhaft beherrscht, stellt keinen Grund für eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand dar (VwGH 22.5.1997, 97/18/257; 1.8.2000, 2000/21/0097; 19.9.2007, 2007/08/0097). Vielmehr genügt es, dass dem Sprachunkundigen bewusst gewesen sein musste, ein rechtlich bedeutsames behördliches Schriftstück erhalten zu haben (vgl. VwGH 24.2.2000, 96/21/0430; 11.10.2001, 98.18.0355; 19.11.2003, 2003/21/0090) um dessen Pflicht auszulösen, im Falle seiner Ungewissheit über den Inhalt und die Bedeutung des behördlichen Schreibens, diese nicht auf sich beruhen zu lassen (VwGH 28.1.2003, 2002/18/0291; 27.1.2004, 2003/21/0167). Vor allem der Rechtsmittelbelehrung (VwGH 10.5.2000 95/18/0972) sowie den Tag der Bescheidzustellung hat ein Fremder, der die deutsche Sprache nur ungenügend beherrscht, besondere Aufmerksamkeit zu widmen, zumal aus der Rechtmittelbelehrung die Zulässigkeit und die Art des allfällig zur Verfügung stehenden Rechtsmittels sowie die Einbringungsstelle sowie die dafür zur Verfügung stehende Frist hervorgeht und aufgrund der besonderen Bedeutung des Zustelldatums für die Einhaltung der Rechtmittelfrist, der Partei erhöhte Sorgfaltspflicht zukommt (VwGH 7.8.2001, 98/18/0068). Hat die der deutschen Sprache nicht mächtige Partei es unterlassen diesbezügliche Erkundigungen einzuholen, trifft diese ein den minderen Grad des Versehens übersteigendes Verschulden (vgl. VwGH 12.12.1997, 96/19/3394, 10.5.2000, 95/18/0972). Auch ein ungebildeter dem Lesen und Schreiben unkundiger Mensch, ist grobe Fahrlässigkeit vorzuwerfen, wenn er einem behördlichen Schriftstück, ohne eine lesekundige Person beizuziehen, einen falschen Inhalt unterstellt, zumal er im Bewusstsein seiner diesbezüglichen Unfähigkeit damit rechnen musste, ein an ihn adressiertes Schreiben nicht richtig lesen und verstehen zu können (vgl. VwGH 12.12.1997, 96/19/3394; 10.5.2000, 95/18/0972).

Der Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand war somit mangels Vorliegens der Voraussetzungen des § 33 Abs. 1 VwGVG als unbegründet abzuweisen

Da der relevante Sachverhalt anhand der Akten und des Beschwerdevorbringens geklärt werden konnte und von einer mündlichen Erörterung keine weitere Aufklärung entscheidungswesentlicher Sachverhaltselemente zu erwarten ist, entfällt die beantragte Beschwerdeverhandlung insoweit gemäß § 21 Abs 7 BFA-VG iVm § 24 Abs 4 VwGVG.

Zu IA II.) Zur Beschwerde gegen den Bescheid vom 14.04.2018:

Gemäß § 7 Abs. 4 VwGVG beträgt die Frist zur Erhebung einer Beschwerde gegen den Bescheid einer Behörde gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG vier Wochen. Sie beginnt in den Fällen des Art. 132 Abs. 1 Z 1 B-VG (= Parteibeschwerde) dann, wenn der Bescheid dem Beschwerdeführer zugestellt wurde, mit dem Tag der Zustellung.

Unter Bedachtnahme des § 17 Abs. 3 ZustG gilt der Bescheid, wenn er nicht zugestellt werden konnte, mit dem Tag, an dem das Dokument erstmals zur Abholung bereitgehalten wird, als zugestellt.

Unter Berücksichtigung der Frist von vier Wochen, endete die Rechtsmittelfrist am Montag, dem 21.05.2018.

Die Beschwerde, welche gemeinsam mit dem Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand am 20.08.2018 bei der belangten Behörde eingebracht wurde, erweist sich sohin als verspätet, sodass die Beschwerde zurückzuweisen war.

Eine mündliche Verhandlung entfällt insoweit gemäß § 24 Abs 2 Z 1 VwGVG.

Zu II. B) (Un)Zulässigkeit der Revision:

Die Revision ist nicht zuzulassen, weil die Frage, wann eine Kenntnis von der Verspätung eines Rechtsmittels und damit vom Beginn der Frist zur Stellung eines Wiedereinsetzungsantrags anzunehmen ist, jeweils nach den Umständen des Einzelfalls zu beurteilen ist (siehe VwGH 21.02.2019, Ra 2019/08/0030) und das BVwG keine Rechtsfragen von grundsätzlicher Bedeutung iSd Art 133 Abs 4 B-VG zu beantworten hatte.

Schlagworte

Beschwerdefrist, Fristablauf, Fristüberschreitung, Fristversäumung,
grobe Fahrlässigkeit, minderer Grad eines Versehens, Rechtskraft der
Entscheidung, Rechtsmittelbelehrung, Rechtsmittelfrist,
unabwendbares Ereignis, unvorhergesehenes und unabwendbares
Ereignis, Verschulden, verspätete Beschwerde, Verspätung,
Wiedereinsetzungsantrag, wirtschaftliche Schwierigkeiten,
Zurückweisung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2019:I408.2223932.2.00

Zuletzt aktualisiert am

29.05.2020
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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