TE Vwgh Beschluss 2020/4/1 Ra 2020/20/0072

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Veröffentlicht am 01.04.2020
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Index

10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG)
10/07 Verwaltungsgerichtshof
19/05 Menschenrechte
41/02 Asylrecht
41/02 Passrecht Fremdenrecht

Norm

BFA-VG 2014 §9 Abs2
BFA-VG 2014 §9 Abs3
B-VG Art133 Abs4
MRK Art8
VwGG §28 Abs3
VwGG §34 Abs1
VwGG §41

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Senatspräsidentin Dr. Hinterwirth sowie die Hofräte Mag. Eder und Mag. Cede als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. Kieslich, in der Rechtssache der Revision des P O in P, vertreten durch Mag. Farid Beglari, Rechtsanwalt in 8720 Knittelfeld, Parkstraße 4/II, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 25. September 2019, W215 2128960- 3/10E, betreffend Angelegenheiten nach dem AsylG 2005 und dem FPG (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl), den Beschluss gefasst:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

Begründung

1 Der Revisionswerber, ein Staatsangehöriger Tadschikistans, stellte am 31. Mai 2015 erstmals einen Antrag auf internationalen Schutz nach dem Asylgesetz 2005 (AsylG 2005). Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA) wies diesen Antrag mit Bescheid vom 21. Mai 2016 ab, erteilte keinen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen, erließ eine Rückkehrentscheidung gegen den Revisionswerber, stellte fest, dass seine Abschiebung nach Tadschikistan zulässig sei und legte eine 14-tägige Frist für die freiwillige Ausreise fest.

2 Mit Schriftsatz vom 7. Juli 2016 beantragte der Revisionswerber die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Beschwerdefrist und erhob gleichzeitig eine Beschwerde gegen den verwaltungsbehördlichen Bescheid. Mit Beschluss vom 13. Juli 2016 wies das Bundesverwaltungsgericht (BVwG) den Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zunächst als unzulässig zurück. Mit Beschluss vom 19. Juli 2016 nahm das BVwG das Verfahren über den Wiedereinsetzungsantrag wieder auf und erkannte dem Wiedereinsetzungsantrag die aufschiebende Wirkung zu.

3 Am 10. August 2018 stellte der Revisionswerber einen Folgeantrag auf internationalen Schutz und brachte dazu im Wesentlichen vor, vom Islam zum Christentum konvertiert zu sein, weshalb ihm im Herkunftsland asylrelevante Verfolgung drohe. 4 Mit Bescheid vom 30. Oktober 2018 wies das BFA den Antrag des Revisionswerbers auf internationalen Schutz ab (Spruchpunkte I. und II.), erteilte ihm keinen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen (Spruchpunkt III.), erließ gegen ihn eine Rückkehrentscheidung (Spruchpunkt IV.), stellte fest, dass die Abschiebung des Revisionswerbers nach Tadschikistan zulässig sei (Spruchpunkt V.), gewährte keine Frist für die freiwillige Ausreise (Spruchpunkt VI.) und erkannte einer Beschwerde die aufschiebende Wirkung ab (Spruchpunkt VII.). 5 Nach ersatzloser Behebung von Spruchpunkt VII. dieses Bescheides mit Erkenntnis vom 10. Dezember 2018 wies das Bundesverwaltungsgericht (BVwG) die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde mit dem angefochtenen Erkenntnis nach Durchführung einer Verhandlung (mit einer hier nicht weiter relevanten Spruchänderung) als unbegründet ab und sprach aus, dass die Revision an den Verwaltungsgerichtshof gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig sei.

6 Gegen dieses Erkenntnis erhob der Revisionswerber zunächst Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof, der die Behandlung der Beschwerde mit Beschluss vom 11. Dezember 2019, E 3738/2019-7, ablehnte. Mit Beschluss vom 14. Jänner 2020, E 3738/2019-10, trat der Verfassungsgerichtshof die Beschwerde über nachträglichen Antrag gemäß Art. 144 Abs. 3 B-VG dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung ab. In der Folge wurde die vorliegende Revision eingebracht.

7 Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

8 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegen der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen. 9 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen. 10 Die Beurteilung, ob die Erlassung einer Rückkehrentscheidung einen unverhältnismäßigen Eingriff in die nach Art. 8 EMRK geschützten Rechte eines Fremden darstellt, hat nach der ständigen Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes unter Bedachtnahme auf alle Umstände des Einzelfalles stattzufinden. Dabei muss eine gewichtende Abwägung des öffentlichen Interesses an einer Aufenthaltsbeendigung mit den gegenläufigen privaten und familiären Interessen des Fremden, insbesondere unter Berücksichtigung der in § 9 Abs. 2 BFA-Verfahrensgesetz (BFA-VG) genannten Kriterien und unter Einbeziehung der sich aus § 9 Abs. 3 BFA-VG ergebenden Wertungen, in Form einer Gesamtbetrachtung vorgenommen werden (vgl. VwGH 2.12.2019, Ra 2019/20/0537, mwN).

11 Die Interessenabwägung im Sinn des Art. 8 EMRK ist im Allgemeinen, wenn sie auf einer verfahrensrechtlich einwandfreien Grundlage erfolgt und in vertretbarer Weise im Rahmen der von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätze vorgenommen wird, nicht revisibel im Sinn des Art. 133 Abs. 4 B-VG (vgl. VwGH 31.10.2019, Ra 2019/20/0457, mwN).

12 Die Revision vermag mit ihrem Vorbringen zur Dauer des rechtmäßigen Aufenthalts des Revisionswerbers im Bundesgebiet nicht darzutun, dass das BVwG im gegenständlichen Fall die Interessenabwägung im Ergebnis unvertretbar vorgenommen hätte, zumal der Verwaltungsgerichtshof bereits wiederholt ausgesprochen hat, dass einer Aufenthaltsdauer von weniger als fünf Jahren für sich betrachtet noch keine maßgebliche Bedeutung für die nach Art. 8 EMRK durchzuführende Interessenabwägung zukommt (vgl. VwGH 28.1.2020, Ra 2019/20/0491, mwN). Nach den Feststellungen des BVwG hielt sich der Revisionswerber im Zeitpunkt der Erlassung der angefochtenen Entscheidung jedoch erst seit dem 31. Mai 2015 - somit rund viereinhalb Jahre - im Bundesgebiet auf.

13 Ausgehend davon sowie von den Feststellungen des BVwG zu den privaten und familiären Verhältnissen des Revisionswerbers kann auch keine derartige Verdichtung seiner persönlichen Interessen erkannt werden, dass bereits von "außergewöhnlichen Umständen" gesprochen werden könnte und sich die Interessenabwägung als unvertretbar erweisen würde (vgl. VwGH 5.6.2019, Ra 2019/18/0078, sowie 2.12.2019, Ra 2019/20/0537, zur erforderlichen außergewöhnlichen Integration bei einem erst viereinhalbjährigen Aufenthalt).

14 Entgegen der Behauptung des Revisionswerbers, wonach das BVwG Feststellungen zu seinen familiären Anknüpfungspunkten im Herkunftsstaat ohne jegliche Beweisgrundlage getroffen habe, gelangte das BVwG nach Durchführung einer Verhandlung und Würdigung diverser widersprüchlicher Ausführungen des Revisionswerbers im Verfahren vor dem BFA und dem BVwG zum Aufenthaltsort seiner Familienangehörigen im Rahmen seiner Beweiswürdigung zu dem Schluss, dass der Revisionswerber über zahlreiche familiäre Anknüpfungspunkte im Herkunftsstaat verfüge. Dass die diesbezügliche Beweiswürdigung in einer die Rechtssicherheit beeinträchtigenden, unvertretbaren Weise vorgenommen worden wäre (vgl. VwGH 4.2.2020, Ra 2020/20/0025, mwN), zeigt die Revision nicht auf.

15 Soweit der Revisionswerber in diesem Zusammenhang weiters darauf verweist, dass sich seine Mutter nicht mehr im Herkunftsstaat aufhalte, steht der Berücksichtigung dieses Vorbringens im Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof das aus § 41 VwGG abgeleitete Neuerungsverbot entgegen.

16 In der Revision werden sohin keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher gemäß § 34 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren zurückzuweisen. Wien, am 1. April 2020

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2020:RA2020200072.L00

Im RIS seit

19.05.2020

Zuletzt aktualisiert am

19.05.2020
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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