TE Vwgh Beschluss 2020/3/28 Ra 2019/18/0479

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Veröffentlicht am 28.03.2020
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Index

10/07 Verwaltungsgerichtshof
20/01 Allgemeines bürgerliches Gesetzbuch (ABGB)

Norm

ABGB §1332
VwGG §24 Abs1
VwGG §26 Abs1
VwGG §46 Abs1

Beachte

Miterledigung (miterledigt bzw zur gemeinsamen Entscheidung verbunden):Ra 2019/18/0480Ra 2019/18/0481Ra 2019/18/0482Ra 2019/18/0483

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Vizepräsidentin Dr.in Sporrer sowie den Hofrat Mag. Nedwed und die Hofrätin MMag. Ginthör als Richterinnen und Richter, unter Mitwirkung des Schriftführers Mag. Wuketich, in der Revisionssache von 1. W J, 2. T A, 3. R F, 4. R J, und 5. L J alle vertreten durch Dr. Christian Pötzl, Rechtsanwalt in 4020 Linz, Garnisonstraße 17, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 14. Oktober 2019, I422 2207458- 1/10E, I422 2207443-1/9E, I422 2207447-1/9E, I422 2207454-1/9E, I422 2207452-1/9E, betreffend Asylangelegenheiten (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl), den Beschluss gefasst:

Spruch

1. Der Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wird abgewiesen.

2. Die Revision wird zurückgewiesen.

Begründung

1 Die revisionswerbenden Parteien sind irakische Staatsangehörige und Mitglieder einer Familie. Sie stellten am 10. Oktober 2015 Anträge auf internationalen Schutz, die mit dem angefochtenen Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts (BVwG) - in Bestätigung eines entsprechenden Bescheides des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 29. August 2018 - zur Gänze abgewiesen wurden. Das BVwG erteilte den revisionswerbenden Parteien auch keine Aufenthaltstitel gemäß § 57 Asylgesetz 2005, erließ gegen sie Rückkehrentscheidungen, stellte fest, dass ihre Abschiebung in den Irak zulässig sei, und legte eine Frist für die freiwillige Ausreise fest. Die Revision erklärte das BVwG für nicht zulässig. 2 Zur Erhebung einer außerordentlichen Revision gegen dieses Erkenntnis brachten die revisionswerbenden Parteien fristgerecht Anträge auf Bewilligung der Verfahrenshilfe (einschließlich der Beigebung eines Verfahrenshelfers) ein, denen mit hg. Beschluss vom 5. Dezember 2019 stattgegeben wurde. Der Bestellungsbescheid der Oberösterreichischen Rechtsanwaltskammer vom 17. Dezember 2019, VH19/2867, wurde dem Verfahrenshelfer am 19. Dezember 2019 zugestellt. Die sechswöchige Revisionsfrist gemäß § 26 Abs. 1 VwGG endete daher mit Ablauf des 30. Jänner 2020.

3 Am 30. Jänner 2020 brachte der Verfahrenshelfer per ERV eine außerordentliche Revision beim Verwaltungsgerichtshof ein, die am 6. Februar 2020 an das BVwG als der zuständigen Einbringungsstelle gemäß § 24 Abs. 1 VwGG weitergeleitet wurde und dort am selben Tag einlangte. Im Folgenden wurde die Revision dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung vorgelegt.

4 Mit verfahrensleitender Anordnung vom 17. Februar 2020 hielt der Verwaltungsgerichtshof den revisionswerbenden Parteien die Verspätung ihres Rechtsmittels vor. In Reaktion darauf beantragten die revisionswerbenden Parteien, vertreten durch den Verfahrenshelfer, die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Revisionsfrist.

5 Zur Begründung dieses Antrags wird vorgebracht, dass eine Sekretärin der Rechtsanwaltskanzlei die erste Seite des Revisionsschriftsatzes vorbereitet und dabei versehentlich den Verwaltungsgerichtshof als Adressaten der außerordentlichen Revision angeführt habe. Den Inhalt der Revisionsschrift habe der Verfahrenshelfer einer weiteren Sekretärin, bei der es sich um eine äußerst verlässliche Angestellte handle, die bereits wiederholt Revisionen an den Verwaltungsgerichtshof behandelt und richtigerweise das Verwaltungsgericht als Adressaten angeführt habe, diktiert. Diese Sekretärin habe das unrichtig adressierte Rubrum übernommen. Auch dem Verfahrenshelfer selbst sei die unrichtige Adressierung nicht aufgefallen, weil er sich mit dem Inhalt der Revisionsschrift auseinandergesetzt habe und die falsche Adressierung bei Unterfertigung der ersten Seite des Revisionsschriftsatzes übersehen habe.

6 1. Zum Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand:

Gemäß § 46 Abs. 1 VwGG ist einer Partei, wenn sie durch ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis eine Frist versäumt und dadurch einen Rechtsnachteil erlitten hat, auf Antrag die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu bewilligen. Dass der Partei ein Verschulden an der Versäumung zur Last liegt, hindert die Bewilligung der Wiedereinsetzung nicht, wenn es sich nur um einen minderen Grad des Versehens handelt.

7 Ein Verschulden des Bevollmächtigten ist dem Verschulden einer Partei selbst gleichzuhalten. Hingegen trifft das Verschulden eines Kanzleibediensteten des Parteienvertreters nicht schlechthin die Partei. Allerdings vermag ein Versehen eines Kanzleibediensteten für einen Rechtsanwalt und damit für die von ihm vertretene Partei nur dann ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis darzustellen, wenn der Rechtsanwalt der ihm zumutbaren und nach der Sachlage gebotenen Überwachungspflicht gegenüber dem Kanzleiangestellten nachgekommen ist. 8 Im vorliegenden Fall geht es nicht um die Frage, ob rein manipulative Tätigkeiten von einer Kanzleikraft richtig durchgeführt bzw. vom Verfahrenshelfer ausreichend überwacht wurden. Die Ursache für die Versäumung der Revisionsfrist war vielmehr eine unrichtige Festlegung der gesetzlich vorgesehenen Einbringungsstelle für die außerordentliche Revision, die in den juristischen Aufgabenbereich des Verfahrenshelfers selbst fällt. Dem Verfahrenshelfer ist im Hinblick auf den in seinen Verantwortungsbereich fallenden Fehler ein eigenes Verschulden an der Verspätung der eingebrachten Revision anzulasten. An dieser Verantwortlichkeit ändert der Verweis auf das Zuarbeiten durch die Sekretärin der Kanzlei nichts (vgl. zum Ganzen etwa VwGH 5.11.2014, Ra 2014/18/0006, mwN).

9 Dass es sich bei seinem Fehler bloß um einen minderen Grad des Versehens gehandelt hätte, legt der Verfahrenshelfer mit seiner Erklärung, er habe sich nur um den Inhalt der Revision gekümmert, nicht dar, weil zu seinem Aufgabenbereich auch, wie erwähnt, die Festlegung der richtigen Einbringungsstelle für das Rechtsmittel gehörte.

10 Der Wiedereinsetzungsantrag in den vorigen Stand war daher

gemäß § 46 Abs. 1 VwGG abzuweisen.

11 2. Zur Rechtzeitigkeit der Revision:

Wird ein fristgebundenes Anbringen bei einer unzuständigen Stelle eingebracht, so erfolgt eine Weiterleitung auf Gefahr des Einschreiters. Die für die Erhebung der Revision geltende Frist ist nur dann gewahrt, wenn die Revision noch innerhalb der Frist einem Zustelldienst zur Beförderung an die zuständige Stelle übergeben wird oder bei dieser einlangt. Im vorliegenden Fall konnte die Weiterleitung der fälschlich beim Verwaltungsgerichtshof eingebrachten Revision erst am 6. Februar 2020 bewerkstelligt werden und langte dort an diesem Tag ein. Zu diesem Zeitpunkt war die Revisionsfrist bereits abgelaufen.

Die Revision wurde daher verspätet eingebracht und war gemäß § 34 Abs. 1 VwGG wegen Versäumung der Einbringungsfrist zurückzuweisen.

Wien, am 28. März 2020

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2020:RA2019180479.L00

Im RIS seit

16.06.2020

Zuletzt aktualisiert am

16.06.2020
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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