TE Vwgh Erkenntnis 1975/6/25 0926/75

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Veröffentlicht am 25.06.1975
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Index

Abgabenverfahren

Norm

BAO §112 Abs2
BAO §212 Abs1

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dkfm. DDr. Dorazil und die Hofräte Dr. Riedel, Dr. Schima, Dr. Reichel und Dr. Seiler als Richter, im Beisein des Schriftführers Finanzkommissär Dr. Schwärzler, über die Beschwerde des Dr. WV in W, gegen die Berufungsentscheidung der Finanzlandesdirektion für Wien, Niederösterreich und Burgenland vom 30. 4. 1975 GA 11-522/3/75, betreffend Versagung der Stundung bezüglich einer verhängten Ordnungsstrafe, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Begründung

Wie sich aus der vorliegenden Beschwerde im Zusammenhang mit der beiliegenden Kopie der angefochtenen Berufungsentscheidung der FLD für Wien, NÖ und Bgld vom 30. 4. 1975 ergibt, stellte der Beschwerdeführer am 11. 2. 1975 beim FA für Gebühren und Verkehrsteuern in W den Antrag, daß eine über ihn verhängte Ordnungsstrafe in der Höhe von S 500,-- bis zur rechtskräftigen Erledigung aller erhobenen Lohnsteuer-Rückzahlungsanträge, längstens jedoch bis zum 31. 12. 1985, gestundet werde. Als Begründung führte der Beschwerdeführer in diesem Antrag im wesentlichen aus, daß er hohe Lohnsteuer-Erstattungsbeträge erwarte, die ihm jedoch von den Abgabenbehörden einfach vorenthalten würden. Es stelle eine erhebliche Härte dar, wenn man einerseits vom Beschwerdeführer die sofortige Bezahlung der Ordnungsstrafe verlange, ihm aber andererseits die Verrechnungsmöglichkeit mit seinen Lohnsteuer-Erstattungsbeträgen dadurch nehme, daß man über diese Lohnsteuer-Rückzahlungsanträge einfach Monate lang nicht abspreche. Dadurch erleide der Beschwerdeführer auch Zinsen- und Liquiditätsverluste.

Mit Bescheid vom 14. 2. 1975 wies das zuständige FA das Stundungsansuchen ab.

Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer fristgerecht Berufung. In seinem Rechtsmittel verwies der Beschwerdeführer zwecks Verdeutlichung der erhobenen Lohnsteuer-Erstattungsansprüche auf ca 20 Klagen und Beschwerden bei den Höchstgerichten und nahm auch auf ein am 4. 3. 1975 eingebrachtes Stundungsansuchen Bezug. In diesem Ansuchen hatte der Beschwerdeführer ausgeführt, er habe bereits einen Kredit aufnehmen müssen, um die bescheidmäßig vorgeschriebenen Gebühren sowie die Prozeßkosten entrichten bzw bevorschussen zu können, sodaß eine nochmalige Kreditaufnahme zur Bezahlung einer völlig willkürlichen und gesetzwidrig vorgeschriebenen Ordnungsstrafe ihm nicht mehr zugemutet werden könne und er zur Zeit völlig überschuldet sei.

Mit der nunmehr durch Beschwerde an den VwGH angefochtenen Berufungsentscheidung vom 30. 4. 1975 hat die FLD für Wien, NÖ und Bgld die Berufung als unbegründet abgewiesen. Den Rechtsmittelausführungen des Beschwerdeführers hat die Abgabenbehörde II. Instanz folgendes entgegengehalten:

Auf einen diesbezüglichen im Rahmen des Rechtsmittelverfahrens erlassenen Vorhalt habe der Beschwerdeführer mitgeteilt, daß er im Zug seiner Übersiedlung Adaptierungsarbeiten in seiner neuen Wohnung habe durchführen lassen müssen, die sich auf S 100.000,-- beliefen und die er mit Hilfe von Krediten habe bewerkstelligen müssen. Diese Kredite setzten sieh wie folgt zusammen:

1) Möbelhaus B.: gewährter Kredit S 28.930,--, monatliche Rückzahlung S 1.000,--,

2) C...-Bankverein: gewährter Kredit S 40.000,--, monatliche Rückzahlung S 1.290,--,

3) A...-Automobil- und Warenkredit-Bank: Gewährter Kredit

S 20.000,--, monatliche Rückzahlung 695,--,

4) Erste Ö...Sparkasse: Rahmenkredit auf Grund eines Gehaltskontos,

wobei die Möglichkeit bestehe, das Konto bis zu S 21.000,-- zu überziehen.

Weiters habe der Beschwerdeführer angegeben, daß die Verbindlichkeiten gegenüber der zuletzt genannten Sparkasse S 6.822,-- betragen und daß er wegen der gesetzwidrigen Beschlagnahme von Teilen seines Arbeitslohnes Beschwerden und Klagen bei Höchstgerichten habe einbringen müssen, die immense Kosten verursachen würden. Seinen monatlichen Nettobezug habe der Beschwerdeführer mit durchschnittlich S 8.600,-- angegeben.

Dieses Vorbringen sei nun nach Ansicht der Berufungsbehörde nicht geeignet, dem Stundungsbegehren zum Erfolg zu verhelfen.

Wie der Beschwerdeführer selbst ausführe, habe er ein durchschnittliches Monatseinkommen von S 8.600,--. Bringe man von diesem Betrag die angerührten Rückzahlungen von insgesamt S 2.985,-

- in Abzug und berücksichtige man weiters, daß die Rückzahlung der Schuld gegenüber der Ersten Ö... Sparkasse zeitlich nicht begrenzt sei, so verblieben dem Beschwerdeführer monatlich mehr als S 5.500,--. Die Bezahlung der Ordnungsstrafe in der Höhe von S 500,-- könne ihm daher ohne weiteres zugemutet werden.

Der Einwand, es handle sich bei der Ordnungsstrafe um eine gesetzwidrige Vorschreibung, habe sich im durchgeführten Rechtsmittelverfahren als unzutreffend erwiesen und es sei dieser Einwand unbeachtlich. Abgesehen davon bilde die gesetzwidrige Vorschreibung einer Abgabe für sich allein keinen Grund für eine zu gewährende Stundung. Unbeachtet habe auch das Vorbringen bleiben müssen, daß der Beschwerdeführer Lohnsteuer-Erstattungsbeträge erwarte und die Ordnungsstrafe mit diesem Guthaben verrechnet werden könne, da einerseits dieses Vorbringen mangels diesbezüglicher Beweise als bloße Behauptung angesehen werden müsse und anderseits die Nichtgewährung einer Verrechnungsart für eine Ordnungsstrafe in der Höhe von S 500,-- infolge des geringen Betrags keine erhebliche Härte darstelle. Aus dem gleichen Grund habe auch der behauptete Zinsen- und Liquiditätsverlust außer Betracht bleiben müssen.

Zu den Ausführungen des Beschwerdeführers, durch die Prozesse vor den Höchstgerichten habe er immense Kosten, werde bemerkt, daß dem Beschwerdeführer ausreichend Gelegenheit gegeben worden sei, seine Behauptungen unter Beweis zu stellen, daß er aber jeden Beweis dafür schuldig geblieben sei.

Die Abgabenbehörde II. Instanz habe daher auf Grund des vom Beschwerdeführer aufgezeigten Sachverhalts nicht finden können, daß in der Entrichtung der Ordnungsstrafe eine erhebliche Härte iS des § 212 Abs 1 der Bundesabgabenordnung vom 28. 6. 1961 BGBl 194 (BAO) liege. Fehle es aber an einer erheblichen Härte, liege ein für die Stundung erforderliches Tatbestandsmerkmal nicht vor und es könne auch eine Ermessensentscheidung nach der zuletzt genannten Gesetzesstelle nicht gefällt werden.

Gegen diese Berufungsentscheidung der FLD für Wien, NÖ und Bgld vom 30. 4. 1975 richtet sich die vorliegende, wegen Rechtswidrigkeit des Inhalts und wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften erhobene Beschwerde, über die der VwGH erwogen hat:

Gem § 212 Abs 1 BAO kann die Abgabenbehörde auf Ansuchen des Abgabepflichtigen den Zeitpunkt der Entrichtung einer Abgabe hinausschieben (Stundung) oder die Entrichtung in Raten bewilligen, wenn die sofortige oder volle Entrichtung der Abgabe für den Abgabepflichtigen mit erheblichen Härten verbunden wäre und die Einbringlichkeit der Abgabe durch den Aufschub nicht gefährdet wird.

Die über den Beschwerdeführer gem § 112 Abs 2 BAO verhängte Ordnungsstrafe ist zufolge § 3 Abs 1 und Abs 2 lit c BAO als Abgabe zu qualifizieren.

Der Beschwerdeführer legt der belangten Behörde in seiner Beschwerde zunächst aktenwidrige Sachverhaltsfeststellungen zur Last. Das Nettomonatseinkommen des Beschwerdeführers betrage keineswegs S 8.600,--, da von diesem Betrag monatlich S 1.500,-- als Lohnsteuer "beschlagnahmt" würden. Die oberflächlicher Lektüre der vorgelegten Kontoauszüge hätte die belangte Behörde erkennen müssen, daß die Durchschnittsmonatsbezüge S 7.100,-- betragen. Es verblieben daher dem Beschwerdeführer nicht über S 5.500,-- monatlich, sondern lediglich S 4.100,--. Weiters habe die belangte Behörde unberücksichtigt gelassen, daß der Beschwerdeführer hohe Lohnsteuer-Erstattungsbeträge zu erwarten habe. Diese Tatsache sei auch bei der zuständigen Geschäftsabteilung 5 der belangten Behörde aktenkundig. Wenn die belangte Behörde die Ordnungsstrafe als geringen Betrag von nur S 500,-- bezeichne, so verkenne sie die Rechtslage. Eine erhebliche Härte könne nicht bloß bei der Einbringung hoher Abgabenbeträge eintreten, vielmehr liege eine erhebliche Härte stets dann vor, wenn die Einbringung einer selbst geringfügigen Abgabe in keinem wirtschaftlich vertretbaren Verhältnis zu jenen Nachteilen stehe, die sich daraus für die Abgabepflichtigen ergeben würden. Diesbezüglich nahm der Beschwerdeführer auch auf einschlägige Erkenntnisse des VwGH Bezug. Durch das Vorgehen der Abgabenbehörde würde dem Beschwerdeführer ein erheblicher Zinsen- und Liquiditätsverlust verursacht. Die Finanzbehörden würden durch gesetzwidrige Verschleppung des Abgaben-Lohnsteuer-Erstattungsverfahrens die gesetzlich vorgesehene Verrechnungsmöglichkeit von Abgabenschuldigkeiten mit Abgabenguthaben hintertreiben. Trotz des äußerst geringen Zinsen- und Liquiditätsverlustes sei daher in der sofortigen Entrichtung der Ordnungsstrafe von S 500,-- sehr wohl eine erhebliche Härte gelegen.

Diese Darlegung vermögen der vorliegenden Beschwerde nicht zu dem gewünschten Erfolg zu verhelfen.

Voraussetzung dafür, daß die Abgabenbehörde im Rahmen des ihr vom Gesetzgeber eingeräumten Ermessens über einen vorliegenden Stundungsantrag entscheiden kann, ist das Vorliegen einer "erheblichen Härte". Dies ist jedenfalls dann anzunehmen, wenn der Zahlungspflichtige seine Notlage oder finanzielle Bedrängnis nachweist. In seinem Erk vom 12. 7. 1967, 612/67 - an Art 14 Abs 4 der hg GO BGBl 1965/45 sei erinnert -, ergangen zu § 9 Abs 2 des Gerichtlichen Einbringungsgesetzes BGBl 1962/288 mit einem von § 212 Abs 1 BAO etwas abweichenden Wortlaut - hat der GH seiner Meinung Ausdruck gegeben, die Einbringung von Gebühren und Kosten sei dann nicht mit einer besonderen Härte verbunden, wenn der notdürftige Unterhalt nicht gefährdet werde. Die Lehre hat das Vorliegen einer Notlage oder finanziellen Bedrängnis nicht als alleinigen möglichen Anwendungsfall für das Vorliegen einer erheblichen Härte qualifiziert. Dieses Tatbestandsmerkmal verlange keineswegs Unmöglichkeit der Zahlung oder Gefährdung der wirtschaftlichen Existenz des Abgabenschuldners, es werde vielmehr - so Stoll, Ermessen im Steuerrecht, Verhandlungen des 4. Österreichischen Juristentages, Wien 1970, Bd I, 2. Teil, Gutachten 150 - schon dann als erfüllt anzunehmen sein, wenn die pünktliche Zahlung, gemessen an der Vermögens- und Ertragslage, an den bestehenden Verpflichtungen, insbesondere den Unterhaltsberechtigten gegenüber, und im Hinblick auf die sonst bestehenden Verbindlichkeiten, ferner im Hinblick auf das berechtigte und anzuerkennende Interesse des Antragstellers an der Erhaltung und am Bestand der ihm zur Verfügung stehenden Erwerbsquellen nicht zumutbar sei.

Mag man nun den Begriff der erheblichen Härte iS der eben zit. Lehrmeinung weiter auslegen oder einer eher engeren Auslegung den Vorzug geben, so folgt daraus auf jeden Fall, daß die zwangsweise Einbringung einer Ordnungsstrafe von S 500,-- in Anbetracht der Einkommensverhältnisse des Beschwerdeführers für diesen keine erhebliche Härte darstellt, uzw selbst dann nicht, wenn die belangte Behörde den dem Beschwerdeführer monatlich frei verbleibenden Nettobetrag tatsächlich zu hoch angesetzt haben sollte. Zufolge des BG vom 11. 7. 1962 BGBl 216 über das Dienstverhältnis der Hochschulassistenten, wissenschaftlichen Hilfskräfte, Demonstratoren und Vertragsassistenten gebührt dem Beschwerdeführer - der gerichtsbekanntermaßen unter dieses Gesetz fällt - neben dem Monatsentgelt für jedes Kalendervierteljahr eine Sonderzahlung in der Höhe von 50 vH des Monatsentgelts. Diesen Umstand hat der Beschwerdeführer in seinen Ausführungen vollkommen außer Betracht gelassen. Demnach ist bei der gegebenen Sachlage die über den Beschwerdeführer verhängte Ordnungsstrafe von S 500,--

keineswegs so hoch, daß ihre Einbringung für den Beschwerdeführer eine erhebliche Härte bedeuten würde und deshalb für ihn nicht zumutbar wäre.

Da schon der Inhalt der vorliegenden Beschwerde erkennen ließ, daß die vom Beschwerdeführer behauptete Rechtsverletzung nicht vorliegt, war die Beschwerde gem § 35 Abs 1 VwGG 1965 ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung als unbegründet abzuweisen.

Wien, am 25. Juni 1975

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1975:1975000926.X00

Im RIS seit

26.05.2020

Zuletzt aktualisiert am

26.05.2020
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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