TE Bvwg Erkenntnis 2019/12/20 W187 2193397-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 20.12.2019
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Entscheidungsdatum

20.12.2019

Norm

AsylG 2005 §3
AsylG 2005 §54
AsylG 2005 §55
AsylG 2005 §57
AsylG 2005 §58
AsylG 2005 §8
BFA-VG §9
B-VG Art. 133 Abs4

Spruch

W187 2193404-1/11E

W187 2193397-1/12E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

I. Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch den Richter Mag. Hubert REISNER als Einzelrichter über die Beschwerde von XXXX , geboren am XXXX , Staatsangehörigkeit Afghanistan, vertreten durch MigrantInnenverein St. Marx, gegen den Bescheid des Bundesamts für Fremdenwesen und Asyl vom XXXX , XXXX , nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am XXXX zu Recht:

A)

Der Beschwerde wird stattgegeben und XXXX gemäß § 3 Abs 1 AsylG 2005 der Status der Asylberechtigten zuerkannt. Gemäß § 3 Abs 5 AsylG 2005 wird festgestellt, dass XXXX damit kraft Gesetzes die Flüchtlingseigenschaft zukommt.

B)

Die Revision ist gemäß Art 133 Abs 4 B-VG nicht zulässig.

II. Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch den Richter Mag. Hubert REISNER als Einzelrichter über die Beschwerde von XXXX , geboren am XXXX , Staatsangehörigkeit Afghanistan, vertreten durch MigrantInnenverein St. Marx, gegen den Bescheid des Bundesamts für Fremdenwesen und Asyl vom XXXX , XXXX , nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am XXXX zu Recht:

A)

1. Die Beschwerde gegen die Spruchpunkte I. bis III. des angefochtenen Bescheides wird gemäß § 28 Abs 2 VwGVG iVm §§ 3 Abs 1, 8 Abs 1 und 57 AsylG 2005 als unbegründet abgewiesen.

2. Der Beschwerde gegen Spruchpunkt IV. des angefochtenen Bescheides wird gemäß § 28 Abs 2 VwGVG stattgegeben und festgestellt, dass gemäß § 9 BFA-VG eine Rückkehrentscheidung auf Dauer unzulässig ist.

3. Dem Beschwerdeführer wird gemäß § 54 Abs 1 Z 1, § 58 Abs 2 iVm § 55 Abs 1 AsylG 2005 der Aufenthaltstitel "Aufenthaltsberechtigung plus" erteilt.

4. Die Spruchpunkte V. und VI. des angefochtenen Bescheides werden ersatzlos behoben.

B)

Die Revision ist gemäß Art 133 Abs 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE

I. Verfahrensgang

1. XXXX (in der Folge: Erstbeschwerdeführerin) und XXXX (in der Folge: Zweitbeschwerdeführer) reisten gemeinsam unter Umgehung der Einreisebestimmungen schlepperunterstützt in das österreichische Bundesgebiet ein, wo sie am XXXX ihren Antrag auf internationalen Schutz stellten.

2. Die Erstbeschwerdeführerin und der Zweitbeschwerdeführer wurden im Rahmen ihrer jeweiligen Erstbefragungen am XXXX durch Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes im Beisein einer Dolmetscherin für die Sprache Dari zu ihren Identitäten, ihrer Reiseroute und ihren Fluchtgründen einvernommen. Hier gab die Erstbeschwerdeführerin an, am XXXX im Iran geboren zu sein, der Volksgruppe der Hazara anzugehören sowie schiitische Moslemin zu sein. Als Beweggrund für die gemeinsame Ausreise führte sie an, sie habe im Iran eine außereheliche Beziehung mit dem Zweitbeschwerdeführer geführt und auch Geschlechtsverkehr gehabt. Die Familie des Zweitbeschwerdeführers habe oft um ihre Hand angehalten, aber ihr Vater habe nicht zugestimmt, dass sie den Zweitbeschwerdeführer heirate. Die Erstbeschwerdeführerin sei mit ihrem Cousin väterlicherseits zwangsverlobt worden. Hätte ihr Cousin herausgefunden, dass sie keine Jungfrau mehr sei, wären sie und der Zweitbeschwerdeführer getötet worden. Ihr Leben sei in Gefahr gewesen, deshalb hätten sie den Iran verlassen müssen. Bei einer Rückkehr in den Iran befürchte sie, getötet zu werden. Nach Afghanistan könne sie nicht, weil sie dort noch nie gewesen sei.

Der Zweitbeschwerdeführer gab an, am XXXX im Iran geboren zu sein. Zum Fluchtgrund führte er aus, dass er mit der Erstbeschwerdeführerin eine außereheliche Beziehung geführt habe. Seine Familie habe oft um ihre Hand angehalten, aber ihre Familie habe den Antrag abgelehnt. Die Familie der Erstbeschwerdeführerin habe diese mit jemand anderem zwangsverlobt. Hätte ihr zukünftiger Ehemann von der außerehelichen Beziehung erfahren, wären sie beide getötet worden. Aus diesem Grund hätten sie den Iran verlassen. Afghanistan würden sie nicht kennen, weshalb sie nicht nach Afghanistan gehen könnten. Bei einer Rückkehr in den Iran befürchte der Zweitbeschwerdeführer, getötet zu werden.

3. Mit Schreiben vom jeweils XXXX bevollmächtigten die Beschwerdeführer die Diakonie - Flüchtlingsdienst gemeinnützige GmbH mit ihrer Vertretung im Asylverfahren.

4. Am XXXX langte eine Vollmachtsbekanntgabe des MigrantInnenvereins St. Marx für die Beschwerdeführer bei der belangten Behörde ein.

5. Mit Schreiben vom XXXX übermittelten die Beschwerdeführer dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl eine Bestätigung des XXXX über den Besuch psychotherapeutischer Beratungsgespräche und ein Konvolut medizinischer Unterlagen betreffend erlittene Fehlgeburten der Erstbeschwerdeführerin sowie Integrationsunterlagen betreffend den Zweitbeschwerdeführer.

6. Die Beschwerdeführer wurden am XXXX vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl im Beisein einer Dolmetscherin für die Sprache Dari niederschriftlich zu ihrem Antrag auf internationalen Schutz einvernommen.

Die Erstbeschwerdeführerin gab hier zunächst an, dass ihr Geburtsdatum nicht richtig erfasst worden sei. Sie sei nicht am XXXX , sondern am XXXX geboren. In Österreich gehe sie alleine zum Arzt oder einkaufen. Zu Ihren Zukunftsvorstellungen gefragt, gab sie an, dass sie als Köchin arbeiten wolle. An Österreich gefalle ihr, dass Frauen und Männer die gleichen Rechte haben und Frauen nicht geschlagen werden. Sie wünsche sich, frei ohne Angst und Stress leben zu können. Die Eltern der Erstbeschwerdeführerin seien bereits vor 30 oder 40 Jahren aus Afghanistan ausgereist und in den Iran gegangen. Die Erstbeschwerdeführerin sei im Iran in XXXX geboren und aufgewachsen. Zu ihren Fluchtgründen gab sie im Wesentlichen zusammengefasst an, dass ihr Vater sehr streng sei und alles über sie bestimmt habe. Sie habe den Zweitbeschwerdeführer geliebt, aber ihre Familie sei nicht damit einverstanden gewesen, dass sie ihn heirate. Der Kontakt zum Zweitbeschwerdeführer sei dadurch entstanden, dass dieser sie lange verfolgt habe und mit ihr befreundet sein wollte. Aus Angst vor ihrer strengen Familie habe sie zunächst nicht mit ihm gesprochen. Er habe ihr jedoch gut gefallen, weshalb sie schließlich doch mit ihm geredet habe. Sie hätten sich nach und nach verabredet und sich bei einer U-Bahn-Station oder in einem Café getroffen. Der Zweitbeschwerdeführer sei Inhaber eines Schneidergeschäfts gewesen. Eines Tages habe er vorgeschlagen, dass sie sich in seinem Schneidergeschäft treffen können. Dort sei es erstmals zu sexuellem Kontakt gekommen, was im Islam vor der Hochzeit verboten sei. Der Zweitbeschwerdeführer habe seine Familie überreden können, bei ihrer Familie um ihre Hand anzuhalten. Als ihr Vater bei diesem Gespräch herausgefunden habe, dass die Erstbeschwerdeführerin und der Zweitbeschwerdeführer sich bereits kennen würden, sei er sehr zornig geworden und habe die Eltern des Zweitbeschwerdeführers aus dem Haus gewiesen. Die Erstbeschwerdeführerin sei daraufhin von ihrem Vater geschlagen worden, weil sie mit seiner Ehre gespielt habe. Gleich darauf habe der Vater den Cousin der Erstbeschwerdeführerin angerufen und ihm gesagt, dass er ihn mit der Erstbeschwerdeführerin verheiraten wolle. Der Cousin solle seine in Afghanistan lebende Mutter anrufen und ihr sagen, dass sie in den Iran kommen und die Erstbeschwerdeführerin mitnehmen solle. Zwei bis drei Tage später sei die Ehe zwischen der Erstbeschwerdeführerin und dem Cousin vor einem Mullah geschlossen worden. Anschließend hätten sie darauf gewartet, dass die Mutter des Cousins aus Afghanistan komme, um die Hochzeit zu feiern und die Erstbeschwerdeführerin mitzunehmen. Bis dahin habe die Erstbeschwerdeführerin ihr Elternhaus nicht verlassen dürfen. Ungefähr eine Woche später habe ihre Schwester den Zweitbeschwerdeführer getroffen und ihm von der Verlobung mit dem Cousin erzählt. Der Zweitbeschwerdeführer habe ihrer Schwester gesagt, dass die Erstbeschwerdeführerin ihn am Samstag bei einer U-Bahn-Station treffen solle. Die Erstbeschwerdeführerin habe ihrer Mutter vorgetäuscht, den Schrein besuchen zu wollen, und sei zum Zweitbeschwerdeführer gegangen. Der Zweitbeschwerdeführer habe ihr eröffnet, dass er mit ihr den Iran verlassen wolle, weil sie getötet würde, sollte ihr Vater vom außerehelichen Geschlechtsverkehr erfahren. Daraufhin hätten sie den Iran verlassen.

Der Zweitbeschwerdeführer gab zunächst an, dass in der Erstbefragung fälschlich protokolliert worden sei, dass er bereits bei seiner Einreise verheiratet gewesen sei. Dies stimme nicht, die Ehe mit der Erstbeschwerdeführerin sei erst in Österreich geschlossen worden. Zudem sei sein Geburtsdatum falsch erfasst worden. Er sei richtigerweise am XXXX geboren. Seine Familie sei bereits vor 40 oder 50 Jahren wegen des Krieges in den Iran geflohen. Der Zweitbeschwerdeführer sei in XXXX im Iran geboren und aufgewachsen. Zu seinen Fluchtgründen führte der Zweitbeschwerdeführer im Wesentlichen zusammengefasst aus, dass er die Erstbeschwerdeführerin in XXXX bei einem Schrein über einen Freund namens XXXX und dessen Freundin kennengelernt habe. Der Zweitbeschwerdeführer habe seinen Freund XXXX gebeten, die Telefonnummer der Erstbeschwerdeführerin über seine Freundin in Erfahrung zu bringen und ihm zu geben. Sein Freund habe ihm mitgeteilt, dass die Erstbeschwerdeführerin kein Handy habe. Er habe ihm jedoch sagen können, wann die Erstbeschwerdeführerin zur Arbeit gehe. Der Zweitbeschwerdeführer habe die Erstbeschwerdeführerin anschließend ungefähr eineinhalb Monate verfolgt und mit ihr reden wollen. Eines Tages habe die Erstbeschwerdeführerin schließlich mit ihm gesprochen, woraufhin sie sich die ersten zwei oder drei Monate kurz bei der U-Bahn-Station getroffen hätten. Schließlich hätten sie sich auch in einem Caféhaus getroffen. Sie seien dann ca. eineinhalb Jahre befreundet gewesen. Der Zweitbeschwerdeführer habe ein Schneidergeschäft gehabt und sich eines Tages mit der Erstbeschwerdeführerin in seinem Schneidergeschäft verabredet. Dort hätten sie auch miteinander geschlafen, wodurch die Erstbeschwerdeführerin ihre Jungfräulichkeit verloren habe. Der Zweitbeschwerdeführer habe die Erstbeschwerdeführerin heiraten wollen und mit seiner Familie darüber gesprochen. Doch diese sei dagegen gewesen, da sie das Mädchen nicht kennen würden und sie aus einer fremden Familie komme. Erst als sich der Zweitbeschwerdeführer die Pulsader an seiner linken Hand aufgeschnitten habe, habe seine Familie Verständnis für sein Anliegen, die Erstbeschwerdeführerin heiraten zu wollen, gezeigt. Seine Mutter sei daraufhin zunächst alleine zur Familie der Erstbeschwerdeführerin gegangen. Die Mutter der Erstbeschwerdeführerin sei an diesem Tag alleine zu Hause gewesen und habe gesagt, dass sie darüber nicht alleine entscheiden dürfe. Der Vater der Erstbeschwerdeführerin müsse bei einem solchen Gespräch anwesend sein. Eine Woche später seien die Eltern des Zweitbeschwerdeführers gemeinsam zur Familie der Erstbeschwerdeführerin gegangen. Als sein Vater dem Vater der Erstbeschwerdeführerin erzählt habe, dass die Erstbeschwerdeführerin und der Zweitbeschwerdeführer einander bereits kennen würden, habe dieser verkündet, dass er seine Tochter nur in der Verwandt- und Bekanntschaft verheiraten würde. Er habe die Eltern des Zweitbeschwerdeführers ersucht, das Haus zu verlassen. Seine Eltern hätten dem Zweitbeschwerdeführer schließlich mitgeteilt, dass sie nie wieder zur Familie der Erstbeschwerdeführerin gehen würden. Am nächsten Tag habe der Zweitbeschwerdeführer die Schwester der Erstbeschwerdeführerin bei der U-Bahn-Station getroffen. Dort habe ihm die Schwester erzählt, dass die Erstbeschwerdeführerin mit ihrem Cousin verlobt werden solle sowie dass sie am Vorabend geschlagen worden sei. Der Zweitbeschwerdeführer habe unter Schock gestanden und nicht gewusst, was er machen solle. Ein bis eineinhalb Wochen später habe der Zweitbeschwerdeführer die Schwester der Erstbeschwerdeführerin wieder in der U-Bahn-Station getroffen und sie gebeten, der Erstbeschwerdeführerin auszurichten, sie solle am Samstag zur U-Bahn-Station kommen. Inzwischen habe der Zweitbeschwerdeführer die Ausreise organisiert. Er habe mit einem Schlepper gesprochen und das Geld bezahlt. Die Erstbeschwerdeführerin habe vortäuscht, den Schrein besuchen zu wollen und sei am Samstag wie verabredet gekommen. Dort habe der Zweitbeschwerdeführer ihr eröffnet, dass er mit ihr das Land verlassen wolle. Sie sei einverstanden gewesen. Daraufhin seien die Beschwerdeführer gemeinsam aus dem Iran ausgereist.

7. Mit Schreiben vom XXXX legten die Beschwerdeführer eine Kopie des Mietvertrages für die Schneiderei des Zweitbeschwerdeführers sowie Kopien der iranischen Aufenthaltskarten der Eltern des Zweitbeschwerdeführers vor.

8. Mit den gegenständlich angefochtenen Bescheiden wurden die Anträge der Erstbeschwerdeführerin und des Zweitbeschwerdeführers sodann sowohl bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Abs 1 iVm § 2 Abs 1 Z 13 AsylG 2005 (Spruchpunkt I.), als auch bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Afghanistan gemäß § 8 Abs 1 iVm § 2 Abs 1 Z 13 AsylG 2005 (Spruchpunkt II.) abgewiesen. Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen wurde den Beschwerdeführern gemäß § 57 AsylG 2005 nicht erteilt (Spruchpunkt III.). Gegen die Beschwerdeführer wurde gemäß § 10 Abs 1 Z 3 AsylG 2005 iVm § 9 BFA-VG eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs 2 Z 2 FPG erlassen (Spruchpunkt IV.) und gemäß § 52 Abs 9 FPG festgestellt, dass ihre Abschiebung nach Afghanistan gemäß § 46 FPG zulässig sei (Spruchpunkt V.). Unter Spruchpunkt VI. wurde die Frist für die freiwillige Ausreise gemäß § 55 Abs 1 bis 3 FPG mit 14 Tagen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung festgesetzt.

Für ein allfälliges Beschwerdeverfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht wurde den Beschwerdeführern amtswegig ein Rechtsberater zur Seite gestellt.

9. Gegen diese Bescheide erhoben die Beschwerdeführer, beide vertreten durch den MigrantInnenverein St. Marx, mit Schreiben vom

XXXX gemeinsam fristgerecht vollumfängliche Beschwerde wegen unrichtiger Feststellungen, Mangelhaftigkeit des Verfahrens und unrichtiger rechtlicher Beurteilung.

10. Die Beschwerde und die dazugehörigen Verwaltungsakten wurden dem Bundesverwaltungsgericht durch das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl zur Entscheidung vorgelegt. In einem verzichtete die belangten Behörde auf die Durchführung und Teilnahme an einer mündlichen Beschwerdeverhandlung und beantragte die Abweisung der Beschwerde.

11. Am XXXX übermittelte das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl dem Bundesverwaltungsgericht ein Schreiben der Beschwerdeführer vom XXXX , womit diese um einen Termin für ein Interview vor der belangten Behörde ersuchten.

12. Mit Eingabe vom XXXX übermittelten die Beschwerdeführer Dokumente und Integrationsunterlagen und ersuchten um möglichst baldige Durchführung einer mündlichen Verhandlung.

13. Mit Schreiben vom XXXX ersuchten die Beschwerdeführer um Anberaumung einer mündlichen Verhandlung.

14. Am XXXX langte beim Bundesverwaltungsgericht jeweils ein Fristsetzungsantrag samt Antrag auf Bewilligung der Verfahrenshilfe für Gebühren der Erstbeschwerdeführerin und des Zweitbeschwerdeführers ein. Es wurde beantragt, der Verwaltungsgerichtshof möge dem Bundesverwaltungsgericht in den anhängigen Rechtssachen eine Frist von höchstens drei Monaten setzen, um über die vorliegenden Beschwerden zu entscheiden, und dem Bund den Ersatz der Kosten in der gesetzlichen Höhe auferlegen.

15. Das Bundesverwaltungsgericht übermittelte den Parteien mit der Ladung zur mündlichen Verhandlung einschlägige Länderinformationen zu Afghanistan.

16. Am XXXX langte eine Stellungnahme der Beschwerdeführer zu den Länderberichten beim Bundesverwaltungsgericht ein.

17. Am XXXX fanden vor dem Bundesverwaltungsgericht zwei öffentliche mündliche Verhandlungen statt, im Zuge derer die Erstbeschwerdeführerin und der Zweitbeschwerdeführer im Beisein des ausgewiesenen Rechtsvertreters und einer Dolmetscherin für die Sprachen Dari und Farsi jeweils getrennt vom erkennenden Richter zu ihren Anträgen auf internationalen Schutz und ihren Beschwerdegründen einvernommen wurden. Die belangte Behörde blieb der mündlichen Verhandlung fern.

Die Verhandlungsschrift betreffend den Zweitbeschwerdeführer lautet auszugsweise:

"[...]

Richter: Verstehen Sie die Dolmetscherin gut?

Beschwerdeführer: Ja.

Richter: Sind Sie psychisch und physisch in der Lage, der heute stattfindenden mündlichen Verhandlung zu folgen? Liegen Gründe vor, die Sie daran hindern?

Beschwerdeführer: Ja, ich bin gesund.

Richter: Nehmen Sie regelmäßig Medikamente, befinden Sie sich in medizinischer Behandlung?

Beschwerdeführer: Nein.

[...]

Richter: Können Sie sich an Ihre Aussage vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl erinnern? Waren diese richtig, vollständig und wahrheitsgetreu?

Beschwerdeführer: Ja.

Richter: Geben Sie Ihr Geburtsdatum an. Wo sind Sie auf die Welt gekommen?

Beschwerdeführer: Ich bin am XXXX in XXXX im Iran geboren.

Richter: Welche Sprachen sprechen Sie? Können Sie diese lesen und schreiben?

Beschwerdeführer: Farsi und Deutsch. Deutsch kann ich aber nicht so gut.

Richter: Geben Sie Ihre Volksgruppe, Religion und Ihren Familienstand an.

Beschwerdeführer: Ich bin als schiitischer Moslem geboren. Derzeit bin ich ohne Bekenntnis. Ich bin Hazara. Ich bin verheiratet.

Richter: Haben Sie Kinder?

Beschwerdeführer: Nein, vier Fehlgeburten.

Richter: Können Sie bitte soweit wie möglich chronologisch angeben, wann und wo Sie sich im Iran aufgehalten haben.

Beschwerdeführer: Ich habe mich seit meiner Geburt bis zu meiner Ausreise in XXXX aufgehalten.

Richter: Wie haben Sie im Iran gewohnt?

Beschwerdeführer: Ich habe dort in einer Wohnung gelebt gemeinsam mit meinen Eltern. Ich habe eine Schwester und einen Bruder. Sie haben auch dort gelebt.

Richter: Was haben Sie im Iran gemacht, gearbeitet, gelernt oder etwas Anderes?

Beschwerdeführer: Ich bin 9 Jahre in die Schule gegangen. Ein Jahr habe ich dann meinen Vater bei seinen Arbeiten geholfen. Dann habe ich als Schneider gearbeitet.

Richter: Welche Schulbildung haben Sie erhalten?

Beschwerdeführer: Wenn man das mit Österreich vergleicht, ich habe die Hauptschule beendet. Ein Jahr bin ich im Gymnasium gegangen, das habe ich dann nicht abgeschlossen.

Richter: Wo und wie leben Ihre Verwandten?

Beschwerdeführer: Meine Familie lebt weiterhin in XXXX Richtung XXXX und in einer Wohnung.

Richter: Haben Sie Kontakt zu Ihrer Familie (Vater, Mutter, Bruder, Schwester, Onkel)?

Beschwerdeführer: Ja. In den ersten 1,5 Jahren habe ich überhaupt keinen Kontakt zu meiner Familie gehabt. Mittlerweile alle 3 Wochen oder in einem Monat einmal, telefonieren wir.

Richter: Haben Sie in Afghanistan Verwandte oder sonstige wichtige Kontaktpersonen und wie heißen sie? Wo leben sie? Haben Sie zu ihnen Kontakt?

Beschwerdeführer: Es gibt schon meinen Onkel väterlicherseits in Afghanistan und auch andere Verwandte. Ich habe sie aber niemals gesehen und kennengelernt. Daher bin ich auch mit ihnen überhaupt nicht im Kontakt.

Richter: Haben Sie im Iran sonstige Verwandte oder wichtige Kontaktpersonen, wie Freunde?

Beschwerdeführer: Es gibt auch weitere Verwandte im Iran und ich habe auch Freunde dort. Aber ich bin nur mit meiner Familie im Kontakt.

Richter: Wollen Ihre Eltern und Geschwister auch nach Österreich kommen?

Beschwerdeführer: Ich glaube nicht, aber ich weiß es nicht.

Richter: Wie ist Ihr Leben derzeit in Österreich? Was machen Sie in Österreich?

Beschwerdeführer: Ich habe ein gutes Leben in Österreich. Ich besuche die Hauptschule und habe den Deutschkurs für B1 absolviert. Im "Camp" putze ich und bekomme monatlich 80 Euro dafür. Ich nehme auch bei verschiedenen Veranstaltungen und Feierlichkeiten der ÖsterreicherInnen teil. Es gibt auch eine Stelle der XXXX . Ich gehe dort gemeinsam mit meiner Frau. Dort finden Feierlichkeiten statt. Es gibt auch Tanzkurse usw. Ich habe auch österreichische FreundInnen. Die anderen konnten mich heute nicht begleiten, aber ein Freund ist mitgekommen. Die anderen waren in der Arbeit.

Richter: Sind Sie Mitglied in einem Verein?

Beschwerdeführer: Nein. Davor war ich Mitglied eines Fußballvereins aber mittlerweile habe ich Schmerzen und es geht nicht mehr.

Richter: Hatten Sie Probleme mit der Polizei oder einem Gericht?

Beschwerdeführer: Nein.

Richter: Schildern Sie den Vorfall, der zu Ihrer Flucht geführt hat!

Beschwerdeführer: Es war an einem XXXX . Ich kann mich an den Monat nicht mehr genau erinnern, als ich meine Frau kennengelernt habe. Ich hatte einen Freund namens XXXX und meine Frau hatte eine Freundin namens XXXX . XXXX und XXXX haben vereinbart gehabt einander zu treffen. Ich habe XXXX und meine Frau hat XXXX zu diesem Treffen begleitet. Bei dem Treffen habe ich meine jetzige Frau kennengelernt. Ich habe XXXX darum gebeten mir die Telefonnummer von XXXX zu geben, weil ich XXXX nicht gekannt habe. Die Stelle wo wir uns getroffen haben, war beim Grab von XXXX . Dieses Treffen hat nicht länger als 5 oder 6 Minuten gedauert, weil die Familien von den beiden Mädchen auch dort anwesend waren. Das war ein Gebetsabend. Da kommen an diesem Abend am XXXX . Da sammeln sich die Leute bei diesem Grab. Ich glaube das war am nächsten Tag als ich XXXX um die Telefonnummer von XXXX gebeten habe und er hat gemeint, dass XXXX kein Telefon hat. Aber er hat gemeint, dass XXXX jeden Tag zwischen 7:30 und 8:00 Uhr mit der U-Bahn " XXXX " in die Arbeit fährt. Ich bin ca. 1,5 Monate jeden Tag um diese Zeit dort hingegangen und versucht sie anzusprechen. Sie hat aber nicht darauf reagiert, ich weiß es nicht warum, ob sie Angst hatte, oder was auch immer der Grund war. Nach ca. 1,5 Monate hat sie dann reagiert, hat mich dann begrüßt und hat mir dann erklärt, dass sie eine strenge Familie hat. In den ersten 2, 3 Monaten habe ich sie immer bei der U-Bahn getroffen. Nach 2, 3 Monaten sind wir dann auch ausgegangen zB zum Kaffee trinken. Nach 2, 3 Monaten haben wir uns dann 1-2 Mal in der Woche getroffen. Das hat ca. 1,5 Jahre gedauert. Ich habe eine Schneiderei gehabt. Es war ein Donnerstag und meine Arbeiter sind früher nach Hause gegangen. Ich habe mit XXXX vereinbart gehabt einander zu sehen. Ich habe ihr vorgeschlagen nachdem in meinem Geschäft niemand anderer anwesend ist, anstelle dessen zu einem Kaffeehaus gehen sollten, treffen wir uns in meinem Geschäft. Ich habe sie von der Haltestelle, von der U-Bahn abgeholt und wir sind in meiner Schneiderei gegangen. Ich weiß nicht was plötzlich passiert ist, wir sind näher zueinandergekommen und wir haben miteinander geschlafen. Sie hat dadurch natürlich ihre Jungfräulichkeit verloren. Nachher war sie sehr traurig und hat gesagt, dass ihre Familie sehr streng sei und sie würden sie umbringen, wenn sie davon erfahren. Darauf habe ich gesagt, dass es kein Problem ist, ich werde bei ihrer Familie um ihre Hand anhalten. Sie hat sich dann beruhigt und hat Hoffnung bekommen. Es hat ca. 1-2 Monate gedauert bis ich meine Familie davon überzeugt habe. Meine Familie war auch nicht damit einverstanden. Sie war der Meinung, dass man sie (meine Frau) und ihre Familie nicht kennt. Dann habe ich versucht mich umzubringen. (Der Beschwerdeführer zeigt eine genähte Narbe am linken Handgelenk). Das habe ich gemacht, damit meine Familie davon überzeugt ist, dass ich dieses Mädchen liebe. Dann hat meine Familie dafür Verständig gezeigt und meine Mutter ist gegangen und hat die Mutter von XXXX getroffen. Die Mutter von XXXX hat meiner Mutter mitgeteilt, dass sie das nicht alleine wie ein Mann, sondern sie soll das mit dem Vater von XXXX besprechen. Ca. nach 1 oder 1,5 Wochen sind dann meine Eltern gemeinsam zur Familie von XXXX gegangen. Der Vater von XXXX war "sehr ernst" und hat meinen Vater gefragt, woher sie XXXX kennen und wie man die Familie gefunden hat. Mein Vater hat darauf geantwortet gehabt, das Mädchen und ich einander kennen. Nach dem der Vater von XXXX das gehört hat, hat er meine Familie aus dem Haus geworfen. Sie haben an dem Abend XXXX viel geschlagen gehabt. Die Familie von XXXX hat nur so viel mitbekommen, dass wir einander kennen. Mehreres darüber, dass wir miteinander geschlafen haben, haben sie nicht gewusst, ansonsten hätten sie XXXX an dem Abend getötet. XXXX ist immer in Begleitung ihrer Schwester in die Arbeit gegangen. Am folgenden Tag in der Früh bin ich wieder in die U-Bahn-Station gegangen um XXXX zu treffen. An dem Tag war aber die Schwester von XXXX alleine und XXXX war nicht dabei. Die Schwester von XXXX hat mir dann vom Vorfall mit XXXX erzählt. Sie hat mir gesagt, dass ihr Vater seinen Neffen im Iran angerufen hätte und ihn aufgefordert hätte seiner Mutter in Afghanistan mitzuteilen in den Iran zu kommen. Damit wollte der Vater, dass XXXX den Cousin väterlicherseits heiratet. Nachdem ich das erfahren habe, wusste ich nicht was ich machen soll. Ca. nach einer bis 1,5 Wochen bin ich wieder in die U-Bahn-Station gegangen um ihre Schwester zu sehen. Ich habe ihre Schwester gebeten, unter welcher Ausrede es auch immer möglich ist, XXXX am kommenden Samstag in die U-Bahn-Station mitzunehmen. XXXX ist tatsächlich gekommen. Der Vater von XXXX war ein Landwirt. Er ist in der Früh zur Arbeit gegangen und ist am Abend zurückgekommen. Bevor ich XXXX getroffen habe, habe ich bereits die Vorbereitungen für unsere Flucht getroffen. Ich habe nämlich bereits einen Schlepper gefunden und die Reise organisieren lassen, weil ich davon überzeugt war, dass XXXX mit mir fliehen wird. Wie gesagt XXXX ist gekommen und ich habe sie gesehen. Wir haben fünf oder sechs Minuten miteinander gesprochen. Ich habe ihr diesen Vorschlag gemacht, dass wir miteinander fliehen. Sie hat es auch akzeptiert. Wir sind in ein Taxi eingestiegen. Wir sind zum Treffpunkt mit dem Schlepper gegangen in " XXXX ". Dann sind wir geflüchtet.

Richter: Sind Sie jemals persönlich bedroht oder angegriffen worden?

Beschwerdeführer: Nein.

Richter: Wodurch sind Sie im Iran bedroht?

Beschwerdeführer: Ich werde von der Familie von meiner Frau verfolgt. Der Ehevertrag von meiner Frau ist eigentlich mit dem Cousin meiner Frau abgeschlossen. Wir sind geflüchtet. Das ist eine Schande für die Familie meiner Frau und deswegen werden wir verfolgt.

Richter: Wodurch sind Sie in Afghanistan bedroht?

Beschwerdeführer: Die restliche Familie des Cousins befindet sich weiterhin in Afghanistan. Das ist genauso eine Schande für ihn, dass ich sozusagen mit seiner Frau geflüchtet bin. Dadurch werde ich von seiner Familie in Afghanistan verfolgt. Ich habe jetzt Stress.

Richter: War die Ehe zwischen Ihrer Frau und dem Cousin bereits geschlossen oder war sie lediglich vereinbart?

Beschwerdeführer: Die Ehe ist bereits geschlossen worden. Sie haben für die Feierlichkeiten auf die Mutter des Jungen gewartet, die sich in Afghanistan aufgehalten hat und sie wollten auch, dass das Fest sobald wie möglich stattfindet innerhalb von 2-3 Wochen.

Richter: Wie sind Sie nach Österreich gekommen?

Beschwerdeführer: Wir sind zunächst mit dem Taxi bis zur Stadt XXXX gefahren.

Richter: Wie haben Sie die Reise bezahlt?

Beschwerdeführer: Ich habe das Geld selbst gespart gehabt von meiner Schneiderei.

Richter: Schildern Sie bitte nochmals die Gründe Ihrer Beschwerde!

Beschwerdeführer: In unserem Bescheid, wo unser Antrag abgelehnt worden ist, steht, dass wir nach Österreich gekommen seien, um ein besseres Leben haben zu können. Es ist zu einem Missverständnis gekommen. Man hat meiner Frau nicht geglaubt. Meine Frau hat 2 Tanten, eine Tante väterlicherseits ist in Afghanistan und die andere ist im Iran. Die belangte Behörde hat argumentiert, dass die Tante, die in Afghanistan war, auch bei der Eheschließung dabei wäre. Das stimmt aber nicht. Mit Rücksicht auf diesen Gründen ist unser Antrag abgelehnt worden und wir haben dagegen Beschwerde erhoben.

Richter: Was würde passieren, wenn Sie jetzt nach Afghanistan zurückkehren müssten?

Beschwerdeführer: Ich möchte nicht, dass meine Frau in Afghanistan Zuhause sitzt, ihre Freiheiten nicht hat und nicht arbeiten gehen kann. Ich möchte nicht, dass meine Kinder keine Zukunft haben und nicht in die Schule gehen können. Afghanistan ist ein Land, wo Patriarchalismus herrscht. Ich möchte nicht, dass meine Frau und meine Kinder unter diesen Bedingungen leben müssen. Ich möchte, dass sie so leben und dort leben, wo sie sich wünschen. Mein ganzes Leben ist meine Frau. Wenn sie am Leben Freude hat, habe ich auch Freude und wenn sie am Leben keine Freude hat, dann habe ich auch diese nicht.

[...]

Der Beschwerdeführer bringt nichts mehr vor.

Richter: Haben Sie die Dolmetscherin gut verstanden?

Beschwerdeführer: Ja."

Der Rechtsvertreter des Zweitbeschwerdeführers legte in der mündlichen Verhandlung Integrationsunterlagen vor, die zum Akt genommen wurden.

Die Verhandlungsschrift betreffend die Erstbeschwerdeführerin lautet auszugsweise:

"[...]

Richter: Verstehen Sie die Dolmetscherin gut?

Beschwerdeführerin: Ja.

Richter: Sind Sie psychisch und physisch in der Lage, der heute stattfindenden mündlichen Verhandlung zu folgen? Liegen Gründe vor, die Sie daran hindern?

Beschwerdeführerin: Ja.

Richter: Nehmen Sie regelmäßig Medikamente, befinden Sie sich in medizinischer Behandlung?

Beschwerdeführerin: Ja. Ich nehme ein Medikament gegen Stress und nehme auch ein Medikament wegen Schlaflosigkeit, weil ich in der Nacht schlecht einschlafen kann.

[...]

Richter: Können Sie sich an Ihre Aussage vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl erinnern? Waren diese richtig, vollständig und wahrheitsgetreu?

Beschwerdeführerin: Ja.

Richter: Geben Sie Ihr Geburtsdatum an. Wo sind Sie auf die Welt gekommen?

Beschwerdeführerin: Ich bin am XXXX in XXXX geboren.

Richter: Welche Sprachen sprechen Sie? Können Sie diese lesen und schreiben?

Beschwerdeführerin: Dari, Farsi und ein wenig Deutsch. Ich kann Farsi und Dari schreiben und lesen.

Richter: Geben Sie Ihre Volksgruppe, Religion und Ihren Familienstand an.

Beschwerdeführerin: Ich bin schiitischer Moslem, Hazara und verheiratet.

Richter: Praktizieren Sie Ihre Religion?

Beschwerdeführerin: Nein.

Richter: Haben Sie Kinder?

Beschwerdeführerin: Nein. Ich hatte vier Fehlgeburten.

Richter: Können Sie bitte soweit wie möglich chronologisch angeben, wann und wo Sie sich im Iran aufgehalten haben.

Beschwerdeführerin: Ich habe seit meiner Geburt bis zu meiner Flucht in XXXX gelebt.

Richter: Wie haben Sie im Iran gewohnt?

Beschwerdeführerin: Ich habe gemeinsam mit meinen Eltern und meiner Schwester in einer Wohnung in XXXX gelebt.

Richter: Was haben Sie im Iran gemacht, gearbeitet, gelernt oder etwas Anderes?

Beschwerdeführerin: Ich bin fünf Jahre in die Schule gegangen. Meine Familie hat mir nicht erlaubt die Schule abzuschließen. Mein Vater war ein Landwirt. Ein Jahr habe ich mit ihm gearbeitet. Dann habe ich in einem Geschäft gearbeitet, Männerunterwäsche verpackt.

Richter: Welche Schulbildung haben Sie erhalten?

Beschwerdeführerin: Ich bin 5 Jahre in die Schule gegangen.

Richter: Wo und wie leben Ihre Verwandten?

Beschwerdeführerin: Ich weiß es nicht, wie jetzt meine Familie lebt. Damals haben wir in einer Wohnung gelebt.

Richter: Haben Sie Kontakt zu Ihrer Familie (Vater, Mutter, Bruder, Schwester, Onkel)?

Beschwerdeführerin: Nein.

Richter: Haben Sie im Iran andere Verwandte oder sonstige wichtige Kontaktpersonen und wie heißen sie? Wo leben sie? Haben Sie zu ihnen Kontakt?

Beschwerdeführerin: Eine Tante väterlicherseits von mir mit ihrem Mann und ihren Söhnen, ein Onkel väterlicherseits mit seiner Familie, eine Tante mütterlicherseits und ein Onkel mütterlicherseits befinden sich in Afghanistan. Eine Tante mütterlicherseits und eine Tante väterlicherseits leben im Iran.

Richter: Wie ist Ihr Leben derzeit in Österreich? Was machen Sie in Österreich?

Beschwerdeführerin: In Österreich besuche ich einen Sprachkurs. In meiner Freizeit gehe ich schwimmen und Rad fahren. Ich gehe in die Bibliothek, gehe mit meinen FreundenInnen spazieren. Wir besuchen uns gegenseitig zu Hause. Ich habe den A1 Kurs abgeschlossen und bin bei A2 dabei. Ich konnte aber die Prüfung für A2 einmal nicht schaffen. Deswegen wiederhole ich jetzt den Kurs.

Richter: Haben Sie Freunde in Österreich?

Beschwerdeführerin: Ja, ich habe Freunde in Österreich, sowohl österreichische, als auch afghanische.

Richter: Sind Sie Mitglied in einem Verein?

Beschwerdeführerin: Nein, ich gehe zum Tanzkurs.

Richter: Hatten Sie Probleme mit der Polizei oder einem Gericht?

Beschwerdeführerin: Nein.

Richter: Schildern Sie den Vorfall, der zu Ihrer Flucht geführt hat!

Beschwerdeführerin: Ich bin in einer Familie groß geworden, wo mein Vater die Entscheidungen trifft. Er entscheidet über mein Leben, wie ich mich anziehen soll, wen ich treffen soll, was ich essen soll. Es war am XXXX . Wir sind zum Grab von Imam gegangen gemeinsam mit meiner Freundin XXXX . Sowie unsere Familie, sie waren auch dort. Meine Freundin XXXX wollte ihren Freund treffen. Ich habe sie begleitet und der Familie gesagt, dass wir aufs WC gehen wollen. Ihr Freund XXXX ist gemeinsam mit XXXX gekommen. Meine Freundin hat ihren Freund gesehen. Wir sind nur kurz geblieben nur 5, 6 Minuten und ich bin zurück zu meiner Familie gegangen. Am nächsten Tag hat mir meine Freundin XXXX erzählt, dass ich den XXXX gut gefallen habe und er meine Telefonnummer von XXXX verlangt hatte. XXXX hatte geantwortet gehabt, dass ich kein Telefon habe. XXXX sollte XXXX gesagt habe, das einzige was ich könnte ist, dass ich um 7, halb 8 in die U-Bahn-Station der XXXX in die Arbeit fahre. XXXX ist mehrmals dort gekommen. Ich habe aber mit ihm nicht gesprochen, weil ich Angst hatte, dass jemand es sehen würde, dass ich mit ihm spreche und dass jemand es weiter meinen Vater erzählen würde. Er ist ca. 1,5-2 Monate dort gekommen, bis ich mit ihm dann gesprochen habe. Wir haben uns langsam miteinander befreundet. Die 2, 3 ersten Monate haben wir uns bei der U-Bahn getroffen. Nachher sind wir dann Kaffee trinken gegangen. Wir konnten uns auf der Straße oder in einem Park nicht treffen oder nebeneinander auf einer Bank nicht sitzen. Das ist eigentlich im Iran verboten und wenn man von der iranischen Polizei angehalten wird, werden die Familien darüber informiert. Eines Tages hat XXXX vorgeschlagen, dass donnerstags seine Arbeiter früher gehen und wir konnten uns in seiner Schneiderei treffen. Er ist in die U-Bahn-Station XXXX gekommen. Es war 15 Uhr und hat mich von dort abgeholt. Wir sind in seine Schneiderei gegangen. Wir haben dort gegessen und miteinander gesprochen. Ich weiß es nicht, was dann passiert ist, wir hatten dann miteinander Sex. Das ist in islamischen Länder wie im Iran oder Afghanistan verboten. Nachher habe ich viel geweint. XXXX hat versucht mich zu beruhigen und er hat gesagt, dass ich mir keine Sorgen machen soll, er würde seine Familie zu meiner Familie schicken, um um meine Hand anzuhalten. Es hat ca. 3, 4 Monate gedauert bis XXXX seine Familie zu uns geschickt hat, weil auch seine Familie damit nicht einverstanden war. Nachdem er seine Familie überzeugt hat, ist eines Tages seine Mutter zu uns gekommen und hat um meine Hand bei meiner Mutter angehalten. Meine Mutter hat darauf gesagt, dass sie keine Entscheidung treffen darf, sondern mein Vater trifft die Entscheidung. Ca. nach einer Woche sind die Eltern von XXXX zu uns gekommen. Mein Vater hat sie gefragt, wer die Familie von XXXX ist, woher die Familie von XXXX uns kennt und mich kennt. Der Vater von XXXX hat darauf geantwortet, dass das Mädchen und der Junge einander kennen. Nach dieser Aussage hat mein Vater die Eltern von XXXX aus der Wohnung geworfen und hat begonnen mich zu schlagen. Mein Vater hat 2, 3 Stunden später meinen Cousin, der sich im Iran aufgehalten hat, angerufen und hat ihn gesagt, dass er kommen mich heiraten soll und nach Afghanistan mitnehmen soll. Diese Tante, die in Afghanistan ist, hat mehrmals bei meinem Vater um meine Hand diesen Sohn, der im Iran war, angehalten gehabt. Aber mein Vater hat es jedes Mal abgelehnt. 2 oder 3 Tage danach hat mein Vater einen Mullah nach Hause geholt. Meine Tante väterlicherseits und ihr Mann, die sich im Iran befinden und meine Tante mütterlicherseits mit ihrem Mann zu uns nach Hause eingeladen und der Cousin väterlicherseits, der auch im Iran ist. Meine Ehe wurde gegen meinen Willen mit diesem Cousin väterlicherseits abgeschlossen. Das war eigentlich eine Zwangsehe. Mein Vater hat mir verboten in die Arbeit zu gehen. Ich bin nicht mehr in die Arbeit gegangen. Bei uns ist das so üblich, wenn auch selbst eine Ehe geschlossen wird, bis zur Hochzeit darf der Mann nicht zur Frau kommen und sich an ihr annähern. Meine Schwester hat auch dort gearbeitet wo ich gearbeitet habe. Eines Tages ist XXXX dort gegangen und hat meine Schwester getroffen. Meine Schwester hat XXXX erzählt gehabt, dass meine Ehe zwangsweise geschlossen worden ist. Wir warteten darauf, dass meine Tante väterlicherseits bzw die Mutter des Cousins, mit den meine Ehe geschlossen wurde, aus Afghanistan in den Iran kommen würde. Dann sollte die Feierlichkeit stattfinden. XXXX hat meiner Schwester gesagt gehabt, dass ich unter irgendeiner Ausrede dort zu dieser U-Bahn-Station kommen sollte, weil XXXX mit mir sprechen möchte. Mein Vater hat immer um 4 Uhr in der Früh das Haus verlassen und ist erst um 18 oder 19 Uhr nach Hause zurückgekehrt. Ich habe meine Mutter um Erlaubnis, unter einem Vorwand, dass ich ein Grab besuchen möchte, gebeten. Meine Mutter hat mir das erlaubt. Ich bin zu dieser Haltestelle XXXX gegangen. Ich habe XXXX getroffen. Er hat mir gesagt wir sollten von hier weggehen ansonsten werden wir umgebracht, wenn sie erfahren, dass wir miteinander geschlafen haben. Ich hatte sehr Angst. XXXX war sich sicher, dass ich mit ihm fliehen werden. Wir sind dann geflohen. Von dieser Station sind wir dann nach XXXX gegangen. Dann sind wir von XXXX Richtung XXXX gefahren und sind geflüchtet.

Richter: Sind Sie jemals persönlich bedroht oder angegriffen worden?

Beschwerdeführerin: Ja, mein Vater hat mich geschlagen und hat mich dann auch zwangsverheiratet.

Richter: Wodurch sind Sie im Iran aktuell bedroht?

Beschwerdeführerin: Ich weiß es nicht, ob meine Familie und mein Cousin väterlicherseits sich noch immer im Iran befinden oder, ob sie in Afghanistan sind. Wenn sie im Iran sind, werden sie mich umbringen. Ich habe im Iran "meine Karte" gehabt, die alle 6 Monate verlängert werden sollte. Diese Karte habe ich auch nicht mehr. Wenn ich in den Iran abgeschoben werden würde, würde mich Iran nach Afghanistan abschieben.

Richter: Wodurch sind Sie im Moment in Afghanistan bedroht?

Beschwerdeführerin: In Afghanistan werde ich von meiner Tante väterlicherseits und ihren Mann bedroht. Ihr Sohn ist auch manchmal im Iran und manchmal in Afghanistan. Somit besteht die Gefahr von Seiten ihres Sohns auch.

Richter: Wie sind Sie nach Österreich gekommen?

Beschwerdeführerin: Ein Schlepper hat unsere Reise organisiert. Wir sind von XXXX in die Türkei gekommen. 21 Tage haben wir uns in der Türkei aufgehalten. Anschließend sind wir nach Griechenland gekommen, 3, 4 Tage waren wir in Griechenland. Dann sind wir mit dem Flüchtlingsstrom gekommen.

Richter: Wie haben Sie die Reise bezahlt?

Beschwerdeführerin: XXXX hat Geld gehabt.

Richter: Schildern Sie bitte nochmals die Gründe Ihrer Beschwerde!

Beschwerdeführerin: Ich wollte, dass wir hier einvernommen werden und, dass wir eine Antwort bekommen.

Richter: Was würde passieren, wenn Sie jetzt nach Afghanistan zurückkehren müssten?

Beschwerdeführerin: Wenn ich nach Afghanistan zurückkehren muss, werde ich umgebracht. In Afghanistan habe ich überhaupt keine Rechte. Ich kann dort nicht etwas lernen, ich kann dort nicht arbeiten gehen, ich kann dort nicht schwimmen gehen und Rad fahren. Vieles was ich hier unternehme und mache, ist in Afghanistan verboten. Dort herrscht der Patriarchalismus. Frauen sind nicht gleichberechtigt.

[...]

Die Beschwerdeführerin bringt nichts mehr vor.

Richter: Haben Sie die Dolmetscherin gut verstanden?

Beschwerdeführerin: Ja."

Die Rechtsvertretung der Erstbeschwerdeführerin legte in der mündlichen Verhandlung Integrationsnachweise vor, welche zum Akt genommen wurden.

18. Mit Schreiben vom XXXX übermittelte das Bundesverwaltungsgericht der belangten Behörde die am XXXX eingelangte Stellungnahme der Beschwerdeführer zur Kenntnis.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen

Beweis wurde erhoben durch Einsicht in die dem Bundesverwaltungsgericht vorliegenden Verwaltungsakten des Bundesamts für Fremdenwesen und Asyl und die Verfahrensakten des Bundesverwaltungsgerichts betreffend die Beschwerdeführer, insbesondere durch Einsicht in die vorgelegten Dokumente und Integrationsunterlagen, sowie durch Durchführung einer mündlichen Verhandlung und durch Einsichtnahme in die ins Verfahren eingeführten Länderberichte.

1. Feststellungen

1.1 Zu den Personen der Beschwerdeführer und ihrem Leben in Afghanistan

Die Beschwerdeführer tragen den im Spruch angeführten Namen, sind volljährig und Staatsangehörige der Islamischen Republik Afghanistan. Sie gehören der Volksgruppe der Hazara an und sind der schiitischen Glaubensgemeinschaft zugehörig. Die Muttersprache der Beschwerdeführer ist Dari bzw Farsi. Beide können diese Sprachen sowohl lesen als auch schreiben. Die Erstbeschwerdeführerin und der Zweitbeschwerdeführer haben am XXXX in Österreich am Standesamt in XXXX geheiratet. Sie haben keine Kinder.

Die Erstbeschwerdeführerin und der Zweitbeschwerdeführer sind beide im Iran in XXXX geboren und verbrachten dort ihr gesamtes Leben bis zu ihrer Ausreise Richtung Europa. Beide waren noch nie in ihrem Herkunftsstaat Afghanistan.

Die Eltern der Erstbeschwerdeführerin stammen aus der afghanischen Provinz Daikundi und verließen Afghanistan bereits vor 30 bis 40 Jahren wegen des Krieges und der schlechten Sicherheitslage. Die Erstbeschwerdeführerin wuchs in XXXX in einer Wohnung gemeinsam mit ihren Eltern und ihrer Schwester auf. Sie besuchte dort fünf Jahre lang die Schule und half anschließend ihrem Vater ein Jahr lang in der Landwirtschaft. Anschließend arbeitete die Erstbeschwerdeführerin bis zu ihrer Ausreise in einem Kleiderlager, wo sie Kleidung sortierte bzw Männerunterwäsche verpackte.

Die Familie des Zweitbeschwerdeführers stammt aus der afghanischen Provinz Nangarhar. Seine Eltern verließen Afghanistan bereits vor 40 bis 50 Jahren wegen des Krieges. Der Zweitbeschwerdeführer wuchs in XXXX in einer Wohnung gemeinsam mit seinen Eltern, einer Schwester und einem Bruder auf. Er besuchte dort neun Jahre die Schule und half anschließend ein Jahr lang seinem Vater, der als Schweißer bzw Metallarbeiter tätig war. Anschließend arbeitete der Beschwerdeführer als Schneider und war zuletzt gemeinsam mit einem Geschäftspartner Inhaber einer Schneiderei.

Es ist anzunehmen, dass die Eltern und die Schwester der Erstbeschwerdeführerin nach wie vor an der Heimatadresse im Iran in XXXX leben. Eine Tante mütterlicherseits und eine Tante väterlicherseits der Erstbeschwerdeführerin leben ebenfalls im Iran. Eine Tante väterlicherseits, ein Onkel väterlicherseits, eine Tante mütterlicherseits und ein Onkel mütterlicherseits der Erstbeschwerdeführerin leben jeweils mit ihrer Familie in Afghanistan. Die Erstbeschwerdeführerin hat keinen Kontakt mehr zu ihrer Familie im Iran. Auch besteht kein Kontakt der Erstbeschwerdeführerin zu ihrer Familie, entfernten Verwandten oder sonstigen Bezugspersonen in Afghanistan.

Die Eltern und die Geschwister des Zweitbeschwerdeführers leben in einer Wohnung in XXXX . Der Zweitbeschwerdeführer steht mit seiner Kernfamilie in telefonischem Kontakt. Abgesehen von seiner Kernfamilie leben auch weitere Verwandte des Zweitbeschwerdeführers im Iran, mit denen dieser jedoch keinen Kontakt pflegt. In Afghanistan lebt ein Onkel väterlicherseits des Zweitbeschwerdeführers und weitere entfernte Verwandte. Der Zweitbeschwerdeführer hat jedoch keinen Kontakt zu Verwandten oder sonstigen Bezugspersonen in Afghanistan.

1.2 Zum Leben der Beschwerdeführer in Österreich

Die Erstbeschwerdeführerin und der Zweitbeschwerdeführer gelangten Ende Oktober XXXX gemeinsam in das österreichische Bundesgebiet und stellten am XXXX gegenständliche Anträge auf internationalen Schutz. Seither halten sie sich durchgehend im Bundesgebiet auf.

In Österreich leben keine Verwandten oder sonstige wichtige Bezugspersonen der Beschwerdeführer. Es besteht weder eine Lebensgemeinschaft der Beschwerdeführer in Österreich noch gibt es in Österreich geborene Kinder der Beschwerdeführer.

Die Beschwerdeführer heirateten am XXXX am Standesamt in XXXX und wohnen gemeinsam in einem Flüchtlingsheim in XXXX . Sie beziehen Leistungen aus der staatlichen Grundversorgung und sind nicht erwerbstätig. Beide nehmen im Haus an verschiedenen Aktivitäten teil und fallen durch ihr freundliches Auftreten auf.

Die Erstbeschwerdeführerin besucht seit ihrer Einreise regelmäßig Deutschkurse. Weiter nahm sie an den Info-Modulen des Magistrats der XXXX , Integration und Diversität zu den Themen Soziales, Wohnen und Zusammenleben teil. Am XXXX legte die Erstbeschwerdeführerin zu ihren Deutschkenntnissen die Prüfung aus der Stufe A1 des gemeinsamen europäischen Referenzrahmens für Sprachen erfolgreich ab. Am XXXX legte die Erstbeschwerdeführerin erfolgreich die Integrationsprüfung bestehend aus Inhalten zur Sprachkompetenz auf Niveau A1 und zu Werte- und Orientierungswissen ab. Die Erstbeschwerdeführerin engagierte sich im Verein XXXX , wo sie im Jahr 2018 für ihre Teilnahme an der Kulturshow 2018 als beste des Teams für Friedens- und Wohlfahrtskultur ausgezeichnet wurde. Die Erstbeschwerdeführerin liebt es zu kochen und kocht manchmal für das ganze Heim. Einkäufe und Arztberufe erledigt sie in Österreich selbständig und alleine. Sie möchte jedenfalls berufstätig sein und strebt eine Lehrausbildung zur Köchin an. Der Zweitbeschwerdeführer unterstützt die Erstbeschwerdeführerin bei diesem Vorhaben. An Afghanistan kritisiert die Erstbeschwerdeführerin insbesondere, dass sie dort als Frau keine Rechte hat. Sie könne dort nichts Lernen, nicht (nach eigenem Wunsch) arbeiten gehen. Vieles was sie in Österreich unternehme und mache, sei in Afghanistan verboten. Frauen seien in Afghanistan nicht gleichberechtigt. In Österreich hätten Frauen und Männer hingegen die gleichen Rechte. Hier könne sie ein freies Leben haben und ohne Angst oder Stress leben. Die Erstbeschwerdeführerin trägt in Österreich kein Kopftuch und kleidet sich nach der westlichen Mode.

In ihrer Freizeit nimmt die Erstbeschwerdeführerin laufend an Workshops und Veranstaltungen der XXXX teil. Unter anderem besucht sie regelmäßig Theater- und Tanzworkshops von " XXXX ". Dabei zeigt sich die Erstbeschwerdeführerin äußerst interessiert an Kultur. Weiter besucht sie gerne die Bibliothek oder geht schwimmen und Rad fahren. Die Erstbeschwerdeführerin nimmt regen Anteil am sozialen Leben und hat schon einige soziale Kontakte in Österreich - auch zu österreichischen Staatsbürgern - geknüpft. Sie trifft sich regelmäßig mit ihren Freundinnen.

Der Zweitbeschwerdeführer besucht seit seiner Einreise regelmäßig Deutschkurse. Weiter nahm er an Info-Modulen des Magistrats der XXXX , Integration und Diversität zu den Themen Soziales, Wohnen und Zusammenleben teil. Im Dezember 2016 absolvierte der Zweitbeschwerdeführer einen Erste-Hilfe-Grundkurs bei der XXXX . Am 24.5.2017 legte der Zweitbeschwerdeführer zu seinen Deutschkenntnissen die Prüfung aus der Stufe A2 und am 26.6.2018 aus der Stufe B1 des gemeinsamen europäischen Referenzrahmens für Sprachen erfolgreich ab. Am 18.4.2019 legte der Zweitbeschwerdeführer erfolgreich die Integrationsprüfung bestehend aus Inhalten zur Sprachkompetenz auf Niveau B1 und zu Werte- und Orientierungswissen ab. Weiter nahm er an einem Computerkurs zum Thema "Grundlagen der PC-Verwendung und Microsoft Office" teil. Derzeit nimmt der Zweitbeschwerdeführer am Lehrgang "Vorbereitung auf den Pflichtschulabschluss" teil. Für die Zukunft hat es sich der Zweitbeschwerdeführer zum Ziel gesetzt, zunächst seine Deutschkenntnisse zu verbessern und den Pflichtschulabschluss nachzuholen. Am 31.10.2019 schloss er bereits die Abschlussprüfung aus Berufsorientierung erfolgreich ab. Zukünftig möchte der Zweitbeschwerdeführer als Schneider arbeiten. Der Zweitbeschwerdeführer arbeitet ehrenamtlich als Hilfskraft im Flüchtlingshaus XXXX . Zusätzlich war er im Flüchtlingsheim häufig ehrenamtlich als Schneider tätig und absolvierte ein Praktikum in einem Modeatelier.

Der Zweitbeschwerdeführer nimmt in seiner Freizeit an Workshops und Veranstaltungen der XXXX teil. Dort besucht er unter anderem Theaterworkshops und Tanzworkshops von " XXXX ". Er spielte auch Fußball in einem Verein, musste jedoch wegen Schmerzen damit aufhören. Der Zweitbeschwerdeführer nimmt wie auch seine Gattin regen Anteil am sozialen Leben und hat schon einige soziale Kontakte in Österreich - auch zu österreichischen Staatsbürgern - geknüpft.

Die Erstbeschwerdeführerin erlitt mehrere Fehlgeburten in Österreich. Sie weist, unter anderem aufgrund der erlittenen Fehlgeburten, eine depressive Symptomatik und Panikstörung auf und leidet unter einer schweren Major Depression sowie an einer posttraumatischen Belastungsstörung. Diese psychischen Erkrankungen werden medikamentös behandelt. Von XXXX bis zumindest XXXX nahm die Zweitbeschwerdeführer zudem psychotherapeutische Beratungsgespräche im XXXX wahr.

Der Zweitbeschwerdeführer ist im Wesentlichen gesund und arbeitsfähig.

Die Erstbeschwerdeführerin und der Zweitbeschwerdeführer sind strafgerichtlich unbescholten.

1.3 Zu den Fluchtgründen der Beschwerdeführer

Die Erstbeschwerdeführerin und der Zweitbeschwerdeführer reisten ungefähr im XXXX gemeinsam aus dem Iran aus.

Die Erstbeschwerdeführerin ist in ihrer Wertehaltung überwiegend an dem in Europa mehrheitlich gelebten, allgemein als "westlich" zu bezeichnenden Frauen- und Gesellschaftsbild orientiert. Bereits in Afghanistan hat sie gegen den Willen ihrer Familie die Hochzeit mit dem Erstbeschwerdeführer durchgesetzt. In diesem Zusammenhang droht ihr im Fall ihrer Rückkehr asylrelevante Verfolgung aus Gründen ihrer politischen Gesinnung bzw Religion sowie aufgrund ihrer Zugehörigkeit zur sozialen Gruppe der westlich orientierten afghanischen Frauen. Von einer solchen Verfolgung ist im gesamten Staatsgebiet von Afghanistan auszugehen.

Zu den Angaben der Erstbeschwerdeführerin über die (weiteren) Gründe, aus denen sie ihr Herkunftsland verlassen hat, werden keine Feststellungen getroffen.

Dass der Zweitbeschwerdeführer in Afghanistan aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder politischen Überzeugung persönlich bedroht oder verfolgt wurde oder eine Verfolgung im Falle seiner Rückkehr nach Afghanistan zu befürchten hätte, kann nicht festgestellt werden.

Insbesondere kann nicht festgestellt werden, dass der Zweitbeschwerdeführer mit der Erstbeschwerdeführerin im Iran außerehelichen Geschlechtsverkehr hatte. Dass die Erstbeschwerdeführerin in Folge des Verdachts einer außerehelichen Beziehung mit dem Zweitbeschwerdeführer mit ihrem Cousin zwangsverheiratet wurde, konnte ebenso wenig festgestellt werden. Die Familien der Beschwerdeführer stimmten einer Heirat zwischen dem Zweitbeschwerdeführer und der Erstbeschwerdeführerin nicht zu. Daraufhin verließen die Erstbeschwerdeführerin und der Zweitbeschwerdeführer gemeinsam den Iran, um in Europa heiraten und ein gemeinsames Leben führen zu können. Dass dem Zweitbeschwerdeführer im Fall einer Rückkehr nach Afghanistan Verfolgung bzw Übergriffe durch die Familie der Erstbeschwerdeführerin, insbesondere durch den Cousin, mit dem die Erstbeschwerdeführerin vermeintlich zwangsverheiratet wurde, und dessen Familie, drohen, ist nicht anzunehmen. Insbesondere ist nicht davon auszugehen, dass die Familie der Erstbeschwerdeführerin in der Lage wäre, den Zweitbeschwer

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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