TE Lvwg Erkenntnis 2020/2/12 VGW-101/056/12466/2019

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Veröffentlicht am 12.02.2020
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Entscheidungsdatum

12.02.2020

Index

20/05 Wohnrecht Mietrecht
98/05 Sonstige Angelegenheiten des Wohnbaus

Norm

MRG §30 Abs2 Z15
StadterneuerungsG §1 Abs2

Text

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Verwaltungsgericht Wien hat durch seine Richterin Dr. Zeller über die Beschwerde der A. e.U., vertreten durch Rechtsanwältin, gegen den Bescheid des Magistrates der Stadt Wien, Magistratsabteilung 64, vom 25.07.2019, Zl. …, mit welchem auf Antrag der B. GmbH festgestellt wurde, dass die Errichtung eines Neubaus in Wien, C.-gasse, EZ … der Kat. Gem. D., im öffentlichen Interesse liegt, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 04.12.2019,

zu Recht erkannt:

I. Gemäß § 28 Abs. 1 VwGVG wird die Beschwerde als unbegründet abgewiesen, und der angefochtene Bescheid bestätigt.

II. Gegen dieses Erkenntnis ist gemäß § 25a VwGG eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 B-VG unzulässig.

Entscheidungsgründe

1.) Mit dem angefochtenen Bescheid wurde dem Antrag der weiteren Partei, B. GmbH, stattgegeben und festgestellt, dass die Errichtung eines Neubaus in Wien, C.-gasse, EZ … der Katastralgemeinde D., im öffentlichen Interesse liegt.

Begründend wird ausgeführt, dass mit Antrag vom 14.06.2018 die Feststellung nach § 30 Abs. 2 Z. 15 MRG beantragt worden sei, dass die Errichtung des Neubaus im öffentlichen Interesse läge. Es sei beabsichtigt, das straßenseitige Hauptgebäude mit 2 Obergeschossen und einer Nettowohnfläche von 240 m², nämlich das Hauptgebäude, abzutragen und einen Neubau mit 20 Wohnungen zu errichten. Im hinteren Teil des Gebäudes befände sich ein 2. Gebäude, das Hofgebäude, welches nicht abgetragen würde und welches auch keinem Wohnzwecke diene. Zurzeit sei im Hauptgebäude eine Bürofläche und diese an die Firma des Beschwerdeführers vermietet.

Vorhandene Wohnungen seien im mangelhaften Zustand, eine Sanierung sei geprüft worden aber unverhältnismäßig im technischen Aufwand. Der Neubau diene zu Assanierungszwecken und zur Vermehrung von Wohnungen im öffentlichen Interesse. An der Erhaltung des Hauptgebäudes bestünde kein öffentliches Interesse.

Es sei eine Wohnbauförderung beantragt worden und von der entsprechenden Kommission sei festgestellt worden, dass ein städtebaulicher Missstand von der Bebauung auf der vorliegenden Liegenschaft C.-gasse ausgehe. Dies deswegen, da die festgesetzte Mindestgebäudehöhe nicht erreicht werden könne und die Gebäudetiefe nicht ausgenutzt würde. Im Hauptgebäude gebe es im Erdgeschoss Geschäftsräume im Ausmaß von ca. 93,81 m² sowie zur Wohnnutzung ein Kabinett im Ausmaß von 13,38 m². Im ersten Obergeschoss gäbe es Top 5, Top 6, Top 7, Top 8, Top 9 zur Wohnnutzung zwischen 13,38 m² und 31,10 m², gesamt 420,65 m². Im Neubau seien 20 Wohnungen mit einer netto Wohnfläche von gesamt 920 m² geplant.

Aus der Stellungnahme der MA 19 vom 04.10.2018 ergebe sich, dass im Haus 1935 Umbauarbeiten für das Wirtshaus stattgefunden hätten und 1945 der Fassadendekor abgeschlagen worden sei. Nur mehr das Obergeschoss sei mit originaler Fassadengliederung. Das gegenständliche Gebäude sei kein ausreichend stadtbildprägender Bestandteil um ein öffentliches Interesse an seiner Haltung zu rechtfertigen. Eine Bestätigung im Sinne des § 62a Abs. 5a Wr. Bauordnung, dass an der Erhaltung kein öffentliches Interesse bestünde, sei von der MA 19 ausgestellt und vorgelegt worden.

Weiters finden sich im angefochtenen Bescheid Ausführungen zum qualitativen Wohnfehlbestand.

Verfahrensgegenständlich sei der Antrag auf Neubau und Abriss. Demnach seien Fragen der Sanierung irrelevant.

Ebenso wenig sei relevant, ob die Vermieterin in der Vergangenheit ihren Mieten aus dem Mietverhältnis nachgekommen sei, ob die Errichtung des geplanten Neubaus in finanzieller und in rechtlicher Hinsicht sichergestellt sei und ob ein Ersatzobjekt angeboten worden sei.

Eine Stellungnahme der MA 18, Stadtentwicklung und Stadtplanung, sei auch nicht einzuholen gewesen, da es bereits eine Stellungnahme des Wohnfonds und der entsprechenden Kommission gäbe, wonach die Unterschreitung der im Flächenwidmungs- und Bebauungsplan festgesetzten Mindestgebäudehöhe einen städtebaulichen Missstand darstelle.

Relevant zur Beurteilung der Assanierungsbedürftigkeit sei nach der Judikatur des VwGH der baubehördlich genehmigte Konsens (vgl. VwGH vom 21. September 2000, Zl. 99/06/0021). Daher seien konsenslos errichtete bauliche Änderungen irrelevant. Da auf der Liegenschaft zwei getrennte Gebäude vorlägen sei die Beurteilung der Assanierungsbedürftigkeit für jedes der beiden Gebäude getrennt zu verfolgen. Vorliegend sei mindestens die Hälfte der Gesamtfläche im Bestandsgebäude nach dem baulichen Konsens Wohnzwecken dienend. Im Bestandsgebäude seien auch mehr als 2 Wohnungen vorhanden. Die Voraussetzungen des § 1 Abs. 2 Z 1, 2 und 3 des Stadterneuerungsgesetzes lägen daher vor.

Sämtliche der im Hauptgebäude befindlichen 6 Wohnungen hätten gemäß dem baubehördlich genehmigten Konsens das WC außerhalb des Wohnungsverbandes. Somit seien alle Wohnungen im Sinne der Z 4 mangelhaft ausgestattet und sei der Tatbestand der Assanierungsbedürftigkeit gegeben. Der geplante Neubau läge aus diesem Grund im öffentlichen Interesse.

Das Bestehen des Hofgebäudes ändere nichts an dieser Beurteilung.

Ein quantitativer oder qualitativer Wohnfehlbestand im Sinne des § 4 Abs. 1 Bodenbeschaffungsgesetz läge nicht vor.

Aufgrund der Bestätigung der MA 19 vom 06.02.2019 läge kein öffentliches Interesse an der Erhaltung des Bestandsgebäudes vor.

In der fristgerecht dagegen erhobenen Beschwerde wird im Wesentlichen ausgeführt, dass die angebotenen Beweisanträge nicht durchgeführt worden seien. Die Zahl der Wohnungen der Ausstattungskategorie D läge sinkend im Jahre 2015 nur noch bei 3,5 % aller Wohnungen in Wien. Es bestünde eine stark sinkende Tendenz und die Beseitigung des Anteiles an Substandardwohnungen sei kein dezidiertes Ziel der Stadterneuerung der Stadt Wien mehr. Demnach sei es nicht ausreichend, dies als alleiniges öffentliche Interesse gemäß § 1 Abs. 2 Stadterneuerungsgesetz als ausreichend zu sehen.

Ferner sei darauf hinzuweisen, dass vielmehr Immobilienspekulationen entgegenzuwirken sei und diese auch nicht gefördert werden sollten. Vielmehr sei eine Sanierung und Umbau durch Verbesserungsmaßnahmen beachtlich. Auch dadurch seien aus Sanierungsmaßnahmen möglich. (vergleiche Verwaltungsgerichtshof vom 18.12.2008, Zl. 2008/06/0082). Demnach wäre dies beachtlich um die öffentliche Interessen abzuwägen.

Die Behörde habe es unterlassen, den Flächenwidmungs- und Bebauungsplan mit Unterlagen der eingereichten projektierten Neubauplanung zu vergleichen.

Beantragt werde ein Sachverständigengutachten (wohl zur Sanierungsmöglichkeit) sowie eine Stellungnahme der MA 18 (dies dahingehend, ob ein Abbruch des bestehenden Gebäudes aus der Sicht der Stadtentwicklung und Stadtplanung im öffentlichen Interesse liegt).

Private Interessen seien auch zu berücksichtigen. Die Mietrechte einzelner seien nicht ohne weiteres aufzuheben.

Es handle sich um eine restriktiv auszulegende Norm zulasten des Bauwerbers und nicht zulasten der Rechte des Mieters.

Dies sei von der Behörde nicht berücksichtigt worden.

Ferner habe er kein geeignetes Ersatzobjekt für seinen Mietgegenstand zur Verfügung gestellt bekommen. Das Mietobjekt sei Mittelpunkt seiner geschäftlichen Tätigkeit. Die Beschaffung eines vergleichbaren Objektes mit ähnlichen Konditionen sei bisher nicht möglich gewesen. Dies würde eine starke finanzielle Einbuße für ihn bedeuten. Ferner sei er auf einen barrierefreien Zugang aufgrund seiner Erkrankung angewiesen.

Die Stellungnahme der MA 19 sei weder nachvollziehbar noch objektivierbar. Es handle sich jedenfalls um ein Gründerzeithaus, dessen Erhaltung im öffentlichen Interesse läge. Dafür reiche ein abstraktes öffentliches Interesse aus. Es wäre eine weitere Stellungnahme der Magistratsabteilung 19 einzuholen, da das vorliegende Gutachten rudimentär sei.

In der Gegenäußerung zum Beschwerdevorbringen wird eingewendet, dass die gesetzlichen Voraussetzungen für Assanierungswürdigkeit vorlägen und damit öffentliche Interessen am Abriss gegeben seien.

Es läge ferner ein rechtsgültiger Baubescheid vom 28.02.2018 vor, die Übereinstimmung mit den Bestimmungen des Flächenwidmungs- und Bebauungsplanes läge daher vor. Die Vereinbarkeit mit den aktuell gültigen Bebauungsvorschriften sei bereits von der Magistratsabteilung 37 mit Schreiben vom 24.09.2018 bestätigt worden.

Mindestens die Hälfte der Gesamtnutzfläche diene Wohnzwecken, dies gehe auch aus der Stellungnahme der Magistratsabteilung 37 mit Schreiben vom 24.09.2018 hervor. Ebenso befänden sich mehr als 2 Wohnungen im Gebäude. Ebenso gehe aus dieser Stellungnahme hervor, dass sämtliche Wohnungen der Kategorie D entsprechen würden. Das WC sei bei sämtlichen Wohnungen außerhalb des Wohnungsverbandes. Dies reiche nach den gesetzlichen Vorschriften für die Mangelhaftigkeit der Ausstattung aus (§ 3 Z. 10 Stadterneuerungsgesetz). Der Neubau zu Assanierungszwecken liege daher im öffentlichen Interesse.

Die Aufwertung einzelner Viertel sei auch im Entwurf zum Stadtentwicklungsplan 2025 enthalten. Demnach läge es im öffentlichen Interesse, wenn qualitativ minderwertige Gebäude erneuert werden würden. Es handle sich auch nicht um eine reine Immobilienspekulation, den Vorgaben des geförderten Wohnbaus werde entsprochen.

Es handle sich auch hier um ein Sanierungszielgebiet des Wohnfonds Wien.

Die Prüfung der Frage, ob der Neubau in finanzieller und baurechtlicher Hinsicht sichergestellt sei, sei ausschließlich vom Gericht im Kündigungsverfahren selbst zu beurteilen. Die Vorlage eines ausgearbeiteten Detailprojektes mit näheren Plänen sei nicht erforderlich.

Mit den 20 neuen Wohnungen bestünde auch ein Interesse der Allgemeinheit, da Wohnraum erweitert werde.

Zu den privaten Interessen des Beschwerdeführers sei auszuführen, dass ihm bereits mehrere Ersatzobjekte angeboten worden seien, welche er abgelehnt habe. Die Tätigkeit könne er auch an einem anderen Standort ausüben. Es gebe keine betriebsspezifischen Merkmale oder besondere Qualität, sodass er nur diese Gebäude für seine Betriebszwecke in Anspruch nehmen könne.

Der Zugang sei auch nicht barrierefrei entgegen den Ausführungen des Beschwerdeführers, es seien zumindest 2 Treppen zu überwinden.

Die vorliegende Miete sei nicht marktangemessen und auch nicht marktüblich, eine höhere, marktangemessene Miete müsste von ihm akzeptiert werden.

Die Frage eines Ersatzobjektes sei ebenso im Kündigungsverfahren zu prüfen. Ferner habe der Beschwerdeführer kein dringendes Wohnbedürfnis, sondern handle es sich nur um einen Teil seiner Geschäftsräume. Die Produktion selbst fände an einem anderen Ort statt, vorliegend seien Lager und Büroräumlichkeiten.

Aus der Stellungnahme der bezughabenden Kommission nach Antragstellung bei der Magistratsabteilung 18 gehe klar hervor, dass die Unterschreitung der im Flächenwidmungs- und Bebauungsplan festgesetzten Mindestgebäudehöhe einen städtebaulichen Missstand darstelle. Weitere Ermittlungen seien daher dazu nicht notwendig.

2.) Aus dem vorliegenden Akteninhalt geht im Wesentlichen folgender Sachverhalt hervor:

Mit Schreiben vom 14.06.2018 beantragte die weitere Partei die Erlassung eines Interessenbescheides gemäß § 30 Abs. 2 Z 15 MRG.

Begründet wird der Antrag damit, dass das Erdgeschoss des weitgehend bestandfreien Gebäudes von der Firma des Beschwerdeführers als Bürofläche genutzt werde. Dieses Büro weise eine Fläche von rund 107 m² auf. Bei allen anderen Bestandseinheiten, laut Konsensplan 5 Wohnungen mit einer Gesamtnutzfläche von rund 133 m², im darüber gelegenen Geschoss handle sich um leer stehende Wohnungen der Kategorie D und seien diese unbrauchbar. Aus diesem Grunde sei das Bundesgesetz betreffend die Assanierung von Wohngebieten, Stadterneuerungsgesetz, gemäß dessen § 1 Abs. 2 anwendbar.

Auf der Liegenschaft befände sich im Hof noch ein 2. Gebäude, welches durch ein Vorhaus mit dem Bestandsobjekt verbunden sei, aber dennoch ein eigenes Gebäude darstelle. Es sei ein Neubauprojekt geplant. Das Gebäude, auf welchem sich das Bestandsobjekt befände, müsse dazu abgebrochen werden.

Beigelegt wurde ein Schreiben der Magistratsabteilung 19 vom 12.10.2017 betreffend Neubau eines Wohnhauses für die gegenständliche Liegenschaft. Daraus geht hervor, dass durch das Bauvorhaben das örtliche Stadtbild weder gestört noch beeinträchtigt werde.

Ferner wurde eine Stellungnahme der Magistratsabteilung 37 beigelegt, wonach auf der gegenständlichen Liegenschaft das Hofgebäude aufgrund seiner Eigenständigkeit als eigenes Gebäude einzustufen sei. Es verfüge über den Rauchfang, einen Kanalanschluss, eine Toilette und einen Wasseranschluss.

Aus dem im Akt einliegenden Auszug aus dem Grundbuch geht hervor, dass die weitere Partei Eigentümerin der vorliegenden Liegenschaft, C.-gasse, ist.

Aus dem Auszug aus dem Gewerbeinformationssystem geht hervor, dass der Beschwerdeführer Kleinhandel mit Waren aller Art unter Ausschluss solcher, deren Verkauf an eine besondere Bewilligung (Konzession) gebunden ist, am Standort der Liegenschaft betreibt.

Mit Schreiben vom 20.07.2018 brachte der Beschwerdeführer vor, dass es sich um ein Gründerzeithaus handle, er sei Mieter des im Gebäude gelegenen Büros und sonstiger weiterer Flächen im Gebäude. Ein geeignetes Ersatzobjekt sei bisher nicht zur Verfügung gestellt worden. Es sei richtig, dass sich auf der Liegenschaft ein teilweise sanierungsbedürftiges Gebäude befände. Die 5 genannten Wohnungen hätten eine Nutzfläche von 133 m².

Es sei verabsäumt worden, laufend die erforderlichen Instandhaltungsmaßnahmen zu setzen. Man könnte bei Gebäuden wie vorliegend auch mittels Sanierung vorgehen. Sanierungsmaßnahmen seien auch durch Umbau und Verbesserungsmaßnahmen möglich. Auch ein Dachausbau sei möglich.

Ob eine wirtschaftliche Sanierung des Bestandes möglich sei und auch ein Dachausbau, sei doch eine ergänzende Stellungnahme des Wohnfonds Wien einzuholen.

Der geplante Neubau sei nicht geeignet, Wohnraum zu schaffen, welche der Minderung einer Wohnungsnot diene, da diese Wohnungsnot viertelbezogen nicht gegeben sei.

Es sei eine Stellungnahme der Magistratsabteilung 50 einzuholen, um klarzustellen, ob in Wien ein quantitativer Wohnungsfehlbestand oder ein qualitativer Wohnfehlbestand im Sinne des Bodenbeschaffungsgesetzes gegeben sei.

Es sei eine Stellungnahme der Magistratsabteilung 18 einzuholen, ob ein Abbruch des bestehenden Gebäudes aus der Sicht der Stadtentwicklung und Stadtplanung im öffentlichen Interesse läge.

Ein Lokalaugenschein sei durchzuführen, ein Gutachten aus der Immobilienbewertung und über die Ausnutzbarkeit des Bauplatzes sei jeweils einzuholen.

Mit E-Mail vom 23.07.2018 und vom 22.02.2019 wurden Zahlen zu in Wien Wohnungssuchenden (Gemeindewohnungen) eingeholt. Ferner wurden aus dem statistischen Jahrbuch der Stadt Wien aus dem Jahre 2018 die Zahlen der Bevölkerungsentwicklung in den einzelnen Bezirken eingeholt. Aus dem Schreiben der Statistik Austria vom 01.02.2019 ergibt sich auch die Zahl der Wohnbevölkerung, Zahl der vorhandenen Wohnungen, Zahl der in Bau befindlichen Wohnungen, Zahl der Haushalte.

Mit Schreiben vom 24.09.2018 teilte die Magistratsabteilung 37, Baupolizei, mit, dass in Summe das Hauptgebäude 420,65 m² betrage. Das Erdgeschosslokal, Geschäftsräume, betrage 93,81 m². Im Hauptgebäude gebe es im Erdgeschoss Geschäftsräume im Ausmaß von ca. 93,81 m² sowie zur Wohnnutzung ein Kabinett im Ausmaß von 13,38 m². Im ersten Obergeschoss gäbe es Top 5, Top 6, Top 7, Top 8, Top 9 zur Wohnnutzung zwischen 13,38 m² und 31,10 m², gesamt 420,65 m². Im Hauptgebäude befänden sich demnach 146,84 m² Wohnnutzfläche und 93,81 m² Geschäftsfläche. Die Gesamtnutzfläche sei als Geschäftsraum gewidmet. Sämtliche Wohnungen hätten gemäß dem Konsensplan das WC außerhalb des Wohnungsverbandes. Eine Wasserentnahmestelle sei mit Ausnahme von Top 1 und Top 9 in allen Wohneinheiten verfügbar.

Mit Schreiben der Magistratsabteilung 19 vom 04.10.2018 wurde bestätigt, dass nur mehr das Obergeschoss mit originaler Fassadengliederung vorläge. Das gegenständliche Gebäude sei 1885 errichtet worden. Im Erdgeschoss des einstöckigen Hauses hätten 1935 Umbauarbeiten für das Wirtshaus stattgefunden, nach 1945 sei dort der Fassadendekor abgeschlagen worden. Das gegenständliche Gebäude sei kein ausreichendes Stadtbild prägender Bestandteil, um ein öffentliches Interesse an seiner Haltung zu rechtfertigen. Es werde gemäß § 62a Abs. 5a Wiener Bauordnung bestätigt, dass an der Erhaltung des Bauwerks infolge seiner Wirkung auf das örtliche Stadtbild kein öffentliches Interesse bestünde.

In der Stellungnahme des Beschwerdeführers vom 20.03.2019 führt diese aus, dass die Voraussetzungen für das Vorliegen eines qualitativen und quantitativen Wohnungsfehlbestandes nicht gegeben seien. Es handle sich um ein Gründerzeithaus. Es bestünde keine Wohnungsnot. Eine wirtschaftliche Sanierung des Bestandes sei möglich. Es läge eine fallende Tendenz der Wohnungen in Wien mit Ausstattungskategorie D vor. Das vorliegende Gebäude sei mit derzeit gültigem Flächenwidmungs- und Bebauungsplan vereinbar. Das vorliegende Gebäude diene seinem Konsens nach mehr als der Hälfte zu Wohnzwecken, im Gebäude befänden sich insgesamt 6 Wohnungen. Andere öffentliche Interessen liegen nicht vor.

In der Stellungnahme des Antragstellers, also der weiteren Partei, vom 05.04.2019 wird dem widersprochen. Vorgelegt wird das Ansuchen an den Wohnfonds Wien vom 07.06.2018.

Vorgelegt wird ebenso ein Gutachten des Architekten Univ.-Prof. Dipl.-Ing. E. F. vom 19.09.2018, wonach Gegenstand des Gutachtens die Frage des Abbruch des Hauses C.-gasse sei. Das Haus besitze kulturhistorische Werte im regionalen Sinn, diese seien aber nicht von so hoher Bedeutung, dass die Erhaltung als im öffentlichen Interesse gelegen zu bewerten sei. Es läge Heterogenität des Straßenzuges vor.

Ferner wurde ein Schreiben an den die Antragstellerin der Firma G. vom 09.06.2016 vorgelegt betreffend Restkontamination von ehemaliger H.-Tankstelle an der vorliegenden Liegenschaft.

Aus dem Schreiben des Wohnform Wiens vom 30.04.2019 an die weitere Partei geht hervor, dass die WWFSG-MA21-Kommission festgestellt habe, dass von der Bebauung auf der Liegenschaft C.-gasse ein städtebaulicher Missstand ausgehe, da die gemäß Flächenwidmungs- und Bebauungsplan festgesetzte Mindestgebäudehöhe nicht erreicht und die Gebäudetiefe nicht ausgenutzt werde. Es werde daher die geplante Maßnahme betreffend Abbruch und Neubau befürwortet.

In der Stellungnahme des Beschwerdeführers vom 27.06.2019 wendete sich der Beschwerdeführer gegen einen quantitativen und qualitativen Wohnfehlbestand. Ferner befände sich eine Wasserentnahmestelle in einem Großteil der Wohnungen. Damit sei nicht die Hälfte der Wohnungen mangelhaft ausgestattet. Die Voraussetzung läge gegenständlich nicht vor. Ferner handle sich um ein Gründerzeithaus und sei dies ein vorrangiges öffentliches Interesse und deswegen dieses zu erhalten. Bis dato sei ferner kein adäquater Ersatz für ihn als Mieter gefunden worden.

3.) In der Sache fand am 04.12.2019 eine öffentliche mündliche Verhandlung statt, an der die Vertreterin des Beschwerdeführers, der Vertreter der weiteren Partei B. GmbH und seine rechtliche Vertreterin sowie eine Vertreterin der belangten Behörde teilnahmen. Im Anschluss an die mündliche Verhandlung wurde das Erkenntnis des Verwaltungsgerichts Wien verkündet.

Mit Schreiben vom 06.12.2019 wurde von der Vertreterin des Beschwerdeführers ein Antrag auf Ausfertigung gestellt.

4.) Das Verwaltungsgericht Wien hat erwogen:

§ 30 Abs. 1 Mietrechtsgesetz lautet:

„(1) Der Vermieter kann nur aus wichtigen Gründen den Mietvertrag kündigen.“

§ 30 Abs. 2 Z 15 MRG lautet:

„(2) Als ein wichtiger Grund ist es insbesondere anzusehen, wenn

 

15. ein Miethaus ganz oder in dem Teil, in dem sich der Mietgegenstand befindet, abgetragen oder umgebaut werden soll, mit dem Abbruch (Umbau) die Errichtung eines neuen (geänderten) Baues sichergestellt ist, die Bezirksverwaltungsbehörde auf Antrag des Bauwerbers mit Bescheid erkannt hat, dass selbst unter Berücksichtigung schutzwürdiger Interessen der bisherigen Mieter der geplante Neubau (Umbau) aus Verkehrsrücksichten, zu Assanierungszwecken, zur Vermehrung der Wohnungen, die zur Beseitigung oder Milderung eines im Ortsgebiet bestehenden quantitativen Wohnungsbedarfes oder eines qualitativen Wohnfehlbestandes geeignet sind, oder aus anderen Gründen im öffentlichen Interesse liegt und dem Mieter Ersatz beschafft wird;

§ 1 Stadterneuerungsgesetz (StErnG) lautet:

„(1) Die Landesregierung kann durch Verordnung ein Gemeindegebiet oder einen Teil eines Gemeindegebietes, das städtebauliche Missstände (§ 6 Abs. 1) aufweist, die nur durch Assanierungsmaßnahmen beseitigt werden können, nach Maßgabe der Bestimmungen dieses Bundesgesetzes zum Assanierungsgebiet erklären. In dieser Verordnung oder mit gesonderter Verordnung kann die Landesregierung auf Antrag für einzelne Liegenschaften bzw. Baulichkeiten bestimmen, dass diese von der Anwendung von Maßnahmen nach den Bestimmungen dieses Bundesgesetzes ausgenommen werden; …. Liegenschaften bzw. Baulichkeiten, in denen mindestens die Hälfte der Wohnungen mangelhaft ausgestattet ist (§ 3 Z 10), dürfen in solche Ausnahmen nicht einbezogen werden.

(2) Dieses Bundesgesetz gilt auch für Gebäude außerhalb von Assanierungsgebieten, sofern

1.

sie mit den Bebauungsvorschriften (Flächenwidmungs- und Bebauungsplan) vereinbar sind,

2.

mindestens die Hälfte der Gesamtnutzfläche, das ist die Summe der Nutzflächen aller Wohnungen und Geschäftsräume, Wohnzwecken dient,

3.

sie mehr als zwei Wohnungen enthalten und

4.

mindestens die Hälfte der Wohnungen mangelhaft ausgestattet ist (§ 3 Z 10).

Hievon ausgenommen sind landwirtschaftliche Wohnhäuser außerhalb eines geschlossenen Siedlungsgebietes. Z 1 gilt für zum Abbruch bestimmte Gebäude nicht.

….

§ 3. Im Sinne dieses Bundesgesetzes gelten:

10.

als mangelhaft ausgestattet Wohnungen mit Wasserentnahme oder Abort außerhalb derselben.“

Das Bodenbeschaffungsgesetz (BBeschG) lautet auszugsweise:

„§ 1. Die Länder haben nach Maßgabe der Bestimmungen dieses Bundesgesetzes Vorsorge zu treffen, dass die Gemeinden für die Errichtung von Häusern mit Klein- oder Mittelwohnungen oder von Heimen für Ledige, Schüler, Studenten, Lehrlinge, jugendliche Arbeitnehmer oder für betagte Menschen unbebaute Grundstücke, die baureif sind oder baureif gemacht werden können, sowie Ergänzungsgrundstücke beschaffen (Bodenbeschaffung).

….

§ 4. (1) Ein quantitativer Wohnungsbedarf im Sinne dieses Bundesgesetzes liegt vor, wenn in einer Gemeinde die Zahl der vorhandenen und der im Bau befindlichen Wohnungen die Zahl der Haushalte um nicht mehr als 3 v. H. übersteigt oder in einer Gemeinde 2 v. H. der Wohnbevölkerung als Wohnungssuchende gemeldet und von der Gemeinde als solche anerkannt sind. Barackenwohnungen, Behelfsheime, Einzelräume und sonstige Notunterkünfte sind nicht als Wohnungen zu zählen.

(2) Ein qualitativer Wohnungsfehlbestand im Sinne dieses Bundesgesetzes liegt vor, wenn in einer Gemeinde die Zahl der mangelhaft ausgestatteten Wohnungen mehr als 10 v. H. der Zahl der vorhandenen Wohnungen (Abs. 1) beträgt; als mangelhaft ausgestattet gelten Wohnungen mit Wasserentnahme oder Abort außerhalb derselben.

….“

Folgender Sachverhalt steht fest:

Die weitere Partei ist Eigentümerin der vorliegenden Liegenschaft, C.-gasse. Auf der gegenständlichen Liegenschaft ist der Neubau des straßenseitigen Gebäudes geplant. Auf der Liegenschaft befindet sich im Hof noch ein zweites Gebäude, welches ein eigenständiges und abgetrenntes Gebäude darstellt.

Der Beschwerdeführer – als alleiniger Mieter an der Liegenschaft und in dem vorliegenden Gebäude (im Erdgeschoss, wobei die Wohneinheiten im ersten Stockwerk unbewohnt sind) - betreibt an diesem Standort ein Gewerbe des Kleinhandels mit Waren aller Art unter Ausschluss solcher, deren Verkauf an eine besondere Bewilligung (Konzession) gebunden ist und führt konkret die Lagerung und den Handel (Bürotätigkeiten) sowie Auslieferung … im Wesentlichen dort durch, an einer weiteren in der Nähe gelegenen Adresse findet die Produktion statt. Der Beschwerdeführer wohnt nicht an der Liegenschaft C.-gase, er ist schwer gehbehindert, der Zugang zum gegenständlichen Haus ist über zumindest zwei Stufen erreichbar. Er führt sein Gewerbe gemeinsam mit seiner Gattin und einigen Angestellten. Bestehende, besondere finanzielle Engpässe (etwa Konkurs, Insolvenz etc) des Betriebs sind gegenwärtig nicht bekannt. Weitere Mieter bzw. Mieterinnen gibt es nicht an dieser Liegenschaft.

Im Hauptgebäude gibt es im Erdgeschoss Geschäftsräume im Ausmaß von ca. 93,81 m² sowie zur Wohnnutzung ein Kabinett im Ausmaß von 13,38 m². Im ersten Obergeschoss gibt es Top 5, Top 6, Top 7, Top 8, Top 9 zur Wohnnutzung zwischen jeweils 13,38 m² und 31,10 m², gesamt 420,65 m². Im Hauptgebäude befinden sich demnach 146,84 m² Wohnnutzfläche und 93,81 m² Geschäftsfläche. Die Gesamtnutzfläche ist als Geschäftsraum gewidmet.

Sämtliche Wohnungen haben gemäß dem Konsensplan und in der Natur das WC außerhalb des Wohnungsverbandes. Eine Wasserentnahmestelle ist mit Ausnahme von Top 1 und Top 9 in allen Wohneinheiten verfügbar.

Gemäß § 62a Absatz 5a Wiener Bauordnung liegt an der Erhaltung des Bauwerks, welches ein Gründerzeithaus ist, infolge seiner Wirkung auf das örtliche Stadtbild kein öffentliches Interesse vor.

Der Sachverhalt selbst - mit Ausnahme der Erhaltungswürdigkeit nach § 62a Wr. Bauordnung - ist unstrittig, ergibt sich aus dem Vorbringen der Parteien und dem vorliegenden Akteninhalt.

Zur Frage der Erhaltungswürdigkeit nach § 62a Wr. Bauordnung wendete der Beschwerdeführer zwar ein, dass dies der Fall sei, unterlegte aber sein Vorbringen nicht. Die weitere Partei legte hingegen ein weiteres, privates Gutachten dazu vor, welches nachvollziehbar und schlüssig ist. Dieses stimmt mit der Stellungnahme und Bestätigung der zuständigen Fachabteilung des Magistrates der Stadt Wien überein und blieben keine Zweifel an deren Richtigkeit.

Daraus ergibt sich rechtlich:

Als ein in diesem Sinne wichtiger Grund ist nach § 30 Abs. 2 Z 15 MRG u.a. insbesondere anzusehen, dass 1.) ein Miethaus ganz oder in dem Teil, in dem sich der Mietgegenstand befindet, abgetragen oder umgebaut werden soll, 2.) mit dem Abbruch (Umbau) die Errichtung eines neuen (geänderten) Baues sichergestellt ist, 3.) die Bezirksverwaltungsbehörde auf Antrag des Bauwerbers mit Bescheid erkannt hat, dass der geplante Neubau (Umbau) selbst unter Berücksichtigung schutzwürdiger Interessen der bisherigen Mieter - a) aus Verkehrsrücksichten, b) zu Assanierungszwecken, c) zur Vermehrung der Wohnungen, die zur Beseitigung oder Milderung eines im Ortsgebiet bestehenden quantitativen Wohnungsbedarfes oder eines qualitativen Wohnfehlbestandes geeignet sind, d) oder aus anderen Gründen – im öffentlichen Interesse liegt und 4.) dem Mieter Ersatz beschafft wird.

Daraus ergibt sich die Zuständigkeit der belangten Behörde, auf einen entsprechenden Antrag der weiteren Partei dieses Verfahrens hin einen Feststellungsbescheid hinsichtlich des Überwiegens bzw. Nichtüberwiegens der öffentlichen gegenüber den privaten Interessen (sog. „Interessenbescheid“) zu erlassen (so schon E. Mannlicher – H. Quell, Das Verwaltungsverfahren, 8. Aufl., Wien 1975, S. 300, zur Vorgängerbestimmung des § 19 Abs. 2 Z 4a MietenG).

Insoweit handelt es sich bei dem in § 30 Abs. 2 Z 15 MRG normierten Prozedere um ein eigenständiges – nicht zum Anwendungsbereich der §§ 39 und 40 MRG i.V.m. § 37 MRG (mietrechtliches „Schlichtungsverfahren“ im Wege einer Behördenentscheidung, die im Falle ihrer Anfechtung zugunsten einer sukzessiven Zuständigkeit der ordentlichen Gerichte außer Kraft tritt) zählendes – Verwaltungsverfahren, das in die Erlassung einer bloßen Feststellungsentscheidung mündet und inhaltlich auch darauf beschränkt ist.

Die Aufzählung in § 30 Abs. 2 Z 15 MRG, welche Umstände im öffentlichen Interesse liegen, ist demonstrativ. Das dort umschriebene öffentliche Interesse (unter Berücksichtigung schutzwürdiger Interessen der betroffenen Mieter - hier: des Beschwerdeführers) kann einerseits sachverhaltsmäßig allenfalls erst durch ein "Zusammenwirken" verschiedener der in dieser Gesetzesstelle aufgezählten Kriterien gegeben sein. Dabei ist stets zu bedenken, dass es sich bei dieser Bestimmung um eine auf die Einschränkung bestehender Privatrechte gerichtete und daher im Zweifel restriktiv auszulegende Norm handelt (vgl. VwGH vom 23.11.2004, Zl. 2004/06/0111, wo der Sachverhalt derart gelagert war, dass nach Anschauung der Behörde erst ein Zusammenspiel verschiedener Kriterien ein ausreichendes öffentliches Interesse bewirkt habe). Dem Wortlaut der Bestimmung des § 30 Abs. 2 Z 15 MRG nach kann jedoch andererseits auch bereits eines der dort (demonstrativ aufgezählten) öffentlichen Interessen grundsätzlich (ungeachtet der Frage der Abwägung mit privaten Interessen) ausreichend sein (bei restriktiver Auslegung der Norm als Ganzes).

Damit befindet sich der Beschwerdeführer daher im Recht, wenn er meint, dass man die Bestimmung restriktiv auszulegen hat und private Interessen entsprechend zu würdigen sind.

Im gegenständlichen Verfahren blieb unstrittig, dass ein Miethaus – welches zur Zeit als Büro genutzt wird - ganz abgetragen werden soll und dass mit dem Abbruch die Errichtung eines neuen (geänderten) Baues sichergestellt ist. Ein entsprechender verfahrenseinleitender Antrag des Eigentümers dieses Mietshauses (weitere Partei) liegt ebenso vor.

Strittig war, ob der geplante Neubau – selbst unter Berücksichtigung schutzwürdiger Interessen des bisherigen Mieters – zu Assanierungszwecken im öffentlichen Interesse liegt. Der Antragsteller wies ferner auf eine bestehende Wohnungsnot sowie städtebaulichen Missstand hin, der Beschwerdeführer wendet ein, dass kein Assanierungsfall vorläge, kein Wohnfehlbestand vorläge, die Kategorie-D-Wohnungen ohnedies abnehmend geringen Anteil hätten und die privaten Interessen jene öffentlichen Interesse überwögen.

Zunächst kommt § 30 Abs. 1 Z. 15 MRG nur dann und insoweit zum Tragen, wenn bzw. als keine Assanierung nach dem StErnG oder dem BBeschG (mittels Verordnung) vorgenommen wird (vgl. dazu im Detail die Ausführungen im Erkenntnis des LVwG Oberösterreich vom 15.09.2015, Zl. LVwG-250005/13/Gf/Mu). Gegenständlich befindet sich die Liegenschaft nicht in einem verordnungsmäßig festgelegten Assanierungsgebiet, damit kommt § 30 Abs. 2 Z 15 MRG zur Anwendung.

Unter dem Begriff „Assanierung“ ist nach den Materialien zum „Bundesgesetz betreffend die Enteignung zu Wohn- und Assanierungszwecken“ (BGBl 202/1929) die „Niederlegung ungesunder Häuserblocks oder ganzer ungesunder Wohnviertel und deren Neuaufbau“ (vgl. den AB, 327 BlgNR, 3. GP, S. 1) bzw. nach zeitgemäßer Terminologie der Abbruch bestehender Wohnanlagen bzw. Häuser sowie die Schaffung neuen Wohnraumes an deren Stelle zu verstehen.

Aus der gemeinsamen historischen Entwicklung resultiert eine enge Verflochtenheit zwischen dem zum Bereich des Öffentlichen Rechts zählenden Assanierungsrecht und den spezifisch darauf Bezug habenden zivilrechtlichen Kündigungsbestimmungen des MRG, die sich zum einen in einer identischen Begrifflichkeit dieser Normenkomplexe (StErnG und BBeschG einerseits bzw. MRG andererseits) und zum anderen in einer wechselseitigen Komplementarität äußert: Durch Verordnung festgelegte umfassende Assanierungen ziehen Enteignungen und damit ex lege verbundene Auflösungen betroffener Bestandverträge nach sich, während im Falle von bloß partiellen Assanierungen dann, wenn die gesetzlichen Voraussetzungen zur Durchführung solcher Restaurierungsmaßnahmen, die der Behebung eines quantitativen Wohnungsbedarfes oder eines qualitativen Wohnungsfehlbestandes dienen, vorliegen, bestehende Mietrechte diesen nur weichen müssen, wenn im konkreten Fall die öffentlichen Interessen an der Assanierung die schutzwürdigen Interessen der Mieter überwiegen und darüber hinaus die übrigen Voraussetzungen des § 30 Abs. 3 Z. 15 MRG vorliegen (vgl. dazu die näheren Ausführungen auch im Erkenntnis LVwG Oberösterreich vom 15.09.2015, Zl. LVwG-250005/13/Gf/Mu).

Der Begriff „Assanierung“ nach § 30 Abs. 2 Z. 15 MRG ist im Sinne des Stadterneuerungsgesetzes (StErnG) auszulegen (so auch VwGH, Erkenntnis vom 18.11.2008, Zl. 2008/06/0082). Die (kumulativ geforderten) Kriterien des § 1 Abs. 2 Z. 1 bis 3 StErnG liegen unstrittig vor.

Zur Ziffer 4 leg.cit. brachte der Beschwerdeführer vor, dass Wasserentnahmestellen in der Mehrzahl der Wohnungen vorhanden seien und damit die Bestimmung nicht erfüllt sei:

sowohl der baubehördliche Konsens als auch die Erscheinung in der Natur weichen nicht voneinander ab und ist jedenfalls unstrittig, dass kein WC jeweils in den einzelnen Wohnungseinheiten selbst vorhanden ist. Unstrittig bestehen im Gebäude gesamt 6 Wohneinheiten, neben dem Büro.

Entgegen dem Beschwerdevorbringen ergibt sich aus § 3 Z 10 Stadterneuerungsgesetz klar, dass es relevant ist, ob ein WC im Wohnungsverband ist. Eine Wasserentnahmestelle alleine reicht nicht aus, um keine Ausstattungskategorie D anzunehmen. Eine Wohnung muss demnach Wasserentnahmestelle und WC beide gemeinsam innerhalb des Wohnungsverbandes aufweisen, um nicht als mangelhaft ausgestattet zu gelten.

Demnach sind sämtliche vorhandene Wohnungen mangelhaft ausgestattet und besteht in jedem Fall ein Überhang an Substandard-Wohnungen, welche mangelhaft im Sinne des StErnG sind.

Damit ist die Bestimmung des § 1 Abs. 2 Z 4 StErnG erfüllt, mehr als die Hälfte der Wohnungen sind Substandard-Wohnungen (entsprechend der Begriffsbestimmung des § 3 Z 10 StErnG). Das öffentliche Interesse der Assanierung liegt demnach vor. Die Durchführung eines Ortsaugenscheins war mangels rechtlicher Erheblichkeit nicht durchzuführen.

Ungeachtet der Frage des Vorliegens eines öffentlichen Interesses im Sinne des § 30 2 Z 15 MRG ist die Frage zu unterscheiden, ob die geplanten Wohnungen überhaupt geeignet sind, geeignete Wohnräume im Sinne des § 30 Abs. 2 Z 15 MRG zu schaffen. Dies ist jedenfalls nicht der Fall, wenn sogenannte „Luxuswohnungen“ geplant sind. Hinweise darauf sind im Verfahren nicht hervorgekommen, wurde auch nicht vorgebracht und ergibt sich aus der Bestätigung des Wohnfonds Wien mit der Förderwürdigkeit auch nicht.

Hingewiesen wird in der Beschwerde ferner darauf, dass es sich (unstrittig) um ein Gebäude handelt, welches vor dem 01.01.1945 errichtet worden war und an der Erhaltung des Bauwerkes infolge seiner Wirkung auf das örtliche Stadtbild öffentliches Interesse bestünde. Zum einen liegen zwei Gutachten (eines der zuständigen Magistratsabteilung und ein weiteres privates Gutachten) vor, welche nachvollziehbar und schlüssig diesen Umstand verneinen (und kein öffentliches Interesse an der Aufrechterhaltung erkennen). Im Übrigen handelt es sich um eine geltende Voraussetzung nach baurechtlichen Bestimmungen. Für das vorliegende Feststellungsverfahren ist dies keine erhebliche Vorfrage und ist kein entsprechendes Gutachten einzuholen. Ebenso wäre ein eigenständiges bestandsrechtliches Verfahren mit den Mietern betreffend Kündigung ohnedies auch zu führen. Die Einholung eines entsprechenden Gutachtens war daher nicht entscheidungserheblich.

Die Sanierungsfähigkeit selbst ist im vorliegenden Feststellungsverfahren, ob öffentliche Interessen bestehen, nicht relevant. Zwar ist die Norm restriktiv auszulegen, jedoch schon alleine aufgrund des klaren Gesetzeswortlautes liegt Assanierungsbedürftigkeit des Gebäudes vor und ist dies jedenfalls ein öffentliches Interesse. Dass eine Mehrzahl an öffentlichen Interessen vorliegen müsste, ergibt sich aus § 30 Abs. 2 Z 15 MRG nicht. Wie die weitere Partei vorbrachte, ist bereits von den zuständigen Baubehörden die Übereinstimmung des Projekts mit den entsprechenden baubehördlichen Bestimmungen festgestellt worden, Hinweise auf Immobilienspekulationen haben sich nicht ergeben.

Die übrigen Beweisanträge waren für das vorliegende Feststellungsverfahren ebenso wenig beweiserheblich bzw. wurden bereits von der Behörde eingeholt. Entsprechende Anträge waren daher abzuweisen.

Abwägung öffentlicher mit privaten Interessen:

Eine solche Abwägung ist in einem Verfahren nach § 30 Abs. 2 Z 15 MRG jedenfalls durchzuführen und schutzwürdige private Interessen den öffentlichen Interessen gegenüber zu stellen (vgl. etwa allgemein VwGH vom 03.07.2001, Zl. 98/06/0126, unter Hinweis auf VwGH vom 20.04.1995, Zl. 94/06/0093 sowie VwGH vom 23.02.2001, Zl. 99/06/0131).

Allerdings lässt sich der Judikatur des VwGH auch entnehmen, dass von der Behörde solcherart schutzwürdige Interessen des Mieters an der Aufrechterhaltung des bisherigen Mietverhältnisses (offenbar vor dem Hintergrund der Gewaltentrennung gemäß Art. 94 Abs. 1 B-VG) lediglich insoweit berücksichtigt werden können, als diese nicht ohnehin im gerichtlichen Kündigungsverfahren – v.a. im Zusammenhang mit der Adäquanz des angebotenen Ersatzobjekts – geltend zu machen sind (vgl. dazu VwGH vom 23.11.2004, Zl. 24/06/0111, wo es um das Geschäftslokal als ausschließliche Existenzgrundlage ging).

Insgesamt folgt daraus, dass von der Behörde – unter der hypothetischen Annahme der (in concreto jeweils vom Zivilgericht zu prüfenden Frage der v.a. ökonomischen) Adäquanz des angebotenen Ersatzobjekts – zu untersuchen ist, ob sonstige schutzwürdige Interessen des Mieters an der Aufrechterhaltung des bisherigen Mietverhältnisses die öffentlichen Interessen an der Schaffung zusätzlichen Wohnraumes überwiegen.

Nach dem diesbezüglichen Vorbringen des Beschwerdeführers bestehen seine spezifischen Interessen an der Aufrechterhaltung des bisherigen Mietverhältnisses zum einen darin, dass er schon seit Jahrzehnten diese Liegenschaft nutze, er schwer gehbehindert sei, allfällige alternativen Mietangebote preislich überhöht oder ungeeignet gewesen seien und dass bei erhöhter Miete er finanzielle Probleme hätte.

Die vorgebrachten Interessen an einem Verbleib sind schutzwürdige Interessen, jedoch für das vorliegende Verfahren im vorliegenden Umfang nicht ausschlaggebend und überwiegen nicht das öffentliche Interesse an einer Assanierung. Es sind nämlich derartige Umstände im Bestandsverfahren betreffend eines adäquaten Vergleichsobjekts mit zu berücksichtigen. Zwar ist eine örtliche Veränderung nach jahrzehntelangem Benutzen zweifelsohne ein erheblicher Eingriff in die privaten Interessen, jedoch wäre sonst keine wohnbauliche Änderung in keinem Fall möglich und ist bei der bestehenden Planung der Wohnraumschaffung von gesamt 20 Wohnungen, gleichzeitiger Untergrundsanierung kontaminierten Erdreichs von größerem Gewicht, zumal da es sich um ein Gebiet handelt, welches sanierungswürdig ist und die vorliegend genutzte verbaute Fläche auch unterschritten wird, dem überwiegend. Auch die Frage der Barrierefreiheit (wobei konkrete Umstände und Notwendigkeiten auch vom Beschwerdeführer nicht konkret dargelegt wurden) und etwa nötiger Umbau eines künftigen Mietobjekts sind bestandsrechtliche Fragen, ebenso die Frage der Nähe zum Produktionsbetrieb. Bei den vorgebrachten privaten Interessen überwiegen gegenständlich die öffentlichen Interessen (vgl. auch VwGH 2004/06/0111).

Der Beschwerdeführer, welcher unentschuldigt zur Verhandlung nicht erschien, konnte auch nicht näher fundiert seine besonderen finanziellen Probleme durch eine Anmietung (mit dann marktüblichen Preisen) eines Ersatzobjekts darlegen. Hinweise auf besondere, für das vorliegende Verfahren relevante Umstände für die just dadurch sich stellende Frage eines wirtschaftlichen Überlebens, sind nicht hervorgekommen.

Die Qualifikation als assanierungsbedürftig wie sie in § 1 Abs. 2 Stadterneuerungsgesetz vorgeschrieben ist, ist daher erfüllt ist, da damit mindestens die Hälfte der vorhandenen Wohnungen mangelhaft ausgestattet ist. Gesamt betrachtet erweist sich die Feststellung der Behörde als rechtens.

Die ordentliche Revision ist unzulässig, da keine Rechtsfrage im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG zu beurteilen war, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung. Weiters ist die dazu vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Ebenfalls liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

Schlagworte

Assanierung; Neubau; Miethaus; Mietgegenstand; Sanierungsbedürftigkeit; Interessensabwägung; öffentliches Interesse

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:LVWGWI:2020:VGW.101.056.12466.2019

Zuletzt aktualisiert am

05.05.2020
Quelle: Landesverwaltungsgericht Wien LVwg Wien, http://www.verwaltungsgericht.wien.gv.at
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