TE Vwgh Erkenntnis 1998/4/15 97/09/0386

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Veröffentlicht am 15.04.1998
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Index

E2D Assoziierung Türkei;
E2D E02401013;
E2D E05204000;
E2D E11401020;
E6J;
001 Verwaltungsrecht allgemein;
60/04 Arbeitsrecht allgemein;
62 Arbeitsmarktverwaltung;

Norm

61995CJ0171 Recep Tetik VORAB;
ARB1/80 Art6 Abs1;
ARB1/80 Art6 Abs2;
AuslBG §1 Abs3;
VwRallg;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Fürnsinn und die Hofräte Dr. Blaschek und Dr. Rosenmayr als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Loibl, über die Beschwerde des Ibrahim Ülger in Wien, vertreten durch Mag. Claudio Bauer, Rechtsanwalt in Wien I, Stephansplatz 6/2/15, gegen den Bescheid der Landesgeschäftsstelle des Arbeitsmarktservice Wien vom 19. September 1997, Zl. LGSW/Abt.10/13117/770.403/1997, betreffend Feststellung nach dem Assoziationsabkommen EWG-Türkei, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Begründung

Der vorliegenden Beschwerde und der dieser angeschlossenen Bescheidausfertigung zufolge wurde mit dem im Instanzenzug ergangenen, nunmehr angefochtenen Bescheid der belangten Behörde vom 19. September 1997 der Berufung des Beschwerdeführers gegen den Bescheid des Arbeitsmarktservice Bau-Holz vom 12. Juni 1997 gemäß § 66 Abs. 4 AVG in Verbindung mit Art. 6 Abs. 1 dritter Gedankenstrich des Beschlusses Nr. 1/1980 des Assoziationsrates vom 19. September 1980 über die Entwicklung der Assoziation keine Folge gegeben und der erstinstanzliche Bescheid bestätigt.

Zur Begründung führte die belangte Behörde im wesentlichen aus, im erstinstanzlichen Ermittlungsverfahren sei festgestellt worden, daß der Beschwerdeführer (nach den Daten des Hauptverbandes der Sozialversicherungsträger) seit 11. Juni 1990 in Beschäftigung stehe, aber aufgrund von Unterbrechungen das Erfordernis einer durchgehenden vierjährigen Beschäftigung nicht erfülle. In der Berufung habe der Beschwerdeführer ausgeführt, daß er sicher sei, die vierjährige Beschäftigungszeit zu erfüllen. Im Falle des Beschwerdeführers sei davon auszugehen, daß bei ihm "eine aktuelle Zugehörigkeit zum regulären Arbeitsmarkt besteht". Aus dem Wortlaut des Art. 6 (insbesondere dessen Abs. 2) des Abkommens wie auch dem stufenweisen Aufbau der Beschäftigungszeiten sei ersichtlich, daß die geforderte Beschäftigungsdauer durchgehend bestehen müsse. Die Überprüfung der Beschäftigungszeiten des Beschwerdeführers habe ergeben, daß von 10. Dezember 1994 bis 5. März 1995 eine Unterbrechung bestanden habe, die keinen der in Abs. 2 (gemeint: Art. 6 Abs. 2 des ARB Nr. 1/1980) genannten Sachverhalte umfasse. Es liege auch keine unverschuldete Arbeitslosigkeit vor; erst im Nachhinein sei ein Arbeitslosengeldanspruch angemeldet worden. Unverschuldete Arbeitslosigkeit werde aber nur bei Geltendmachung in einem Zeitraum von 28 Tagen akzeptiert, weil mit Beginn des 29. Tages nach Beendigung der Beschäftigung die Möglichkeit bestehe, Arbeitslosengeld auch bei verschuldeter Arbeitslosigkeit zu beziehen. Die Überschreitung des Zeitraumes der Geltendmachung führe zu einer Unterbrechung; die vom Beschwerdeführer angeführten persönlichen Gründe könnten nicht berücksichtigt werden. Da somit keine durchgehende ununterbrochene vierjährige ordnungsgemäße Beschäftigung vorliege, könne die begehrte Feststellung über die Erfüllung der Voraussetzungen des Art. 6 Abs. 1 dritter Gedankenstrich des ARB nicht ausgestellt werden.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Senat erwogen hat:

Der Beschwerdeführer erachtet sich durch den angefochtenen Bescheid in dem Recht auf "freien Zugang zu jeder von ihm gewählten Beschäftigung im Lohn- oder Gehaltsverhältnis" bzw. auf "richtige Anwendung des seit der Mitgliedschaft Österreichs anzuwendenden Gemeinschaftsrecht in Form des Beschlusses Nummer 1/1980 des Assoziationsrates" verletzt. Er bringt dazu im wesentlichen vor, die Behörde habe nicht ausreichend ermittelt und festgestellt, welcher Art die Unterbrechungen seiner Beschäftigungszeiten gewesen seien. Hinsichtlich der Unterbrechung vom 10. Dezember 1994 bis 5. März 1995 sei zu berücksichtigen, daß sein Sohn (Duran Ülger) krank gewesen sei. Er sei zu diesem Zeitpunkt arbeitslos gewesen und habe am 10. Dezember 1994 dringend in die Türkei fliegen müssen; sein Sohn sei während dieser Zeit operiert worden. Erst am 5. März 1995 sei er wieder nach Österreich zurückgekehrt und habe sich arbeitslos gemeldet. Zu der Unterbrechung vom 8. Dezember 1995 bis 18. März 1996 werde vorgebracht, daß er seit 1995 bei der Firma Baumeister Peter Pichler beschäftigt sei; von diesem Unternehmen werde "jeden Winter saisonbedingt ein Teil der Arbeiter beurlaubt". Während dieser Zeit sei mit dem Arbeitgeber "fix vereinbart, zu Saisonbeginn wieder mit der Arbeit anzufangen". Bis zu diesem Zeitpunkt würden die betroffenen Arbeiter (so auch der Beschwerdeführer) "als arbeitslos gelten, können nicht vermittelt werden und beziehen Arbeitslosengeld". Während dieser Zeit sei er manchmal in Österreich geblieben oder auf Urlaub in die Türkei geflogen; dies auch deshalb, um den österreichischen Staat nicht mit "Arbeitslosenbezügen" zu belasten. Im Jänner, Februar und März 1996 sei er im Ausland gewesen und habe für diese Zeit kein Arbeitslosengeld bezogen; die im erstinstanzlichen Bescheid festgestellte Unterbrechung vom 8. Dezember 1995 bis 18. März 1966 bestehe daher nur deswegen, weil vereinbart gewesen sei, daß er wieder bei derselben Firma zu arbeiten beginnen "sollte". Da sich die belangte Behörde mit diesem Vorbringen nicht auseinandergesetzt habe, sei das Verfahren mangelhaft geblieben. Die festgestellten "Unterbrechungen" seien nicht nach innerstaatlichen Gesichtspunkten, sondern nach europarechtlichen Bestimmungen zu beurteilen. Die belangte Behörde hätte zu dem Ergebnis gelangen müssen, daß es sich bei den "Unterbrechungen" um Zeiten unverschuldeter Arbeitslosigkeit im Sinne von Art. 6 Abs. 2 (des ARB Nr. 1/1980) handle.

Dieses Vorbringen vermag der Beschwerde nicht zum Erfolg zu

verhelfen.

Im Beschwerdefall geht es ausschließlich darum, ob im Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Bescheides die tatbestandlichen Voraussetzungen nach Artikel 6 Abs. 1 dritter Gedankenstrich des Beschlusses des Assoziationsrates EWG-Türkei Nr. 1/80 (ARB Nr. 1/1980) vom Beschwerdeführer erfüllt wurden.

Vorbehaltlich der Bestimmungen in Artikel 7 über den freien Zugang der Familienangehörigen zur Beschäftigung hat nach Art. 6 Abs. 1 des Beschlusses Nr. 1/1980 des Assoziationsrates über die Entwicklung der Assoziation (ARB Nr. 1/80) der türkische Arbeitnehmer, der dem regulären Arbeitsmarkt eines Mitgliedstaats angehört, in diesem Mitgliedstaat

-

nach einem Jahr ordnungsgemäßer Beschäftigung Anspruch auf Erneuerung seiner Arbeitserlaubnis bei dem gleichen Arbeitgeber, wenn er über einen Arbeitsplatz verfüt; (1. Gedankenstrich)

-

nach drei Jahren ordnungsgemäßer Beschäftigung

-

vorbehaltlich des den Arbeitnehmern aus den Mitgliedstaaten einzuräumenden Vorrangs - das Recht, sich für den gleichen Beruf bei einem Arbeitgeber seiner Wahl auf ein unter normalen Bedingungen unterbreitetes und bei den Arbeitsämtern des Mitgliedstaats eingetragenen Stellenangebot zu bewerben; (2. Gedankenstrich)

-

nach vier Jahren ordnungsgemäßer Beschäftigung freien Zugang zu jeder von ihm gewählten Beschäftigung im Lohn- oder Gehaltsverhältnis (3. Gedankenstrich).

Nach dem Abs. 2 des Art. 6 ARB Nr. 1/80 werden der Jahresurlaub und die Abwesenheit wegen Mutterschaft, Arbeitsunfall oder kurzer Krankheit den Zeiten ordnungsgemäßer Beschäftigung gleichgestellt. Die Zeiten unverschuldeter Arbeitslosigkeit, die von den zuständigen Behörden ordnungsgemäß festgestellt worden sind sowie die Abwesenheit wegen langer Krankheit werden zwar nicht den Zeiten ordnungsgemäßer Beschäftigung gleichgestellt, berühren jedoch nicht die aufgrund der vorherigen Beschäftigungszeit erworbenen Ansprüche.

Im Beschwerdefall ist - nach den im angefochtenen Bescheid getroffenen Feststellungen und dem Vorbringen in der Beschwerde - unbestritten, daß das Beschäftigungsverhältnis des Beschwerdeführers im Jahr 1994 beendet wurde; danach ist der Beschwerdeführer bis 5. März 1995 in keinem Beschäftigungsverhältnis gestanden.

Dieser Unterbrechung kommt entscheidende Bedeutung für die Anrechenbarkeit der bis zum 10. Dezember 1994 vom Beschwerdeführer zurückgelegten Beschäftigungszeiten zu. Der Beschwerdeführer konnte sich nämlich vor dem Wirksamwerden des Assoziationsratsbeschlusses Nr. 1/80 mit dem (am 1. Jänner 1995 erfolgten) Beitritt Österreichs zur Europäischen Union noch nicht auf ein aus Art. 6 Abs. 2 ARB Nr. 1/80 abgeleitetes Recht auf seine weitere Zugehörigkeit zum Arbeitsmarkt des

Mitgliedstaates Österreich - etwa im Sinne des Urteils des

Europäischen Gerichtshofes vom 23. Jänner 1997 in der Rechtssache C-171/95, Recep Tetik - berufen (vgl. dazu auch die hg. Erkenntnisse vom 16. Dezember 1997,

Zlen. 97/09/0099 und 0100, vom 18. Dezember 1997, Zl. 97/09/0152, und vom 11. Juni 1997, Zl. 96/21/0100). Der Beschwerdeführer hat demnach - auch unter Zugrundelegung seines eigenen Vorbringen - frühestens ab dem 5. März 1995 anrechenbare Beschäftigungszeiten (im Sinne des Assoziierungsabkommens EWG-Türkei).

Bei diesem Ergebnis erübrigt es sich, auf die in der Beschwerde vorgetragene "Unterbrechung vom 8. Dezember 1995 bis 18. März 1996" weiter einzugehen, da der Beschwerdeführer beginnend ab dem 5. März 1995 im Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Bescheides noch keinesfalls die tatbestandlichen Voraussetzungen nach Art. 6 Abs. 1 dritter Gedankenstrich ARB Nr. 1/80 in zeitlicher Hinsicht erfüllt haben kann. Demnach mangelt es schon aus den dargelegten Gründen den in der Beschwerde behaupteten Verletzungen von Verfahrensvorschriften an der erforderlichen Relevanz (§ 42 Abs. 2 Z. 3 lit. c VwGG). Auch die solcherart für den Ausgang des Beschwerdeverfahrens unerhebliche Anregung des Beschwerdeführers auf Einleitung eines Vorabentscheidungsverfahren nach Art. 177 EG-Vertrag war nicht aufzugreifen.

Da somit bereits der Inhalt der vorliegenden Beschwerde erkennen läßt, daß die von der beschwerdeführenden Partei behauptete Rechtsverletzung nicht vorliegt, war die Beschwerde gemäß § 35 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung als unbegründet abzuweisen.

Gerichtsentscheidung

EuGH 61995J0171 Recep Tetik VORAB

Schlagworte

Anzuwendendes Recht Maßgebende Rechtslage VwRallg2

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1998:1997090386.X00

Im RIS seit

09.11.2001

Zuletzt aktualisiert am

11.11.2011
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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