TE Vwgh Erkenntnis 2020/4/21 Ra 2020/17/0018

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Veröffentlicht am 21.04.2020
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Index

10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG)
10/07 Verwaltungsgerichtshof
19/05 Menschenrechte
34 Monopole
40/01 Verwaltungsverfahren

Norm

B-VG Art133 Abs4
GSpG 1989 §52 Abs1 Z1
MRK Art6
VStG §19 Abs2
VStG §44a Z3
VStG §45 Abs1 Z2
VStG §9 Abs7
VwGG §25a Abs1
VwGG §28 Abs3
VwGG §34 Abs1
VwGG §34 Abs1a
VwGG §34 Abs3
VwGG §42 Abs2 Z1
VwGG §47ff
VwGG §50
VwGVG 2014 §52 Abs8

Beachte

Miterledigung (miterledigt bzw zur gemeinsamen Entscheidung verbunden):Ra 2020/17/0019

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Schick, die Hofrätin Dr. Koprivnikar sowie den Hofrat Dr. Terlitza als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. Kovacs, über die Revisionen der 1. V L und

2. I s.r.o., beide in B, beide vertreten durch Dr. Patrick Ruth und MMag. Daniel Pinzger, Rechtsanwälte in 6020 Innsbruck, Kapuzinergasse 8/4, gegen das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes Wien vom 2. Oktober 2019, Zl. VGW-002/060/9347/2019/E-2, betreffend Übertretung des Glücksspielgesetzes - GSpG (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Landespolizeidirektion Wien),

Spruch

I. zu Recht erkannt:

Das angefochtene Erkenntnis wird im Umfang seines Spruchpunktes II. (Kostenbeitrag zum Beschwerdeverfahren) wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat den revisionswerbenden Parteien Aufwendungen in der Höhe von insgesamt EUR 1.346,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

II. den Beschluss gefasst:

Im Übrigen wird die Revision zurückgewiesen.

Begründung

1 1. Mit Straferkenntnis der belangten Behörde vom 8. November 2016 wurde die Erstrevisionswerberin der Übertretung des § 52 Abs. 1 Z 1 viertes Tatbild GSpG schuldig erkannt, weil sie sich im Zeitraum vom 1. Juni bis 26. November 2015 an einem näher genannten Ort als Geschäftsführerin der Zweitrevisionswerberin an verbotenen Ausspielungen mit zwei näher bezeichneten Eingriffsgegenständen unternehmerisch beteiligt habe. Über die Erstrevisionswerberin wurden zwei Geldstrafen in Höhe von jeweils EUR 10.000,-- (Ersatzfreiheitsstrafen von jeweils 168 Stunden) verhängt. Weiters wurde ihr ein Beitrag von insgesamt EUR 2.000,-- zu den Kosten des Strafverfahrens auferlegt. Die Zweitrevisionswerberin wurde gemäß § 9 Abs. 7 VStG zur Haftung für die Geldstrafen und die Kosten verpflichtet.

2 Die revisionswerbenden Parteien erhoben Beschwerde.

3 2.1. Das Verwaltungsgericht Wien (Verwaltungsgericht) gab

mit Erkenntnis vom 12. Mai 2017 dieser Beschwerde mit Spruchpunkt II. hinsichtlich des im Straferkenntnis als erstes Glücksspielgerät bezeichneten Aufladeterminals Folge und stellte das Verwaltungsstrafverfahren gemäß § 45 Abs. 1 Z 2 VStG ein; im Übrigen wurde die Beschwerde mit einer Maßgabebestätigung als unbegründet abgewiesen. Spruchpunkt IV. betraf die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

4 Mit Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 15. Mai 2018, Ra 2018/16/0015 bis 0017, wurde die Entscheidung des Verwaltungsgerichtes im Umfang der Spruchpunkte II. und IV. wegen Widersprüchlichkeit aufgehoben: Das Verwaltungsgericht habe einerseits das Verwaltungsstrafverfahren hinsichtlich des Aufladeterminals eingestellt, andererseits der Erstrevisionswerberin im neugefassten Spruch eine Übertretung mit diesem Aufladeterminal angelastet.

5 2.2. Das (Ersatz)Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes vom 15. November 2018 wurde vom Verwaltungsgerichtshof mit Erkenntnis vom 27. Juni 2019, Ra 2019/15/0021, 0022, im Umfang seines Ausspruchs über die Strafe, die Kosten des verwaltungsbehördlichen Strafverfahrens und die Kosten des Beschwerdeverfahrens wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben, weil im Spruch nicht die richtige Strafnorm nach § 44a Z 3 VStG aufgeschienen sei. Der Verwaltungsgerichtshof führte weiters aus, dass überdies im vom Verwaltungsgericht fortzusetzenden Verfahren der Widerspruch in Spruchpunkt I. und II. hinsichtlich der Verpflichtung zur Zahlung eines Beitrages zu den Kosten des Beschwerdeverfahrens aufzulösen sei.

6 2.3. Mit dem nunmehr angefochtenen neuerlichen (Ersatz)Erkenntnis wurde unter Spruchpunkt I. (erneut) erkannt, dass der Beschwerde hinsichtlich des Aufladeterminals Folge gegeben und das Verwaltungsstrafverfahren eingestellt werde; weiters werde der Beschwerde insofern Folge gegeben, als die verhängte Geldstrafe von EUR 10.000,-- auf EUR 7.000,-- (sowie die für den Fall der Uneinbringlichkeit festgesetzte Ersatzfreiheitsstrafe auf 47 Stunden) herabgesetzt werde. Weiters wurden die Kosten des verwaltungsbehördlichen Verfahrens mit EUR 700,-- festgesetzt und ausgesprochen, dass die Erstrevisionswerberin keinen Beitrag zu den Kosten des Beschwerdeverfahrens zu leisten habe. "Spruchpunkt IV. des mit Revision angefochtenen Erkenntnisses des Verwaltungsgerichts Wien vom 12.5.2017" wurde mit Spruchpunkt II. dahingehend neu gefasst, dass die Erstrevisionswerberin einen Kostenbeitrag zum Beschwerdeverfahren in Höhe von EUR 1.400,-- zu leisten habe (d.s. 20 % der verhängten Geldstrafe von EUR 7.000); die Zweitrevisionswerberin hafte hiefür gemäß § 9 Abs. 7 VStG. Die Revision an den Verwaltungsgerichtshof sei nach Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

7 Zur Strafbemessung führte das Verwaltungsgericht begründend aus, die Dauer des strafbaren Handelns könne im Rahmen der Strafbemessung maßgebend sein; der längere Tatzeitraum von 24 Wochen sei als erschwerend zu werten. Mangels Bekanntgabe sei von durchschnittlichen wirtschaftlichen Verhältnissen auszugehen. Die Handlung der Erstrevisionswerberin habe das bedeutende öffentliche Interesse des Spielerschutzes geschädigt, weshalb der objektive Unrechtsgehalt der "Taten" erheblich sei. Das Verschulden sei nicht geringfügig, sondern schwer (Vorsatz). Die Höchststrafe sei jedoch zu hoch, es sei die Unbescholtenheit der Erstrevisionswerberin zu berücksichtigen. Aus diesem Grund sei die verhängte Strafe wie im Spruch ersichtlich herabzusetzen. Der Ausspruch zu den Verfahrenskosten wird nicht näher begründet. 8 3. Dieses Erkenntnis wird von den revisionswerbenden Parteien im Umfang seines Ausspruches über die Strafe, die Kosten des verwaltungsbehördlichen Strafverfahrens und die Kosten des Beschwerdeverfahrens mit außerordentlicher Revision angefochten. 9 Die belangte Behörde erstattete keine Revisionsbeantwortung.

10 Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

11 4.1. Die Revision erweist sich mit ihrem Vorbringen, die Vorschreibung eines Verfahrenskostenbeitrages zum Beschwerdeverfahren widerspreche näherer Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes, im Umfang des Spruchpunktes II. des angefochtenen Erkenntnisses als zulässig.

12 Sie ist in diesem Umfang auch berechtigt.

13 Zwar hat das Verwaltungsgericht zunächst in Spruchpunkt I. ausgesprochen, dass die Erstrevisionswerberin keinen Beitrag zu den Kosten des Beschwerdeverfahrens zu leisten habe; in Spruchpunkt II. wird die Erstrevisionswerberin jedoch explizit zur Zahlung eines Beitrages zu den Kosten des Beschwerdeverfahrens in Höhe von 20 % der verhängten Geldstrafe sowie die Zweitrevisionswerberin zur Haftung hiefür verpflichtet. Anders als es der Verwaltungsgerichtshof bereits in seinem Erkenntnis vom 27. Juni 2019, Ra 2019/15/0021, für erforderlich gehalten hat, wurde dieser Widerspruch zwischen den Spruchpunkten I. und II. hinsichtlich der Verpflichtung zur Zahlung eines Beitrages zu den Kosten des Beschwerdeverfahrens nicht aufgelöst, sondern wiederholt.

14 Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist es weiters nicht zulässig, dem Beschuldigten die Kosten des Beschwerdeverfahrens aufzuerlegen, wenn das Verwaltungsgericht eine Änderung zu seinen Gunsten (§ 52 Abs. 8 VwGVG) vorgenommen hat (vgl. VwGH 20.8.2018, Ra 2017/17/0221).

15 Das Verwaltungsgericht hat im vorliegenden Fall der Beschwerde Folge gegeben und die Geldstrafe hinsichtlich des verbliebenen Gerätes herabgesetzt. In einem solche Fall ist es dem Verwaltungsgericht gemäß § 52 Abs. 8 VwGVG jedenfalls versagt, einem Bestraften den Ersatz der Kosten des Beschwerdeverfahrens aufzuerlegen (vgl. z.B. VwGH 23.10.2017, Ro 2017/17/0015). 16 Spruchpunkt II. des angefochtenen Erkenntnisses war daher, weil sich die in ihm enthaltene Vorschreibung der Kosten für das Beschwerdeverfahren sowie die Vorschreibung der Haftung als rechtswidrig erweisen, gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit des Inhalts aufzuheben.

17 4.2. Im Übrigen erweis sich die Revision als unzulässig:

18 Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

19 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegen der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen. 20 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof ausschließlich im Rahmen der dafür in der Revision gesondert vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.

21 Die revisionswerbenden Parteien bringen zur Zulässigkeit der Revision vor, die Strafbemessung des Verwaltungsgerichtes erweise sich als unvertretbar, weil die lange Verfahrensdauer von 46 Monaten zwischen Tatbegehung und Entscheidung über die Bestrafung nicht berücksichtigt worden sei. Auch wenn seitens des Verwaltungsgerichtes ein schweres Verschulden angenommen werde, erweise sich die verhängte Strafe bei den angenommenen durchschnittlichen Verhältnissen der Erstrevisionswerberin sowie der Unbescholtenheit als überhöht; bei Berücksichtigung der langen Verfahrensdauer hätte das Verwaltungsgericht die verhängte Strafe geringer bemessen müssen.

22 Bei der Strafbemessung handelt es sich um eine Ermessensentscheidung, die nach den vom Gesetzgeber in § 19 VStG festgelegten Kriterien vorzunehmen ist. Vom Verwaltungsgerichtshof ist daher (bloß) zu prüfen, ob das Verwaltungsgericht von dem ihm eingeräumten Ermessen im Sinn des Gesetzes Gebrauch gemacht hat, das heißt, ob die verhängte Strafe unter Bedachtnahme auf die Strafbemessungsgründe vertretbar erscheint (VwGH 30.7.2018, Ra 2017/02/0140, mwN).

23 Der Verwaltungsgerichtshof hat bereits mehrfach ausgesprochen, dass das Gesetz bei der Strafbemessung in einer dem Art. 6 EMRK widersprechenden Weise angewendet wurde, wenn eine überlange Verfahrensdauer nicht festgestellt und strafmildernd bewertet wurde (vgl. z.B. VwGH 24.6.2009, 2008/09/0094, mwN). 24 Die Angemessenheit der Verfahrensdauer ist dabei an Hand der besonderen Umstände des Einzelfalles, insbesondere der Schwierigkeit des Falles, des Verhaltens der Partei und der staatlichen Behörden im betreffenden Verfahren und der Bedeutung der Sache für die Partei zu beurteilen. Die maßgebliche Frist beginnt, sobald die Partei durch offizielle Mitteilung oder auch in sonstiger Weise in Kenntnis gesetzt wird, dass gegen sie wegen des Verdachts, eine strafbare Handlung begangen zu haben, Ermittlungen mit dem Ziel strafrechtlicher Verfolgung durchgeführt werden (vgl. dazu z.B. VwGH 14.12.2009, 2006/10/0250). Anders als die revisionswerbenden Parteien vorbringen, ist der Beginn des Verwaltungsstrafverfahrens daher nicht die Tatbegehung durch die Erstrevisionswerberin.

25 Die Erstrevisionswerberin wurde mit Aufforderung zur Rechtfertigung vom 30. August 2016, zugestellt am 1. September 2016, erstmals mit der ihr vorgeworfenen strafbaren Handlung konfrontiert. Das nunmehr angefochtene Erkenntnis wurde ihrem Rechtsvertreter am 7. Oktober 2019 zugestellt. Die Verfahrensdauer betrug daher knapp 37 Monate.

26 Da das vorliegende Verfahren mit einer Dauer von ungefähr drei Jahren somit noch keine unverhältnismäßig lange Verfahrensdauer aufweist (vgl. z.B. VfGH 25.9.2001, VfSlg. 16.268; 26.2.2002, VfSlg. 16.436; 28.11.2006, 18.002; sowie insbesondere VfGH 6.6.2013, B 1359/2012) liegt in der Nichtberücksichtigung dieses Umstands als Milderungsgrund bei der Strafbemessung der behauptete Widerspruch zur Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht vor (vgl. VwGH 24.10.2019, Ra 2019/02/0190). Auch sonst ist aus dem Vorbringen der revisionswerbenden Parteien nicht ersichtlich, dass das Verwaltungsgericht die Strafbemessung in unvertretbarer Weise ausgeübt hätte.

27 Mit diesem Vorbringen werden daher in der Revision keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme.

28 Die Revision war daher insoweit gemäß § 34 Abs. 1 und 3 VwGG zurückzuweisen.

29 4.3. Die Kostenentscheidung stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG, insbesondere § 50 VwGG, in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2014.

Wien, am 21. April 2020

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2020:RA2020170018.L00

Im RIS seit

10.06.2020

Zuletzt aktualisiert am

10.06.2020
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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