TE Bvwg Beschluss 2019/10/14 W204 2151289-2

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 14.10.2019
beobachten
merken

Entscheidungsdatum

14.10.2019

Norm

AsylG 2005 §9 Abs1
B-VG Art. 133 Abs4
B-VG Art. 139

Spruch

W204 2151289-2/20E

BESCHLUSS

Das Bundesverwaltungsgericht beschließt durch die Richterin Dr. Esther Schneider über den Antrag des A XXXX , geb. XXXX .1999 alias XXXX .2000, StA. Afghanistan, vertreten durch die Diakonie Flüchtlingsdienst gemeinnützige GmbH, Volkshilfe Flüchtlings- und MigrantInnenbetreuung GmbH - ARGE Rechtsberatung, auf eine einstweilige Anordnung unmittelbar aufgrund des Unionsrechts:

A)

Der Antrag wird zurückgewiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 9 B-VG iVm Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig.

Text

BEGRÜNDUNG:

I. Verfahrensgang, gleichzeitig unstrittiger Sachverhalt:

I.1. Dem Antragsteller (im Folgenden: ASt), einem Staatsangehörigen Afghanistans, wurde mit Bescheid des Bundesamts für Fremdenwesen und Asyl (im Folgenden: BFA) vom 24.05.2018 der Status des subsidiär Schutzberechtigten aberkannt, die Aufenthaltsberechtigung entzogen, ein Aufenthaltstitel nicht erteilt, eine Rückkehrentscheidung erlassen, festgestellt, dass die Abschiebung zulässig ist, und eine Frist für die freiwillige Ausreise gesetzt.

I.2. Die dagegen erhobene Beschwerde wurde vom Bundesverwaltungsgericht mit Erkenntnis vom 29.07.2019 zu W204 2151289-2/9E als unbegründet abgewiesen.

I.3. Mit Beschluss vom 19.09.2019 bewilligte der Verwaltungsgerichtshof zu Ra 2019/14/0449-2 die Verfahrenshilfe zur Erhebung einer außerordentlichen Revision gegen dieses Erkenntnis.

I.4. Der Verfassungsgerichtshof lehnte mit Beschluss vom 23.09.2019 zu E 3293/2019-6 die Behandlung der Beschwerde ab, wies den Antrag auf Bewilligung der Verfahrenshilfe ab und trat die Beschwerde dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung ab.

I.5. Mit Bescheid der Salzburger Rechtsanwaltskammer vom 23.09.2019 wurde dem ASt ein Verfahrenshelfer bestellt.

I.6. Mit Schreiben vom 04.10.2019, beim Verwaltungsgerichtshof am 07.10.2019 eingelangt, beantragte der ASt die Gewährung von vorläufigem Rechtsschutz in Form einer einstweiligen Anordnung unmittelbar aufgrund des Unionsrechts, weil seine unionsrechtlich gewährleisteten Rechte anderenfalls aufgrund der bevorstehenden Abschiebung verletzt würden.

Der ASt habe vom BFA einen Bescheid erhalten, mit dem er in der Regionaldirektion Wien zu einem Interviewtermin bei der afghanischen Delegation geladen worden sei. Die Rückkehrentscheidung sei mit Zustellung des Erkenntnisses des Bundesverwaltungsgerichts in Rechtskraft erwachsen und mit Ablauf der Frist zur freiwilligen Ausreise am 13.08.2019 durchsetzbar. Die Abschiebung sei jederzeit möglich und könne auch ohne vorangegangener Anhaltung in Schubhaft vollstreckt werden, worüber der ASt nicht im Vorhinein informiert werden würde. In einem solchen Fall könne ein derartiger Antrag nicht mehr rechtzeitig eingebracht werden.

Es sei aus Sicht des Unionsrechts in der Regel ausreichend, wenn im innerstaatlichen Recht ein Rechtsbehelf vor einem Gericht vorgesehen sei, sofern sich aus dem zu Art. 47 GRC akzessorischem Recht nichts Anderes ergebe. Weder aus der GRC noch aus den Vorgaben der Rückführungsrichtlinie ergebe sich die Überprüfung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme durch eine zweite Gerichtsinstanz. Die Schaffung von zwei Rechtszügen unterliege der Verfahrensautonomie der Mitgliedstaaten, wobei im Anwendungsbereich des Unionsrechts den Grundsätzen der Effektivität und der Äquivalenz Rechnung zu tragen sei. Der VwGH sei als letztinstanzliches Gericht vorlagepflichtig im Sinne des Art. 267 AEUV, weswegen eine effektive Ausgestaltung des Revisionsverfahrens geboten sei. Es sei daher derart auszugestalten, dass der vollen Wirksamkeit von Vorabentscheidungsverfahren Rechnung getragen werden könne. Auch das Präsidium des VwGH habe im Rahmen der Schaffung der zweigliedrigen Verwaltungsgerichtsbarkeit darauf hingewiesen, dass aufgrund der fehlenden automatischen aufschiebenden Wirkung der Grundsatz der faktischen Effizienz unterlaufen werde, wenn für eine Person, die auf die Gewährung von Prozesskostenhilfe angewiesen sei, keine Möglichkeit bestehe, vorläufigen Rechtsschutz vor dem Vollzug der Entscheidung des Verwaltungsgerichts zu erlangen, wodurch der Zugang zu einer effektiven zweigliedrigen Verwaltungsgerichtsbarkeit gänzlich unterlaufen werde.

Auch aus Art. 6 und Art. 13 EMRK sei kein unmittelbarer Anspruch auf ein zweistufiges Beschwerdesystem abzuleiten, es ergebe sich aus der Judikatur des EGMR aber, dass bei Schaffung einer zweiten Rechtsschutzinstanz sichergestellt sein müsse, dass Rechtsschutzsuchenden vor sämtlichen Gerichten die Garantien des fairen Verfahrens gewährleistet würden. Die Bestimmung des Art. 6 EMRK entspreche im Wesentlichen Art. 47 GRC und diese Regelung beziehe sich auch auf das Verfahren über die Gewährung von vorläufigem Rechtsschutz. Dabei sei auch zu beachten, dass Art. 47 Abs. 3 GRC ein Recht auf Gewährung von Prozesskostenhilfe vorsehe. Die Wirksamkeit dieses Grundrechts sei durch eine innerstaatliche Ausgestaltung des Verfahrensrechts zu wahren. Nach § 30 Abs. 2 VwGG komme die Gewährung von aufschiebender Wirkung allerdings erst mit Erhebung der Revision in Betracht. Zwischen dem Antrag auf Gewährung der Verfahrenshilfe, der diesbezüglichen Entscheidung und der Ausfertigung und Einbringung einer Revision könnten mehrere Wochen vergehen, in denen die zu bekämpfende Entscheidung bereits vollstreckt werden könne.

Die Effektivität des österreichischen Verfahrenshilfesystems werde durch den Umstand unterlaufen, dass das VwGG in diesem Stadium des Verfahrens keine Möglichkeit der Gewährung von vorläufigem Rechtsschutz vorsehe. Dadurch werde das Verfahrenshilfesystem zum einen dem unionsrechtlichen Effektivitätsgrundsatz nicht gerecht, zum anderen werde dadurch das Grundrecht auf Prozesskostenhilfe unterlaufen. Es ergebe sich nach Judikatur des EuGH, dass ein einstweiliger Rechtsschutz auch dann zu gewähren sei, wenn es keine entsprechenden Regelungen im staatlichen Recht gebe. Der Antrag sei daher zulässig.

Die einstweilige Anordnung sei unter denselben Voraussetzungen zu erlassen, wie die Gewährung einer aufschiebenden Wirkung gemäß § 30 Abs. 2 VwGG. Dem ASt drohe bei einer Abschiebung aufgrund der allgemeinen Sicherheitslage und seiner besonderen Vulnerabilität eine erniedrigende und unmenschliche Behandlung, wobei es sich um einen nicht wiedergutzumachenden Schaden handle. Den Interessen des ASt stünden keine zwingenden öffentlichen Interessen entgegen, weswegen dem Antrag stattzugeben sei.

Nach Ansicht des VwGH sei zur Erlassung einer einstweiligen Anordnung das Verwaltungsgericht als "sachnächstes Gericht" zuständig. Anders sei dies hier, da die Entscheidung über die Prozesskostenhilfe ausschließlich beim VwGH liege, zumal das Verwaltungsgericht keine Kenntnis über den Inhalt des Verfahrenshilfeantrags habe und ihm in der Sache keine Entscheidungskompetenz zukomme. Es sei daher der VwGH als "sachnächstes Gericht" zuständig, um die volle Wirksamkeit der späteren Gerichtsentscheidung über das Bestehen der aus dem Unionsrecht hergeleiteten Rechte - Recht auf wirksame Prozesskostenhilfe und Hintanhaltung einer Verletzung von Art. 19 Abs. 2 GRC - sicherzustellen.

I.7. Mittels verfahrensleitender Anordnung vom 07.10.2019 übermittelte der Verwaltungsgerichtshof diesen Antrag zuständigkeitshalber an das Bundesverwaltungsgericht, wo dieser am 08.10.2019 einlangte.

I.8. Am 11.10.2019 übermittelte das hierzu aufgeforderte BFA eine Stellungnahme zum Antrag, in dem es auf das Wesentlichste zusammengefasst ausführt, im Falle des ASt könne keine Dringlichkeit im Sinne der Verhinderung des Eintritts eines schweren und nicht wiedergutzumachenden Schadens festgestellt werden, zumal bereits das BFA und das BVwG eine umfassende Prüfung vornahmen, ob dem BF bei einer Rückkehr ein derartiger Schaden drohe. Auch könne dem Vorbringen des ASt, dass das unionsrechtliche Effektivitätsgebot im vorliegenden Fall unterlaufen werde, nicht gefolgt werden, weil dem ASt bereits ein wirksamer Rechtsbehelf - die von diesem auch erhobene Beschwerde an das BVwG - offen gestanden habe. Dass das Recht auf Prozesskostenhilfe zugleich einen Verbleib im Bundesgebiet zwingend rechtfertige, könne nicht angenommen werden und lege der ASt auch nicht plausibel dar. Es werde daher beantragt, den Antrag zurück- in eventu abzuweisen.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

II.1. Zur Zuständigkeit des Bundesverwaltungsgerichts

Der Verwaltungsgerichtshof hat mit Beschluss vom 29.10.2014, Ro 2014/04/0069, festgehalten, dass zur Bestimmung der Zuständigkeit zur Erlassung einstweiliger Anordnungen im Revisionsverfahren von der "sachnächsten" Zuständigkeit auszugehen ist. "Sachnächstes Gericht" für die Prüfung der Erlassung einstweiliger Anordnungen im Revisionsverfahren ist das Verwaltungsgericht. Der Verwaltungsgerichtshof ist daher für die Erlassung unzuständig, woran auch die Vorlage der Revision durch das Verwaltungsgericht an den Verwaltungsgerichtshof nichts zu ändern vermag (siehe auch VwGH 25.02.2019, Ra 2018/19/0611). Dies begründet der VwGH in dem genannten Beschluss im Wesentlichen damit, dass die Revision beim Verwaltungsgericht einzubringen ist, das nach § 30a VwGG über die aufschiebende Wirkung unverzüglich zu entscheiden habe. Dieses habe daher als erstes Kenntnis von der Revision und dem Antrag auf einstweiligen Rechtschutz. Es habe daher zu diesem Zeitpunkt die genaueste Kenntnis über die der Revision zugrundeliegende Fallkonstellation und könne daher am raschesten die erforderliche Interessenabwägung im Rahmen des einstweiligen Rechtschutzes vornehmen. Das Verwaltungsgericht könne daher auch schneller und effektiver über die Notwendigkeit eines unionsrechtlich gebotenen einstweiligen Rechtsschutzes in Form einer einstweiligen Anordnung entscheiden, zumal eine solche neben dem Umstand der Dringlichkeit die Prüfung der Notwendigkeit der Erlassung der einstweiligen Anordnung in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht (fumus boni iuris) sowie gegebenenfalls die Abwägung aller bestehenden Interessen voraussetze.

Nichts Anderes kann entgegen der Ansicht des ASt auch im vorliegenden Fall gelten, zumal die einstweilige Anordnung nicht nur in Bezug auf die Frage der Verfahrenshilfe beantragt wurde, sondern dadurch insbesondere die Durchsetzbarkeit der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts in der Hauptsache, also in der Frage der Aberkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten und der damit zusammenhängenden Abschiebung, vorläufig gehemmt werden soll. Auch hier hat das Verwaltungsgericht die genaueste Kenntnis über die zugrundeliegende Fallkonstellation, weil aktuell noch keine Revision eingebracht wurde, vielmehr die Revisionsfrist noch läuft und sich die Akten mangels Vorlage an den Verwaltungsgerichtshof noch im Bundesverwaltungsgericht befinden. Folglich kann das Bundesverwaltungsgericht am raschesten die erforderliche Interessensabwägung vornehmen.

II.2. In der Sache

Die Erlassung einer einstweiligen Anordnung nach dem Unionsrecht kann mangels einer innerstaatlichen Vorschrift nur in unmittelbarer Anwendung von Unionsrecht erfolgen. So hat der Verwaltungsgerichtshof - der Rechtsprechung des EuGH folgend - bereits mehrmals ausgesprochen, es sei nicht ausgeschlossen, auf Grundlage der unmittelbaren Anwendung von Unionsrecht - über die im kassatorischen System der österreichischen Verwaltungsgerichtsbarkeit vorgegebene Möglichkeit, der gegen einen Bescheid erhobenen Beschwerde aufschiebende Wirkung zuzuerkennen und den angefochtenen Bescheid im Falle seiner Rechtswidrigkeit aufzuheben, hinaus - einstweilige Anordnungen mit der Wirkung zu treffen, dem ASt eine Rechtsposition vorläufig einzuräumen, deren Einräumung mit dem angefochtenen Bescheid auf der Grundlage einer (möglicherweise dem Unionsrecht widersprechenden) nationalen Rechtsvorschrift verweigert wurde (VwGH 29.10.2014, Ro 2014/04/0069; 13.10.2010, 2010/12/0169).

Nach der Rechtsprechung des EuGH können die nationalen Gerichte einstweilige Anordnungen nur unter den Voraussetzungen treffen, die für die Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes durch den Gerichtshof gelten. Zu diesen Voraussetzungen gehören die Glaubhaftmachung der Notwendigkeit der Erlassung der einstweiligen Anordnung in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht (fumus boni iuris), das Feststehen der Dringlichkeit im Sinne der Verhinderung des Eintritts eines schweren und nicht wiedergutzumachenden Schadens beim ASt und gegebenenfalls die Abwägung aller bestehenden Interessen. Diese Voraussetzungen müssen kumulativ vorliegen, sodass der Antrag auf Erlassung einer einstweiligen Anordnung zurückzuweisen ist, wenn eine von ihnen fehlt (VwGH 13.10.2010, 2010/12/0169).

Auch nationale Gerichte sind für den Erlass einstweiliger Anordnungen zuständig. Sie können vorläufig die Vollziehung eines nationalen Verwaltungsaktes aussetzen, der Unionsrecht vollzieht. Da dadurch gleichzeitig indirekt auch das zugrundeliegende Unionsrecht ausgesetzt wird, ist der Erlass einer einstweiligen Maßnahme nur dann zulässig, wenn das nationale Gericht erhebliche Zweifel an der Gültigkeit des Unionsrechtsaktes hat und ein Vorabentscheidungsverfahren gemäß Art. 267 AEUV einleitet. Weiters muss die Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes dringlich sein und dem Antragsteller ein schwerer und nicht wiedergutzumachender Schaden drohen. Schließlich müssen das Interesse der Union am Vollzug des Unionsrechts und die Rechtsprechung des EuGH angemessen berücksichtigt werden. Die Kriterien stimmen weitgehend mit den Voraussetzungen für die Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes durch den EuGH überein und sollen eine einheitliche Anwendung des Unionsrechts sichern (Lengauer/Richter in: Mayer/Stöger, EUV/AEUV, Art. 279 AEUV Rz 11 mN aus der Rsp des EuGH).

Ausgehend von diesen Grundsätzen ist der Antrag auf Erlassung einer einstweiligen Anordnung unzulässig:

Der ASt begründet seinen Antrag vorrangig damit, dass sein Recht auf Prozesskostenhilfe ins Leere laufen würde. Damit macht der ASt nicht geltend, dass er durch die bevorstehende Abschiebung in seinen Rechten verletzt würde, sondern hebt hervor, dass er seinem Grundrecht auf Prozesskostenhilfe verlustig ginge beziehungsweise dieses nicht effizient ausnützen könnte.

Inhalt des Art. 47 Abs. 3 GRC ist die Gewährung einer Prozesskostenhilfe, wenn mangels einer solchen Hilfe die Einlegung eines wirksamen Rechtsbehelfs nicht gewährleistet wäre. Es bedarf daher auch in Verfahren über zivilgerichtliche Ansprüche einer Möglichkeit im nationalen Recht, einer Partei einen Verfahrenshelfer beizustellen, wenn dies im konkreten Fall für den effektiven Zugang zum Gericht unentbehrlich ist. Der Zugang zu einem Gericht darf nicht bloß theoretisch und illusorisch sein, sondern muss effektiv gewährleistet sein (VwGH 11.09.2019, Ro 2018/08/0008; 03.09.2015, Ro 2015/21/0032; VfGH 25.06.2015, G 7/2015). Dem ASt wurde jedoch, wie von ihm selbst vorgebracht und wie auch aus den Gerichtsakten hervorgeht, die Verfahrenshilfe bereits gewährt, Art. 47 Abs. 3 GRC ist damit bereits Genüge getan. Art. 47 Abs. 3 GRC ist darüber hinaus kein weiteres Recht dahingehend zu entnehmen, dass der ASt während des Verfahrens nicht abgeschoben werden dürfte.

Soweit der ASt dann weiter vorbringt, sein Recht auf Prozesskostenhilfe würde ins Leere laufen, ist das vor diesem Hintergrund nicht nachvollziehbar, da ihm dieses Recht bereits gewährt wurde. Der Zugang zu einem Gericht ist daher nämlich nicht nur theoretisch und illusorisch, sondern effektiv gewährleistet, da dem ASt bereits ein Verfahrenshelfer zur Erhebung einer außerordentlichen Revision zur Seite gestellt wurde. Dabei ist insbesondere zu bedenken, dass der VwGH, wie er selbst des Öfteren betont, als Rechtsinstanz tätig ist (jüngst etwa VwGH 03.09.2019, Ra 2018/01/0187). Die Revision hat sich daher - hauptsächlich - auf Rechtsfragen zu beschränken, die der Verfahrenshelfer, falls der ASt tatsächlich während laufender Revisionsfrist abgeschoben werden sollte, auch ohne den ASt ausführen könnte und auch müsste. Die Revision kann daher in concreto unabhängig vom Aufenthalt des ASt eingebracht werden.

Dies umso mehr, als selbst bei einer Abschiebung des ASt während des Revisionsverfahrens ein solches nicht einzustellen, sondern weiterzuführen wäre (siehe etwa VwGH 26.03.2019, Ra 2018/19/0241). Eine Einstellung wegen Gegenstandslosigkeit käme dagegen nur dann in Betracht, wenn durch das Verhalten (objektiv) zum Ausdruck gebracht wurde, dass an der Erledigung der Revision kein Interesse mehr besteht (zB VwGH 11.06.2019, Ra 2019/18/0044). Auch das zeigt, dass der Zugang zu einem Gericht durch die Bewilligung der Verfahrenshilfe bereits effektiv gewährleistet wurde und dieses Recht nicht ins Leere laufen wird.

Der Zweck der Erlassung unmittelbar auf Unionsrecht gestützter einstweiliger Anordnungen ist die Sicherung der vollen Wirksamkeit der Entscheidung in der Hauptsache. Hauptsache ist jene, in der die Entscheidung ergeht, deren volle Wirksamkeit durch eine einstweilige Anordnung gesichert werden soll. Ist die endgültige Entscheidung in der Hauptsache bereits ergangen, so kommt auch deren Sicherung im Rahmen des vorläufigen Rechtsschutzes nicht mehr in Betracht. Ein solches Verfahren stellt sich als gegenstandslos geworden dar (VwGH 25.02.2019, Ra 2018/19/0611, mwN). Da der ASt hier - zumindest auch - die Entscheidung bezüglich der Verfahrenshilfe als Hauptsache ansieht, wie sich insbesondere aus seinen Ausführungen zur angeblichen Zuständigkeit des VwGH ergibt, ist die Erlassung einer einstweiligen Anordnung nicht angezeigt, da diese Sache bereits entscheiden wurde.

Die Ausübung dieses - auch durch das Unionsrecht verliehenen - Grundrechts auf Prozesskostenhilfe wird durch die vom ASt kritisierten Regelungen auch nicht praktisch unmöglich gemacht oder übermäßig erschwert, zumal ihm durchaus zuzumuten ist, etwa auch mit Unterstützung seines Vertreters im Beschwerdeverfahren beziehungsweise seines Rechtsberaters, während der vierzehntägigen Frist zur freiwilligen Ausreise, einen Antrag auf Verfahrenshilfe zu stellen. Sollte dann in weiterer Folge der ASt tatsächlich abgeschoben werden, der VwGH beziehungsweise der VfGH ihm jedoch Verfahrenshilfe und die aufschiebende Wirkung gewähren oder das angefochtene Erkenntnis beheben, würde das BFA dafür Sorge zu tragen haben, dass der ASt wieder ins Bundesgebiet einreisen kann, zumal er dann wieder der Status des subsidiär Schutzberechtigten zukommt. Es mag zwar zutreffen, dass ein derartiges Vorgehen nicht sinnvoll erscheint, doch wird dadurch weder das Recht auf Prozesskostenhilfe nach Art. 47 Abs. 3 GRC noch die effektive Überprüfbarkeit der Entscheidung des Verwaltungsgerichts verhindert oder erschwert. Vielmehr sind diese durch die Gewährung der Verfahrenshilfe bereits gewährleistet.

Soweit die Ausführungen des ASt auch dahingehend zu verstehen sind, dass auch die fehlende Möglichkeit eines vorläufigen Rechtsschutzes während des Verfahrenshilfeverfahrens beziehungsweise der Zeit zwischen Bewilligung der Verfahrenshilfe und Einbringung der Revision dem unionsrechtlichen Effektivitätsgrundsatz widerspricht, führen auch diese Überlegungen nicht zum Erfolg.

Art. 46 RL 2013/32/EU, der das Recht auf einen wirksamen Rechtsbehelf regelt, lautet auszugsweise:

"(1) Die Mitgliedstaaten stellen sicher, dass Antragsteller das Recht auf einen wirksamen Rechtsbehelf vor einem Gericht haben gegen

[...]

c) eine Entscheidung zur Aberkennung des internationalen Schutzes nach Artikel 45. [...]

(3) Zur Einhaltung des Absatzes 1 stellen die Mitgliedstaaten sicher, dass der wirksame Rechtsbehelf eine umfassende Ex-nunc-Prüfung vorsieht, die sich sowohl auf Tatsachen als auch auf Rechtsfragen erstreckt und bei der gegebenenfalls das Bedürfnis nach internationalem Schutz gemäß der Richtlinie 2011/95/EU zumindest in Rechtsbehelfsverfahren vor einem erstinstanzlichen Gericht beurteilt wird. [...]

(5) Unbeschadet des Absatzes 6 gestatten die Mitgliedstaaten den Antragstellern den Verbleib im Hoheitsgebiet bis zum Ablauf der Frist für die Ausübung des Rechts der Antragsteller auf einen wirksamen Rechtsbehelf und, wenn ein solches Recht fristgemäß ausgeübt wurde, bis zur Entscheidung über den Rechtsbehelf. [...]"

Der EuGH hat dazu, wie im Übrigen auch vom ASt richtig erkannt, in seinem Urteil vom 26.09.2018, C-180/17, ausgeführt:

"23 Somit verpflichten die Bestimmungen der Richtlinien 2013/32 und 2008/115 die Mitgliedstaaten zwar, einen wirksamen Rechtsbehelf gegen abschlägige Entscheidungen über einen Antrag auf internationalen Schutz und gegen Rückkehrentscheidungen vorzusehen; keine dieser Bestimmungen sieht jedoch vor, dass die Mitgliedstaaten internationalen Schutz beantragenden Personen, deren Klage gegen die Ablehnung ihres Antrags und die Rückkehrentscheidung abgewiesen wurde, ein Rechtsmittel gewähren müssen, und erst recht nicht, dass ein solches Rechtsmittel kraft Gesetzes aufschiebende Wirkung haben muss.

24 Solche Anforderungen lassen sich auch nicht aus der Systematik und dem Zweck dieser Richtlinien ableiten. Deren Hauptziel ist nämlich, wie aus dem zwölften Erwägungsgrund der Richtlinie 2013/32 hervorgeht, die Weiterentwicklung der Normen für Verfahren in den Mitgliedstaaten zur Zuerkennung und Aberkennung internationalen Schutzes im Hinblick auf die Einführung eines gemeinsamen Asylverfahrens in der Union und, wie sich aus den Erwägungsgründen 2 und 4 der Richtlinie 2008/115 ergibt, die Einführung einer wirksamen Rückkehr- und Rückübernahmepolitik unter vollständiger Achtung der Grundrechte und der Würde der Betroffenen (vgl. zur Richtlinie 2008/115 Urteil vom 19. Juni 2018, Gnandi, C-181/16, EU:C:2018:465, Rn. 48 und die dort angeführte Rechtsprechung). Den Erwägungsgründen dieser Richtlinien lässt sich dagegen nicht entnehmen, dass diese die Mitgliedstaaten zur Schaffung eines zweiten Rechtszugs verpflichten sollen.

25 Ferner bezieht sich, was die Richtlinie 2013/32 betrifft, die Vorgabe, dass der Rechtsbehelf wirksam sein muss, nach Art. 46 Abs. 3 dieser Richtlinie ausdrücklich auf "Rechtsbehelfsverfahren vor einem erstinstanzlichen Gericht". Soweit danach eine umfassende Ex-nunc-Prüfung erforderlich ist, die sich sowohl auf Tatsachen als auch auf Rechtsfragen erstreckt, betrifft diese Vorgabe ausschließlich den Ablauf des erstinstanzlichen Gerichtsverfahrens. Sie kann daher nicht mit Blick auf das Ziel dieser Richtlinie dahin ausgelegt werden, dass die Mitgliedstaaten zur Schaffung eines zweiten Rechtszugs verpflichtet wären oder dass dieser in bestimmter Weise auszugestalten wäre.

26 Somit hindert das Unionsrecht, wie das Wort "zumindest" in Art. 46 Abs. 3 der Richtlinie 2013/32 in Bezug auf Entscheidungen, mit denen ein Antrag auf internationalen Schutz abgelehnt wird, bestätigt, die Mitgliedstaaten zwar nicht daran, für Rechtsbehelfe gegen abschlägige Entscheidungen über einen Antrag auf internationalen Schutz und gegen Rückkehrentscheidungen einen zweiten Rechtszug vorzusehen. Die Richtlinien 2013/32 und 2008/115 enthalten jedoch keine Vorschriften über die Schaffung und Ausgestaltung eines solchen Rechtszugs. Insbesondere lassen, wie der Generalanwalt in Nr. 41 seiner Schlussanträge ausführt, weder der Wortlaut noch die Systematik oder der Zweck dieser Richtlinien den Schluss zu, dass, wenn ein Mitgliedstaat einen zweiten Rechtszug gegen derartige Entscheidungen vorsieht, das damit geschaffene Rechtsmittelverfahren dem vom Antragsteller eingelegten Rechtsmittel zwingend kraft Gesetzes aufschiebende Wirkung verleihen muss.

27 Allerdings ist darauf hinzuweisen, dass die Richtlinie 2008/115 ebenso wie die Richtlinie 2013/32, wie sich aus dem 24. Erwägungsgrund der Ersteren und dem 60. Erwägungsgrund der Letzteren ergibt, unter Beachtung der insbesondere in der Charta anerkannten Grundrechte und Grundsätze auszulegen ist (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 19. Juni 2018, Gnandi, C-181/16, EU:C:2018:465, Rn. 51).

28 Wenn ein Staat entscheidet, eine Person, die internationalen Schutz beantragt, in ein Land abzuschieben, bei dem ernsthafte Gründe befürchten lassen, dass tatsächlich die Gefahr einer Art. 18 der Charta in Verbindung mit Art. 33 des Abkommens über die Rechtsstellung der Flüchtlinge in der durch das entsprechende Protokoll geänderten Fassung oder Art. 19 Abs. 2 der Charta widersprechenden Behandlung dieser Person besteht, verlangt das in Art. 47 der Charta vorgesehene Recht auf einen wirksamen Rechtsbehelf nach ständiger Rechtsprechung des Gerichtshofs, dass der Antragsteller über einen Rechtsbehelf mit kraft Gesetzes aufschiebender Wirkung gegen den Vollzug der Maßnahme verfügt, die seine Abschiebung ermöglicht (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 19. Juni 2018, Gnandi, C-181/16, EU:C:2018:465, Rn. 54).

29 Der Gerichtshof hat ferner präzisiert, dass bei einer Rückkehrentscheidung und einer etwaigen Abschiebungsentscheidung der mit dem Recht auf einen wirksamen Rechtsbehelf und dem Grundsatz der Nichtzurückweisung verbundene Schutz dadurch zu gewährleisten ist, dass der Person, die internationalen Schutz beantragt hat, das Recht zuzuerkennen ist, vor mindestens einem Gericht einen wirksamen Rechtsbehelf einzulegen, der kraft Gesetzes aufschiebende Wirkung hat. Außerdem haben die Mitgliedstaaten zu gewährleisten, dass der Rechtsbehelf gegen die Ablehnung des Antrags auf internationalen Schutz seine volle Wirksamkeit entfaltet, indem sie während der Frist für die Einlegung des Rechtsbehelfs und, falls er eingelegt wird, bis zur Entscheidung über ihn alle Wirkungen der Rückkehrentscheidung aussetzen (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 19. Juni 2018, Gnandi, C-181/16, EU:C:2018:465, Rn. 56, 58 und 61 und die dort angeführte Rechtsprechung, sowie Beschluss vom 5. Juli 2018, C u. a., C-269/18 PPU, EU:C:2018:544, Rn. 50).

30 Allerdings schreibt nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs Art. 47 der Charta im Licht der in ihrem Art. 18 und Art. 19 Abs. 2 enthaltenen Garantien ebenso wenig wie Art. 46 der Richtlinie 2013/32 und Art. 13 der Richtlinie 2008/115 vor, dass es zwei Rechtszüge geben muss. Denn allein entscheidend ist, dass es einen Rechtsbehelf vor einem Gericht gibt (vgl. in diesem Sinne Urteile vom 28. Juli 2011, Samba Diouf, C-69/10, EU:C:2011:524, Rn. 69, und vom 19. Juni 2018, Gnandi, C-181/16, EU:C:2018:465, Rn. 57).

31 In diesem Zusammenhang ist noch darauf hinzuweisen, dass mit Art. 52 Abs. 3 der Charta, soweit diese Rechte enthält, die den durch die EMRK garantierten Rechten entsprechen, die notwendige Kohärenz zwischen den in der Charta verankerten Rechten und den entsprechenden, durch die EMRK garantierten Rechten geschaffen werden soll, ohne dass dadurch die Eigenständigkeit des Unionsrechts und des Gerichtshofs der Europäischen Union berührt wird (vgl. in diesem Sinne Urteile vom 15. Februar 2016, N., C-601/15 PPU, EU:C:2016:84, Rn. 47, und vom 14. September 2017, K., C-18/16, EU:C:2017:680, Rn. 50 und die dort angeführte Rechtsprechung). Nach den Erläuterungen zu Art. 47 der Charta stützt sich dessen Abs. 1 auf Art. 13 EMRK. Der Gerichtshof muss daher darauf achten, dass seine Auslegung von Art. 47 Abs. 1 der Charta ein Schutzniveau gewährleistet, das das in Art. 13 EMRK in seiner Auslegung durch den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte garantierte Schutzniveau nicht verletzt (vgl. entsprechend Urteile vom 15. Februar 2016, N., C-601/15 PPU, EU:C:2016:84, Rn. 77, und vom 20. März 2018, Menci, C-524/15, EU:C:2018:197, Rn. 62).

32 Nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte verlangt Art. 13 EMRK aber selbst dann, wenn geltend gemacht wird, dass die Abschiebung den Betroffenen einer echten Gefahr einer gegen Art. 3 EMRK verstoßenden Behandlung aussetzt, von den Hohen Vertragsparteien weder, zwei Rechtszüge zu schaffen, noch gegebenenfalls das Rechtsmittel mit kraft Gesetzes aufschiebender Wirkung auszustatten (vgl. in diesem Sinne EGMR, 5. Juli 2016, A. M./Niederlande, CE:ECHR:2016:0705JUD002909409, Rn. 70).

33 Daraus folgt, dass sich der Schutz, den Art. 46 der Richtlinie 2013/32 und Art. 13 der Richtlinie 2008/115 in Verbindung mit Art. 18, Art. 19 Abs. 2 und Art. 47 der Charta einer internationalen Schutz beantragenden Person gegen eine Entscheidung gewährt, mit der ihr Antrag abgelehnt und ihr eine Rückkehrverpflichtung auferlegt wird, auf einen einzigen gerichtlichen Rechtsbehelf beschränkt.

34 Die Schaffung eines zweiten Rechtszugs gegen abschlägige Entscheidungen über einen Antrag auf internationalen Schutz und gegen Rückkehrentscheidungen sowie die Entscheidung, ihn gegebenenfalls mit kraft Gesetzes aufschiebender Wirkung auszustatten, sind - entgegen dem in Rn. 17 des vorliegenden Urteils angeführten Vorbringen der belgischen Regierung - Verfahrensmodalitäten zur Umsetzung des in Art. 46 der Richtlinie 2013/32 und Art. 13 der Richtlinie 2008/115 vorgesehenen Rechts auf einen wirksamen Rechtsbehelf gegen solche Entscheidungen. Solche Verfahrensmodalitäten unterliegen nach dem Grundsatz der Verfahrensautonomie der Mitgliedstaaten zwar ihrer jeweiligen innerstaatlichen Rechtsordnung, müssen aber, wie der Gerichtshof hervorgehoben hat, die Grundsätze der Äquivalenz und der Effektivität wahren (vgl. entsprechend Urteil vom 17. Juli 2014, Sánchez Morcillo und Abril García, C-169/14, EU:C:2014:2099, Rn. 31, 36 und 50 und die dort angeführte Rechtsprechung, sowie Beschluss vom 16. Juli 2015, Sánchez Morcillo und Abril García, C-539/14, EU:C:2015:508, Rn. 33).

35 Nach ständiger Rechtsprechung des Gerichtshofs dürfen die Verfahrensmodalitäten für Klagen, die die dem Einzelnen aus dem Unionsrecht erwachsenden Rechte schützen sollen, nicht weniger günstig sein als die für entsprechende innerstaatliche Klagen (Grundsatz der Äquivalenz) und die Ausübung der durch die Unionsrechtsordnung verliehenen Rechte nicht praktisch unmöglich machen oder übermäßig erschweren (Grundsatz der Effektivität) (vgl. in diesem Sinne Urteile vom 5. Juni 2014, Kone u. a., C-557/12, EU:C:2014:1317, Rn. 25, und vom 6. Oktober 2015, Târsia, C-69/14, EU:C:2015:662, Rn. 27 und die dort angeführte Rechtsprechung).

36 Bei der Prüfung der Frage, ob die Anforderungen in Bezug auf die Grundsätze der Äquivalenz und der Effektivität erfüllt sind, sind die Stellung der betroffenen Vorschriften im gesamten Verfahren, dessen Ablauf und die Besonderheiten dieser Vorschriften vor den verschiedenen nationalen Stellen zu berücksichtigen (Urteile vom 1. Dezember 1998, Levez, C-326/96, EU:C:1998:577, Rn. 44, und vom 27. Juni 2013, Agrokonsulting-04, C-93/12, EU:C:2013:432, Rn. 38 und die dort angeführte Rechtsprechung).

37 Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs verlangt der Äquivalenzgrundsatz die Gleichbehandlung auf einen Verstoß gegen das nationale Recht gestützter Rechtsbehelfe und entsprechender, auf einen Verstoß gegen das Unionsrecht gestützter Rechtsbehelfe, nicht aber die Gleichwertigkeit nationaler Verfahrensvorschriften, die für Streitsachen unterschiedlicher Natur gelten (Urteil vom 6. Oktober 2015, Târsia, C-69/14, EU:C:2015:662, Rn. 34 und die dort angeführte Rechtsprechung).

[...]

43 Was den Effektivitätsgrundsatz betrifft, so verlangt dieser hier nicht mehr als die Wahrung der Grundrechte der Charta, insbesondere des Rechts auf einen wirksamen Rechtsschutz. Da sich aus Rn. 30 des vorliegenden Urteils ergibt, dass Art. 47 im Licht der Garantien in Art. 18 und Art. 19 Abs. 2 der Charta nur verlangt, dass eine internationalen Schutz beantragende Person, deren Antrag abgelehnt wurde und gegen die eine Rückkehrentscheidung ergangen ist, ihre Rechte vor einem Gericht wirksam geltend machen kann, lässt der bloße Umstand, dass ein im nationalen Recht vorgesehener zusätzlicher Rechtszug nicht kraft Gesetzes aufschiebende Wirkung hat, nicht den Schluss zu, dass der Effektivitätsgrundsatz verletzt wurde.

44 Nach alledem ist auf die Vorlagefragen zu antworten, dass Art. 46 der Richtlinie 2013/32 und Art. 13 der Richtlinie 2008/115 im Licht von Art. 18, Art. 19 Abs. 2 und Art. 47 der Charta dahin auszulegen sind, dass sie einer nationalen Regelung nicht entgegenstehen, die zwar ein Rechtsmittel gegen ein erstinstanzliches Urteil, das eine Entscheidung bestätigt, mit der ein Antrag auf internationalen Schutz abgelehnt und eine Rückkehrverpflichtung auferlegt wird, vorsieht, diesen Rechtsbehelf jedoch nicht mit kraft Gesetzes aufschiebender Wirkung ausstattet, obwohl der Betroffene die ernsthafte Gefahr eines Verstoßes gegen den Grundsatz der Nichtzurückweisung geltend macht."

Es ist daher im Sinne dieser Ausführungen zu prüfen, ob der Äquivalenz- oder der Effektivitätsgrundsatz durch die vorgesehenen Regelungen im VwGG verletzt wird.

Dass der Äquivalenzgrundsatz verletzt wird, wurde vom ASt nicht behauptet. Es ist auch nicht ersichtlich, inwiefern dieser verletzt werden könnte, zumal die hier kritisierten Regelungen für alle Verfahren gleichermaßen gelten.

Der ASt behauptet mit Blick auf Art. 6 EMRK beziehungsweise Art. 47 Abs. 3 GRC eine Verletzung des Effektivitätsgrundsatzes dadurch, dass ein Antrag auf aufschiebende Wirkung erst mit Erhebung der Revision in Betracht komme (etwa VwGH 10.10.2017, Ra 2017/20/0321) und im derzeitigen Verfahrensstand zwischen Beantragung beziehungsweise Bewilligung der Verfahrenshilfe und Erhebung der Revision keine Möglichkeit bestehe, vorläufigen Rechtsschutz zu gewähren.

Wie sich insbesondere aus RN 43 des zitierten EuGH-Urteils ergibt, erfordert der Effektivitätsgrundsatz jedoch nicht mehr als die Wahrung der Grundrechte der Charta, insbesondere des Rechts auf einen wirksamen Rechtsschutz. Da Art. 47 im Licht der Garantien in Art. 18 und Art. 19 Abs. 2 der Charta nur verlangt, dass eine internationalen Schutz beantragende Person, deren Antrag abgelehnt wurde und gegen die eine Rückkehrentscheidung ergangen ist, ihre Rechte vor einem Gericht wirksam geltend machen kann, lässt der bloße Umstand, dass ein im nationalen Recht vorgesehener zusätzlicher Rechtszug nicht kraft Gesetzes aufschiebende Wirkung hat, nicht den Schluss zu, dass der Effektivitätsgrundsatz verletzt wurde.

Wenn nun bereits eine Regelung, wonach einem zusätzlichen Instanzenzug nicht kraft Gesetzes aufschiebende Wirkung zukommt, nicht dem Effektivitätsgrundsatz widerspricht, muss das erst recht dafür gelten, wenn bei einem derartigen zusätzlichen Instanzenzug die aufschiebende Wirkung gewährt werden kann, auch wenn das erst nach Beantragung und Bewilligung der Verfahrenshilfe geschehen kann. Die Ausübung der durch die Unionsrechtsordnung verliehenen Rechte wird dadurch nicht praktisch unmöglich gemacht oder übermäßig erschwert. Das ergibt sich wiederum aus den bereits oben näher dargelegten Überlegungen, wonach es dem ASt durchaus zuzumuten ist, innerhalb der - normalerweise - vierzehntägigen Frist zur freiwilligen Ausreise, einen Verfahrenshilfeantrag zu stellen. Über diesen - und die danach eventuell erhobene Revision - ist selbst im Falle der unfreiwilligen Ausreise, also im Regelfall der Abschiebung, eines ASt durch den Verwaltungsgerichtshof zu entscheiden. Auch dadurch wird somit die effektive Überprüfung einer verwaltungsgerichtlichen Entscheidung nicht verletzt beziehungsweise nicht der Zugang zu einer effektiven zweigliedrigen Verwaltungsgerichtsbarkeit gänzlich unterlaufen, sondern vielmehr vollständig gegeben.

Auch der Verweis auf § 505 Abs. 3 ZPO führt zu keinem anderen Ergebnis. Dort wird nämlich nur einer ordentlichen Revision die Hemmung des Eintritts der Rechtskraft und der Vollstreckbarkeit zugeschrieben. Abgesehen davon, dass selbst in diesem Fall eine Exekution zur Sicherstellung nach §§ 371 Z 1, 371a EO ohne Gefahrenbescheinigung geführt werden kann und die nicht rechtskräftige Entscheidung daher auch auf diesem Weg relativ leicht vollstreckt werden kann, kommt einer außerordentlichen Revision auch im Zivilverfahren nur eine den Eintritt der Rechtskraft hemmende Funktion zu, während die Vollstreckbarkeit der Entscheidung durch Erhebung einer solchen nicht gehemmt wird (siehe auch Zechner in Fasching/Konecny² § 505 ZPO, Rz 38f).

Wie der Verwaltungsgerichtshof bereits festgehalten hat, wurde dem Verwaltungsgericht nicht ohne Grund die Prüfung übertragen, ob die Revision von der Lösung einer Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung abhängt (VwGH 29.10.2014, Ro 2014/04/0069). Das korreliert auch mit der Regelung für das Berufungsgericht nach § 500 Abs. 2 Z 3 ZPO. Auch insofern ist daher im hier vorliegenden Fall der Erhebung einer außerordentlichen Revision kein Unterschied zur zivilrechtlichen Regelung gegeben. Vielmehr ist insofern in asylrechtlichen Fällen sogar eine Besserstellung eines Revisionswerbers gegeben. Dieser hat nämlich - grundsätzlich - noch eine vierzehntätige Frist zu freiwilligen Ausreise, während derer er daher vom BFA nicht abgeschoben werden darf, es ihm jedoch offensteht, Verfahrenshilfe zu beantragen, über die der Verwaltungsgerichtshof - selbst im Fall der zwischenzeitigen Abschiebung des Revisionswerbers - in weiterer Folge zu entscheiden hat. Entgegen der Ansicht des ASt ergibt sich daher auch daraus nicht, dass eine effektive Überprüfung der verwaltungsgerichtlichen Entscheidung nicht möglich ist. Vielmehr wird durch die Frist zur freiwilligen Ausreise eine solche jedenfalls ermöglicht und damit auch dem unionsrechtlichen Effektivitätsgrundsatz entsprochen.

Abschließend ist der Vollständigkeit halber noch Folgendes festzuhalten beziehungsweise auf folgende Umstände hinzuweisen:

Im gegenständlichen Fall wurde das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 29.07.2019 zu W204 2151289-2/9E, in dem eine Verletzung der verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechte des ASt nach Art. 2, 3 und 8 EMRK verneint wurde, bereits vom Verfassungsgerichtshof in seiner Entscheidung vom 23.09.2019 zu E 3293/2019-6 bestätigt. Dort führte dieser zur Ablehnung der Beschwerde aus, dass die Entscheidung, einen Fremden außer Landes zu schaffen, unter dem Blickwinkel des Art. 3 EMRK erheblich werden kann, wenn stichhaltige Gründe für die Annahme glaubhaft gemacht worden sind, dass der Fremde konkret Gefahr läuft, in dem Land, in das er gebracht werden soll, Folter oder unmenschlicher oder erniedrigender Strafe oder Behandlung unterworfen zu werden. Nach den weiteren Ausführungen des Verfassungsgerichtshofs wurde im gegenständlichen Erkenntnis weder eine grundrechtswidrige Gesetzesauslegung vorgenommen noch sind grobe Verfahrensfehler unterlaufen, die eine vom Verfassungsgerichtshof aufzugreifende Verletzung des Grundrechts nach Art. 3 EMRK darstellen. Ebenfalls könne dem Bundesverwaltungsgericht unter verfassungsrechtlichen Gesichtspunkten nicht entgegengetreten werden, wenn es auf Grund der Umstände des vorliegenden Falles davon ausgeht, dass das öffentliche Interesse an der Beendigung des Aufenthalts von Fremden ohne Aufenthaltstitel das Interesse am Verbleib im Bundesgebiet aus Gründen des Art. 8 EMRK überwiegt.

Die vom ASt in seinem Antrag wiederum vorgebrachten Gründe zur Verletzung seiner Rechte nach Art. 3 EMRK wurden somit bereits von drei Instanzen (BFA, BVwG, VfGH) überprüft und verneint. Weitere beziehungsweise neue Gründe für eine Verletzung dieses Grundrechts wurden vom ASt in seinem Antrag nicht konkret dargelegt, sondern allenfalls angedeutet (S. 6, 3. Absatz). Es ist daher nicht zu sehen, inwieweit dem ASt bei einer Rückkehr eine Gefahr seiner unionsrechtlich geschützten Rechte drohen sollte. In diesem Zusammenhang ist zudem darauf hinzuweisen, dass alleine eine Ladung zu einem Interviewtermin bei einer afghanischen Delegation noch nicht gleichbedeutend mit einer unmittelbar bevorstehenden Abschiebung ist. Zusammengefasst ist vom ASt daher auch keine Dringlichkeit im Sinne der Verhinderung des Eintritts eines schweren und nicht wiedergutzumachenden Schadens glaubhaft gemacht worden.

Nur am Rande sei erwähnt, dass es dem ASt seit dem 24.09.2019, als der Bescheid der Rechtsanwaltskammer seinem Verfahrenshelfer zugestellt wurde, auch offen gestanden wäre, eine Revision samt einem Antrag auf aufschiebende Wirkung beim Bundesverwaltungsgericht einzubringen. Dabei wird nicht verkannt, dass die Ausführung einer Revision Zeit in Anspruch nimmt und nicht innerhalb weniger Stunden oder Tage ausgeführt werden kann. Dennoch steht dem ASt damit eine Möglichkeit offen, vorläufigen Rechtsschutz zu beantragen, sodass es einer einstweiligen Anordnung gar nicht mehr bedarf. Dies umso mehr, als es dem ASt, der bereits im Beschwerdeverfahren und auch im nunmehrigen Verfahren seitens der ARGE Rechtsberatung rechtlich vertreten wird, auch möglich war, den gegenständlichen Antrag auszuführen und einzubringen. Wenn seinem Rechtsberater Derartiges möglich war, ist nicht ersichtlich, wieso es nicht seinem Verfahrenshelfer - etwa mit Unterstützung durch den Rechtsberater - auch möglich sein sollte, bei Gefahr in Verzug eine Revision samt Antrag auf aufschiebende Wirkung auszuführen und einzubringen.

Im Übrigen bestehen neben der Möglichkeit, die aufschiebende Wirkung im Revisionsverfahren zu beantragen, für den ASt auch weitere Möglichkeiten, um einer behaupteten realen Gefahr einer Verletzung seiner Rechte etwa nach Art. 3 EMRK zu begegnen. So wäre beispielsweise bei geänderter Sachlage, die - wie bereits erwähnt - auch vom ASt in seinem Antrag angedeutet wird (S. 6, 3. Absatz), ein neuer Antrag auf internationalen Schutz zu stellen. Während dieses Verfahrens würde dem BF zumindest faktischer Abschiebeschutz nach §§ 12, 12a AsylG beziehungsweise im Falle der Zulassung des Verfahrens ein Aufenthaltsrecht nach § 13 AsylG zukommen. Sollten neue Tatsachen oder Beweismittel, die im Vorverfahren nicht geltend gemacht werden konnten, hervorkommen, stünde dem ASt auch ein Antrag auf Wiederaufnahme des Verfahrens nach § 32 VwGVG offen. Es bestehen somit auch neben dem Antrag auf einstweilige Anordnung aufgrund des Unionsrechts und der Beantragung der aufschiebenden Wirkung im Revisionsverfahren ausreichend Möglichkeiten, um einen tatsächlich drohenden Schaden abzuwenden. Auch dies zeigt, dass das österreichische Rechtssystem dem unionsrechtlichen Effektivitätsgrundsatz keinesfalls widerspricht.

Vor diesem Hintergrund ist die Gewährung von vorläufigem Rechtsschutz für den ASt zur Sicherstellung der Wirksamkeit des Unionsrechts nicht geboten. Er hat die Notwendigkeit der Erlassung der beantragten einstweiligen Anordnung nicht glaubhaft gemacht und insbesondere nicht dargelegt, dass die anzuwendenden nationalen Rechtsvorschriften nicht dem Unionsrecht entsprechen. Es besteht kein Anhaltspunkt dafür, dass die Regelungen des VwGG nicht dem Unionsrecht beziehungsweise dem Effektivitätsgrundsatz entsprechen könnten. Seinem Recht auf Prozesskostenhilfe wurde zudem bereits durch Gewährung von Verfahrenshilfe für das Revisionsverfahren entsprochen.

Sein Antrag war daher spruchgemäß als unzulässig zurückzuweisen.

II.3. Zu Spruchpunkt B)

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG, der nach Art. 133 Abs. 9 B-VG sinngemäß auf Beschlüsse anwendbar ist, zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere, weil das Erkenntnis beziehungsweise der Beschluss von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Da - soweit überblickbar - keine Rechtsprechung des VwGH zur Zulässigkeit von einstweiligen Anordnungen nach Unionsrecht im Zusammenhang mit der Effektivität der Rechtsbehelfe und im Bereich des Verfahrenshilferechts vorliegt, war die Revision zuzulassen.

Schlagworte

einstweilige Anordnung, Glaubhaftmachung, mangelnder
Anknüpfungspunkt, Rechtsschutzinteresse, Unionsrecht,
Verfahrenshilfe, Voraussetzungen

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2019:W204.2151289.2.01

Zuletzt aktualisiert am

14.05.2020
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten