TE Lvwg Erkenntnis 2020/4/3 VGW-141/023/4069/2020

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Veröffentlicht am 03.04.2020
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Entscheidungsdatum

03.04.2020

Index

L92009 Sozialhilfe Grundsicherung Mindestsicherung Wien

Norm

WMG §4 Abs1
WMG §6
WMG §10 Abs1
WMG §10 Abs4
WMG §16 Abs1

Text

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Verwaltungsgericht Wien hat durch seinen Richter Mag. Fischer über die Beschwerde der Frau A. B., Wien, C.-straße, gegen den Bescheid des Magistrates der Stadt Wien, Magistratsabteilung 40 - Sozialzentrum D., vom 10.02.2020, Zahl MA 40 - Sozialzentrum D. - SH/..., mit welchem der Antrag vom 26.11.2019 auf Zuerkennung einer Leistung zur Deckung des Lebensunterhalts und Wohnbedarfs (Grundbetrag zur Deckung des Wohnbedarfs und Mietbeihilfe) gemäß §§ 4, 7, 9, 10, 12 und 16 des Wiener Mindestsicherungsgesetzes (WMG) idgF abgewiesen wurde,

zu Recht e r k a n n t:

I. Gemäß § 28 Abs. 1 wird der Beschwerde Folge gegeben und der angefochtene Bescheid behoben.

II. Gegen dieses Erkenntnis ist gemäß § 25a VwGG eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 B-VG unzulässig.

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e

Mit Bescheid des Magistrates der Stadt Wien, Magistratsabteilung 40, Soziales, Sozial- und Gesundheitsrecht vom 10. Februar 2020 wurde der Antrag der nunmehrigen Beschwerdeführerin auf Zuerkennung einer Leistung zur Deckung des Lebensunterhalts und Wohnbedarfs sowie Mietbeihilfe zur Zahl MA 40 – Sozialzentrum E. - SH/... aus den Rücksichten des § 16 des Wiener Mindestsicherungsgesetzes abgewiesen.

Begründend führte die Behörde zusammengefasst aus, die nunmehrige Beschwerdeführerin sei auf Grund ihres Antrages mit Schreiben vom 12. Dezember 2019 unter Hinweis auf die Rechtsfolgen des § 16 des Wiener Mindestsicherungsgesetzes aufgefordert worden, der Behörde bis spätestens 02. Februar 2020 für die Beurteilung ihres Anspruches unerlässliche Unterlagen beizubringen bzw. Angaben zu machen. Sie habe jedoch ihren Scheidungsvergleich sowie einen Nachweis über die Höhe des Unterhaltes für sie von ihrem geschiedenen Gatten nicht fristgerecht vorgelegt. Da die Behörde aus diesem Grunde außer Stande gesetzt gewesen sei, die für die Bemessung der Leistung rechtserheblichen Tatsachen festzustellen, seien diese Unterlagen somit als unerlässlich im Sinne des § 16 des Wiener Mindestsicherungsgesetzes zu qualifizieren und wäre der verfahrenseinleitende Antrag daher abzuweisen gewesen.

In der dagegen rechtzeitig eingebrachten Beschwerde führte die nunmehrige Rechtsmittelwerberin auszugsweise Nachstehendes aus:

„Ich habe eine Aufforderung vom 12.12.2019 erhalten. Ich wurde mit der Frist bis 02.02.2020 aufgefordert sämtliche Unterlagen bei der Behörde einzubringen (siehe Beilage Aufforderung vom 12.12.2019 ). Ich habe gemeinsam mit Herrn F. G. – einem Berater von Beratungszentrum für Migranten und Migrantinnen diese Aufforderung vorbereitet. Alle Unterlagen wurden sorgsam gesammelt, kopiert und eingescannt. Zusätzlich haben wir einen Begleitschreiben verfasst.

Ich habe alle von mir verlangten Unterlagen rechtzeitig elektronisch erbracht (auch die oben genannte) – Beweis: siehe Beilage – Email-Ausdruck vom 28.01.2020 Beratungszentrum.

Die beiden Unterlagen die ich angeblich nicht erbracht habe, sollen auch beweisen, dass ich meiner Pflicht nicht verletzt habe (siehe Beschluss – Scheidung vom …2015).

Ich bin eine polnische Staatsbürgerin. Ich bin eine alleinerziehende Mutter. Mein älterer Sohn aus meiner geschiedenen Ehe besucht die Schule. Ich habe meinen jüngeren Sohn aus einer unehelichen Beziehung. Ich habe einen Antrag auf Kinderbetreuungsgeld bei der WGKK (ÖGKK) gestellt, bis jetzt kann ich diese Leistung nicht bekommen. Die Begründung dafür ist, dass Kindesvater in Polen beschäftigt ist und dass die polnischen Behörden einen Vorrang für Auszahlung von familiären Leistungen hätten. Ich bin damit nicht einverstanden, weil ich ihn nicht zwingen kann, dass er einen Antrag stellt. Daher bin ich schon seit einigen Monaten gemeinsam mit meinen Kindern nicht krankenversichert. Meine Lebenssituation ist der Behörde bekannt, ich habe gar nichts verschwiegen. Ich war stets bereit mit der Behörde zu kooperieren. Ich habe keine Mitwirkungspflicht verletzt.

Bis ich eine Arbeit finde, bin ich auf die Unterstützung seitens der MA40 angewiesen, die Ablehnung meines Antrages stellt für mich und meine Kinder eine soziale Härte dar.

Aus diesen oben genannten Gründen stelle ich den Antrag den angefochtenen Bescheid zu beheben und mir die beantragte Leistung zur Deckung des Lebensunterhalts und Wohnbedarfs zuzuerkannen.“

Die Durchführung einer mündlichen Verhandlung wurde trotz ausdrücklichem Hinweis auf das Erfordernis der Beantragung einer mündlichen Verhandlung in der Rechtsmittelbelehrung des angefochtenen Bescheides weder durch die Beschwerdeführerin noch durch die belangte Behörde beantragt. Da sich der entscheidungsrelevante Sachverhalt weiters vollumfänglich der Aktenlage entnehmen lässt, konnte die Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung entfallen und die Entscheidung ohne Durchführung einer solchen Verhandlung ergehen.

Es ergibt sich folgender entscheidungsrelevanter Sachverhalt, der als erwiesen angenommen wird:

Die am ... 1985 geborene Beschwerdeführerin bildet mit dem mj. H. I. und dem mj. J. B., alle sind polnische Staatsangehörige, eine Bedarfsgemeinschaft nach dem Wiener Mindestsicherungsgesetz und beantragte mit Eingabe vom 21. November 2019, bei der Behörde am 26. November 2019 eingelangt, die Zuerkennung von Leistungen zur Deckung des Lebensunterhaltes und des Wohnbedarfes nach dem Wiener Mindestsicherungsgesetz.

Mit Schreiben vom 12. Dezember 2019 wurde die Beschwerdeführerin durch die belangte Behörde aufgefordert, die Geburtsurkunden ihrer Söhne, ihren Scheidungsvergleich und Scheidungsbeschluss, einen allfällig vorhandenen Bescheid über den Bezug von Kinderbetreuungsgeld, Nachweise über die Höhe der Alimente für ihre Söhne vom Kindesvater, Nachweise über die Höhe des Unterhaltes für die Beschwerdeführerin von ihrem geschiedenen Gatten, einen Lohnsteuerausgleichsbescheid für das Jahr 2018 bzw. den Nachweis der Beantragung sowie eine Schulbesuchsbestätigung ihres Sohnes H. I. bis spätestens 02. Februar 2020 vorzulegen. In diesem Schreiben wurde ausdrücklich auf die Mitwirkungspflicht der Beschwerdeführerin bei der Durchführung des Ermittlungsverfahrens hingewiesen und wurde sie außerdem darauf aufmerksam gemacht, dass nach fruchtlosem Verstreichen der gesetzten Frist die Leistung nach § 16 des Wiener Mindestsicherungsgesetzes abgelehnt werden würde. Auch auf das Unterbleiben einer Nachzahlung für die Zeit der Einstellung oder Abweisung wurde hingewiesen.

Am 28. Jänner 2020 langten bei der belangten Behörde ein Schreiben der Österreichischen Gesundheitskasse vom 17. Jänner 2020 betreffend den Antrag auf Kinderbetreuungsgeld, eine Schulbesuchsbestätigung der L. betreffend H. I., der Einkommenssteuerbescheid der Beschwerdeführerin für das Jahr 2018, die geforderten Geburtsurkunden und ein beglaubigt übersetzter Beschluss des Kreisgerichtes M. betreffend die Scheidung der Einschreiterin vom Kindesvater des H. I. vom … 2015 ein. Ebenso wurde mit dieser Urkundenvorlage ein Schreiben übermittelt, mit welchem die Einschreiterin nebst weiteren Darlegungen ausführte, sie beziehe laut dem vorgelegten Scheidungsvergleich kein Einkommen von ihrem geschiedenen Gatten, auch bezahle der Vater ihres jüngsten Kindes keine Alimente und gebe es auch keine schriftliche Abmachung. Sie bekomme für das Kind „je nach Bedarf“ EUR 200,-- monatlich.

In der Folge erließ die belangte Behörde den nunmehr angefochtenen Bescheid.

Zu diesen Feststellungen gelangte das Gericht auf Grund nachstehender Beweiswürdigung:

Die getätigten Feststellungen ergeben sich aus dem insoweit unbedenklichen und unbestrittenen Akteninhalt.

Rechtlich folgt daraus:

Gemäß § 4 Abs. 1 des Gesetzes über die Bedarfsorientierte Mindestsicherung in Wien (Wiener Mindestsicherungsgesetz) hat Anspruch auf Leistungen aus der bedarfsorientierten Mindestsicherung, wer

1. zum anspruchsberechtigten Personenkreis (§ 5 Abs. 1 und 2) gehört,

2. seinen Lebensmittelpunkt in Wien hat, sich tatsächlich in Wien aufhält und seinen Lebensunterhalt in Wien bestreiten muss,

3. die in § 3 definierten Bedarfe nicht durch den Einsatz seiner Arbeitskraft, mit eigenen Mitteln oder durch Leistungen Dritter abdecken kann,

4. einen Antrag stellt und am Verfahren und während des Bezuges von Leistungen der Bedarfsorientierten Mindestsicherung entsprechend mitwirkt.

Gemäß § 6 des Wiener Mindestsicherungsgesetzes haben Hilfe suchende oder empfangende Personen nach Maßgabe der gesetzlichen Bestimmungen

1. zur Abwendung und Beseitigung der Notlage ihre Arbeitskraft einzusetzen,

2. an arbeitsintegrativen Maßnahmen teilzunehmen,

3. eigene Mittel vorsorglich und zweckmäßig einzusetzen,

4. Ansprüche, die der Deckung der Bedarfe nach diesem Gesetz dienen, nachhaltig zu verfolgen, soweit dies nicht offensichtlich aussichtslos, unzumutbar oder mit unverhältnismäßigem Kostenrisiko verbunden ist,

5. zuerkannte Leistungen zweckentsprechend, das heißt zur Abdeckung der Bedarfe für die sie zuerkannt wurden, zu verwenden und

6. ihre Mitwirkungspflichten im Verfahren und während des Bezuges von Leistungen zu erfüllen.

Gemäß § 10 Abs. 1 des Wiener Mindestsicherungsgesetzes ist auf den Mindeststandard das Einkommen der Person, für die der jeweilige Mindeststandard gilt, anzurechnen.

Gemäß § 10 Abs. 4 des Wiener Mindestsicherungsgesetzes sind gesetzliche oder vertragliche und der Höhe nach bestimmte Ansprüche der Hilfe suchenden Person auf Leistungen, die der zumindest teilweisen Deckung der Bedarfe nach § 3 dienen, auch dann anzurechnen, wenn die Hilfe suchende Person diese nicht nachhaltig, auch behördlich (gerichtlich) verfolgt, sofern die Geltendmachung weder offenbar aussichtslos noch unzumutbar ist. Dies ist von der unterhaltsberechtigten Person oder ihrer gesetzlichen Vertretung glaubhaft zu machen.

Gemäß § 16 Abs. 1 des Wiener Mindestsicherungsgesetzes ist, wenn eine Hilfe suchende oder empfangende Person trotz Aufforderung unter Setzung einer angemessenen Frist und nachweislichem Hinweis auf die Rechtsfolgen ohne triftigen Grund nicht rechtzeitig mitwirkt, indem sie

1. die zur Durchführung des Verfahrens von der Behörde verlangten Angaben nicht macht oder

2. die von der Behörde verlangten Unterlagen nicht vorlegt oder

3. soweit nicht für die Anrechnung die statistisch errechneten Durchschnittsbedarfssätze herangezogen werden können, gesetzliche oder vertragliche Ansprüche, die der zumindest teilweisen Deckung der Bedarfe nach § 3 dienen, nicht nachhaltig, auch behördlich (gerichtlich), verfolgt, wobei eine offenbar aussichtslose, unzumutbare oder mit unverhältnismäßigem Kostenrisiko verbundene Geltendmachung von Ansprüchen nicht verlangt werden kann,

die Leistung einzustellen oder abzulehnen. Eine Nachzahlung für die Zeit der Einstellung oder Ablehnung unterbleibt. Ein triftiger Verhinderungsgrund ist von der Hilfe suchenden oder empfangenden Person glaubhaft zu machen und entsprechend zu bescheinigen.

Leistungen aus der Wiener Mindestsicherung sind u.a. dann abzulehnen oder einzustellen, wenn die Hilfe suchende Person unter Setzung einer angemessenen Frist und nachweislichem Hinweis auf die Rechtsfolgen ohne triftigen Grund nicht rechtzeitig mitwirkt, indem sie die von der Behörde verlangten Unterlagen nicht vorlegt. Die Beschwerdeführerin wurde mit Schreiben vom 12. Dezember 2019 durch die belangte Behörde aufgefordert, die Geburtsurkunden ihrer Söhne, ihren Scheidungsvergleich und Scheidungsbeschluss, einen allfällig vorhandenen Bescheid über den Bezug von Kinderbetreuungsgeld, Nachweise über die Höhe der Alimente für ihre Söhne vom Kindesvater, Nachweise über die Höhe des Unterhaltes für die Beschwerdeführerin von ihrem geschiedenen Gatten, einen Lohnsteuerausgleichsbescheid für das Jahr 2018 bzw. den Nachweis der Beantragung sowie eine Schulbesuchsbestätigung ihres Sohnes H. I. bis spätestens 02. Februar 2020 vorzulegen.

Daraufhin legte die Beschwerdeführerin mit Eingabe vom 28. Jänner 2020 ein Schreiben der Österreichischen Gesundheitskasse vom 17. Jänner 2020 betreffend den Antrag auf Kinderbetreuungsgeld, eine Schulbesuchsbestätigung der L. betreffend H. I., den Einkommenssteuerbescheid der Beschwerdeführerin für das Jahr 2018, die geforderten Geburtsurkunden und einen beglaubigt übersetzten Beschluss des Kreisgerichtes M. betreffend die Scheidung der Einschreiterin vom Kindesvater des H. I. vom … 2015 vor. Die geforderten Unterlagen waren für die Beurteilung und Bemessung des Anspruches der Bedarfsgemeinschaft insoweit notwendig, als ohne Nachweis allfälliger Unterhaltsansprüche der Beschwerdeführerin und ihrer beiden Kinder eine rechtskonforme Bemessung des Anspruches auf Mittel der Wiener Mindestsicherung nicht möglich war.

Hinsichtlich der nunmehr im angefochtenen Bescheid angeführten, nicht vorgelegten Unterlagen, namentlich einen Scheidungsvergleich, ist auszuführen, dass schon auf Grund des Umstandes, dass es sich unter Heranziehung des durch die Einschreiterin vorgelegten gerichtlichen Beschlusses offensichtlich um eine streitige Scheidung handelte und daher – sogar unter Heranziehung österreichischer Bestimmungen – das Vorliegen eines Scheidungsvergleiches auszuschließen ist. Auch steht fest, dass keine Ermittlungen dahingehend gepflogen wurden, ob und inwieweit einvernehmliche Scheidungen vergleichbar mit §55a des EheG in Polen überhaupt möglich sind und daher das Unterbleiben der Vorlage eines Scheidungsvergleiches im vorliegenden Falle für sich keinesfalls zur Begründung der Abweisung des gegenständlichen Ansuchens herangezogen werden kann.

Zum fehlenden Nachweis betreffend die durch die Einschreiterin bezogenen Unterhaltszahlungen durch ihren geschiedenen Ehegatten – dieselben nachstehenden Erwägungen gelten im Übrigen auch für den fehlenden Nachweis betreffend die Unterhaltszahlungen für den mj. J. B. – ist auszuführen, dass Nachweise zur Bescheinigung dieser Unterhaltsansprüche etwa in Form von Gerichtsurteilen oder Vereinbarungen mit dem Jugendwohlfahrtsträger nicht vorgelegt wurden. Allerdings führte die Einschreiterin mit Eingabe vom 28. Jänner 2020, sohin innerhalb der gesetzten Vorlagefrist, aus, sie beziehe laut dem vorgelegten Scheidungsvergleich kein Einkommen von ihrem geschiedenen Gatten, bezahle der Vater ihres jüngsten Kindes keine Alimente und gebe es auch keine schriftliche Abmachung. Sie bekomme für das Kind „je nach Bedarf“ EUR 200,-- monatlich.

Hierzu ist festzuhalten, dass die belangte Behörde die Einschreiterin ausdrücklich aufforderte, „Nachweise“ über die Höhe der Alimenten für ihre Söhne vom Kindesvater bzw. über die Höhe des Unterhalts für die Rechtsmittelwerberin vom geschiedenen Gatten vorzulegen. In diesem Zusammenhang ist darauf hinzuweisen, dass die Verwendung von unklaren oder unkonkreten Aufträgen bei der Einforderung von Unterlagen in einem Verfahren nach § 16 des Wiener Mindestsicherungsgesetzes als grundsätzlich unzulässig erscheint und zu großer Rechtsunsicherheit führen kann. Soweit die Behörde demnach die Beschwerdeführerin aufforderte, den „Nachweis über die Höhe von Alimenten bzw. des Unterhaltes“ vorzulegen, bedient sich die Behörde einer ebensolchen unkonkreten Unterlagenanforderung, da nicht dargelegt wird, welche Nachweise konkret zur Bescheinigung der bezogenen Unterhaltszahlungen hätten vorgelegt werden sollen. Dementsprechend könnte es der Beschwerdeführerin auch nicht zum Vorwurf gemacht werden, dass sie unter Hinweis auf den vorgelegten Scheidungsbeschluss darlegte, hieraus gehe hervor, dass sie keine Unterhaltsansprüche gegen ihren Gatten habe und dass auch hinsichtlich ihres Kindes J. keine schriftlichen Vereinbarungen existierten. Vielmehr wäre es an der belangten Behörde gelegen, spätestens nach Eingang dieser Darlegungen weiterführende Ermittlungen zu pflegen und der Einschreiterin allenfalls unter Anwendung des § 16 des Wiener Mindestsicherungsgesetzes konkrete Aufträge zum Nachweis der Höhe dieser Unterhaltsansprüche – etwa den Nachweis deren behördlicher Geltendmachung – aufzutragen. Es wird daher ausdrücklich darauf hingewiesen, dass die Behörde Aufforderungen zur Vorlage von Unterlagen derart zu konkretisieren hat, dass einerseits der Partei klar erkennbar ist, welche Unterlagen vorzulegen sind und die so eingeforderten Unterlagen andererseits auch tauglich sein müssen, einer Entscheidung im Falle deren Vorlage umgehend zu Grunde gelegt werden zu können. Eine Abweisung des gegenständlichen Ansuchens wegen unterbliebener Vorlage eines „Nachweises über die Höhe“ von Unterhaltszahlungen durch die Beschwerdeführerin erscheint daher nicht als nicht statthaft, zumal die Einschreiterin innerhalb der gesetzten Frist hierzu ein – im Rahmen des erteilten Auftrages – durchaus beachtliches Vorbringen erstattete.

Die belangte Behörde wird daher im fortgesetzten Verfahren zum Vorbringen der Beschwerdeführerin entsprechende Ermittlungen zu pflegen und erforderlichenfalls im Sinne der oben getätigten Ausführungen konkretisierte Aufträge an die Beschwerdeführerin zu erteilen haben.

Eine Entscheidung in der Sache durch das Verwaltungsgericht erschien deshalb als nicht möglich, da Gegenstand des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens der angefochtene Bescheid ist und sich dieser trotz formeller Zitierung der §§ 4 und 7ff des Wiener Mindestsicherungsgesetzes ausschließlich auf die nicht erfolgte Vorlage von Unterlagen und somit auf den Ablehnungsgrund des § 16 leg. cit. stützte. Da im fortgesetzten Verfahren nunmehr nach durchzuführender Ergänzung des Ermittlungsverfahrens der Anspruch unter tatsächlicher Heranziehung der §§ 4 ff des Wiener Mindestsicherungsgesetzes zu bemessen sein wird und somit andere Sachverhaltsfragen und Normen zum Tragen kommen würden, würde das Verwaltungsgericht im Falle einer Entscheidung über Bestand und Höhe des Anspruches nicht mehr in derselben Sache entscheiden wie die Verwaltungsbehörde im angefochtenen Bescheid und somit über einen anderen Prozessgegenstand.

Die ordentliche Revision ist unzulässig, da keine Rechtsfrage im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG zu beurteilen war, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung. Weiters ist die dazu vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Ebenfalls liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

Schlagworte

Mindestsicherung; Mitwirkungspflicht; Aufforderung zur Vorlage von Unterlagen; unklare Unterlagenanforderung; Konkretisierung; Rechtsunsicherheit

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:LVWGWI:2020:VGW.141.023.4069.2020

Zuletzt aktualisiert am

07.05.2020
Quelle: Landesverwaltungsgericht Wien LVwg Wien, http://www.verwaltungsgericht.wien.gv.at
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