TE Vfgh Erkenntnis 2020/3/10 V100/2019 (V100/2019-10)

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Veröffentlicht am 10.03.2020
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Index

90/01 Straßenverkehrsordnung 1960

Norm

B-VG Art139 Abs1 Z1
StVO 1960 §43, §44, §51 Abs1, §54
V der Bezirkshauptmannschaft Zell am See vom 13.08.2015 betr ein Überholverbot
VfGG §7 Abs2

Leitsatz

Gesetzwidrigkeit einer Überholverbotsverordnung mangels ordnungsgemäßer Kundmachung wegen Fehlens einer Zusatztafel mit der Angabe der Länge der Straßenstrecke des Überholverbotes

Spruch

I. Punkt A 1. der Verordnung der Bezirkshauptmannschaft Zell am See vom 13. August 2015, Z30606-634/1/5-2015, wird als gesetzwidrig aufgehoben.

II. Die Salzburger Landesregierung ist zur unverzüglichen Kundmachung dieses Ausspruches im Landesgesetzblatt verpflichtet.

Begründung

Entscheidungsgründe

I. Antrag

Mit dem vorliegenden, auf Art139 Abs1 Z1 B-VG gestützten Antrag begehrt das Landesverwaltungsgericht Salzburg,

"Punkt A1. der Verordnung der Bezirkshauptmannschaft Zell am See vom 13.08.2015, Zahl 30606-634/1/5-2015, als gesetzwidrig aufzuheben.

[…] Für den Fall, dass die Bezirkshauptmannschaft den Kundmachungsmangel in der Zwischenzeit behoben haben sollte, wird in eventu beantragt, festzustellen, dass die angefochtene Verordnung vom 13.08.2015 im angefochtenen Teil gesetzwidrig war."

(Zitat ohne die im Original enthaltenen Hervorhebungen)

II. Rechtslage

1. Die Verordnung der Bezirkshauptmannschaft Zell am See vom 13. August 2015, Z30606-634/1/5-2015, lautet auszugsweise:

"VERORDNUNG

(Kundmachungszeichen gem. StVO in Klammer)

A) Verkehrsbeschränkungen und -regelungen B178 - Loferer Straße, Gemeindegebiet Lofer, von BP 54,6 + 127 m bis BP 58,8 + 25 m:

1.) Das Überholen mehrspuriger Kraftfahrzeuge ist in beiden Fahrtrichtungen von BP 54,6 + 127 m bis BP 58,8 + 25 m verboten; von diesem Überholverbot ausgenommen sind landwirtschaftliche Zugmaschinen, Motorkarren und selbstfahrende Arbeitsmaschinen; (VZgem. §52 lita Ziff 4a StVO – 'Überholen verboten' mit Zusatztafel gem. §54 Abs5 litb StVO und der Aufschrift '4,1 km', und der weiteren Zusatztafel gem. §54 Abs5 liti StVO, aufzustellen jeweils bei BP 54,6 + 127 m in Fahrtrichtung Salzburg und BP 58,8 + 25 m in Fahrtrichtung Zell am See, und als Wiederholer mit der Zusatztafel gem. §54 Abs5 liti StVO bei BP 55,0 + 89 m, BP 55,4 + 65 m, BP 56,2, BP 56,8 + 174 m, BP 57,6 + 177 m, vis a vis Einfahrt 'Prent' um 90 Grad verdreht mit der weiteren Zusatztafel gem. §54 Abs1-3 StVO mit der Aufschrift '<- ->', und BP 58,4, jeweils in beiden Fahrtrichtungen, sowie VZgem. §52 lita Ziff 11 StVO – 'Ende von Überholverboten und Geschwindigkeitsbegrenzungen', aufzustellen bei BP 58,8 + 25 m in Fahrtrichtung Salzburg und BP 54,6 + 127 m in Fahrtrichtung Zell am See).

[…]"

(Zitat ohne die im Original enthaltenen Hervorhebungen)

2. Die maßgeblichen Bestimmungen des Bundesgesetzes vom 6. Juli 1960, mit dem Vorschriften über die Straßenpolizei erlassen werden (Straßenverkehrsordnung 1960 – StVO 1960), BGBl 159/1960, idF BGBl I 123/2015 lauten auszugsweise:

"§43. Verkehrsverbote, Verkehrserleichterungen und Hinweise.

(1) Die Behörde hat für bestimmte Straßen oder Straßenstrecken oder für Straßen innerhalb eines bestimmten Gebietes durch Verordnung

a) […]

b) wenn und insoweit es die Sicherheit, Leichtigkeit oder Flüssigkeit des sich bewegenden oder die Ordnung des ruhenden Verkehrs, die Lage, Widmung, Pflege, Reinigung oder Beschaffenheit der Straße, die Lage, Widmung oder Beschaffenheit eines an der Straße gelegenen Gebäudes oder Gebietes oder wenn und insoweit es die Sicherheit eines Gebäudes oder Gebietes und/oder der Personen, die sich dort aufhalten, erfordert,

1. dauernde oder vorübergehende Verkehrsbeschränkungen oder Verkehrsverbote, insbesondere die Erklärung von Straßen zu Einbahnstraßen, Maß-, Gewichts- oder Geschwindigkeitsbeschränkungen, Halte- oder Parkverbote und dergleichen, zu erlassen,

2. den Straßenbenützern ein bestimmtes Verhalten vorzuschreiben, insbesondere bestimmte Gruppen von der Benützung einer Straße oder eines Straßenteiles auszuschließen oder sie auf besonders bezeichnete Straßenteile zu verweisen;

c) - d) […]

(1a) - (11) […]

§44. Kundmachung der Verordnungen.

(1) Die im §43 bezeichneten Verordnungen sind, sofern sich aus den folgenden Absätzen nichts anderes ergibt, durch Straßenverkehrszeichen oder Bodenmarkierungen kundzumachen und treten mit deren Anbringung in Kraft. Der Zeitpunkt der erfolgten Anbringung ist in einem Aktenvermerk (§16 AVG) festzuhalten. Parteien im Sinne des §8 AVG ist die Einsicht in einen solchen Aktenvermerk und die Abschriftnahme zu gestatten. Als Straßenverkehrszeichen zur Kundmachung von im §43 bezeichneten Verordnungen kommen die Vorschriftszeichen sowie die Hinweiszeichen 'Autobahn', 'Ende der Autobahn', 'Autostraße', 'Ende der Autostraße', 'Einbahnstraße', 'Ortstafel', 'Ortsende', 'Internationaler Hauptverkehrsweg', 'Straße mit Vorrang', 'Straße ohne Vorrang', 'Straße für Omnibusse' und 'Fahrstreifen für Omnibusse' in Betracht. Als Bodenmarkierungen zur Kundmachung von im §43 bezeichneten Verordnungen kommen Markierungen, die ein Verbot oder Gebot bedeuten, wie etwa Sperrlinien, Haltelinien vor Kreuzungen, Richtungspfeile, Sperrflächen, Zickzacklinien, Schutzwegmarkierungen oder Radfahrerüberfahrtmarkierungen in Betracht.

(1a) - (5) […]

[…]

§51. Allgemeines über Vorschriftszeichen.

(1) Die Vorschriftszeichen sind vor der Stelle, für die sie gelten, anzubringen. Gilt die Vorschrift für eine längere Straßenstrecke, so ist das Ende der Strecke durch ein gleiches Zeichen, unter dem eine Zusatztafel mit der Aufschrift 'ENDE' anzubringen ist, kenntlich zu machen, sofern sich aus den Bestimmungen des §52 nichts anderes ergibt. Innerhalb dieser Strecke ist das Zeichen zu wiederholen, wenn es die Verkehrssicherheit erfordert. Gilt ein Überholverbot oder eine Geschwindigkeitsbeschränkung für eine Straßenstrecke von mehr als 1 km, so ist bei den betreffenden Vorschriftszeichen die Länge der Strecke mit einer Zusatztafel nach §54 Abs5 litb anzugeben, wenn es die Verkehrssicherheit erfordert; dies gilt für allfällige Wiederholungszeichen sinngemäß.

(2) - (5) […]

[…]

§54. Zusatztafeln.

(1) Unter den in den §§50, 52 und 53 genannten Straßenverkehrszeichen sowie unter den in §38 genannten Lichtzeichen können auf Zusatztafeln weitere, das Straßenverkehrszeichen oder Lichtzeichen erläuternde oder wichtige, sich auf das Straßenverkehrszeichen oder Lichtzeichen beziehende, dieses erweiternde oder einschränkende oder der Sicherheit oder Leichtigkeit des Verkehrs dienliche Angaben gemacht werden.

(2) - (4) […]

(5) Die nachstehenden Zusatztafeln bedeuten:

a) […]

b) [Verkehrszeichen nicht abgedruckt]

Eine solche Zusatztafel gibt die Länge eines Straßenabschnittes an, für den das betreffende Straßenverkehrszeichen gilt, wie etwa eine längere Gefahrenstelle, die Länge einer Verbots- oder Beschränkungsstrecke u. dgl.

c) - n) […]"

III. Sachverhalt, Antragsvorbringen und Vorverfahren

1. Die Bezirkshauptmannschaft Zell am See verhängte über den Beschwerdeführer vor dem antragstellenden Gericht mit Straferkenntnis vom 5. Dezember 2018 eine Geldstrafe in der Höhe von € 200,– (Ersatzfreiheitsstrafe 92 Stunden), weil der Beschwerdeführer am 8. Dezember 2016 um 14:35 Uhr in Lofer auf der B178 bei Strkm. 055,200 (in Fahrtrichtung Unken) ein mehrspuriges Kraftfahrzeug auf einer Straßenstrecke, die durch das Vorschriftszeichen "ÜBERHOLEN VERBOTEN" gekennzeichnet sei, überholt habe. Der Beschwerdeführer vor dem antragstellenden Gericht habe eine Verwaltungsübertretung gemäß §16 Abs2 StVO 1960 begangen und sei gemäß §99 Abs3 lita StVO 1960 zu bestrafen. Die gegen dieses Straferkenntnis erhobene Beschwerde wies die Bezirkshauptmannschaft mit der Beschwerdevorentscheidung vom 16. Jänner 2019 ab. Aus Anlass dieser Beschwerdevorentscheidung stellte der Beschwerdeführer vor dem antragstellenden Gericht einen Vorlageantrag.

2. Aus Anlass des Verfahrens zur Entscheidung über die Beschwerde stellt das Landesverwaltungsgericht Salzburg den vorliegenden – auszugsweise wiedergegebenen – Antrag:

"[…]

3. Gemäß §54 Abs1 StVO können unter den in den §§50, 52 und 53 genannten Straßenverkehrszeichen sowie unter den im §38 genannten Lichtzeichen auf Zusatztafeln weitere, das Straßenverkehrszeichen oder Lichtzeichen erläuternde oder wichtige, sich auf das Straßenverkehrszeichen oder Lichtzeichen beziehende, dieses erweiternde oder einschränkende oder der Sicherheit oder Leichtigkeit des Verkehrs dienliche Angaben gemacht werden.

4. Im Zuge des Beschwerdeverfahrens haben sich beim Landesverwaltungsgericht Salzburg auf Grundlage des festgestellten Sachverhaltes und der oben dargestellten Rechtslage die nachstehenden angeführten rechtlichen Bedenken ergeben:

4.1. In der anzuwendenden Verordnung wurde unter A1. im zweiten Halbsatz (erster Teil des Klammerausdrucks) die Kundmachung der Verordnung durch Aufstellungen folgender Verkehrszeichen angeordnet:

'VZgem '§52 lita Ziff 4a StVO – 'Überholen verboten' mit Zusatztafel gem. §54 Abs5 litb StVO und der Aufschrift '4,1 km', und der weiteren Zusatztafel gem. §54 Abs5 liti StVO, aufzustellen jeweils bei BP 54,6 + 127 m in Fahrtrichtung Salzburg und BP 58,8 + 25 m in Fahrtrichtung Zell am See'.

Nach der Bestimmung des §54 Abs1 StVO sind Zusatztafeln gemäß §54 leg. cit. unter den Straßenverkehrszeichen anzubringen, auf die sie sich beziehen.

4.2. Wie die angefertigte Fotodokumentation zeigt, ist die (verordnete) Zusatztafel gemäß §54 Abs5 litb StVO mit der Angabe der Länge der Straßenstrecke, für die das Überholverbot gilt, auf keinem der aufgestellten Verkehrszeichen unter dem Verkehrszeichen 'Überholen verboten' angebracht.

Somit wurde die verordnete Längenangabe nach Ansicht des Verwaltungsgerichtes nicht ordnungsgemäß kundgemacht.

4.3. Der Verwaltungsgerichtshof hat in seinem Erkenntnis vom 20.11.2015, 2013/02/0014 (noch vor dem Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom 28.06.2017, V4/2017, zur Prüfung nicht gehörig kundgemachter genereller Normen) ausgesprochen, wenn die nach §54 Abs5 litb StVO (im Falle einer Geschwindigkeitsbeschränkung) von mehr als einem Kilometer erforderliche Zusatztafel an allen die Geschwindigkeitsbeschränkung anzeigenden Vorschriftszeichen sowie an deren Wiederholungszeichen fehle, liege keine gesetzmäßige Kundmachung vor.

Zu der im Gesetz für das Anbringen einer Zusatztafel normierten Bedingung, wonach die Verkehrssicherheit die Anbringung der Zusatztafel erfordern müsse, hat der Verwaltungsgerichtshof ausgeführt, das Vorliegen dieser Bedingung sei bejaht, wenn (wie im gegenständlichen Fall vorliegend) eine Verordnung die Anbringung von Zusatztafeln statuiere.

4.4. Vor diesem Hintergrund entspricht die gegenständliche Kundmachung des verordneten Überholverbotes nicht den Anforderungen des §54 Abs1 StVO in Verbindung mit der Verordnung vom 13.08.2015 betreffend die Zusatztafel gemäß §54 Abs5 litb StVO.

Der Bestimmung des §54 Abs1 StVO ist immanent, dass eine Zusatztafel nur für jene Verkehrszeichen gilt, unter denen sie angebracht ist. Somit wurde die gegenständliche Zusatztafel mit der Längenangabe nicht für das Verkehrszeichen 'Überholen verboten' kundgemacht, für welches sie verordnet wurde. Die Kundmachung des Überholverbotes ist daher zwar existent, jedoch bis zur Behebung des Mangels mit Gesetzwidrigkeit behaftet.

[…]"

(Zitat ohne die im Original enthaltenen Hervorhebungen)

3. Die Bezirkshauptmannschaft Zell am See legte den Bezug habenden Verordnungsakt vor und teilte mit, dass "bereits eine Überarbeitung der derzeitigen straßenpolizeilichen Verordnung für den bezughabenden Straßenbereich im Gange" sei.

4. Der Beschwerdeführer vor dem antragstellenden Gericht schließt sich den Ausführungen des antragstellenden Gerichtes an. Ergänzend führt der Beschwerdeführer vor dem antragstellenden Gericht aus, dass gemäß der angefochtenen Verordnung eine Zusatztafel mit der Aufschrift "4,1 km" anzubringen sei, ausweislich der vorliegenden Fotodokumentation jedoch eine Zusatztafel mit der Aufschrift "4,2 km" angebracht sei. Daher liege eine gesetzwidrige Kundmachung der angefochtenen Verordnung vor.

5. Die Salzburger Landesregierung erstattete keine Äußerung.

IV. Erwägungen

1. Zur Zulässigkeit

1.1. Der Verfassungsgerichtshof vertritt zu Art89 Abs1 B-VG beginnend mit dem Erkenntnis VfSlg 20.182/2017 die Auffassung, dass eine "gehörig kundge-machte" generelle Norm – also eine an einen unbestimmten, externen Personenkreis adressierte, verbindliche Anordnung von Staatsorganen – bereits dann vorliegt, wenn eine solche Norm ein Mindestmaß an Publizität und somit rechtliche Existenz erlangt (VfSlg 20.182/2017 mwN). Es ist nicht notwendig, dass die Kundmachung der Norm in der rechtlich vorgesehenen Weise erfolgt. Demnach haben auch Gerichte gesetzwidrig kundgemachte Verordnungen gemäß Art139 B-VG anzuwenden und diese, wenn sie Bedenken gegen ihre rechtmäßige Kund-machung haben, vor dem Verfassungsgerichtshof anzufechten. Bis zur Aufhebung durch den Verfassungsgerichtshof sind sie für jedermann verbindlich (vgl VfSlg 20.251/2018).

Die angefochtene Verordnung ist durch die – in einem Aktenvermerk festgehaltene – Anbringung der Verkehrszeichen am 18. August 2015 jedenfalls kundgemacht worden, sodass sie mit verbindlicher Wirkung für jedermann zustande gekommen ist und in Geltung steht.

1.2. Der Verfassungsgerichtshof ist nicht berechtigt, durch seine Präjudizialitätsentscheidung das antragstellende Gericht an eine bestimmte Rechtsauslegung zu binden, weil er damit indirekt der Entscheidung dieses Gerichtes in der Hauptsache vorgreifen würde. Gemäß der ständigen Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes darf daher ein Antrag iSd Art139 Abs1 Z1 B-VG bzw des Art140 Abs1 Z1 lita B-VG nur dann wegen mangelnder Präjudizialität zurückgewiesen werden, wenn es offenkundig unrichtig (denkunmöglich) ist, dass die – angefochtene – generelle Norm eine Voraussetzung der Entscheidung des antragstellenden Gerichtes im Anlassfall bildet (vgl etwa VfSlg 10.640/1985, 12.189/1989, 15.237/1998, 16.245/2001 und 16.927/2003).

Dem Beschwerdeführer vor dem antragstellenden Gericht wird zur Last gelegt, das mit der angefochtenen Verordnungsbestimmung verordnete Überholverbot mehrspuriger Kraftfahrzeuge überschritten zu haben. Daher ist es offenkundig, dass das antragstellende Gericht die angefochtene Verordnungsbestimmung anzuwenden hat.

1.3. Da auch die übrigen Prozessvoraussetzungen vorliegen, erweist sich der Antrag des Landesverwaltungsgerichtes Salzburg als zulässig.

2. In der Sache

2.1. Der Verfassungsgerichtshof ist in einem auf Antrag eingeleiteten Verfahren zur Prüfung der Gesetzmäßigkeit einer Verordnung gemäß Art139 B-VG auf die Erörterung der geltend gemachten Bedenken beschränkt (vgl VfSlg 11.580/1987, 14.044/1995, 16.674/2002). Er hat sohin ausschließlich zu beurteilen, ob die angefochtene Verordnung aus den in der Begründung des Antrages dargelegten Gründen gesetzwidrig ist (VfSlg 15.644/1999, 17.222/2004).

2.2. Das antragstellende Gericht behauptet, die angefochtene Verordnungsbestimmung sei nicht ordnungsgemäß kundgemacht, weil die Zusatztafel gemäß §54 Abs5 litb StVO 1960 mit der Angabe der Länge der Straßenstrecke, für die das Überholverbot gelte, auf keinem der aufgestellten Verkehrszeichen "Überholen verboten" angebracht sei.

Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes liege eine gesetzwidrige Kundmachung vor, wenn die – im Falle einer Geschwindigkeitsbeschränkung – gemäß §54 Abs5 litb StVO 1960 erforderliche Zusatztafel an allen die Geschwindigkeitsbeschränkung anzeigenden Vorschriftszeichen sowie an deren Wiederholungszeichen fehle (VwGH 20.11.2015, 2013/02/0014). Die Verordnung sehe die Anbringung einer Zusatztafel unter den Vorschriftszeichen "Überholen verboten" vor. Der Bestimmung des §54 Abs1 StVO 1960 sei immanent, dass eine Zusatztafel nur für jene Verkehrszeichen gelte, unter denen sie angebracht sei. Somit sei die Zusatztafel mit der Längenangabe nicht für das Verkehrszeichen "Überholen verboten", für welches es verordnet worden sei, kundgemacht worden. Daher entspreche die Kundmachung der Verordnung nicht der Bestimmung des §54 Abs1 StVO 1960 und sei wegen gesetzwidriger Kundmachung aufzuheben.

2.3. Der Antrag ist begründet.

2.4. Gemäß §44 Abs1 StVO 1960 sind die in §43 StVO 1960 bezeichneten Verordnungen, sofern sich aus den folgenden Absätzen nichts anderes ergibt, durch Straßenverkehrszeichen oder Bodenmarkierungen kundzumachen und treten mit deren Anbringung in Kraft (vgl VfSlg 18.710/2009, 19.409/2011, 19.410/2011).

2.5. Gemäß §51 Abs1 letzter Satz StVO 1960 ist bei den betreffenden Vorschriftszeichen die Länge der Strecke mit einer Zusatztafel nach §54 Abs5 litb StVO 1960 anzugeben, wenn es die Verkehrssicherheit erfordert und ein Überholverbot oder eine Geschwindigkeitsbeschränkung für eine Straßenstrecke von mehr als 1 km gilt.

2.6. Die angefochtene Verordnung sieht vor, dass unter den Verbotszeichen "Überholen verboten" die verbleibende Länge des Überholverbotes mit einer Zusatztafel anzugeben ist. Aus dieser Anordnung folgt, dass die entsprechenden Zusatztafeln aus Gründen der Verkehrssicherheit anzubringen sind (vgl VwGH 20.11.2015, 2013/02/0014). Die Zusatztafeln wären daher im vorliegenden Fall gemäß §51 Abs1 letzter Satz StVO 1960 anzubringen gewesen.

2.7. Das Fehlen der Zusatztafeln bewirkt aus diesen Gründen wegen eines Verstoßes gegen §51 Abs1 letzter Satz StVO 1960 die nicht ordnungsgemäße Kundmachung des angefochtenen Teiles der Verordnung der Bezirkshauptmannschaft Zell am See.

V. Ergebnis

1. Punkt A 1. der Verordnung der Bezirkshauptmannschaft Zell am See vom 13. August 2015, Z30606-634/1/5-2015, wird wegen nicht ordnungsgemäßer Kundmachung als gesetzwidrig aufgehoben.

2. Die Verpflichtung der Salzburger Landesregierung zur unverzüglichen Kundmachung der Aufhebung erfließt aus Art139 Abs5 erster Satz B-VG und §59 Abs2 VfGG iVm §2 Abs1 liti Salzburger Landes-Verlautbarungsgesetz.

3. Diese Entscheidung konnte gemäß §19 Abs4 VfGG ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung getroffen werden.

Schlagworte

Straßenpolizei, Verordnung Kundmachung, Überholen, Straßenverkehrszeichen

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:2020:V100.2019

Zuletzt aktualisiert am

21.03.2022
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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