TE Vwgh Erkenntnis 1998/3/31 93/13/0109

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 31.03.1998
beobachten
merken

Index

20/01 Allgemeines bürgerliches Gesetzbuch (ABGB);
32/02 Steuern vom Einkommen und Ertrag;

Norm

ABGB §90;
EStG 1988 §106;
EStG 1988 §57 Abs2;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Weiss und Senatspräsident Dr. Pokorny sowie die Hofräte Dr. Fellner, Dr. Hargassner und Mag. Heinzl als Richter, im Beisein des Schriftführers DDDr. Jahn, über die Beschwerde des R B in W, vertreten durch Dr. Walter Riedl, Dr. Peter Ringhofer, Dr. Martin Riedl und Dr. Georg Riedl, Rechtsanwälte in Wien I, Franz Josefs-Kai 5, gegen den Bescheid der Finanzlandesdirektion für Wien, Niederösterreich und Burgenland vom 11. Mai 1993, Zl. GA 5-1619/3/92, betreffend Jahresausgleich 1990, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 4.565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der Beschwerdeführer war bis zum Jahr 1990 geschieden und für ein im Jahr 1981 geborenes Kind allein sorgepflichtig; es stand ihm daher als Alleinerhalter gemäß § 57 Abs. 2 EStG 1988 der Alleinverdienerabsetzbetrag zu.

Im Juli 1990 verehelichte sich der Beschwerdeführer. Seine nunmehrige Ehegattin brachte in die Ehe ebenfalls ein minderjähriges Kind mit, für das sie allein sorgepflichtig war.

Diesen Sachverhalt teilte der Beschwerdeführer dem Finanzamt schriftlich mit (Einlangen des Schreibens beim Finanzamt am 2. November 1990) und wies dabei darauf hin, daß er von seiner nunmehrigen Ehegattin (weiterhin) getrennt lebe, weil die finanziellen Mittel für die Schaffung einer gemeinsamen neuen Wohnung derzeit nicht verfügbar seien.

Im Rahmen des Jahresausgleichsverfahrens für das Kalenderjahr 1990 ergingen folgende Bescheide:

1. Bescheid vom 5. Juli 1991, mit dem der Alleinverdienerabsetzbetrag nicht zuerkannt wurde;

2. Bescheid vom 12. Juli 1991, mit dem der Jahresausgleichsbescheid berichtigt und der Alleinverdienerabsetzbetrag zuerkannt wurde (Berichtigungsgrund war allerdings ausdrücklich nur die Berücksichtigung einer außergewöhnlichen Belastung);

3. Widerrufs- und Nachforderungsbescheid vom 9. Oktober 1991, mit dem der berichtigte Jahresausgleichsbescheid insoweit geändert wurde, als der Alleinverdienerabsetzbetrag versagt wurde. In der Begründung wurde ausgeführt, daß von einer dauernden Trennung nicht gesprochen werden könne, "wenn die Ehegatten aufgrund der Wohnungsverhältnisse keinen gemeinsamen Familienwohnsitz haben."

Der Beschwerdeführer erhob gegen den letztgenannten Bescheid Berufung, bestritt daß die Voraussetzungen für die Zuerkennung des Alleinverdienerabsetzbetrages mit seiner Eheschließung weggefallen seien, und wies auf die Rechtskraft des berichtigten Jahresausgleichsbescheides für das Jahr 1990 hin, die einer neuerlichen Bescheiderlassung - ohne Wiederaufnahme des Verfahrens - entgegenstünde.

Die belangte Behörde hob alle drei Bescheide im Dienstaufsichtsweg gemäß § 299 BAO auf.

In der Folge erließ das Finanzamt neuerlich einen Jahresausgleichsbescheid für das Jahr 1990, in dem der Alleinverdienerabsetzbetrag nicht zuerkannt wurde. Die Ehegattin des Beschwerdeführers habe im Jahr 1990 Einkünfte in Höhe von S 240.816,-- erzielt, sodaß der Beschwerdeführer nicht als Alleinverdiener anzusehen sei. Als Alleinerhalter sei er ebenfalls nicht anzusehen, weil "eine bloß räumliche Trennung" dem gesetzlich normierten Merkmal des "dauernd getrennt"-Lebens nicht gleichgesetzt werden könne.

Der Beschwerdeführer erhob Berufung. Es bestünden zwei getrennte "eigenständig geführte Haushalte", weil es "aufgrund wohnungsbedingter Umstände bisher noch nicht möglich war, einen gemeinsamen Haushalt zu begründen".

Mit dem angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde die Berufung ab und vertrat dabei - dem Finanzamt folgend - die Auffassung, daß der Beschwerdeführer von seiner nunmehrigen Ehegattin nicht dauernd getrennt lebe, weil der Gründung eines gemeinsamen Haushaltes nur die vom Beschwerdeführer aufgezeigten wohnsitzbedingten Umstände entgegenstünden.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Gemäß § 57 Abs. 2 EStG 1988 in der für den Streitzeitraum geltenden Fassung steht einem Alleinverdiener oder Alleinerhalter ein Alleinverdienerabsetzbetrag von S 4.000,-- jährlich zuzüglich einem Kinderzuschlag von S 1.800,-- jährlich für jedes Kind (§ 106) zu.

Alleinverdiener ist ein Arbeitnehmer, dessen von ihm nicht dauernd getrennt lebender unbeschränkt steuerpflichtiger Ehegatte nicht mehr als ein bestimmtes Ausmaß an Einkünften erzielt.

Alleinerhalter ist ein Arbeitnehmer mit Kind, der ledig oder geschieden ist oder von seinem Ehegatten dauernd getrennt lebt und für sich Unterhaltszahlungen von höchstens S 40.000,-- jährlich erhält.

Im Beschwerdefall ist lediglich strittig, ob der Beschwerdeführer von seiner Ehegattin, die er im Streitzeitraum geheiratet hat, dauernd getrennt lebt oder ob dies nicht der Fall ist. Bejaht man, daß der Beschwerdeführer von seiner Ehegattin dauernd getrennt lebt, so ist er ebenso wie in den Jahren vor seiner Eheschließung als Alleinerhalter anzusehen, dem der Alleinverdienerabsetzbetrag zusteht, weil er unbestritten für ein Kind im Sinne des § 106 EStG sorgepflichtig ist und für sich keine (begünstigungsschädlichen) Unterhaltszahlungen erhält.

Verneint man das Vorliegen einer dauernden Trennung, so ist der Beschwerdeführer weder als Alleinerhalter noch als Alleinverdiener anzusehen; letzteres deswegen nicht, weil die Ehegattin des Beschwerdeführers unbestritten Einkünfte erzielt, die über den im Gesetz genannten Grenzbeträgen liegen.

Der Beschwerdeführer vertritt die Rechtsansicht, daß der Begriff "dauernd" nur als "Bezugnahme" auf eine bestimmte Besteuerungsperiode zu interpretieren sei. Bestehe sohin während einer Besteuerungsperiode zwischen Ehegatten keine "Haushalts- und Lebensgemeinschaft", so sei davon auszugehen, daß die Ehegatten in dieser Besteuerungsperiode "dauernd getrennt gelebt" hätten.

Der Gerichtshof teilt diese Rechtsansicht nicht. Der Gesetzgeber stellt unbeschränkt steuerpflichtige Ehegatten, die dauernd getrennt leben, geschiedenen oder ledigen Steuerpflichtigen gleich, sofern alle diese Personen für ein Kind im Sinne des § 106 EStG sorgepflichtig sind.

Diesen als "Alleinerhalter" bezeichneten Personenkreis stellt der Gesetzgeber in bezug auf die Gewährung des Alleinverdienerabsetzbetrages den sogenannten "Alleinverdienern" gleich, worunter unbeschränkt steuerpflichtige Personen zu verstehen sind, die verehelicht sind und von ihrem Ehegatten, der selbst über keine nennenswerten Einkünfte verfügt, nicht dauernd getrennt leben.

Der Gesetzgeber unterscheidet demnach bei Ehegatten zwischen zwei Gruppen: Jenen, die nicht dauernd getrennt leben und jenen, die dauernd getrennt leben. Mit diesem Unterscheidungsmerkmal soll offensichtlich zum Ausdruck gebracht werden, daß die wirtschaftliche Leistungskraft bei der ersten Gruppe durch die beiderseits erzielten Einkünfte bestimmt wird, während bei der zweiten Gruppe zusätzlich zu den selbsterzielten Einkünften nur Unterhaltszahlungen des dauernd getrennt lebenden Ehegatten, nicht aber auch dessen Einkünfte zur Beurteilung der wirtschaftlichen Leistungskraft heranzuziehen sind. Mit anderen Worten: Ist das Zusammenleben von Ehegatten davon gekennzeichnet, daß beide zur Finanzierung ihrer gemeinsamen Bedürfnisse beitragen, so ist davon auszugehen, daß sie nicht dauernd getrennt leben; anderenfalls spricht der Gesetzgeber von dauernd getrennt lebenden Ehegatten. Bei den letztgenannten müssen sohin Umstände vorliegen, die darauf schließen lassen, daß das einer Ehe eigentümliche gemeinsame Wirtschaften mit gemeinsamen finanziellen Mitteln (vgl. die §§ 90 ff ABGB) nicht gegeben ist, weil der Wille zur gemeinsamen Lebensführung nicht mehr besteht, woraus folgt, daß die Einkünfte des anderen Ehegatten unerheblich sind und nur mehr ein allfälliger Unterhaltsanspruch von Bedeutung ist.

Der Beschwerdeführer hat zwar vorgebracht, daß die (von Anfang an beabsichtigte) Aufnahme der Wohngemeinschaft mit seiner Ehegattin erst im Jahr 1993 erfolgt sei, weil ihr (vorübergehend) finanzielle Schwierigkeiten entgegengestanden seien; er hat aber nicht behauptet, im Jahr seiner Eheschließung (1990) nicht den ernstlichen Willen zur Eheschließung gehabt zu haben, wozu auch der Wille zählt, durch gemeinsames Bemühen und Zusammenlegen der beiderseits erzielten Einkünfte, eine gemeinsame eheliche Wohnung zu schaffen. Eine solcherart "intakte" Ehe ist auch dann nicht vom Merkmal des "dauernd getrennt Lebens" im Sinne des § 57 Abs. 2 EStG 1988 gekennzeichnet, wenn die Ehegatten noch über keine geeignete gemeinsame Wohnung verfügen, sondern eine solche erst (gemeinsam) schaffen müssen.

Der Beschwerdeführer weist darauf hin, daß er weiterhin in den Genuß des Alleinverdienerabsetzbetrages gekommen wäre, wenn er nicht geheiratet hätte. Obwohl sich durch die Eheschließung nichts an der getrennten Lebensführung geändert habe, werde ihm nun durch die Auslegung der belangten Behörde ab dem Jahr der Eheschließung der Alleinverdienerabsetzbetrag versagt. Dies laufe auf eine Diskriminierung des Rechtsinstitutes der Ehe hinaus und stehe "im krassesten Widerspruch zur generellen positiven Bewertung der Eheschließung und der Ehe in der Rechtsordnung". Überdies werde dem Gesetz damit ein gleichheitswidriger Inhalt unterstellt. Mit einer verfassungskonformen Interpretation könne dem "problemlos" begegnet werden.

Der Beschwerdeführer übersieht bei dieser Argumentation, daß sich seine Ehegattin (erst) durch die Eheschließung zur umfassenden Beistandspflicht ihm gegenüber bereit erklärt hat. Daß diese, auch die finanziellen Belange umfassende Beistandspflicht grundsätzlich geeignet ist, die wirtschaftliche Leistungskraft des Beschwerdeführers zu beeinflussen, kann wohl kaum in Abrede gestellt werden. Dem Umstand allein, daß Ehegatten (vorübergehend) allenfalls auch aus beruflichen Gründen genötigt sein können, getrennte Wohnungen benützen zu müssen und dadurch einer finanziellen Mehrbelastung ausgesetzt sind, mißt der Gesetzgeber im Rahmen der Vorschriften betreffend die Zuerkennung des Alleinverdienerabsetzbetrages keine tatbestandsmäßige Bedeutung zu.

Die Beschwerde erweist sich somit als unbegründet und war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1998:1993130109.X00

Im RIS seit

19.02.2002
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten