TE Bvwg Erkenntnis 2020/3/5 W147 2007993-3

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 05.03.2020
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Entscheidungsdatum

05.03.2020

Norm

AsylG 2005 §10 Abs1 Z3
AsylG 2005 §2 Abs1 Z13
AsylG 2005 §3 Abs1
AsylG 2005 §57
AsylG 2005 §8 Abs1
BFA-VG §9
B-VG Art. 133 Abs4
FPG §46
FPG §52 Abs2 Z2
FPG §52 Abs9
FPG §55 Abs1
FPG §55 Abs1a
FPG §55 Abs2
FPG §55 Abs3

Spruch

W147 2007993-3/7E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. KANHÄUSER als Einzelrichter über die Beschwerde von XXXX , geb. am XXXX , StA. Russische Föderation, vertreten durch Verein Menschenrechte Österreich, Alser Straße 20/5 (Mezzanin), 1090 Wien, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 14. September 2018, Zl. 622195902-180510259, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 13. Februar 2020 zu Recht erkannt:

A)

Die Beschwerde wird hinsichtlich der Spruchpunkte I. bis VI. gemäß §§ 3 Abs. 1 Asylgesetz 2005 (AsylG 2005), BGBl. I Nr. 100/2005 in der Fassung BGBl. I Nr. 24/2016, 8 Abs. 1 AsylG 2005 und 10 Abs. 1 Z 3 AsylG 2005, BGBl. I Nr. 100/2005 in der Fassung BGBl. I Nr. 145/2017, 57 AsylG 2005, BGBl. I Nr. 100/2005 in der Fassung BGBl. I Nr. 70/2015, § 9 BFA-Verfahrensgesetz (BFA-VG), BGBl. I Nr. 87/2012 in der Fassung BGBl. I Nr. 56/2018, und §§ 46 Fremdenpolizeigesetz 2005 (FPG), BGBl. I Nr. 100/2005 in der Fassung BGBl. I Nr. 56/2018, 52 Abs. 9 FPG, BGBl. I Nr. 100 in der Fassung BGBl. I Nr. 110/2019, 55 Abs 1 bis 3 FPG, BGBl. I Nr. 100/2005 in der Fassung BGBl. I Nr. 68/2013, als unbegründet abgewiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG), BGBl. Nr. 1/1930 in der Fassung BGBl. I Nr. 22/2018, nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

1. Die Beschwerdeführerin, eine Staatsangehörige der Russischen Föderation und der tschetschenischen Volksgruppe zugehörig, reiste am 31. Jänner 2013 zusammen mit ihrer Tochter XXXX (Beschwerdeführerin zu GZ W147 2008215-3) illegal in das Bundesgebiet ein und stellte am gleichen Tag einen Antrag auf internationalen Schutz.

Im Rahmen ihrer Erstbefragung vor Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes gab die Beschwerdeführerin eingangs an, sie habe ihre Heimat Dagestan gemeinsam mit ihrer Tochter verlassen, da ihr Ehegatte Probleme in der Heimat habe. Sie sei bedroht worden, dass sie Probleme haben werde, falls ihr Ehegatte (Beschwerdeführer zu W147 2147281-2) nicht zurückkehre.

2. Am 7. Februar. 2013 wurde ein Konsultationsverfahren mit Polen eingeleitet.

In Zuge der Einvernahme am 2. Mai 2013 führte die Beschwerdeführerin aus, dass sie einer Familienzusammenführung gemäß Art. 15 Dublin-II- Verordnung in Polen nicht zustimme, da sie eine Verfolgung in Polen befürchte. In Polen seien viele Personen aus Dagestan, die zuvor einer staatlichen Verfolgung in der Russischen Föderation ausgesetzt gewesen seien, spurlos verschwunden.

3. Nach erfolgtem Konsultationsverfahren mit Polen wurde mit Bescheid des ehemaligen Bundesasylamtes vom 15. Mai 2013, Zl. 13 01.337 EAST OST der Antrag auf internationalen Schutz ohne in die Sache einzutreten gemäß § 5 Absatz 1 Asylgesetz 2005, BGBl I Nr. 100/2005 (AsylG) idgF, als unzulässig zurückgewiesen und festgestellt, dass für die Prüfung des Antrags auf internationalen Schutz gemäß Artikel 4 (3) der Verordnung (EG) Nr. 343/2003 des Rates Polen zuständig ist (Spruchpunkt I.). Gemäß § 10 Absatz 1 Ziffer 1 AsylG 2005 wurde die Beschwerdeführerin aus dem österreichischen Bundesgebiet nach Polen ausgewiesen und gemäß § 10 Absatz 4 AsylG festgestellt, dass ihre Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung nach Polen zulässig ist (Spruchpunkt II.).

4. Mit Schriftsatz vom 27. Mai 2013 erhob die Beschwerdeführerin fristgerecht Beschwerde gegen den Bescheid vom 15. Mai 2013 und focht diesen wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit infolge unrichtiger rechtlicher Beurteilung sowie Verletzung von Verfahrensvorschriften in vollem Umfang an.

5. Mit Erkenntnis des ehemaligen Asylgerichtshofes vom 4 Juni 2013, Zl. S4 435.377-1/2013/2E, S4 435.378-1/2013/2E, S4 435.379/2013/2E wurde den Beschwerden der Beschwerdeführerin und ihrer Familienangehörigen gemäß § 43 Abs. 3 AsylG stattgegeben und die bekämpften Bescheide behoben.

6. Nach Zulassung des Verfahrens gab die Beschwerdeführerin im Rahmen ihrer niederschriftlichen Einvernahme vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl am 20. Februar 2014 im Beisein einer geeigneten Dolmetscherin für die russische Sprache eingangs an, sie könne der Einvernahme ohne Probleme folgen.

Die Beschwerdeführerin führte im Wesentlichen aus, dass sie aufgrund der Probleme ihres Ehegatten mit der Polizei geflüchtet sei. Er sei mitgenommen, verhört und verprügelt worden, da er angeblich Widerstandskämpfern, die in den Wald gegangen seien, geholfen habe, indem er diesen Lebensmittel gegeben habe. Die Polizei habe ihren Ehegatten nicht in Ruhe gelassen. Schließlich habe er flüchten müssen. Da sie auch nicht sicher gewesen wäre, sei sie kurze Zeit später ebenfalls ausgereist. In Österreich habe die Beschwerdeführerin Verwandte. Unter anderem lebe ihr Onkel mit seiner Familie in Wien und eine Tante.

7. Mit Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 24. April 2014, Zl. 622195902-16132113 wurde der Antrag auf internationalen Schutz gemäß § 3 Absatz 1 AsylG 2005, BGBl. I Nr. 100/2005 idgF., bezüglich der Zuerkennung des Status der Asylberechtigten abgewiesen (Spruchpunkt I.). Weiters wurde der Antrag auf internationalen Schutz gemäß § 8 Absatz 1 iVm § 2 Absatz 1 Ziffer 13 AsylG 2005, bezüglich der Zuerkennung des Status der subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Russische Föderation abgewiesen (Spruchpunkt II.) Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß §§ 57 und 55 AsylG 2005 wurde nicht erteilt, sondern gemäß § 10 Absatz 1 Ziffer 3 AsylG 2005 iVm § 9 BFA-VG gegen die Beschwerdeführerin eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Absatz 2 Ziffer 2 FPG erlassen und gemäß § 52 Absatz 9 FPG festgestellt, dass die Abschiebung der Beschwerdeführerin gemäß § 46 FPG in die Russische Föderation zulässig ist. Gemäß § 55 Absatz 1 bis 3 FPG wurde die Frist zur freiwilligen Rückkehr mit vierzehn Tagen ab Rechtskraft der Entscheidung festgesetzt (Spruchpunkt III.).

8. Mit Verfahrensanordnung gemäß § 63 Absatz 2 AVG vom 28. April 2014 wurde der Beschwerdeführerin für das Beschwerdeverfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht der "Verein Menschenrechte Österreich, Alser Straße 20/5 (Mezzanin), 1090 Wien" als Rechtsberater amtswegig zur Seite gestellt.

9. Mit Schriftsatz vom 14. Mai 2014 erhob die fristgerecht Beschwerde gegen den Bescheid vom 24. April 2014 und focht diesen wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit infolge unrichtiger rechtlicher Beurteilung sowie Verletzung von Verfahrensvorschriften in vollem Umfang an.

10. Mit Beschluss des Bundesverwaltungsgerichtes vom 7. Jänner 2015, Zl. W216 2007993-1/4E wurde der bekämpfte Bescheid behoben und die Angelegenheit gemäß § 28 Abs. 3 2. Satz VwGVG, BGBl. I Nr. 33/2013 idF BGBl. I Nr. 122/2013, zur Erlassung eines neuen Bescheides an das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl zurückverwiesen.

11. Mit Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 19. Jänner 2017, Zl. 622195902-1613213 wurde der Antrag auf internationalen Schutz gemäß § 3 Absatz 1 AsylG 2005, BGBl. I Nr. 100/2005 idgF., bezüglich der Zuerkennung des Status der Asylberechtigten abgewiesen (Spruchpunkt I.). Weiters wurde der Antrag auf internationalen Schutz gemäß § 8 Absatz 1 iVm § 2 Absatz 1 Ziffer 13 AsylG 2005, bezüglich der Zuerkennung des Status der subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Russische Föderation abgewiesen (Spruchpunkt II.) Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG 2005 wurde nicht erteilt, sondern gemäß § 10 Absatz 1 Ziffer AsylG 2005 iVm § 9 BFA-VG gegen die Beschwerdeführerin eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Absatz 2 Ziffer 2 FPG erlassen und gemäß § 52 Absatz 9 FPG festgestellt, dass die Abschiebung der Beschwerdeführerin gemäß § 46 FPG in die Russische Föderation zulässig ist (Spruchpunkt III.). Gemäß § 55 Absatz 1 bis 3 FPG wurde die Frist zur freiwilligen Rückkehr mit vierzehn Tagen ab Rechtskraft der Entscheidung festgesetzt (Spruchpunkt VI.).

In der Entscheidungsbegründung wurde seitens der belangten Behörde im Wesentlichen ausgeführt, dass die Beschwerdeführerin weder asylrelevante Gründe vorgebracht hätte, noch für den Fall einer Rückkehr in die Russischen Föderation Verfolgung oder Bedrohung im Sinne der GFK gegen ihre Person geltend gemacht worden wäre und zudem der von ihrem Ehegatten vorgebrachte Sachverhalt in seiner Gesamtheit als nicht asylrelevant einzustufen sei.

12. Mit Verfahrensanordnung gemäß § 52 Absatz 1 BFA-VG vom 20. Jänner 2017 wurde der Beschwerdeführerin für das Beschwerdeverfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht der "Verein Menschenrechte Österreich, Alser Straße 20/5 (Mezzanin), 1090 Wien" als Rechtsberater amtswegig zur Seite gestellt.

13. Mit Schriftsatz vom 6. Februar 2017 erhob die Beschwerdeführerin fristgerecht Beschwerde gegen den genannten Bescheid, ficht diesen wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit infolge unrichtiger rechtlicher Beurteilung sowie Verletzung von Verfahrensvorschriften in vollem Umfang an.

14. Mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 8. Mai 2018, Zl. W226 2007993-2/12E, W226 214781-1/11E, W226 2007995-2/8E, W226 2008215-2/9E, W226 2147275-2/9E, W226 2147264-1/6E wurde die Beschwerde gemäß §§ 3 Abs. 1, 8 Abs. 1, 57, 10 Abs. 1 z 3 AsylG 2005 idgF iVm. § 9 BFA-VG und §§ 52 Abs. 2 Z 2, 52 Abs. 9 FPG, 46 FPG sowie 55 Abs. 1 bis 3 FPG idgF als unbegründet abgewiesen mit der Maßgabe, dass die Frist für die freiwillige Ausreise mit drei Monaten ab Rechtskraft dieser Entscheidung festgesetzt wird.

Im Wesentlichen wurde die Entscheidung damit begründet, dass der Ehegatte der Beschwerdeführerin seine Fluchtgeschichte nicht nachvollziehbar und plausibel vorbringen konnte. Zudem habe es einige Widersprüche gegeben und sei die Geschichte nur allgemein und vage dargelegt worden, weshalb das Bundesverwaltungsgericht zum Schluss kam, dass das Vorbringen des Ehegatten der Beschwerdeführerin insgesamt als unglaubwürdig zu beurteilen ist.

15. Am 18. Mai 2018 wurden aufenthaltsbeendende Maßnahmen eingeleitet.

16. Am 1. Juni 2018 stellte die Beschwerdeführerin neuerlich einen, nunmehr verfahrensgegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz.

17. Im Rahmen der niederschriftlichen Einvernahme vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl am 18. Juli 2018 gab die Beschwerdeführerin an, sie lebe in Österreich von Grundversorgung, habe keine neu aufgekommenen Fluchtgründe vorzubringen, weder für sich noch für ihre Kinder. Ihr Ehegatte habe ihr erzählt, er sei aufgrund von Blutrache in der Heimat verfolgt worden. Weiters führte die Beschwerdeführerin aus, sie habe im Herkunftsstaat als Krankenschwester zu arbeiten begonnen, sei dann aber schwanger gewesen.

18. Mit nunmehr angefochtenem Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 14. September 2018, Zl. 622195902-180510259 wurde der Antrag auf internationalen Schutz gemäß § 3 Absatz 1 AsylG 2005, BGBl. I Nr. 100/2005 idgF., bezüglich der Zuerkennung des Status der Asylberechtigten abgewiesen (Spruchpunkt I.). Weiters wurde der Antrag auf internationalen Schutz gemäß § 8 Absatz 1 iVm § 2 Absatz 1 Ziffer 13 AsylG 2005, bezüglich der Zuerkennung des Status der subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Russische Föderation abgewiesen (Spruchpunkt II.) Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG 2005 wurde nicht erteilt (Spruchpunkt III.), sondern gemäß § 10 Absatz 1 Ziffer 3 AsylG 2005 iVm § 9 BFA-VG gegen die Beschwerdeführerin eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Absatz 2 Ziffer 2 FPG erlassen (Spruchpunkt IV.) und gemäß § 52 Absatz 9 FPG festgestellt, dass die Abschiebung der Beschwerdeführerin gemäß § 46 FPG in die Russische Föderation zulässig ist (Spruchpunkt V.). Gemäß § 55 Absatz 1 bis 3 FPG wurde die Frist zur freiwilligen Rückkehr mit vierzehn Tagen ab Rechtskraft der Entscheidung festgesetzt (Spruchpunkt VI.).

19. Mit Verfahrensanordnung gemäß § 52 Absatz 2 BFA-VG vom gleichen Tag wurde der Beschwerdeführerin für das Beschwerdeverfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht der "Verein Menschenrechte Österreich, Alser Straße 20/5 (Mezzanin), 1090 Wien" als Rechtsberater amtswegig zur Seite gestellt.

20. Mit Schriftsatz vom 9. Oktober 2018 erhob die Beschwerdeführerin, vertreten durch ihre gesetzlichen Vertreter, fristgerecht Beschwerde gegen den genannten Bescheid und ficht diesen wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit infolge unrichtiger rechtlicher Beurteilung sowie Verletzung von Verfahrensvorschriften in vollem Umfang an.

21. Am 13. Februar 2020 fand zur Ermittlung des maßgeblichen Sachverhalts in Anwesenheit einer Dolmetscherin für die russische Sprache eine öffentliche mündliche Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht statt, in welcher die Beschwerdeführerin im Beisein ihres Rechtsvertreters zu ihrem Gesundheitszustand, ihrem Fluchtgrund, ihrem Leben im Heimatland sowie ihrem Familienleben in Österreich und Alltag befragt wurde. Ihr Ehegatte wurde ebenfalls einvernommen.

Das Bundesverwaltungsgericht hat zur vorliegenden Beschwerde wie folgt erwogen:

1. Feststellungen:

Auf Grundlage der Verwaltungsakte der belangten Behörde und der herangezogenen Hintergrundberichte zur aktuellen relevanten Lage in der Russischen Föderation wird seitens des Bundesverwaltungsgerichtes Folgendes festgestellt:

1.1. Die Beschwerdeführerin ist Staatsangehörige der Russischen Föderation, der Volksgruppe der Tschetschenen zugehörig, muslimischen Glaubens und lebte bis zu ihrer Ausreise in der Teilrepublik Dagestan. Die Beschwerdeführerin ist mit XXXX (Beschwerdeführer zu GZ W147 2147281-2) verheiratet, hat mit ihm die fünf gemeinsamen Kinder XXXX (Beschwerdeführerin zu GZ W147 2007995-3), XXXX (Beschwerdeführerin zu GZ W147 2008215-3), XXXX (Beschwerdeführer zu GZ W147 2147264-2), XXXX (Beschwerdeführerin zu GZ W147 2147275-2) sowie XXXX (Beschwerdeführer zu GZ W147 2207607-1) und ist in Österreich strafgerichtlich unbescholten.

Die Identität der Beschwerdeführerin steht fest.

Die Beschwerdeführerin kam nach rechtskräftigem Abschluss des Asylverfahrens ihrer Ausreiseverpflichtung nicht nach, verblieb im Bundesgebiet und stellte am 1. Juni 2018 neuerlich, nunmehr verfahrensgegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz.

Es kann nicht festgestellt werden, dass die Beschwerdeführerin ihren Herkunftsstaat aus wohlbegründeter Furcht vor Verfolgung verlassen hat oder nach einer allfälligen Rückkehr mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit asylrelevante Übergriffe zu befürchten hätte. Weiters liegen keine stichhaltigen Gründe vor, dass diese konkret Gefahr liefe, in ihrem Herkunftsstaat der Folter, einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung oder Strafe bzw. der Todesstrafe unterworfen zu werden.

Nicht festgestellt werden kann, dass die Beschwerdeführerin im Falle ihrer Rückkehr in die Russische Föderation in eine existenzgefährdende Notlage geraten würde und ihr die notdürftigste Lebensgrundlage entzogen wäre.

Die Beschwerdeführerin leidet an keiner akuten oder lebensbedrohlichen psychischen oder physischen Erkrankung, welche ein Hindernis für eine Rückführung in die Russische Föderation darstellen würde.

Die Beschwerdeführerin hat - mit Ausnahme ihres Ehegatten und den gemeinsamen Kindern, deren Beschwerden mit heutigem Tag ebenfalls als unbegründet abgewiesen wurden, einen Onkel im Bundesgebiet, mit welchem sie weder in einem gemeinsamen Haushalt lebt und zu dem auch kein Abhängigkeitsverhältnis besteht.

Trotz des knapp achtjährigen Aufenthalts im Bundesgebiet kann nicht festgestellt werden, dass eine ausgeprägte und verfestigte entscheidungserhebliche Integration der Beschwerdeführerin vorliegt. Die Beschwerdeführerin bezieht Leistungen aus der Grundversorgung und ist nicht selbsterhaltungsfähig.

Hinweise auf das Vorliegen der Tatbestandsvoraussetzungen für einen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen kamen nicht hervor.

1.2. Hinsichtlich der relevanten Situation in der Russischen Föderation wird zunächst prinzipiell auf die im Akt einliegenden und der Beschwerdeführerin in der mündlichen Beschwerdeverhandlung vorgehaltenen Länderfeststellungen verwiesen.

Zur aktuellen politischen und menschenrechtlichen Situation in der Russischen Föderation werden insbesondere folgende Feststellungen getroffen:

0. Politische Lage

Die Russische Föderation hat ca. 143 Millionen Einwohner (CIA 29.7.2019, vgl. GIZ 8.2019c). Russland ist eine Präsidialdemokratie mit föderativem Staatsaufbau. Der Präsident verfügt über weit reichende exekutive Vollmachten, insbesondere in der Außen- und Sicherheitspolitik (GIZ 8.2019a, vgl. EASO 3.2017). Er ernennt auf Vorschlag der Staatsduma den Vorsitzenden der Regierung, die stellvertretenden Vorsitzenden und die Minister und entlässt sie (GIZ 8.2019a). Wladimir Putin ist im März 2018 bei der Präsidentschaftswahl mit 76,7% im Amt bestätigt worden (Standard.at 19.3.2018, vgl. FH 4.2.2019). Die Wahlbeteiligung lag der Nachrichtenagentur TASS zufolge bei knapp 67% und erfüllte damit nicht ganz die Erwartungen der Präsidialadministration (Standard.at 19.3.2018). Putins wohl stärkster Widersacher Alexej Nawalny durfte nicht bei der Wahl kandidieren. Er war zuvor in einem von vielen als politisch motivierten Prozess verurteilt worden und rief daraufhin zum Boykott der Abstimmung auf, um die Wahlbeteiligung zu drücken (Presse.at 19.3.2018, vgl. FH 4.2.2019). Oppositionelle Politiker und die Wahlbeobachtergruppe Golos hatten mehr als 2.400 Verstöße gezählt, darunter mehrfach abgegebene Stimmen und die Behinderung von Wahlbeobachtern. Wähler waren demnach auch massiv unter Druck gesetzt worden, um an der Wahl teilzunehmen. Auch die Wahlkommission wies auf mutmaßliche Manipulationen hin (Tagesschau.de 19.3.2018, FH 1.2018). Putin kann dem Ergebnis zufolge nach 18 Jahren an der Staatsspitze weitere sechs Jahre das Land führen. Gemäß der Verfassung darf er nach dem Ende seiner sechsjährigen Amtszeit nicht erneut antreten, da es eine Beschränkung auf zwei aufeinander folgende Amtszeiten gibt (Tagesschau.de 19.3.2018, vgl. OSCE/ODIHR 18.3.2018).

Die Verfassung wurde per Referendum am 12.12.1993 mit 58,4% der Stimmen angenommen. Sie garantiert die Menschen- und Bürgerrechte. Das Prinzip der Gewaltenteilung ist zwar in der Verfassung verankert, jedoch verfügt der Präsident über eine Machtfülle, die ihn weitgehend unabhängig regieren lässt. Er ist Oberbefehlshaber der Streitkräfte, trägt die Verantwortung für die Innen- und Außenpolitik und kann die Gesetzentwürfe des Parlaments blockieren. Die Regierung ist dem Präsidenten untergeordnet, der den Premierminister mit Zustimmung der Staatsduma ernennt. Das Zweikammerparlament, bestehend aus Staatsduma und Föderationsrat, ist in seinem Einfluss stark beschränkt. Der Föderationsrat ist als "obere Parlamentskammer" das Verfassungsorgan, das die Föderationssubjekte auf föderaler Ebene vertritt. Er besteht aus 178

Abgeordneten: Jedes Föderationssubjekt entsendet je einen Vertreter aus Exekutive und Legislative in den Föderationsrat. Die Staatsduma mit 450 Sitzen wird für vier Jahre nach dem Verhältniswahlrecht auf der Basis von Parteilisten gewählt. Es gibt eine Sieben-Prozent-Klausel.

Wichtige Parteien sind: die Regierungspartei Einiges Russland (Jedinaja Rossija) mit 1,9 Millionen Mitgliedern und Gerechtes Russland (Spravedlivaja Rossija) mit 400.000 Mitgliedern; die Kommunistische Partei der Russischen Föderation (KPRF) mit 150.000 Mitgliedern , die die Nachfolgepartei der früheren KP ist; die Liberaldemokratische Partei (LDPR) mit 185.000 Mitgliedern, die populistisch und nationalistisch ausgerichtet ist; die Wachstumspartei (Partija Rosta), die sich zum Neoliberalismus bekennt; Jabloko, eine demokratisch-liberale Partei mit 55.000 Mitgliedern; die Patrioten Russlands (Patrioty Rossii), linkszentristisch, mit 85.000 Mitgliedern; die Partei der Volksfreiheit (PARNAS) und die demokratisch-liberale Partei mit 58.000 Mitgliedern (GIZ 5.2019a). Die Zusammensetzung der Staatsduma nach Parteimitgliedschaft gliedert sich wie folgt: Einiges Russland (339 Sitze), Kommunistische Partei Russlands (42 Sitze), Liberaldemokratische Partei Russlands (40 Sitze), Gerechtes Russland (23 Sitze), Vaterland-Partei (1 Sitz), Bürgerplattform (1 Sitz) (AA 14.2.2019b). Die sogenannte Systemopposition stellt die etablierten Machtverhältnisse nicht in Frage und übt nur moderate Kritik am Kreml (SWP 11.2018). Die Nicht-Systemopposition unterstützt zwar die parlamentarische Demokratie als Organisationsform der Politik, nimmt aber nicht an Wahlen teil, da ihnen die Teilnahme wegen der restriktiven Regeln oder vermeintlicher Formalfehler versagt wird (Dekoder 24.5.2016).

Russland ist eine Föderation, die aus 85 Föderationssubjekten (einschließlich der international umstrittenen Annexion der Republik Krim und der Stadt föderalen Ranges Sewastopol) mit unterschiedlichem Autonomiegrad besteht. Die Föderationssubjekte (Republiken, Autonome Gebiete, Autonome Kreise, Gebiete, Regionen und Föderale Städte) verfügen über jeweils eine eigene Legislative und Exekutive (GIZ 8.2019a, vgl. AA 14.2.2019b). Die Gouverneure der Föderationssubjekte werden auf Vorschlag der jeweils stärksten Fraktion der regionalen Parlamente vom Staatspräsidenten ernannt. Dabei wählt der Präsident aus einer Liste dreier vorgeschlagener Kandidaten den Gouverneur aus (GIZ 8.2019a).

Es wurden acht Föderationskreise (Nordwestrussland, Zentralrussland, Südrussland, Nordkaukasus, Wolga, Ural, Sibirien, Ferner Osten) geschaffen, denen jeweils ein Bevollmächtigter des Präsidenten vorsteht. Der Staatsrat der Gouverneure tagt unter Leitung des Präsidenten und gibt der Exekutive Empfehlungen zu aktuellen politischen Fragen und zu Gesetzesprojekten. Nach der Eingliederung der Republik Krim und der Stadt Sewastopol in die Russische Föderation wurde am 21.3.2014 der neunte Föderationskreis Krim gegründet. Die konsequente Rezentralisierung der Staatsverwaltung führt seit 2000 zu politischer und wirtschaftlicher Abhängigkeit der Regionen vom Zentrum. Diese Tendenzen wurden bei der Abschaffung der Direktwahl der Gouverneure in den Regionen und der erneuten Unterordnung der regionalen und kommunalen Machtorgane unter das föderale Zentrum ("exekutive Machtvertikale") deutlich (GIZ 8.2019a).

Bei den Regionalwahlen am 8.9.2019 in Russland hat die Regierungspartei Einiges Russland laut Angaben der Wahlleitung in den meisten Regionen ihre Mehrheit verteidigt. Im umkämpften Moskauer Stadtrat verlor sie allerdings viele Mandate (Zeit Online 9.9.2019). Hier stellt die Partei künftig nur noch 25 von 45 Vertretern, zuvor waren es 38. Die Kommunisten, die bisher fünf Stadträte stellten, bekommen 13 Sitze. Die liberale Jabloko-Partei bekommt vier und die linksgerichtete Partei Gerechtes Russland drei Sitze (ORF 18.9.2019). Die beiden letzten waren bisher nicht im Moskauer Stadtrat vertreten. Zuvor sind zahlreiche Oppositionskandidaten von der Wahl ausgeschlossen worden, was zu Protesten geführt hat (Zeit Online 9.9.2019), bei denen mehr als 1000 Demonstranten festgenommen wurden (Kleine Zeitung 28.7.2019). Viele von den Oppositionskandidaten haben zu einer "smarten Abstimmung" aufgerufen. Die Bürgerinnen sollten alles wählen - nur nicht die Kandidaten der Regierungspartei. Bei den für die russische Regierung besonders wichtigen Gouverneurswahlen gewannen die Kandidaten der Regierungspartei überall. Umfragen hatten der Partei wegen der Unzufriedenheit über die wirtschaftliche Lage im Land teils massive Verluste vorhergesagt (Zeit Online 9.9.2019).

Quellen:

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EASO - European Asylum Support Office (3.2017): COI-Report Russian Federation - State Actors of Protection, http://www.ecoi.net/file_upload/1226_1489999668_easocoi-russia-stateactors-of-protection.pdf, Zugriff 6.8.2019

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FH - Freedom House (4.2.2019): Jahresbericht zu politischen Rechten und bürgerlichen Freiheiten im Jahr 2018 - Russland, https://www.ecoi.net/de/dokument/2002603.html, Zugriff

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Zeit Online (9.9.2019): Russische Regierungspartei gewinnt Regionalwahlen,

https://www.zeit.de/politik/ausland/2019-09/russland-kreml-partei-sieg-regionalwahlen-moskau, Zugriff 24.9.2019

0.1. Dagestan

Dagestan ist mit ungefähr drei Millionen Einwohnern die größte kaukasische Teilrepublik und wegen seiner Lage am Kaspischen Meer für Russland strategisch wichtig. Dagestan ist das ethnisch vielfältigste Gebiet des Kaukasus (ACCORD 19.6.2019, vgl. IOM 6.2014). Dagestan ist hinsichtlich persönlicher Freiheiten besser gestellt als Tschetschenien, bleibt allerdings eine der ärmsten Regionen Russlands, in der die Sicherheitslage zwar angespannt ist, sich in jüngerer Zeit aber verbessert hat (AA 13.2.2019). Gründe für den Rückgang der Gewalt sind die konsequente Politik der Repression radikaler Elemente und das rigide Vorgehen der Sicherheitskräfte, aber auch die Abwanderung islamistischer Kämpfer in die Kampfgebiete in Syrien und in den Irak (ÖB Moskau 12.2018).

Was das politische Klima betrifft, gilt die Republik Dagestan im Vergleich zu Tschetschenien noch als relativ liberal. Die Zivilgesellschaft ist hier stärker vertreten als in Tschetschenien (SWP 4.2015) und wird nicht ganz so ausgeprägt kontrolliert wie in Tschetschenien (AA 13.2.2019). Ebenso existiert - anders als in der Nachbarrepublik - zumindest eine begrenzte Pressefreiheit. Die ethnische Diversität stützt ein gewisses Maß an politischem Pluralismus und steht autokratischen Herrschaftsverhältnissen entgegen (SWP 4.2015). Die Bewohner Dagestans sind hinsichtlich persönlicher Freiheit besser gestellt, und auch die Menschenrechtslage ist grundsätzlich besser als im benachbarten Tschetschenien (AA 13.2.2019), obwohl auch in Dagestan mit der Bekämpfung des islamistischen Untergrunds zahlreiche Menschenrechtsverletzungen durch lokale und föderale Sicherheitsbehörden einhergehen (AA 13.2.2019, vgl. SWP 4.2015). Im Herbst 2017 setzte Präsident Putin ein neues Republiksoberhaupt ein. Mit dem Fraktionsvorsitzenden der Staatspartei Einiges Russland in der Staatsduma und ehemaligen hohen Polizeifunktionär Wladimir Wassiljew wurde das zuvor behutsam gepflegte Gleichgewicht der Ethnien ausgehebelt. Der Kreml hatte länger schon damit begonnen, ortsfremde Funktionäre in die Regionen zu entsenden. Im Nordkaukasus hatte er davon Abstand genommen. Wassiljew ist ein altgedienter Funktionär und einer, der durch den Zugriff Moskaus auf Dagestan - und nicht in Abgrenzung von der Zentralmacht - Ordnung, Sicherheit und wirtschaftliche Prosperität herstellen soll. Er gilt als Gegenmodell zu Kadyrows ungestümer Selbstherrlichkeit. Mit Wassiljew tritt jemand mit wirklich direktem Draht zur Zentralmacht im Nordkaukasus auf. Das könnte ihn, zumindest für einige Zeit, zum starken Mann in der ganzen Region machen (NZZ 12.2.2018).

Anfang 2018 wurden in der Hauptstadt Dagestans, Machatschkala, der damalige Regierungschef [Abdussamad Gamidow], zwei seiner Stellvertreter und ein kurz vorher abgesetzter Minister von föderalen Kräften verhaftet und nach Moskau gebracht. Ihnen wird vorgeworfen, sie hätten eine organisierte kriminelle Gruppierung gebildet, um die wirtschaftlich abgeschlagene und am stärksten von allen russischen Regionen am Tropf des Zentralstaats hängende NordkaukasusRepublik auszubeuten. Kurz vorher waren bereits der Bürgermeister von Machatschkala und der Stadtarchitekt festgenommen worden (NZZ 12.2.2018, vgl. Standard.at 5.2.2018).

Quellen:

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AA - Auswärtiges Amt (13.2.2019): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Russischen Föderation, https://www.ecoi.net/en/file/local/1458482/4598_1551701623_auswaertiges-amt-bericht-ueberdie-asyl-und-abschiebungsrelevante-lage-in-der-russischen-foederation-stand-dezember-201813-02-2019.pdf, Zugriff 6.8.2019

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ACCORD (19.6.2019): Themendossier Sicherheitslage in Dagestan & Zeitachse von Angriffen,

https://www.ecoi.net/de/laender/russische-foederation/themendossiers/sicherheitslage-indagestan-zeitachse-von-angriffen/, Zugriff 6.8.2019

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Dekoder (24.5.2016): Nicht-System-Opposition, https://www.dekoder.org/de/gnose/nichtsystem-opposition, Zugriff 23.9.2019

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IOM - International Organisation of Migration (6.2014):

Länderinformationsblatt Russische Föderation NZZ - Neue Zürcher Zeitung (12.2.2018): Durchgreifen in Dagestan: Moskau räumt im Nordkaukasus auf,

https://www.nzz.ch/international/moskau-raeumt-im-nordkaukasus-aufld.1356351, Zugriff 6.8.2019

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ÖB Moskau (12.2018): Asylländerbericht Russische Föderation, https://www.ecoi.net/en/file/local/2001768/RUSS_%C3%96B_Bericht_2018_12.pdf, Zugriff 6.8.2019

-

Standard.at (5.2.2018): Regierungsspitze in russischer Teilrepublik Dagestan festgenommen, https://www.derstandard.at/story/2000073692298/regierungsspitze-in-russischer-teilrepublikdagestan-festgenommen, Zugriff 6.8.2019

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SWP - Stiftung Wissenschaft und Politik (4.2015): Dagestan:

Russlands schwierigste Teilrepublik, http://www.swp-berlin.org/fileadmin/contents/products/studien/2015_S08_hlb_isaeva.pdf, Zugriff 6.8.2019

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SWP - Stiftung Wissenschaft und Politik (11.2018): Erfolg der russischen Systemopposition bei den Regionalwahlen, https://www.swp-berlin.org/publikation/russland-wahlerfolg-dersystemopposition/, Zugriff 23.9.2019

1. Sicherheitslage

Wie verschiedene Anschläge mit zahlreichen Todesopfern in den letzten Jahren gezeigt haben, kann es in Russland, auch außerhalb der Kaukasus-Region, zu Anschlägen kommen. Todesopfer forderte zuletzt ein Terroranschlag in der Metro von St. Petersburg im April 2017. Die russischen Behörden halten ihre Warnung vor Anschlägen aufrecht und rufen weiterhin zu besonderer Vorsicht auf (AA 3.9.2019a, vgl. BMeiA 3.9.2019, GIZ 8.2019d). Trotz verschärfter Sicherheitsmaßnahmen kann das Risiko von Terrorakten nicht ausgeschlossen werden. Die russischen Sicherheitsbehörden weisen vor allem auf eine erhöhte Gefährdung durch Anschläge gegen öffentliche Einrichtungen und größere Menschenansammlungen hin (Untergrundbahn, Bahnhöfe und Züge, Flughäfen etc.) (EDA 3.9.2019).

Russland tritt als Protagonist internationaler Terrorismusbekämpfung auf und begründet damit seinen Militäreinsatz in Syrien. Vom Beginn des zweiten Tschetschenienkriegs 1999 bis ins Jahr 2013 sah es sich mit 75 größeren Terroranschlägen auf seinem Staatsgebiet konfrontiert, die Hunderten Zivilisten das Leben kosteten. Verantwortlich dafür war eine über Tschetschenien hinausgehende Aufstandsbewegung im Nordkaukasus. Die gewaltsamen Zwischenfälle am Südrand der Russischen Föderation gingen 2014 um 46% und 2015 um weitere 51% zurück. Auch im Global Terrorism Index, der die Einwirkung des Terrorismus je nach Land misst, spiegelt sich diese Entwicklung wider. Demnach stand Russland 2011 noch an neunter Stelle hinter mittelöstlichen, afrikanischen und südasiatischen Staaten, weit vor jedem westlichen Land. Im Jahr 2016 rangierte es dagegen nur noch auf Platz 30 hinter Frankreich (Platz 29), aber vor Großbritannien (Platz 34) und den USA (Platz 36). Nach der Militärintervention in Syrien Ende September 2015 erklärte der sogenannte Islamische Staat (IS) Russland den Dschihad und übernahm die Verantwortung für den Abschuss eines russischen Passagierflugzeugs über dem Sinai mit 224 Todesopfern. Seitdem ist der Kampf gegen die Terrormiliz zu einer Parole russischer Außen- und Sicherheitspolitik geworden, auch wenn der russische Militäreinsatz in Syrien gewiss nicht nur von diesem Ziel bestimmt ist, sondern die Großmachtrolle Russlands im Mittleren Osten stärken soll. Moskau appelliert beim Thema Terrorbekämpfung an die internationale Kooperation (SWP 4.2017).

Eine weitere Tätergruppe rückt in Russland ins Zentrum der Medienaufmerksamkeit, nämlich Islamisten aus Zentralasien. Die Zahl der Zentralasiaten, die beim sog. IS kämpfen, wird auf einige tausend geschätzt (Deutschlandfunk 28.6.2017).

Quellen:

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AA - Auswärtiges Amt (3.9.2019a): Russische Föderation: Reise- und Sicherheitshinweise,

https://www.auswaertiges-amt.de/de/russischefoederationsicherheit/201536#content_0, Zugriff 3.9.2019

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BmeiA (3.9.2019): Reiseinformation Russische Föderation, https://www.bmeia.gv.at/reiseaufenthalt/reiseinformation/land/russische-foederation/, Zugriff 3.9.2019

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Deutschlandfunk (28.6.2017): Anti-Terrorkampf in Dagestan. Russische Methoden,

https://www.deutschlandfunk.de/anti-terrorkampf-in-dagestan-russischemethoden.724.de.html?dram:article_id=389824, Zugriff 29.8.2018

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EDA - Eidgenössisches Departement für auswärtige Angelegenheiten (3.9.2019): Reisehinweise für Russland, https://www.eda.admin.ch/eda/de/home/vertretungen-undreisehinweise/russland/reisehinweise-fuerrussland.html, Zugriff 3.9.2019

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GIZ - Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit GmbH (8.2019d): Russland, Alltag,

https://www.liportal.de/russland/alltag/#c18170, Zugriff 3.9.2019

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SWP - Stiftung Wissenschaft und Politik (4.2017): Russland und der Nordkaukasus im Umfeld des globalen Jihadismus, https://www.swp-berlin.org/fileadmin/contents/products/aktuell/2017A23_hlb.pdf, Zugriff 3.9.2019

1.1. Nordkaukasus

Die Menschenrechtsorganisation Memorial beschreibt in ihrem Bericht über den Nordkaukasus vom Sommer 2016 eindrücklich, dass die Sicherheitslage für gewöhnliche Bürger zwar stabil ist, Aufständische einerseits und Kritiker der bestehenden Systeme sowie Meinungs- und Menschenrechtsaktivisten andererseits weiterhin repressiven Maßnahmen und Gewalt bis hin zum Tod ausgesetzt sind (AA 13.2.2019). In internationalen sicherheitspolitischen Quellen wird die Lage im Nordkaukasus mit dem Begriff "low level insurgency" umschrieben (SWP 4.2017).

Das Kaukasus-Emirat, das seit 2007 den islamistischen Untergrundkampf im Nordkaukasus koordiniert, ist seit Ende 2014 durch das Überlaufen einiger Feldkommandeure zum sog. IS von Spaltungstendenzen erschüttert und geschwächt. Der IS verstärkte 2015 seine russischsprachige Propaganda in Internet-Foren wie Furat Media, ohne dass die Behörden laut Nowaja Gazeta diesem Treiben große Aufmerksamkeit widmeten. Am 23. Juni 2015 rief der IS-Sprecher Muhammad al-Adnani ein ‚Wilajat Kavkaz', eine ‚Provinz Kaukasus', als Teil des IS-Kalifats aus. Es war ein propagandistischer Akt, der nicht bedeutet, dass der IS in dieser Region militärisch präsent ist oder sie gar kontrolliert, der aber den zunehmenden Einfluss dieser Terrormiliz auf die islamistische Szene im Nordkaukasus symbolisiert. Zuvor hatten mehr und mehr ideologische und militärische Führer des Kaukasus-Emirats dem ‚Kalifen' Abu Bakr al-Baghdadi die Treue geschworen und sich von al-Qaida abgewandt. Damit bestätigte sich im islamistischen Untergrund im Nordkaukasus ein Trend, dem zuvor schon Dschihad-Netzwerke in Nordafrika, Jemen, Pakistan und Afghanistan gefolgt waren (SWP 10.2015). Das rigide Vorgehen der Sicherheitskräfte, aber auch die Abwanderung islamistischer Kämpfer in die Kampfgebiete in Syrien und in den Irak, haben dazu geführt, dass die Gewalt im Nordkaukasus in den vergangenen Jahren deutlich zurückgegangen ist. Innerhalb der extremistischen Gruppierungen verschoben sich in den vergangenen Jahren die Sympathien zur regionalen Zweigstelle des sog. IS, die mittlerweile das Kaukasus-Emirat praktisch vollständig verdrängt hat. Dabei sorgt nicht nur Propaganda und Rekrutierung des sog. IS im Nordkaukasus für Besorgnis der Sicherheitskräfte. So wurden Mitte Dezember 2017 im Nordkaukasus mehrere Kämpfer getötet, die laut Angaben des Anti Terrorismuskomitees dem sog. IS zuzurechnen waren (ÖB Moskau 12.2018). Offiziell kämpfen bis zu 800 erwachsene Tschetschenen für die Terrormiliz IS. Die Dunkelziffer dürfte höher sein (DW 25.1.2018). 2018 erzielten die Strafverfolgungsbehörden maßgebliche Erfolge, die Anzahl terroristisch motivierter Verbrechen wurde mehr als halbiert. Sechs Terroranschläge wurden verhindert und insgesamt 50 Terroristen getötet. In den vergangenen Jahren hat sich die Hauptkonfliktzone von Tschetschenien in die Nachbarrepublik Dagestan verlagert, die nunmehr als gewaltreichste Republik im Nordkaukasus gilt, mit der vergleichsweise höchsten Anzahl an extremistischen Kämpfern. Die Art des Aufstands hat sich jedoch geändert: aus großen kampferprobten Gruppierungen wurden kleinere, im Verborgenen agierende Gruppen (ÖB Moskau 12.2018).

Ein Risikomoment für die Stabilität in der Region ist die Verbreitung des radikalen Islamismus.

Während in den Republiken Inguschetien und Kabardino-Balkarien auf einen Dialog innerhalb der muslimischen Gemeinschaft gesetzt wird, verfolgen die Republiken Tschetschenien und Dagestan eine konsequente Politik der Repression radikaler Elemente (ÖB Moskau 12.2018).

Im Jahr 2018 sank die Gesamtzahl der Opfer des bewaffneten Konflikts im Nordkaukasus gegenüber 2017 um 38,3%, und zwar von 175 auf 108 Personen. Von allen Regionen des Föderationskreis Nordkaukasus hatte Dagestan im vergangenen Jahr die größte Zahl der Toten und Verwundeten zu verzeichnen; Tschetschenien belegte den zweiten Platz. Im gesamten Nordkaukasus sind von Jänner bis Juni 2019 min

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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