TE Vwgh Erkenntnis 1998/3/26 97/11/0145

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 26.03.1998
beobachten
merken

Index

90/02 Kraftfahrgesetz;

Norm

KFG 1967 §66 Abs2 liti;
KFG 1967 §74 Abs1;
KFG 1967 §75 Abs2;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Leukauf und die Hofräte Dr. Waldner und Dr. Graf als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Lenhart, über die Beschwerde des J in H, vertreten durch Dr. Wolfgang Poleschinski, Rechtsanwalt in Hartberg, R.-Obendrauf-Straße 9, gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Steiermark vom 29. April 1997, Zl. 11 - 39 Le 16 - 1997, betreffend vorübergehende Entziehung der Lenkerberechtigung und Aufforderung nach § 75 Abs. 2 KFG 1967, beschlossen und zu Recht erkannt:

Spruch

1. Soweit sich die Beschwerde gegen die auf § 75 Abs. 2 KFG 1967 gestützte Aufforderung zur amtsärztlichen Untersuchung richtet, wird sie zurückgewiesen.

2. Im übrigen wird die Beschwerde als unbegründet abgewiesen.

3. Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 4.565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Bescheid der Erstbehörde vom 18. März 1997 wurde dem Beschwerdeführer gemäß § 74 Abs. 1 KFG 1967 die Lenkerberechtigung für Kraftfahrzeuge der Gruppen A bis G vorübergehend für die Dauer von zwei Wochen, gerechnet ab Zustellung des Bescheides, entzogen. Weiters wurde der Beschwerdeführer gemäß 75 Abs. 2 KFG 1967 aufgefordert, sich vor Wiederausfolgung des Führerscheines einer amtsärztlichen Untersuchung zu unterziehen. Gemäß § 64 Abs. 2 AVG wurde einer allfälligen Berufung gegen diesen Bescheid die aufschiebende Wirkung aberkannt.

Dem Bescheid lag zugrunde, daß der Beschwerdeführer mit rechtskräftiger Strafverfügung der Bezirkshauptmannschaft Zell am See vom 10. Dezember 1996 wegen Übertretung des § 20 Abs. 2 StVO 1960 bestraft worden sei, weil er am 10. September 1996 mit dem von ihm gelenkten Pkw die zulässige Höchstgeschwindigkeit im Ortsgebiet um 43 km/h überschritten habe. Der Beschwerdeführer weise ferner vier weitere rechtskräftige Bestrafungen wegen Geschwindigkeitsüberschreitungen auf.

Dieser Bescheid wurde dem Beschwerdeführer am 1. April 1997 zugestellt. Am selben Tag unterzog er sich der amtsärztlichen Untersuchung.

In der Berufung vom 14. April 1997 machte der Beschwerdeführer geltend, gemäß § 31 Abs. 1 VStG sei Verfolgungsverjährung eingetreten, weil ihm der erstinstanzliche Bescheid erst Anfang April zugestellt worden sei, die zugrunde liegende Tat aber bereits am 10. September 1996 begangen worden sei.

Am 16. April 1997 wurde einer Bevollmächtigten des Beschwerdeführers der Führerschein wieder ausgefolgt.

Mit dem angefochtenen Bescheid wurde die Berufung als unbegründet abgewiesen. In der Begründung dieses Bescheides verwies die belangte Behörde zunächst auf die Begründung des Erstbescheides und führte aus, "daß für die Maßnahme der Entziehung der Lenkerberechtigung grundsätzlich eine rechtskräftige Entscheidung vorliegen muß", die nach der Aktenlage von der Bezirkshauptmannschaft Zell am See erlassen worden sei. Der in der Berufung enthaltene Hinweis auf § 31 VStG gehe ins Leere, weil es sich beim Verfahren zur Entziehung der Lenkerberechtigung um kein Verwaltungsstrafverfahren handle.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde mit dem Antrag auf kostenpflichtige Aufhebung des angefochtenen Bescheides wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes oder wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften.

Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt und beantragt in ihrer Gegenschrift die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde.

Soweit sich die Beschwerde gegen die Aufforderung zur amtsärztlichen Untersuchung richtet, ist sie mangels Berechtigung zu ihrer Erhebung unzulässig. Da der Beschwerdeführer der Aufforderung am 1. April 1997 Folge geleistet hat, konnte die einzige im Falle ihrer Nichtbefolgung in Frage kommende Konsequenz, nämlich die Entziehung der Lenkerberechtigung nach § 75 Abs. 2 KFG 1967, rechtens nicht mehr eintreten. Eine Verletzung von Rechten des Beschwerdeführers durch die genannte bescheidmäßige Aufforderung ist - unabhängig davon, ob sie rechtswidrig ergangen ist oder nicht - seit ihrer Befolgung ausgeschlossen (siehe dazu u.a. die hg. Beschlüsse vom 26. Juni 1990, Zl. 89/11/0256, und vom 21. September 1990, Zl. 90/11/0091). Da somit im Zeitpunkt der Erhebung der Beschwerde keine Rechtsverletzungsmöglichkeit mehr bestand, war die vorliegende Beschwerde, soweit sie sich gegen die Aufforderung zur amtsärztlichen Untersuchung richtet, gemäß § 34 Abs. 1 und 3 VwGG in nichtöffentlicher Sitzung zurückzuweisen.

Im übrigen hat der Verwaltungsgerichtshof über die Beschwerde in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:

Gemäß § 66 Abs. 2 lit. i KFG 1967 liegt eine bestimmte Tatsache im Sinne des Abs. 1 u.a. dann vor, wenn jemand im Ortsgebiet die jeweils zulässige Höchstgeschwindigkeit um mehr als 40 km/h überschritten hat und die Überschreitung mit einem technischen Hilfsmittel festgestellt wurde. Gemäß § 73 Abs. 3 letzter Halbsatz leg. cit. darf eine Entziehung der Lenkerberechtigung aufgrund des § 66 Abs. 2 lit. i erst ausgesprochen werden, wenn das Strafverfahren wegen der Geschwindigkeitsüberschreitung in erster Instanz durch Strafbescheid abgeschlossen ist.

Aus diesen Vorschriften ergibt sich, daß die Überschreitung der Geschwindigkeit im genannten Ausmaß eine bestimmte Tatsache gemäß § 66 Abs. 2 lit. i KFG darstellt und nicht die deshalb erfolgte rechtskräftige Bestrafung und daß diese - im Gegensatz zur Auffassung der Parteien des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens - auch nicht Voraussetzung für die Zulässigkeit der Entziehung der Lenkerberechtigung ist. Die vorliegende Beschwerde bekämpft nicht die Richtigkeit der dem angefochtenen Bescheid zugrunde liegenden Annahme, der Beschwerdeführer habe am 10. September 1996 im Ortsgebiet die zulässige Höchstgeschwindigkeit von 50 km/h um mehr als 40 km/h überschritten. Er verantwortete sich gegenüber den Gendarmeriebeamten, die die Messung mit einem Lasergerät durchgeführt hatten, damit, daß er die Ortstafel übersehen habe. Nach der Aktenlage wurde ihm die Strafverfügung der Bezirkshauptmannschaft Zell am See vom 10. Dezember 1996 zunächst durch postamtliche Hinterlegung am 19. Dezember 1996 zugestellt. Die betreffende Sendung wurde nach Ablauf der Abholfrist vom Postamt an die Bezirkshauptmannschaft Zell am See zurückgeschickt. Aufgrund einer am 14. Februar 1997 bei der Bezirkshauptmannschaft Zell am See eingelangten Eingabe des Beschwerdeführers, in der er Ortsabwesenheit behauptete, wurde ihm die Strafverfügung neuerlich durch Hinterlegung am 20. Februar 1997 zugestellt. Im Hinblick auf diese Aktenlage und den Umstand, daß der Beschwerdeführer im Verwaltungsverfahren trotz ausdrücklichen Hinweises auf die "rechtskräftige Strafverfügung" im erstinstanzlichen Bescheid nicht behauptet hat, das Strafverfahren sei in erster Instanz noch nicht abgeschlossen, bestand für die belangte Behörde kein Grund, die Zulässigkeit der Entziehung im Hinblick auf § 73 Abs. 3 letzter Halbsatz KFG 1967 in Zweifel zu ziehen. Die in der vorliegenden Beschwerde ohne nähere Konkretisierung der jeweiligen Dauer der Ortsabwesenheiten aufgestellte Behauptung, die Strafverfügung der Bezirkshauptmannschaft Zell am See vom 10. Dezember 1996 sei nie zugestellt worden, erweist sich demzufolge als unzulässige Neuerung.

Der Beschwerdeführer vertritt auch in der vorliegenden Beschwerde die Rechtsansicht, § 31 VStG sei "selbstverständlich auch auf ein Verfahren auf Entzug der Lenkerberechtigung anzuwenden", bleibt aber eine nachvollziehbare Begründung dafür schuldig. Beim Verfahren zur Entziehung der Lenkerberechtigung handelt es sich nicht um ein Verwaltungsstrafverfahren, sondern um ein Administrativverfahren, sodaß der zu den Allgemeinen Bestimmungen über das Verwaltungsstrafverfahren (II. Teil 1. Abschnitt VStG) gehörende § 31 VStG im vorliegenden Beschwerdefall keine Anwendung finden konnte. Unter welchen Voraussetzungen strafbare Handlungen infolge Zeitablaufes nicht mehr als bestimmte Tatsachen im Sinne des § 66 Abs. 1 KFG 1967 gelten, regelt § 66 Abs. 3 lit. a und b leg. cit. Die dort beschriebenen Voraussetzungen sind im vorliegenden Fall jedoch nicht erfüllt.

Im Gegensatz zur Auffassung des Beschwerdeführers bedurfte es für die von der belangten Behörde verfügte vorübergehende Entziehung der Lenkerberechtigung für die Dauer von zwei Wochen nicht der Beischaffung der Vorakten, weil diese Maßnahme schon aufgrund der vom Beschwerdeführer am 10. September 1996 begangenen Geschwindigkeitsüberschreitung zu Recht erfolgt ist und es einer Wertung dieser bestimmten Tatsache, in deren Rahmen das Vorleben des Betreffenden von Bedeutung sein kann, nicht bedurfte (siehe dazu das hg. Erkenntnis vom 26. Juni 1997, Zl. 97/11/0119, mwN).

Aus den dargelegten Gründen war die Beschwerde, soweit sie sich gegen die vorübergehende Entziehung der Lenkerberechtigung richtet, gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1998:1997110145.X00

Im RIS seit

19.03.2001
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten