TE Vwgh Erkenntnis 2020/4/17 Ra 2019/04/0110

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 17.04.2020
beobachten
merken

Index

10/07 Verwaltungsgerichtshof
40/01 Verwaltungsverfahren
50/01 Gewerbeordnung

Norm

GewO 1994 §366 Abs1 Z1
VStG §31
VStG §32
VStG §44a Z1
VwGG §42 Abs2 Z1
VwGVG 2014 §50

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Handstanger sowie die Hofräte Dr. Mayr und Mag. Brandl als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Klima, LL.M., über die Revision des C G in H, vertreten durch Mag. Daniel Vonbank, Rechtsanwalt in 6900 Bregenz, Reichsstraße 9, gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichtes Vorarlberg vom 28. Juni 2019, Zl. LVwG-1-543/2018-R5, betreffend Übertretung der Gewerbeordnung 1994 (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bezirkshauptmannschaft Bregenz), zu Recht erkannt:

Spruch

Das angefochtene Erkenntnis wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat dem Revisionswerber Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.346,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

1 Mit Straferkenntnis vom 31. August 2018 hielt die Bezirkshauptmannschaft Bregenz (belangte Behörde) dem Revisionswerber vor, nachstehende Verwaltungsübertretung begangen zu haben:

"Sie haben am Standort (...) Verputzarbeiten durchgeführt und dadurch das freie Gewerbe des 'Stuckateurs (Verputzers)' selbständig, regelmäßig und in der Absicht ausgeübt, einen Ertrag oder sonstigen wirtschaftlichen Vorteil zu erzielen, obwohl Sie dafür keine Gewerbeberechtigung besitzen."

Weiters erfolgten im Spruch Angaben zum Umfang der Gewerbeberechtigung des Revisionswerbers, zur Tatzeit und zum Tatort sowie zur verletzten Verwaltungsvorschrift (§ 366 Abs. 1 Z 1 GewO 1994). Es wurde eine Geldstrafe in der Höhe von EUR 500,-- verhängt und ein Verfahrenskostenbeitrag in der Höhe von EUR 50,-- vorgeschrieben.

2 Mit dem angefochtenen Erkenntnis vom 28. Juni 2019 gab das Verwaltungsgericht der dagegen erhobenen Beschwerde des Revisionswerbers keine Folge und bestätigte das angefochtene Straferkenntnis mit der Maßgabe, dass in der Tatumschreibung der erste Satz durch folgenden Satz ersetzt wurde:

"Sie haben in (...) auf der Baustelle (...) im Gebäudeinneren auf die Wände einen Feinputz aufgebracht und außen auf den Sockel und die Fassade des Gebäudes Dämmplatten angebracht und verspachtelt und damit das reglementierte Gewerbe 'Stuckateure und Trockenausbauer' selbständig, regelmäßig und in der Absicht ausgeübt, einen Ertrag oder sonstigen wirtschaftlichen Vorteil zu erzielen, obwohl Sie dafür keine Gewerbeberechtigung besaßen."

Es wurde ein Kostenbeitrag in der Höhe von EUR 100,-- vorgeschrieben und die ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof für unzulässig erklärt.

3 Das Verwaltungsgericht stellte fest, dass der Revisionswerber in der Zeit von 1. November bis 20. November 2017 auf einer näher umschriebenen Baustelle die in der Maßgabebestätigung vorgehaltenen Tätigkeiten durchgeführt habe (Aufbringen eines Feinputzes im Inneren des Gebäudes, Zuschneiden und Befestigen von Dämmplatten durch Ankleben und Andübeln auf dem Sockel und der Fassade des Gebäudes, Verspachteln bzw. Verputzen dieser Dämmplatten). Diese Arbeiten seien im Auftrag der B KG ausgeführt worden. Der Revisionswerber sei nur im Besitz einer auf das "Verspachteln von bereits montierten Gipskartonplatten" eingeschränkten Gewerbeberechtigung für Stuckateure und Trockenausbauer.

4 Das Verwaltungsgericht stützte diese Feststellungen insbesondere auf die Aussage des Zeugen S, der als Geschäftsführer der B KG vollständigen Überblick darüber hatte, wer welche Arbeiten durchgeführt habe, und der selbst, abgesehen von wenigen Stunden, dauernd auf der Baustelle anwesend gewesen sei. Für die Richtigkeit der Aussage des Zeugen S spreche auch die Aussage des Zeugen H, der am 20. November 2017 eine Kontrolle durchgeführt und bestätigt habe, dass der Revisionswerber unumwunden eingeräumt habe, auf der Baustelle u.a. verputzt zu haben. Zudem habe der Revisionswerber die Durchführung der festgestellten Arbeiten teilweise (betreffend das Zuschneiden und Andübeln der Dämmplatten) selbst zugestanden. Von der beantragten Einvernahme des Hilfsarbeiters U habe abgesehen werden können, weil der Revisionswerber nicht behauptet habe, an allen Tagen ständig mit ihm zusammen auf der Baustelle gearbeitet zu haben, und daher eine Zeugenaussage des U nicht geeignet gewesen wäre, die Zeugenaussage des S zu widerlegen.

5 In seinen rechtlichen Erwägungen hielt das Verwaltungsgericht fest, dass Selbständigkeit, Regelmäßigkeit und Gewinnerzielungsabsicht vorlägen. Der Revisionswerber habe daher tatbestandsmäßig gegen die angeführten Gesetzesbestimmungen verstoßen und sich damit strafbar gemacht. Die Tatumschreibung sei dahingehend richtig gestellt worden, als das Gewerbe der Stuckateure und Trockenausbauer als reglementiertes (und nicht wie von der belangten Behörde: als freies) Gewerbe zu bezeichnen gewesen sei. Weiters seien "in der Tatumschreibung die unbefugt ausgeübten Tätigkeiten genauer umschrieben" worden. Abschließend erfolgten Ausführungen zur Strafbemessung.

6 Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vorliegende

außerordentliche Revision.

7 Revisionsbeantwortung wurde keine erstattet.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

8 Der Revisionswerber bringt zur Zulässigkeit unter Verweis auf näher zitierte Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ua. vor, das Verwaltungsgericht habe den Spruch des Straferkenntnisses in unzulässiger Weise abgeändert. Es liege keine bloße Präzisierung vor, sondern ein Austausch der Tat durch Heranziehung eines anderen Sachverhaltes.

9 Die Revision erweist sich auf Grund dieses Vorbringens als zulässig und auch begründet.

10 Der Verwaltungsgerichtshof hat wiederholt festgehalten, dass eine Befugnis der Verwaltungsgerichte zur Ausdehnung des Verfahrens über die Sache des Verwaltungsstrafverfahrens im Sinn des § 50 VwGVG hinaus, durch die Verwaltungsgerichtsbarkeits-Novelle nicht geschaffen wurde (vgl. VwGH 27.4.2018, Ra 2018/04/0091, mwN).

11 "Sache" des Verwaltungsstrafverfahrens ist die dem Beschuldigten innerhalb der Verjährungsfrist zur Last gelegte Tat mit ihren wesentlichen Sachverhaltselementen, unabhängig von ihrer rechtlichen Beurteilung. Eine Verfolgungshandlung im Sinn der §§ 31 und 32 VStG muss eine bestimmte Verwaltungsübertretung zum Gegenstand haben, was erfordert, dass sie sich auf alle der späteren Bestrafung zugrunde liegenden Sachverhaltselemente beziehen muss (siehe zu all dem VwGH 8.3.2017, Ra 2016/02/0226, mwN). Die Umschreibung der Tat (im Sinn des § 44a Z 1 VStG) hat wiederum so präzise zu sein, dass der Beschuldigte seine Verteidigungsrechte wahren kann und er nicht der Gefahr einer Doppelbestrafung ausgesetzt ist, und sie darf keinen Zweifel daran bestehen lassen, wofür er bestraft worden ist (siehe VwGH 6.9.2019, Ra 2019/11/0053 bis 0055, mwN).

12 Daran ist zu messen, ob es sich vorliegend um eine als unzulässig anzusehende Abänderung der Tathandlung bzw. Heranziehung eines anderen - als ursprünglich der Bestrafung zugrunde gelegten - Sachverhaltes handelt (vgl. allgemein wiederum VwGH Ra 2018/04/0091; Ra 2016/02/0226).

13 Vorliegend ist das Verwaltungsgericht zwar zutreffend davon ausgegangen, dass die Richtigstellung der Einstufung des Gewerbes der Stuckateure und Trockenausbauer als reglementiert (im Gegensatz zu frei) eine zulässige Präzisierung hinsichtlich der rechtlichen Beurteilung darstellt.

14 Während die belangte Behörde dem Revisionswerber aber lediglich "Verputzarbeiten" vorgehalten hat, hat das Verwaltungsgericht die vorgeworfene Tathandlung auf das Anbringen von Dämmplatten ausgedehnt. Damit wurden Sachverhaltselemente hinzugefügt, die in der ursprünglichen Bestrafung nicht enthalten waren, und dem Revisionswerber somit ein Verhalten, durch das er die verletzte Norm übertreten habe, erstmals im angefochtenen Erkenntnis angelastet.

15 Ausgehend davon hat das Verwaltungsgericht das angefochtene Erkenntnis mit inhaltlicher Rechtswidrigkeit belastet und das Erkenntnis war gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG aufzuheben. 16 Die Entscheidung über den Aufwandersatz beruht auf den §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 20

14.

Wien, am 17. April 2020

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2020:RA2019040110.L00

Im RIS seit

08.06.2020

Zuletzt aktualisiert am

08.06.2020
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten