RS Vfgh 2020/2/27 E3349/2019

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Veröffentlicht am 27.02.2020
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Index

41/02 Staatsbürgerschaft, Pass- und Melderecht, Fremdenrecht, Asylrecht

Norm

BVG-Rassendiskriminierung ArtI Abs1
AsylG 2005 §3, §8, §10, §57
FremdenpolizeiG 2005 §46, §52, §55
VfGG §7 Abs2

Leitsatz

Verletzung im Recht auf Gleichbehandlung von Fremden untereinander durch Abweisung eines Antrags auf internationalen Schutz betreffend einen bengalischen Staatsangehörigen; mangelhafte Auseinandersetzung mit dem Fluchtvorbringen und dem Alphabetisierungsgrad des Beschwerdeführers sowie Widerspruch der Wertung der Homosexualität mit den Länderfeststellungen und der Judikatur

Rechtssatz

Das BVwG hält im angefochtenen Erkenntnis fest, dass der Beschwerdeführer "intensiv" zu seiner vorgebrachten Homosexualität befragt worden sei. Aus der Niederschrift der mündlichen Verhandlung ergeben sich dazu allerdings nur wenige Aussagen des Beschwerdeführers, die zudem bloß über Befragen durch seine Rechtsvertretung zustande gekommen sind, ohne dass der erkennende Richter dem Beschwerdeführer eine einzige Frage zu seiner behaupteten Homosexualität gestellt hätte. Das BVwG hat dadurch die Ermittlungstätigkeit in einem entscheidenden Punkt unterlassen, was Willkür bedeutet.

Das BVwG zählt eine Reihe von Widersprüchen und Unvollständigkeiten im - unvollständig erhobenen - Fluchtvorbringen des Beschwerdeführers auf. Zugleich hält es fest, dass der Beschwerdeführer Analphabet sei. Das BVwG würdigt in der Folge aber mit keinem Wort, dass der Beschwerdeführer als Analphabet, der in seinem Leben bloß ein Jahr lang eine Schule besucht hat, nicht am selben Maßstab wie ein des Lesens fähiger Mensch gemessen werden kann, was beispielsweise das Wissen um und die Erinnerung an Daten oder Aufschriften anbelangt. Dies betrifft insbesondere die vom BVwG - im Übrigen aktenwidrige - Beweiswürdigung, wonach der Beschwerdeführer den Namen der Firma, bei der er gearbeitet habe, nicht habe nennen können, sowie den Namen des Vereinslokals, in welchem er Feiern besucht, später auch Unterstützungsleistungen in Anspruch genommen habe, und den Zeitraum, in dem dies passiert sei. Das BVwG hat in diesem Zusammenhang sohin den konkreten Sachverhalt außer Acht gelassen.

Die vom BVwG vorgenommene Wahrunterstellung, wonach selbst bei Zutreffen des Vorbringens des Beschwerdeführers zu seiner Homosexualität eine solche in Bezug auf den Herkunftsstaat Bangladesch keinen Fluchtgrund darstelle, steht im Widerspruch zu den angezogenen Länderberichten und dessen eigener Rsp.

Entscheidungstexte

Schlagworte

Asylrecht, Entscheidungsbegründung, Ermittlungsverfahren, Rückkehrentscheidung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:2020:E3349.2019

Zuletzt aktualisiert am

27.05.2020
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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