TE Bvwg Beschluss 2020/3/2 G306 2225352-1

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Veröffentlicht am 02.03.2020
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Entscheidungsdatum

02.03.2020

Norm

B-VG Art. 133 Abs4
FPG §76 Abs2 Z2
VwGVG §28 Abs1
VwGVG §31 Abs1

Spruch

G306 2225352-1/8E

BESCHLUSS

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Dietmar MAURER als Einzelrichter über die Beschwerde des XXXX, geb. am XXXX, rumänischer Staatsangehöriger, vertreten durch die ARGE Rechtsberatung, gegen den Schubhaftbescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 04.11.2019, Zl. XXXX, betreffend Schubhaftbescheid gemäß § 76 Abs. 2 Z 2 FPG, beschlossen:

A) Die Beschwerde gegen den Bescheid des Bundesamtes für

Fremdenwesen und Asyl vom XXXX.2019 wird gemäß § 28 Abs. 1 iVm § 31 Abs. 1 VwGVG als unzulässig zurückgewiesen.

B) Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

BEGRÜNDUNG:

I. Verfahrensgang und Sachverhalt:

1.1. Gegen den Beschwerdeführer (BF) wurde mit Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl (BFA) vom XXXX.2019 gemäß § 76 Abs. 2 Z 2 FPG die Schubhaft zur Sicherung der Abschiebung angeordnet. Die Rechtsfolge des Bescheides sollte erst nach der Entlassung aus der Strafhaft eintreten.

Gegen diesen Bescheid erhob der BF, durch seine rechtliche Vertretung, rechtzeitig am 12.11.2019 Beschwerde wegen Rechtswidrigkeit des Schubhaftbescheides. Es wurde darin beantragt, das Bundesverwaltungsgericht möge 1. den angefochtenen Bescheid ersatzlos beheben und aussprechen, dass die Anordnung von Schubhaft mit Bescheid vom XXXX2019 in rechtswidriger Weise erfolgte; 2. der belangten Behörde den Ersatz der Aufwendungen des BF gemäß VwG-Aufwandersatzverordnung sowie die Kommissionsgebühren und Barauslagen, für die der BF aufzukommen hat, auferlegen.

1.2. Der gegenständliche Verfahrensakt wird mit Schreiben der Behörde vom 15.11.2019 dem Bundesverwaltungsgericht vorgelegt.

1.3. Mit Bescheid vom 19.11.2019 hob das BFA den Bescheid vom XXXX2019 von Amts wegen gemäß § 68 Abs. 2 AVG auf. Dies wurde dem Bundesverwaltungsgericht am 19.11.2019 per Mail mitgeteilt.

In der Begründung führte das BFA aus, dass der Bescheid vom 04.11.2019 so mangelhaft ergangen sei und keine Ausführungen zum individuellen Fall des BF stattgefunden hätten sodass der Bescheid von Amtswegen zu beheben gewesen wäre.

Gegen diesen Bescheid erhob der BF keine Beschwerde.

1.4. Am 14.11.2019, Zl.XXXX, erließ das BFA eine Beschwerdevorentscheidung.

Gegen diese Beschwerdevorentscheidung brachte der BF keinen Vorlageantrag ein.

1.5. Mit Schreiben vom 19.11.2019 der ARGE Rechtsberatung (Mag. Anna HUMENIUK) eingelangt beim Bundesverwaltungsgericht am selben Tag, langte eine Stellungnahme zur Beschwerdevorentscheidung ein. Zusammengefasst wurde darin ausgeführt, dass die Erlassung der Beschwerdevorentscheidung seitens des BFA rechtswidrig sei und es sich daher um einen Nicht-Bescheid handle.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

Feststellungen und (Sachverhalt):

Das Bundesverwaltungsgericht geht vom oben dargelegten unstrittigen Sachverhalt aus.

Eine mündliche Verhandlung konnte gemäß § 24 Abs. 1 iVm Abs. 4 VwGVG entfallen.

Rechtliche Beurteilung:

Gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG entscheiden die Verwaltungsgerichte über Beschwerden gegen den Bescheid einer Verwaltungsbehörde wegen Rechtswidrigkeit.

Gemäß § 6 Bundesverwaltungsgerichtsgesetz (BVwGG), BGBl. I Nr. 10/2013, entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist. Mangels Anordnung einer Senatszuständigkeit liegt gegenständlich Einzelrichterzuständigkeit vor.

Gemäß § 28 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen, sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist.

Gemäß § 31 Abs. 1 VwGVG erfolgen die Entscheidungen und Anordnungen durch Beschluss, soweit nicht ein Erkenntnis zu fällen ist.

Zu Spruchpunkt A):

Betreffend die Beschwerde gegen den Bescheid vom XXXX2019:

Gegenstand des Beschwerdeverfahrens ist der Bescheid vom XXXX2019, mit welchem spruchgemäß gegen den BF die Schubhaft zum Zwecke der Sicherung der Abschiebung angeordnet wurde, als dass die Rechtsfolgen des Bescheides erst nach der Entlassung des BF aus der Strafhaft, eintreten.

Mit Bescheid vom 19.11.2019 hat die Behörde den Bescheid vomXXXX.2019 von Amts wegen gemäß § 68 Abs. 2 AVG aufgehoben. Damit hat sie die rechtliche Existenz des Bescheides vom XXXX.2019 beseitigt. Die Rechtssache ist damit wieder in die Lage zurückversetzt worden, in der sie sich vor Erlassung dieses Bescheides befunden hatte. Der zur Gänze aufgehobene Bescheid vom XXXX.2019 kann daher keinerlei Rechtswirkungen mehr entfalten (vgl. Hengstschläger - Leeb, AVG, zu § 68 S 1177, RZ 51).

Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist ausschlaggebend für die Anwendbarkeit des § 68 Abs. 2 AVG der Effekt der Aufhebung oder Abänderung. Wirkt sie zugunsten der Partei(en), ist sie in verfahrensrechtlicher Hinsicht nach § 68 Abs. 2 AVG stets zulässig, gleichgültig, ob der Partei aus dem rechtskräftigen Bescheid ein Recht erwachsen ist oder nicht. Nach der teleologischen Auslegung des VwGH liegt § 68 Abs. 2 AVG der Gedanke zugrunde, dass bei rein belastenden Bescheiden der durch die materielle Rechtskraft gewährleistete Schutz des Vertrauens der Partei auf den Bestand des Verwaltungsaktes, auf Rechtsfrieden und Rechtssicherheit keinen Sinn macht. Es besteht seitens der Partei kein Interesse an der Aufrechterhaltung des sie belastenden Verwaltungsaktes, das des Schutzes durch die materielle Rechtskraft bedürfte. Dies trifft aber nur insoweit zu, als durch die Abänderung des rein belastenden Bescheides die Rechtsposition der Partei nicht verschlechtert wird. Vice versa besteht an der Aufrechterhaltung eines in Rechtskraft erwachsenen begünstigenden Bescheides in jenen Fällen kein schützenswertes Interesse seitens der Partei, in denen die Abänderung zu einer rechtlichen Besserstellung der Partei führt (vgl. Hengstschläger - Leeb, AVG, zu § 68, S 1192, 1193, Rz 81, 82 und die dort zit. Rechtsprechung).

Mit dem Bescheid vom 19.11.2019 hat die Behörde den Bescheid vom XXXX.2019 von Amts wegen gemäß § 68 Abs. 2 AVG aufgehoben. Damit hat sie die rechtliche Existenz des Bescheides vom XXXX.2019, mit dem die Schubhaft zur Sicherung der Abschiebung angeordnet wurde, beseitigt und wurde dadurch die Rechtssache in die Lage zurückversetzt, in der sie sich vor Erlassung dieses Bescheides befunden hatte.

Es war weiter zu prüfen, ob durch die Existenz des Bescheides vom 04.11.2019 im Zusammenhang mit der von BF dagegen erhobenen Beschwerde "ein Recht" im Verständnis des § 68 Abs. 2 AVG (auf eine Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichtes) erwachsen ist.

Der VwGH führte in seinem Erkenntnis vom 16.11.2015, Ra 2015/12/0029 aus:

"In diesem Zusammenhang ist zunächst auf die zu § 68 Abs. 2 AVG in seinen vor dem 1. Jänner 2014 in Kraft gestandenen Fassungen ergangene Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu verweisen, wonach die Anhängigkeit einer Beschwerde vor dem Verwaltungsgerichtshof gegen einen Bescheid die Behörde nicht an dessen Aufhebung oder Abänderung gemäß § 68 Abs. 2 AVG hinderte. Ein rechtlich geschütztes Interesse des Beschwerdeführers dahingehend, dass sich die belangte Behörde durch eine derartige Vorgangsweise einer Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofes in der Sache selbst nicht entziehen dürfe, bestand nicht (vgl. in diesem Zusammenhang die hg. Erkenntnisse vom 5. April 1974, Zl. 390/74 = VwSlg. Nr. 8.594/A, sowie vom 18. März 1994, Zl. 93/12/0093).

Diese Rechtsprechung ging offenbar davon aus, dass das die Existenz eines Bescheides voraussetzende Recht, diesen vor dem Verwaltungsgerichtshof anzufechten, kein aus diesem Bescheid erwachsenes "Recht" im Verständnis des § 68 Abs. 2 AVG darstelle. So führte der Verwaltungsgerichtshof auch in seinen Erkenntnissen vom 20. Oktober 1992, Zl. 92/04/0155, und vom 24. November 1992, Zl. 92/04/0186, aus, dass als "aus dem Bescheid erwachsen" nur solche Rechte verstanden werden können, die Gegenstand des bescheidmäßigen Abspruches waren, nicht hingegen irgendwelche Reflexwirkungen des Bescheides.

Diese Ausführungen sind auch auf § 68 Abs. 2 AVG idF BGBl. I Nr. 33/2013 zu übertragen:

Das vom Fortbestand der Existenz eines Bescheides abhängige Recht, eine Entscheidung des Verwaltungsgerichtes über eine dagegen erhobene Beschwerde zu erlangen, ist kein solches, welches "Gegenstand des bescheidmäßigen Abspruches" im Verständnis der zitierten Vorjudikatur gebildet hat. Es steht daher der prozessualen Zulässigkeit einer Maßnahme gemäß § 68 Abs. 2 AVG auch nicht entgegen."

Aus dem Vorgesagten folgt, dass die Anhängigkeit einer zulässigen Beschwerde vor dem Verwaltungsgericht einer Anwendung des § 68 Abs. 2 AVG nicht entgegen steht (vgl. in diesem Sinne auch Kolonovits/Muzak/Stöger/Walter/Mayer, Grundriss des österreichischen Verwaltungsverfahrensrechts (10. Auflage) Rz 651 f; zum gleichen Ergebnis, jedoch mit anderer Begründung, gelangt Scharfe, Klaglosstellung durch die belangte Behörde im Verfahren vor den allgemeinen Verwaltungsgerichten in Ehrke­Rabel/Merli, Die belangte Behörde in der neuen Finanz­ und Verwaltungsgerichtsbarkeit, S. 129 ff).

Eine Rechtsverletzungsmöglichkeit durch den angefochtenen Bescheid vom 04.11.2019 ist daher zu verneinen. Die Beschwerde war daher gemäß § 28 Abs. 1 iVm § 31 VwGVG als unzulässig zurückzuweisen.

Zur Beschwerdevorentscheidung vom 14.11.2019:

Seitens des BF wurde zwar kein Vorlageantrag eingereicht, dennoch ist vollständigkeitshalber folgendes dazu auszuführen:

Im Schubhaftverfahren ist eine Beschwerdevorentscheidung durch die Behörde erster Instanz nicht zulässig. Die für die Beschwerdevorentscheidung maßgebliche Bestimmung im § 14 VwGVG lautet:

"§ 14. (1) Im Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG steht es der Behörde frei, den angefochtenen Bescheid innerhalb von zwei Monaten aufzuheben, abzuändern oder die Beschwerde zurückzuweisen oder abzuweisen (Beschwerdevorentscheidung). § 27 ist sinngemäß anzuwenden.

(2) Will die Behörde von der Erlassung einer Beschwerdevorentscheidung absehen, hat sie dem Verwaltungsgericht die Beschwerde unter Anschluss der Akten des Verwaltungsverfahrens vorzulegen.

(3) Im Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 4 B-VG hat die Behörde dem Verwaltungsgericht die Beschwerde unter Anschluss der Akten des Verwaltungsverfahrens vorzulegen."

Die Möglichkeit der Beschwerdevorentscheidung bezieht sich daher ausschließlich auf Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG und ist daher auf bei Schubhaftbeschwerden nicht anwendbar.

Entfall der mündlichen Verhandlung

Gemäß § 24 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht auf Antrag oder, wenn es dies für erforderlich hält, von Amts wegen eine öffentliche mündliche Verhandlung durchzuführen. Im gegenständlichen Verfahren konnte eine mündliche Verhandlung unterbleiben, da das Bundesverwaltungsgericht die Voraussetzungen des § 24 Abs. 2 Z 1 Halbsatz VwGVG als gegeben erachtet, zumal bereits aufgrund der "aktuellsten" Aktenlage feststeht, dass der mit der Beschwerde zurückzuweisen ist.

Zu Spruchpunkt B: Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 des Verwaltungsgerichtshofgesetzes 1985 (VwGG), BGBl. Nr. 10/1985 idgF, hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision gegen die gegenständliche Entscheidung ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor. Konkrete Rechtsfragen grundsätzlicher Bedeutung sind weder in der gegenständlichen Beschwerde vorgebracht worden noch im Verfahren vor dem BVwG hervorgekommen.

Schlagworte

Rechtsverletzungsmöglichkeit, Schubhaft, Wegfall der Gründe

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2020:G306.2225352.1.00

Zuletzt aktualisiert am

14.05.2020
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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