TE Bvwg Erkenntnis 2020/7/6 W103 2109247-2

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 06.07.2020
beobachten
merken

Entscheidungsdatum

06.07.2020

Norm

B-VG Art133 Abs4
VwGVG §3 Abs1

Spruch

W103 2109247-2/4E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. AUTTRIT als Einzelrichter über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , StA. Somalia, vertreten durch die XXXX , gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 28.05.2019, Zl. 1016028210-14556459, zu Recht erkannt:

A) Die Beschwerde wird gemäß § 3 Abs. 1 AsylG 2005, BGBl. I Nr. 100/2005 idgF, als unbegründet abgewiesen.

B) Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

1. Der nunmehrige Beschwerdeführer, ein damals minderjähriger Staatsangehöriger Somalias, stellte am 23.04.2014 den verfahrensgegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz, nachdem er zuvor unrechtmäßig in das Bundesgebiet eingereist war.

Anlässlich seiner am Tag der Antragstellung im Beisein einer Rechtsberaterin durchgeführten Erstbefragung vor einem Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes gab der Beschwerdeführer zunächst an, der Volksgruppe der Madhibaan sowie der moslemischen/sunnitischen Glaubensrichtung anzugehören und aus der Stadt XXXX zu stammen. Den Entschluss zur Ausreise habe er im November 2013 gefasst und seinen Herkunftsstaat im Dezember 2013 per Flugzeug verlassen. Zu seinem Fluchtgrund befragt, gab der Beschwerdeführer an, seinen Herkunftsstaat aufgrund seiner Clanzugehörigkeit verlassen zu haben. Sein Bruder habe eine Frau geheiratet, welche er nicht hätte heiraten dürfen, da sie einer Minderheit zugehören und in Somalia diskriminiert würden. Die Angehörigen der Freundin seines Bruders hätten diesen am 19.09.2013 getötet und geplant, den Beschwerdeführer ebenfalls zu töten. Aus Angst um sein Leben habe der Beschwerdeführer Somalia verlassen, darüberhinausgehende Fluchtgründe habe er nicht.

Am 30.04.2014 fand eine ärztliche Untersuchung zur Bestimmung des Knochenalters des Beschwerdeführers statt, der diesbezügliche Befund langte am 02.05.2014 bei der Behörde ein. Das Verfahren des Beschwerdeführers wurde in der Folge am 06.05.2014 zugelassen. Am 16.05.2014 langte eine Weitergabe der Vollmacht der BH XXXX an die XXXX bei der Behörde ein.

Am 11.11.2014 wurde der damals minderjährige Beschwerdeführer im Beisein eines geeigneten Dolmetschers für die somalische Sprache sowie seiner gesetzlichen Vertreterin niederschriftlich vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl einvernommen. Eingangs erklärte der Beschwerdeführer, gesund zu sein und sich auf die durchzuführende Einvernahme konzentrieren zu können, die Verständigung mit dem anwesenden Dolmetscher funktioniere gut. Seine bisherigen Angaben seien wahrheitsgemäß gewesen und seien ihm diese korrektermaßen rückübersetzt worden. Nach Befragung zu seinem Privat- und Familienleben in Österreich nahm die weitere Einvernahme des Beschwerdeführers den folgenden Verlauf:

"(...) LA: Gehören Sie einem bestimmten Stamm oder einer bestimmten Volksgruppe an?

AW: Ich gehöre den Mahdiban an.

...

LA: Welche Schulen haben Sie besucht?

AW: Ich habe keine Schule besucht.

LA: Was haben Sie stattdessen gemacht?

AW: Ich war nur zu Hause.

Befragt gebe ich an, dass ich immer zu Hause war.

LA: Haben Sie einen Beruf erlernt?

AW: Nein.

FRAGEN zu Ihren Familienangehörigen:

LA: Bitte nennen sie den Namen ihrer Eltern und Geschwister und das Alter!

AW: Meine Mutter ist verstorben. Mein Vater und meine 7 lebenden Geschwister sind in Somalia. Wo sie sich derzeit aufhalten, ist mir unbekannt.

LA: Wo halten sich Ihre Eltern und Geschwister aktuell auf?

AW: Ich weiß es nicht.

LA: Wann ist Ihre Mutter verstorben?

AW: Ca. Oktober 2013.

LA: Wie ist Ihre Mutter gestorben?

AW: Wir wurden angegriffen, sie wurde am Kopf verletzt und ist an den Verletzungen verstorben.

LA: Um welchen Angriff handelte es sich?

AW: Mein Bruder hat ein Mädchen aus Liebe entführt. Die Familie der Freundin meines Bruders wurde wütend und griffen uns an.

LA: Wie bestreiten Ihre Eltern den Lebensunterhalt in der Heimatregion?

AW: Mein Vater hat gearbeitet.

LA: Hat Ihr Vater bei Ihnen gelebt?

AW: Ja die gesamte Familie hat zusammen gelebt.

LA: Wenn Sie sagen, dass Sie nicht wissen wo sich Ihre Familie derzeit aufhält, wie meinen Sie das?

AW: Wir gehören einer Minderheit an. Durch den Angriff hat sich meine Familie bedroht gefühlt und ist geflüchtet.

LA: Wann war dieser Vorfall?

AW: Im September 2013.

LA: Haben Ihre Familienangehörigen die Absicht nach Österreich zu kommen?

AW: Ich weiß nicht einmal wo sie sind.

LA: Welche weiteren Familienangehörigen (Eltern, Geschwister, Onkel, Tanten, sonstige Angehörige) haben Sie noch in Ihrem Heimatland?

AW: Vermutlich schon, ich kenne sie aber nicht.

LA: Wo genau halten sich diese Angehörigen aktuell auf?

AW: Sie siedeln nicht in bestimmten Gegenden. Wir als Minderheit siedeln uns überall in Somalia an.

LA: Bitte erzählen Sie ein wenig über Ihr Leben in Somalia.

AW: Mein Vater arbeitete als Kraftfahrer für seinen Freund und konnte die Familie dadurch unterhalten. Meine Mutter war Hausfrau und hat nie gearbeitet. Wir Kinder waren zu Hause.

LA: Wo und wie lebten Sie und Ihre Familie?

AW: Wir haben in einem traditionellen Zelthaus gelebt.

...

LA: Aus welchen Gründen verließen Sie das Heimatland?

AW: Mein Bruder hat ein Mädchen aus Liebe entführt. Weil wir einer Minderheit angehören dürfen wir nicht mit anderen höheren Stammesangehörigen mischen.

Das Mädchen gehörte zur Volksgruppe der DHULBAHANTE. Die Angehörigen erfuhren, wo mein Bruder sich mit der Freundin aufhält. Dort haben Sie meine Bruder zusammengeschlagen und verletzt. Mein Bruder wollte sich wehren und hat jemanden mit einem Messer getötet.

LA: Wen hat er getötet?

AW: Jemanden von der Familie des Mädchens.

LA: Weiter bitte:

AW: Auch mein Bruder wurde dort getötet. Dann kam ein Angehöriger zu uns nach Hause und schlugen meine Mutter zusammen. Obwohl sie durch den Angriff meine Mutter so schwer verletzt haben und sie durch die schweren Verletzungen ums Leben kam, wollten sie uns erneut angreifen.

Ich bin dann geflüchtet mit Hilfe der Freunde meines Vaters und wie ich erfuhr, dass mein Vater und meine Geschwister auch geflohen sind

LA: Von wem haben Sie das erfahren?

AW: Genau kann ich es nicht sagen. Mir hat der Freund meines Vaters das gesagt.

LA: Wann hat er Ihnen das gesagt?

AW: Im November 2013.

LA: Das kann aber so nicht ganz stimmen. Sie sagten zuvor, dass Sie erst im Dezember 2013 das Land verlassen haben. Erklären Sie sich dazu:

AW: Somalia habe ich endgültig Dezember 2013 verlassen. Als ich aber erfuhr, dass mein Vater und meine Geschwister auch geflohen sind, das war Ende November Anfang Dezember 2013, war ich noch in Somalia.

LA. Wo haben Sie sich aufgehalten, bevor Sie Somalia endgültig verlassen haben?

AW: Im Haus der Schwester, des Freundes meines Vaters.

LA: Können Sie sich an das genaue Datum erinnern, wann der Vorfall war, an dem Ihr Bruder getötet wurde?

AW: Ich kann es nicht genau sagen, wie bereits erwähnt, ca. Mitte bis Ende September 2013.

LA: Sie haben in Ihrer Erstbefragung ein genaues Datum genannt:

AW: Es kann sein, aber es ist im September 2013 passiert.

LA: Wo wurde Ihr Bruder getötet?

AW: In XXXX .

LA: Wo hat er sich zu dieser Zeit aufgehalten?

AW: In einer Wohnung haben sie sich versteckt?

LA: Wie kann man sich "Wohnung" vorstellen?

AW: Ein Haus mit 2 Zimmern.

LA: Wem gehörte dieses Haus?

AW: Einem Freund meines Bruders.

LA: Wie ging es weiter, nachdem Ihr Bruder ermordet wurde?

AW: Frauen, die diesem Mädchen angehören, kamen zu uns nach Hause und schlugen meine Mutter zusammen.

LA: War das Mädchen eigentlich einverstanden?

AW: Ja.

LA: Waren Sie damals anwesend?

AW: Bei meinem Bruder war ich nicht dabei, als meine Mutter zusammengeschlagen wurde, war ich dabei.

LA: Was ist mit Ihrem verstorbenen Bruder danach passiert?

AW: Er ist begraben worden?

LA: Von wem ist er begraben worden?

AW: Von meinem Vater und dessen Freund.

LA. Wurde Ihre Mutter ins Spital gebracht?

AW: Nein.

LA: Wie viele Frauen waren das, die Ihre Mutter zusammengeschlagen haben.

AW: Um die 10 Frauen.

LA: Was haben Sie gemacht, als Sie das gesehen haben?

AW: Ich konnte nichts machen. Sie haben meine Mutter schwer verletzt und dann sind sie gegangen.

LA: Zu welcher Tageszeit war das?

AW: Gegen Vormittag.

LA: Wer war noch aller zu Hause zu dem Zeitpunkt?

AW: Ich und meine Geschwister. Mein Vater war nicht zu Hause.

LA: Wie alt war Ihr Bruder XXXX , als er gestorben ist?

AW: Ich kann mich nicht erinnern, er war älter als ich.

LA: Erzählen Sie noch ein wenig mehr von

AW: Es kamen ca. 10 Frauen zu uns nach Hause. Wir waren drinnen. Die kamen urplötzlich, stürmten rein und gingen auf meine Mutter los. Nach einigen Minuten gingen sie wieder weg.

LA: Was waren Ihre persönlichen Eindrücke?

AW: Ich kann mich erinnern, als meine Mutter geblutet hat und dass die Frauen wütend waren und noch weiter schlagen wollten.

LA: Wie lange hat das Ganze gedauert und warum sind die Frauen danach so schnell wieder weg.

AW: Wie gesagt nur einige Minuten, den Grund warum sie wieder gegangen sind weiß ich nicht.

LA: Wie schwer war die Verletzung Ihrer Mutter nach Ihrer Einschätzung.

AW: Sie haben mit Metallstangen auf den Kopf meiner Mutter geschlagen. Sie war regungslos.

LA. Warum wurde Ihre Mutter nicht in ein Krankenhaus gebracht?

AW: Wir hatten kein Geld, finanziell war es nicht möglich.

LA: Wer hat sie denn behandelt?

AW: Wäre sie medizinisch versorgt worden, hätte sie vermutlich überlebt.

LA: Haben Sie und Ihre Geschwister nicht versucht, Ihrer Mutter zu helfen?

AW: Es waren viele Frauen und wir waren jünger, meine übrigen Geschwister waren noch jünger als ich, wir haben uns das nicht zugetraut.

LA: Wurden Sie selbst jemals bedroht?

AW: Ich gehöre zu meiner Familie, die auch bedroht sind.

LA: Wenn Sie erwähnen, dass Sie wegen Ihrer Volksgruppenzugehörigkeit Probleme haben, wie äußerten sich diese?

AW: Allgemeine Probleme hatten wir. Zum Beispiel; ich konnte nicht die Schule besuchen, weil wir dort beschimpft und diskriminiert werden, tägliche Diskriminierungen erleben musste.

LA: Was war Ihrer Meinung nach der zuletzt ausschlaggebende Grund für Sie zu flüchten?

AW: Dass mein Bruder und meine Mutter getötet wurden.

LA: Gab es die Möglichkeit, dass man sich an die Polizei wendet?

AW: Nein.

LA: Warum nicht?

AW: Dort gibt es nicht die Möglichkeit zur Polizei zu gehen, weil es dort sowas nicht gibt.

...

LA: Hatten Sie noch weitere Fluchtgründe?

AW: Meinen Fluchtgrund habe ich Ihnen genannt. Dazu gebe ich an, dass ich allgemeine Probleme hatte aufgrund meiner Volksgruppenzugehörigkeit, sprich Beschimpfungen, Diskriminierungen, Beleidigungen.

LA: Hatten Sie wegen Ihrer Volksgruppenzugehörigkeit Probleme im Heimatland bzw. hatten Sie wegen Ihrer Religion/ Religionsausübung Probleme im Heimatland?

AW: Nein.

LA: Was würde bei aktueller (fiktiver) Heimkehr ins Heimatland passieren? Was würde Sie dort erwarten?

AW: Ich werde getötet.

LA: Hätten Sie damals die Möglichkeit gehabt, sich woanders ins Heimatland zu begeben, um sich der angeben Übergriffe/Probleme/Schwierigkeiten zu entziehen? bzw. haben Sie das schon erwogen / versucht - z.B. in ein anderes Gebiet?

AW: Nein, weil ich woanders niemanden habe. Wir sind in XXXX geboren und aufgewachsen, wir kennen uns woanders nicht aus. (...)"

Mit Eingabe vom 25.11.2014 wurde seitens der damaligen gesetzlichen Vertreterin des Beschwerdeführers eine Stellungahme zu den ihm anlässlich seiner Einvernahme ausgehändigten Länderberichten sowie zu dessen Volksgruppe eingebracht (zum detaillierten Inhalt vgl. Verwaltungsakt, Seiten 141 bis 143).

2. Mit Bescheid vom 19.05.2015, Zl. 1016028210-14556459, wies das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl den Antrag des Beschwerdeführers vom 23.04.2014 hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 ab (Spruchpunkt I.). Gemäß § 8 Abs. 1 AsylG 2005 wurde dem Beschwerdeführer der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt (Spruchpunkt II.) und diesem gemäß § 8 Abs. 4 AsylG eine befristete Aufenthaltsberechtigung bis zum 19.05.2016 erteilt (Spruchpunkt III.). Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl stellte die Staatsangehörigkeit und Volksgruppenzugehörigkeit, nicht jedoch die präzise Identität, des Beschwerdeführers fest und traf Feststellungen zur Lage in Somaliland.

Zu Spruchpunkt I. wurde seitens des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl festgestellt, dass sich die vom Beschwerdeführer als Gründe seiner Ausreise angegebenen Umstände als nicht glaubwürdig erwiesen hätten und nicht habe festgestellt werden können, dass diesem im Herkunftsstaat eine Verfolgung aus Gründen der Rasse, politischen Einstellung oder Religionszugehörigkeit drohe.

Zu Spruchpunkt II. wurde ausgeführt, dass dem Beschwerdeführer aufgrund der allgemein instabilen Lage in Somalia subsidiärer Schutz zu gewähren gewesen sei, zumal ihm eine Rückkehr in seine Heimat derzeit nicht zumutbar sei.

3. Gegen Spruchpunkt I. des Bescheides des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl richtete sich die fristgerecht am 02.06.2015 durch die damalige gesetzliche Vertreterin des Beschwerdeführers eingebrachte Beschwerde. In dieser wurde beantragt, den Bescheid zu Spruchpunkt I. zu beheben und dem Beschwerdeführer den Status eines Asylberechtigten zuzuerkennen. Die Bekämpfung des Spruchpunktes I. erfolgte wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit und Mangelhaftigkeit des Verfahrens. Begründend wurde zusammenfassend ausgeführt, der Beschwerdeführer sei sechzehn Jahre alt und gehöre der Volksgruppe der Madhiban an. Er habe Somalia im Alter von vierzehn Jahren verlassen, nachdem seine Mutter ca. im Oktober 2013, ebenso wie zuvor sein Bruder im September 2013, ermordet worden sei. Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl habe im Rahmen der vorgenommenen Beurteilung des Falles in keiner Weise das minderjährige Alter des Beschwerdeführers berücksichtigt, ebensowenig dessen mangelnde Bildung; der Angriff auf seine Mutter habe den Beschwerdeführer in einen Schockzustand versetzt, sodass er dessen genauen Ablauf nicht mehr schildern könne, auch sei er nicht in der Lage gewesen, zu beurteilen, ob diese im Falle ärztlicher Behandlung überlebt hätte; dies habe er lediglich angenommen und habe er überdies auch angegeben, dass sie kein Geld für eine Behandlung im Krankenhaus gehabt hätten. Was die scheinbare Emotionslosigkeit des Beschwerdeführers im Zuge seiner Einvernahme betreffe, so sei dieser Umstand auf eine innerpsychische Abwehrstrategie rückführbar, um diese Momente nicht neuerlich durchleben zu müssen. Auch sei es durchaus nachvollziehbar, dass der Beschwerdeführer sich anlässlich seiner Erstbefragung noch an das genaue Datum der Ermordung seines Bruders erinnern habe können, wohingegen ihm dies bei seiner Einvernahme vor der belangten Behörde mehrere Monate später nicht mehr möglich gewesen sei. Die Gefahr einer Ermordung habe auch für die Person des Beschwerdeführers bestanden, zumal dessen gesamte Familie aufgrund der Fehde und deren als minderwertig erachteter Volksgruppenzugehörigkeit seitens den Dhulbahante sowie den Familienangehörigen der Freundin seines verstorbenen Bruders bedroht worden sei, auch sei Ehrenverletzung aufgrund der stattgefundenen Entführung im Raum gestanden. Dass anlässlich des geschilderten Angriffs "lediglich" die Mutter des Beschwerdeführers getötet worden sei, bedeute nicht, dass der Beschwerdeführer und seine Geschwister nicht der Gefahr eines späteren Angriffs ausgesetzt wären. Das Bundesamt habe sich in keiner Weise mit den Angaben des Beschwerdeführers zu seiner Volksgruppenzugehörigkeit und der in diesem Zusammenhang seitens seiner Vertreterin eingebrachten schriftlichen Stellungnahme auseinandergesetzt und damit ein wesentliches Parteienvorbringen ignoriert. Die Beweiswürdigung der belangten Behörde lasse nicht erkennen, dass die Minderjährigkeit des Beschwerdeführers Berücksichtigung gefunden hätte und setze sich überdies nicht mit der spezifischen Lage der Madhiban bzw. der geschilderten Fehde/Ehrverletzung auseinander. Aufgrund der Minderjährigkeit des Beschwerdeführers wäre insgesamt ein milderer Maßstab bei der Beurteilung seiner Glaubwürdigkeit anzuwenden gewesen, diesbezüglich werde etwa auf VfGH 26.6.2013, U 1343, sowie VwGH 24.9.2014, Ra 2014/19/0020, verwiesen. Der Beschwerdeführer sei in seiner Heimat konkreten, seine Person betreffenden, Verfolgungshandlungen durch Clanmitglieder der Dhulbahante ausgesetzt und drohe ihm vor dem Hintergrund seiner Zugehörigkeit zur Volksgruppe der Madhiban asylrelevante Verfolgung. Die diesbezüglichen Befürchtungen des Beschwerdeführers stünden in Einklang mit den Länderberichten zu Somalia, insbesondere sei der somalische Staat nicht in der Lage, Schutz vor den dargelegten Bedrohungen zu bieten. Es würden daher die Anträge auf Durchführung einer mündlichen Verhandlung sowie auf Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gestellt.

4. Die Beschwerdevorlage des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl langte am 25.06.2015 beim Bundesverwaltungsgericht ein.

5. Mit hg. Beschluss vom 07.11.2016, Zl. W103 2109247-1/7E, wurde der bekämpfte Bescheid behoben und die Angelegenheit gemäß § 28 Abs. 3 zweiter Satz VwGVG, BGBl. I Nr. 33/2013 in der Fassung BGBl. I Nr. 122/2013, zur Erlassung eines neuen Bescheides an das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl zurückverwiesen. Begründend wurde insbesondere festgehalten, die belangte Behörde habe verabsäumt, den konkreten länderspezifischen Hintergrund des Vorbringens des Beschwerdeführers sowie dessen individuellen Entwicklungsstand zu ermitteln und in die Beurteilung der Glaubwürdigkeit des vorgebrachten Verfolgungssachverhaltes miteinzubeziehen.

Am 11.04.2017 übermittelte die damalige gesetzliche Vertreterin nach diesbezüglicher Anfrage des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl einen im August 2016 durch die Diakonie erstellten Sozialbericht zur Person des Beschwerdeführers.

6. Am 02.06.2017 wurde der (zwischenzeitig volljährige) Beschwerdeführer im fortgesetzten Verfahren vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl im Beisein eines geeigneten Dolmetschers für die somalische Sprache niederschriftlich einvernommen. Der Beschwerdeführer gab eingangs an, sich psychisch und physisch zur Durchführung der Einvernahme in der Lage zu fühlen, er beherrsche Deutsch auf dem Niveau B1, habe den Hauptschulabschluss im Bundesgebiet absolviert und suche nunmehr nach einer Lehrstelle. Den Kontakt zu seiner Familie habe er Anfang 2016 wieder herstellen können, diese lebe nunmehr in Äthiopien an der Grenze zu Somalia. Seine Familie - seine Stiefmutter, sein Vater und seine Geschwister - würden planen, bei der österreichischen Botschaft in XXXX Einreiseanträge zu stellen. Mit der erwähnten Stiefmutter sei sein Vater bereits verheiratet gewesen, als die Mutter des Beschwerdeführers noch am Leben gewesen wäre. Der Beschwerdeführer bestätigte, dass seine bisherigen Angaben im Verfahren der Wahrheit entsprochen hätten und sich hinsichtlich seiner Fluchtgründe seit der letzten Einvernahme keine Änderung ergeben habe. Danach gefragt, wie sich sein Leben als Angehöriger der Madhiban im Heimatstaat gestaltet hätte, gab der Beschwerdeführer an, dass es viele Probleme und Diskriminierung gegeben hätte. Sein Bruder sei getötet worden, dem Beschwerdeführer sei ein Schulbesuch nicht möglich gewesen. Seinen Herkunftsstaat habe er aufgrund seines Bruders verlassen. Dieser sei am 19.09.2013 getötet worden. In der Folge sei seine Mutter bedroht und geschlagen worden. Diese sei im 11. Monat 2013 verstorben, als der Beschwerdeführer sich in Mogadischu aufgehalten hätte. Von deren Tod habe er in Mogadischu erfahren. Im Vorfeld seiner Ausreise habe er sich kurz bei einem Freund seines Vaters in Mogadischu aufgehalten. Über die Beziehung seines Bruders zu dem Mädchen aus dem Clan der Dhulbahante habe der Beschwerdeführer keine genauere Kenntnis bzw. Erinnerung. Nach dem Angriff auf seine Mutter, den er zeitlich nicht mehr genau einordnen könne, sei der Beschwerdeführer noch ca. einen Monat zuhause gewesen. Der Beschwerdeführer sei mit einem Freund seines Vaters nach Mogadischu gegangen, seine Familie sei in ein Dorf in Äthiopien geflüchtet, wo seine Mutter schließlich verstorben wäre.

Einer durch das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl eingeholten Anfragebeantwortung der Staatendokumentation vom 16.10.2017 (vgl. AS 431 ff) lässt sich im Wesentlichen entnehmen, dass eine durchgeführte fallspezifische Recherche durch eine Vertrauensperson in Somalialand ergeben hätte, dass ein Vorfall wie der vom Beschwerdeführer geschilderte in XXXX nicht stattgefunden hätte. Es hätten im Zuge von Gesprächen mit verschiedenen ortsansässigen Personen keinerlei Informationen hinsichtlich der Ermordung eines jungen Madhibani im September 2013 sowie der Ermordung einer Madhiban-Mutter durch Frauen der Dhulbahante aufgefunden werden können.

Mit Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 18.05.2018 wurde die befristete Aufenthaltsberechtigung des Beschwerdeführers als subsidiär Schutzberechtigter gemäß § 8 Abs. 4 AsylG 2005 bis zum 19.05.2020 verlängert.

Mit Eingabe vom 08.05.2019 brachte der Beschwerdeführer nach diesbezüglicher Aufforderung durch das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl eine schriftliche Stellungnahme im Rahmen des Parteiengehörs ein, in welcher dieser zunächst sein Familien- und Privatleben in Österreich schilderte und auf die in Somalia herrschende Dürresituation verwies. Zudem wurde auf auszugsweise zitierte Berichte zur Situation von Angehörigen der Minderheit der Madhiban verwiesen. Der Beschwerdeführer wisse nicht, wo sich seine Familie aufhalte, habe keine Schule besucht, keinen Beruf erlernt und würde daher ohne Unterstützung in Somalia in kürzester Zeit in eine existenzbedrohende Lage geraten.

7. Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid vom 28.05.2019 wurde der Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz vom 23.04.2014 hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 abgewiesen.

Im Rahmen der Entscheidungsbegründung wurde insbesondere festgehalten, dass die Identität des Beschwerdeführers nach wie vor nicht feststünde, ebensowenig habe festgestellt werden können, ob dieser tatsächlich der Volksgruppe der Madhiban angehöre. Der Beschwerdeführer stamme aus XXXX in Somaliland, seine Familienangehörigen hielten sich in Äthiopien auf. Der Beschwerdeführer, welcher im Herkunftsstaat keine Schule besucht und keinen Beruf erlernt hätte, sei als unbegleiteter Minderjähriger illegal ins Bundesgebiet eingereist, habe hier den Pflichtschulabschluss absolviert und sei gesund. Den vom Beschwerdeführer angeführten Motiven für das Verlassen seines Heimatlandes würden auch nach erneuter Prüfung des Sachverhaltes keine Konventionsgründe zugrunde liegen. Der Beschwerdeführer werde aufgrund seiner Clanzugehörigkeit nicht verfolgt. Dessen Ausführungen hinsichtlich der Problematik rund um eine unerwünschte Beziehung seines Bruders mit einer Angehörigen des Clans der Dhulbahante und einer in diesem Zusammenhang stehenden nachhaltigen Verfolgung seiner Person bzw. seiner Familie durch den Hauptclan seiner Heimatstadt habe nicht glaubhaft festgestellt werden können. Es habe nicht festgestellt werden können, dass der Beschwerdeführer in Somalia einer konkreten, seine Person betreffenden, ungesetzmäßigen Verfolgung durch staatliche Organe ausgesetzt gewesen wäre oder dies für die Zukunft zu befürchten habe. Diesem drohe aufgrund seiner Ausreise, seiner Asylantragstellung sowie anderer Umstände, die sich außerhalb des Herkunftslandes ereignet hätten, keine Verfolgung.

Die Unglaubwürdigkeit des vom Beschwerdeführer dargelegten Ausreisegrundes begründete das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl in der Beweiswürdigung des angefochtenen Bescheides im Wesentlichen wie folgt:

"(...) Wie im Bescheid des BFA von 17.07.2015 ausgeführt, erachtete das BFA Ihr Vorbringen hinsichtlich einer Problematik rund um eine Beziehung Ihres Bruders als Angehöriger der Madhibaan mit einer Angehörigen des Clans der Dulbahante und einer hieraus resultierenden Verfolgung Ihrer Person bzw. Ihrer Familie als nicht glaubwürdig.

Weiters wurde festgestellt, dass Sie in Ihrem Heimatland nicht aus Gründen der Rasse, Religion oder der politischen Einstellung verfolgt wurden.

Im Sinne einer ganzheitlichen Würdigung des Fluchtvorbringens fehlten dem BVwG im behobenen Bescheid des BFA allerdings nähere Feststellungen zur Minderheit der Madhibaan sowie dem Hauptclan der Dulbahante und deren Beziehung zueinander, welche Voraussetzung wären, um vor deren Hintergrund die Plausibilität der geschilderten Konfliktlage bzw. Verfolgungsgefahr beurteilen zu können, zumal sich im Rahmen der seitens des BFA getroffenen Länderfeststellungen lediglich ein vergleichsweiser kurzer Abschnitt zu Minderheiten in Somaliland findet, welchem keine konkrete Aussage in Bezug auf den zu beurteilenden Sachverhalt zu entnehmen ist.

Nach Ansicht des BVwG ist eine individuelle Gefährdung Ihrer Person, angesichts des von Ihrem Bruder gesetzten Verhaltens (in Bezug auf eine Entführung einer Angehörigen eines Hauptclans und damit erfolgter Verstoß gegen eine seitens des Mehrheitsclans vorgegebene Tradition, sowie auch insbesondere aufgrund der Ermordung eines Angehörigen jenes Mehrheitsclans durch Ihren Bruder) aufgrund Ihrer Familien - bzw. ethnischen Zugehörigkeit, in Bezug auf welche die Behörden Somalilands allenfalls nicht schutzwillig oder -fähig wären, nicht auszuschließen.

Das BFA wurde daher beauftragt, nach Durchführung einer ergänzenden Einvernahme und nach Heranziehung entsprechender aktueller Herkunftslandquellen die Glaubwürdigkeit des fluchtrelevanten Vorbringens unter Berücksichtigung Ihres persönlichen Entwicklungsstandes (angesichts Ihrer Minderjährigkeit im Verfahren) sowie Ihres Bildungsstandes einer neuerlichen Beurteilung zu unterziehen.

Dem Auftrag des BVwG folgend wurde am 07.04.2017 eine Anfrage an die Staatendokumentation des BFA gestellt, welche am 16.10.2017 Beantwortung fand.

Überdies wurde über Ihre vormals gesetzliche Vertretung (Diakonie Flüchtlingsdienst) ein Sozialbericht angefordert und wurden Sie am 02.06.2017 einer ergänzenden Einvernahme unterzogen.

Im Zuge dieser Einvernahme wurden Sie konkret zu Ungereimtheiten im Zusammenhang mit den Umständen befragt, welche zu Ihrer Flucht aus Somalia geführt hätten. Aber auch im Rahmen dieser Einvernahme konnten Sie keinen schlüssigen Sachverhalt schildern, wonach Ihr Fluchtvorbringen als glaubhaft zu werten wäre, zumal auch in der ergänzenden Einvernahme neuerlich Unstimmigkeiten auftraten, welche von Ihnen nicht aufgeklärt werden konnten.

Anhand Ihrer wenigen sachdienlichen Hinweise bzw. Ihres weiterhin oberflächlichen Aussageverhaltens zu gerade jenen ausschlaggebenden Ereignissen, welche Sie im Stande sein hätten müssen, zumindest im Groben wiederzugeben, weil Sie es schließlich erlebt hätten, ist zu sagen, dass auch aus Ihren neuerlich getätigten Angaben keine schlüssigeren Erkenntnisse zu gewinnen waren, als bisher.

Konkreten Fragen begegneten Sie lediglich mit knappen aussagearmen Argumenten oder meinten, dass die Ereignisse schon lange zurückliegen und Sie sich nicht mehr erinnern könnten. Wenn Sie in Bezug auf Wiedersprüche im Rahmen Ihres bisherigen Vorbringens aufgefordert wurden, nähere Erklärungen abzugeben, war jedoch allgemein festzustellen, dass Sie oberflächlich gesehen zwar eine Rahmengeschichte vorbrachten, in gerade jenen Bereichen, welche erwartungsgemäß einen persönlichen Erlebnishintergrund Ihrer Person darstellen sollten war Ihr Vorbringen jedoch zu vage und allgemein, um von tatsächlich durchlebten Ereignissen ausgehen zu können.

Beispielsweise wussten Sie, trotz mehrmaligem Versuch, Ihnen dahingehend mehr Einzelheiten zu entlocken, nichts darüber zu berichten, was in der Zeit nach der Verletzung Ihrer Mutter, bis zu Ihrer Reise nach Mogadischu passiert ist, obwohl Sie angegeben hatten, danach etwa einen Monat noch zu Hause verbracht zu haben. Auf die Frage nämlich, ob in diesem einen Monat noch irgendetwas passiert wäre gaben Sie lediglich an, dass Sie Angst gehabt hätten, dass Sie erneut von der Familie angegriffen würden. Auf die anschließende Frage, ob Ihre Familie damals noch in Ihrem Heimatort geblieben ist, meinten Sie wiederum Ihre Familie wäre bereits damals in Richtung Äthiopien geflüchtet.

Wie sich im Rahmen der Nachfragen in der ergänzenden Einvernahme am 02.06.2017 ebenfalls herausstellte, wäre Ihre Mutter bereits in Äthiopien gewesen, als Sie gestorben wäre. Andererseits ist dann nicht verständlich, warum Sie auch angegeben hatten, Sie hätten sich noch etwa 1 Monat zu Hause aufgehalten, bevor Sie von dem Freund Ihres Vaters nach Mogadischu mitgenommen worden wären.

Warum Sie dann nichts Genaues über Ihre Lebensumstände, den Verbleib Ihrer Familie, den alltäglichen Dingen des Lebens oder persönlichen Emotionen in Zusammenhang mit den genannten Vorfällen innerhalb dieses Zeitraumes, als Sie sich noch zu Hause aufgehalten haben wollen erzählen konnten, ist absolut nicht nachvollziehbar.

Außerdem lassen Ihre Aussagen jegliche Plausibilität vermissen, andernfalls Sie in der Lage gewesen sein hätten müssen, mehr Einzelheiten aus eigener Wahrnehmung zu erzählen.

Auf Vorhalt, warum Sie vor dem BFA angegeben haben, dass Sie nicht wissen, wo sich Ihr Vater und Ihre Geschwister befinden, wenn Sie vom Tod Ihrer Mutter erfahren haben wollen, als Sie sich bereits in Mogadischu befunden haben, weil Ihre Familie Sie von Äthiopien aus vom Tod Ihrer Mutter benachrichtigt hat, meinten Sie nur ausweichend, Sie hätten sehr wohl gesagt, dass Ihre Mutter in einem Dorf gestorben sei, Sie aber nicht gefragt worden wären, wo das Dorf ist und Sie wären sich auch nicht sicher gewesen, ob Ihre Familie in Äthiopien ist. (EV Protokoll 02.06.2017 S. 9)

Andererseits behaupten Sie an anderer Stelle, dass Sie gleich nach dem Vorfall, als Ihre Mutter verletzt wurde, nach Mogadischu gekommen wären. Dies würde aber bedeuten, dass Ihnen die nachfolgenden Geschehnisse in Ihrem Heimatort und die Umstände rund um Ihre Familie tatsächlich nicht bekannt sein können.

Fakt ist, dass Sie weder zum einen noch zum anderen Szenario in der Lage waren, wenigstens ein Mindestmaß an konkreten, plausiblen Aussagen zu einem eher einfach strukturieren Sachverhalt zu tätigen oder Ungereimtheiten aufzuklären und konnten Sie die Behörde auch im fortgesetzten Verfahren nicht vom Wahrheitsgehalt Ihres Vorbringens überzeugen.

Auch bestärkt das Rechercheergebnis der in Auftrag gegebenen Anfragebeantwortung der Staatendokumentation des BFA von 16.10.2017 das BFA in seiner Ansicht, die bereits im vorangegangenen Bescheid des BFA als unglaubwürdig bezeichneten Feststellungen Ihre Fluchtgründe betreffend auch weiterhin als nicht glaubhaft zu befinden.

In Hinblick auf den fehlenden Realitätsbezug Ihrer Geschichte wurde in Ihrer Heimatregion mit besonderem Augenmerk auf die von Ihnen behaupteten Vorfälle in XXXX , in dem von Ihnen genannten Zeitraum recherchiert. Wie aus der Anfragebeantwortung jedoch hervorgeht, lassen sich keine Hinweise entnehmen, wonach es in besagtem Zeitraum jemals zu derartigen Vorfällen gekommen ist. Bemerkt werden sollte an dieser Stelle, dass Ihnen das Ergebnis der Anfragebeantwortung im Rahmen eines schriftlichen Parteiengehörs nachweislich übermittelt wurde, Sie jedoch von der Möglichkeit hierzu Stellung zu nehmen keinen Gebracht gemacht haben.

Zusammengefasst ergab die Staatendokumentationsanfragebeantwortung folgenden Sachverhalt:

Weder gibt es Informationen über einen jungen Mann, der im September 2013 in XXXX von Dulbahante ermordet worden sein soll, noch dass im Oktober oder November 2013 eine Mutter - Angehörige der Madhibaan - in XXXX von Frauen der Dulbahante ermordet worden wäre.

Ihre ohnehin unzureichenden Angaben in Bezug auf die misteriösen Umstände rund um den Tod Ihrer Mutter wurden durch das Rechercheergebnis auch insofern wiederlegt, als dass es innerhalb Ihres Clans unvorstellbar ist, dass einer schwerverletzten Madhiban Mutter nicht geholfen werden würde. Aufgrund der Unstimmigkeiten Ihres diesbezüglichen Vorbringens geht die Behörde somit davon aus, dass auch in diesem Punkt Ihre Angaben nicht den Tatsachen entsprechen.

In Übereinstimmung mit den Länderfeststellungen wird zwar nicht verkannt, dass es weiterhin zur Tabuisierung von Mischehen kommt (UNHRC 6.9.2017) und dass Mischehen in Somaliland von den Clanfamilien Isaaq und Darod vehement abgelehnt werden, während andere noble Clans diese eher akzeptieren (SEM 31.5.2017), jedoch geht aus den der Behörde zugrundeliegenden Länderinformationen auch hervor, dass sollte eine Mischehe zu Stande kommen, es unter solchen Umständen zu sozialem Druck kommt und so gut wie nie zu Gewalt oder gar Tötungen kommt.

Außerdem wären Vorfälle, in denen es etwa in Somaliland im Zusammenhang mit Mischehen zu Gewalt kam, in somaliländischen Medien dokumentiert (SEM 31.5.2017) und hätten dahingehend somit auch Anhaltspunkte für die von Ihnen ins Treffen geführten Vorkommnisse gefunden werden müssen.

In Ihrem Fall konnte jedoch durch die fallspezifische Recherche in Ihrem XXXX ein solches Ereignis nicht bestätigt werden.

Ihre ohnehin sehr oberflächlichen Angaben wurden letztlich somit durch das Rechercheergebnis der Staatendokumentation insoweit entkräftet, dass die von Ihnen ohnedies sehr vage beschriebenen Vorfälle so nicht stattgefunden haben und war weiterhin am Wahrheitsgehalt Ihres Fluchtvorbringens zu zweifeln.

Aus der Anfragebeantwortung geht weiters hervor, dass der Beruf Ihres Vaters - Sie gaben an, er sei LKW Fernfahrer gewesen - ein unüblicher Beruf für einen Angehörigen der Madhiban sei, zumal Angehörige dieses Clans mehrheitlich handwerklichen Berufen wie Schneider, Schuster, Friseur oder Mechaniker nachgehen würden, was einen weiteren Unstimmigkeitsfaktor Ihres Vorbringens darstellt, wodurch die behauptete Clanzugehörigkeit nunmehr zweifelhaft erscheint und war deshalb auch Ihr übriges Vorbringen in Zusammenschau mit den erhobenen Ermittlungsergebnisse trotz eingehender Befragung in seiner Gesamtheit schwer nachzuvollziehen.

Auch ist es nicht unüblich, und stellt dies eine weitere Unstimmigkeit dar, dass Madhibaan Familien, die deren 13 - 14 Jahre alten Jugendlichen nicht zur Schule schicken, diese stattdessen zum Markt schicken würden, um zum Familieneinkommen beizutragen. Sie hingegen behaupten, dass Sie nur zu Hause gewesen wären.

Hinsichtlich der Ausführungen im Rahmen Ihrer Beschwerde, Sie haben sich zum Zeitpunkt des Angriffs auf Ihre Mutter in einem Schockzustand befunden und können aus diesem Grund den genauen Ablauf des Vorfalls nicht mehr schildern, ist auszuführen, dass die Behörde gewiss nicht verkennt, dass ein solches Erlebnis ein Verhalten indizieren kann, wonach die betroffene Person dieses Erlebnis ausblendet.

Hierzu ist auszuführen, dass aufgrund der Minderjährigkeit eines Asylwerbers im Zeitpunkt des fluchtauslösenden Ereignisses - Unstimmigkeiten im Aussageverhalten bzw. Lücken und Unschärfen des Erinnerungsvermögens vorliegen können und auch hinzunehmen sind (siehe dazu auch das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 24.09.2014, Zl. 2014/19/0020).

Unter dem Aspekt jedoch, dass Sie nicht einmal als 18 Jähriger in der Lage waren, zu Ihren eigenen persönlichen täglichen Lebensumständen vor und nach den behaupteten Vorfällen, trotz Aufforderung, dies zu tun, nichts zu berichten wussten, führt auch die Berücksichtigung des Umstandes, dass Sie zum Zeitpunkt der von Ihnen geschilderten Ereignisse noch jugendlich waren, was bedingt, dass die "Dichte" des Vorbringens nicht mit "normalen Maßstäben" gemessen werden darf (s. VwGH 14.12.2006, 2006/01/0362; 16.04.2002, 200/20/0200), zu keiner anderen Beurteilung, da im konkreten Fall anhand Ihres schmalen Aussageverhaltens auch die herabgesetzte Anforderung an die "Dichte" des Vorbringens als nicht erfüllt zu betrachten ist.

auch nach nochmaliger Beleuchtung der von Ihnen angeführten Problempunkte unter Berücksichtigung Ihrer Minderjährigkeit und Ihres persönlichen Entwicklungsstatus zum Zeitpunkt der Ausreise, auch zum gegenwärtigen Zeitpunkt, kein begründeter Sachverhalt festgestellt werden, wonach Ihnen zukünftig in Ihrem Heimatland eine Verfolgung aus Konventionsgründen drohen könnte. Angesichts der durchgeführten Recherche sowie den Informationen aus den damit zusammenhängenden stehenden Erkenntnisquellen und den der Behörde vorliegenden allgemeinen Länderinformationsblättern ergaben sich in Zusammenschau mit Ihren Angaben im Asylverfahren somit keine maßgeblichen Indizien, wonach in Ihrem Fall bei einer etwaigen Rückkehr nach Somalia von einer gezielten Verfolgung auszugehen sein sollte und sieht sich die Behörde auch weiterhin nicht im Stande, die Plausibilität und

Glaubhaftigkeit des Kerninhaltes Ihrer Erzählung als glaubhaft zu beurteilen. Aufgrund der erhobenen Ermittlungsergebnisse in Zusammenschau mit einer neuerlichen Befragung Ihrer Person gelangt die erkennende Behörde in einer Gesamtbetrachtung deshalb erneut zu dem Schluss, dass in Ihrem Fall kein Sachverhalt vorliegt, aus welchem die tatbestandsmäßigen Voraussetzungen der Flüchtlingseigenschaft entnommen werden können und geht die Behörde weiterhin davon aus, dass es sich bei diesem Vorbringen um ein bloßes Konstrukt handelt und Sie nicht die wahren Beweggründe für diese Asylantragstellung dargelegt haben.

Abschließend ist festzuhalten, dass Ihnen zum Zeitpunkt der Bescheiderstellung gerade wegen Ihrer Minderjährigkeit, subsidiärer Schutz in Österreich gewährt wurde, zumal Ihnen eine Rückkehr mangels tragfähigem familiärem und sozialen Netzwerk sowie mangelnder Schulbildung und beruflicher Qualifikationen, nicht zugemutet werden konnte. (...)"

8. Gegen diesen Bescheid wurde durch die nunmehr bevollmächtigte Rechtsberatungsorganisation mit am 25.06.2019 eingelangtem Schriftsatz fristgerecht die verfahrensgegenständliche Beschwerde erhoben, in der begründend zusammengefasst ausgeführt wurde, der Beschwerdeführer sei als Angehöriger eines Minderheitenclans jahrelang Diskriminierungen ausgesetzt gewesen, darüber hinaus sei die gesamte Familie des Beschwerdeführers aufgrund einer Fehde und deren als minderwertig erachteter Volksgruppenzugehörigkeit asylrelevanter Verfolgung ausgesetzt. Der Beschwerdeführer unterliege in seiner Heimat konkreten, seine Person betreffenden, Verfolgungshandlungen durch Clanmitglieder der Dhulbahante und ihm drohe aufgrund seiner Zugehörigkeit zur Volksgruppe der Madhiban Verfolgung. Die belangte Behörde sei ihrer Verpflichtung zur amtswegigen Erforschung des maßgeblichen Sachverhaltes nicht nachgekommen. Die von der Behörde herangezogenen Länderberichte seien nicht geeignet, das Vorbringen des Beschwerdeführers abschließend und umfassend beurteilen zu können. Verwiesen wurde auf ergänzendes Berichtsmaterial, welches die prekäre Situation von Angehörigen der Minderheit der Madhiban belegen würde. Die Berichte würden unter anderem hervorheben, dass "Mischehen" zwischen Minderheitengruppen und Hauptclans traditionell verboten wären und Minderheitengruppen, welche oft über keine bewaffneten Milizen verfügen würden, unverhältnismäßig oft von Tötung, Folter, Vergewaltigung, Entführung und Plünderung durch Milizen und Angehörige von Hauptclans betroffen wären. Viele Minderheiten würden in tiefer Armut leben und von zahlreichen Formen von Diskriminierung und Ausgrenzung betroffen sein. Der Beschwerdeführer habe sein Vorbringen detailliert und lebensnah gestaltet. Diesem würden genaue Zeitangaben schwer fallen und er könne sich an die genaue Dauer seines weiteren Aufenthalts nach dem Übergriff auf seine Mutter nicht mehr erinnern; er sei jedoch sobald es ihm möglich gewesen wäre, geflüchtet. Der Freund des Vaters habe angeboten, den Beschwerdeführer mit nach Mogadischu zu nehmen, da er der Familie helfen habe wollen. Der Beschwerdeführer habe dann in Mogadischu vom Tod seiner Mutter in einem Dorf in Äthiopien erfahren. Wenn das BFA vermeine, dass einer Anfragebeantwortung der Staatendokumentation zu Vorfällen im Wohnort des Beschwerdeführers keine Hinweise zu entnehmen wären, dass es im besagten Zeitraum zu derartigen Vorfällen gekommen wäre, sei dem entgegenzuhalten, dass diese Anfragebeantwortung keinesfalls dazu geeignet wäre, die Fluchtgeschichte des Beschwerdeführers als solche zu entkräften, da nicht davon ausgegangen werden könne, dass jeder Vorfall in einem Zusammenhang mit einem Clankonflikt in jedem Dorf dokumentiert werde. Dem Beschwerdeführer würden im Herkunftsstaat konkrete, seine Person betreffende Verfolgungshandlungen durch Clanmitglieder der Dhulbahante drohen, bezüglich derer er den Schutz seines Herkunftsstaates nicht in Anspruch nehmen könne.

9. Die Beschwerdevorlage des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl langte am 03.07.2019 beim Bundesverwaltungsgericht ein.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Auf Grundlage des Verwaltungsaktes der belangten Behörde und der in diesem Verfahren herangezogenen Hintergrundberichte zur aktuellen relevanten Lage in Somalia wird seitens des Bundesverwaltungsgerichtes Folgendes festgestellt:

1.1. Zur Person

Der Beschwerdeführer, dessen präzise Identität und Volksgruppenzugehörigkeit nicht zweifelsfrei festgestellt werden konnten, ist volljähriger Staatsangehöriger Somalias und bekennt sich zum moslemischen Glauben. Er stammt aus Somaliland, wo er gemeinsam mit seinen Eltern und Geschwistern in der Stadt XXXX gelebt hat. Eigenen Angaben zufolge gehört der Beschwerdeführer der Minderheit der Madhiban an. Der Beschwerdeführer hat seinen Herkunftsstaat Ende des Jahres 2013 als Minderjähriger verlassen und ist schlepperunterstützt illegal nach Österreich gereist, wo er am 23.04.2014 den gegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat.

Nicht festgestellt werden kann, dass der Beschwerdeführer seinen Herkunftsstaat aus wohlbegründeter Furcht vor Verfolgung verlassen hat oder nach einer allfälligen Rückkehr mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit asylrelevante Übergriffe zu befürchten hätte. Insbesondere kann nicht festgestellt werden, dass der Beschwerdeführer aufgrund einer Zugehörigkeit zur Minderheit der Madhiban respektive aufgrund der Angehörigeneigenschaft zu seinem im Jahr 2013 getöteten Bruders bei einer Rückkehr einen Eingriff in seine körperliche Unversehrtheit zu befürchten hätte.

Der unbescholtene Beschwerdeführer lebt aktuell aufgrund einer befristeten Aufenthaltsberechtigung als subsidiär Schutzberechtigter in Österreich.

1.2. Zum Herkunftsstaat:

Die aktuelle politische und menschenrechtliche Situation in Somalia (Somaliland) stellt sich unter Heranziehung der erstinstanzlichen Feststellungen (auszugsweise) dar wie folgt:

...

Sicherheitslage

Hinsichtlich Somaliland ist kein essentielles Sicherheitsproblem bekannt (BFA 8.2017). In Somaliland herrscht Frieden (ZEIT 22.11.2017). Der in Somaliland etablierten de facto-Regierung ist es gelungen, ein für die Region durchaus bemerkenswertes Maß an Stabilität und Ordnung herzustellen (AA 4.2017a). Die somaliländische Regierung übt über das ihr unterstehende Gebiet Kontrolle aus (USDOS 3.3.2017).

In Somaliland wurde im somaliaweiten Vergleich das bislang größte Maß an Sicherheit, Stabilität und Entwicklung erreicht (AA 1.1.2017). Somaliland ist das sicherste Gebiet Somalias, die Sicherheitslage ist dort deutlich stabiler (UNHRC 6.9.2017; vgl. ÖB 9.2016). Mehrere Quellen bezeichnen Somaliland als sicher. Die Einwohner bewegen sich frei und gewiss, nicht angegriffen zu werden. In Hargeysa und auch in den ländlichen Gebieten - mit Ausnahme der umstrittenen Teile - sind lebensbedrohliche Zwischenfälle eine Seltenheit (BFA 8.2017). Insbesondere die Regionen Awdal, Woqooyi Galbeed und Togdheer gelten als relativ friedlich (EASO 2.2016). Politische Konflikte und Machtkämpfe werden gewaltlos ausgetragen (BS 2016).

Somaliland war in der Lage, die Bedrohung durch al Shabaab einzudämmen (UNHRC 6.9.2017). Anschläge oder Kampfhandlungen der al Shabaab gab es keine (ÖB 9.2016), die Terrorgruppe kontrolliert in Somaliland keine Gebiete (AA 1.1.2017). Seit 2008 hat es in Somaliland keine terroristischen Aktivitäten der al Shabaab mehr gegeben. Trotzdem bleibt die Gruppe für Somaliland eine Bedrohung. Es ist davon auszugehen, dass die al Shabaab in Hargeysa über eine Präsenz verfügt. Die Kapazitäten der al Shabaab in Hargeysa sind jedoch gering. Eine (temporäre) Präsenz und sporadische Aktivitäten der al Shabaab werden aus den umstrittenen Gebieten in Ost-Somaliland und aus Burco gemeldet (BFA 8.2017). In Sool (v.a. Laascaanood) und Sanaag scheint die Präsenz

der al Shabaab verstärkt worden zu sein (SEMG 8.11.2017).

Aufgrund der Mitwirkung der Bevölkerung wurden zahlreiche Mitglieder der al Shabaab verhaftet. Immer wieder hört man auch von Verhaftungen an Straßensperren. Über 50 Angehörige der al Shabaab befinden sich in somaliländischen Gefängnissen. Deserteure der al Shabaab scheinen in Somaliland kaum gefährdet zu sein. Es gibt keine Berichte, wonach in Hargeysa schon einmal ein Deserteur der al Shabaab exekutiert worden wäre (BFA 8.2017).

Clankonflikte bestehen wie überall in Somalia auch in Somaliland, und es kann zu Auseinandersetzungen und Racheakten kommen, die zivile Opfern fordern. Clankonflikte stellen aber kein Sicherheitsproblem dar, das die politische Stabilität der Region gefährde. Somaliland hat Regierungsstrukturen aufgebaut, die das Machtstreben der verschiedenen Clans ausbalancieren. Das ganze politische System beruht auf Kompromissen zwischen den Clans (ÖB 9.2016). Mit internationaler Hilfe ist es gelungen, in Somaliland Bezirksverwaltungen und Bezirksräte zu etablieren (BFA 8.2017). Den Behörden ist es gelungen, einen relativ wirksamen Schutz gegen Banden und Milizen zu gewährleisten (AA 1.1.2017).

Hinsichtlich Hargeysa gibt es keine Sicherheitsprobleme. Die Kriminalitätsrate ist relativ niedrig. Wenn es zu einem Mord kommt, dann handelt es sich üblicherweise um einen gezielten Rachemord auf der

Basis eines Clan-Konflikts. Hargeysa und Burco sind relativ ruhig (BFA 8.2017).

Die Grenze zu Puntland ist umstritten (AA 1.1.2017) und international nicht anerkannt. Dort kommt es gelegentlich zu Schusswechseln (ÖB 9.2016) bzw. zu kleineren Scharmützeln mit beheimateten Milizen (AA 4.2017a). Dabei geht es um die östlichen Drittel der Regionen Sool und Sanaag (BFA 8.2017).

In der Grenzregion Sanaag bestehen Spannungen (ÖB 9.2016). Der Osten der Region Sanaag steht nicht unter Kontrolle der somaliländischen Regierung; überhaupt hat die Regierung in den Gebieten der Warsangeli keinen großen Einfluss. Auf den Bezirk Laasqoray nehmen weder Somaliland noch Puntland maßgeblichen Einfluss, Teile davon werden von den dort lebenden Warsangeli de facto selbst verwaltet (BFA 8.2017).

Im Südosten des Landes haben Angehörige des Dulbahante-Clans im Jahr 2012 den sogenannten Khatumo-Staat ausgerufen. Dieser umfasst die bereits zuvor von der Miliz SSC (Sool-Sanaag-Cayn) beanspruchten Gebiete des Dulbahante-Clans. Allerdings kontrolliert Khatumo nur kleine Teile des beanspruchten Territoriums. Khatumo verfügt über eine eigene Miliz, nicht aber über funktionierende Verwaltungsstrukturen. Khatumo hat keinen großen Einfluss und die Vertreter halten sich oft in Äthiopien auf, wo sie von Somaliland nicht verfolgt werden können. Der Konflikt zwischen Somaliland und Khatumo wird nur mit geringer Intensität ausgetragen (EASO 2.2016). Seit 2014 ist es in der Region Sool zu bewaffneten Auseinandersetzungen zwischen Somaliland und der Khatumo-Miliz gekommen (ÖB 9.2016). Seit Beginn des Jahres 2017 hat es so gut wie keine bewaffneten Aktivitäten von Khatumo oder mit Bezug auf Khatumo gegeben. Die Lage in den Gebieten Ost-Somalilands an der Grenze zu Puntland bleibt aber weiterhin fragil. Dabei geht es nicht so sehr um den Konflikt zwischen Puntland und Somaliland, sondern um lokale Clans, die regelmäßig in Schießereien verwickelt sind. Diese sind im Jahr 2017 - vermutlich aufgrund der Dürre und der damit verbundenen Verknappung der Ressourcen - eskaliert. Dabei standen sich in erster Linie Subclans der Dulbahante gegenüber. Im weitesten Sinne ist das Gebiet von Khatumo also immer noch ein ?umstrittenes' Gebiet.

Die somaliländische Polizei und die Armee werden häufig in die Region verlegt, zuletzt vor allem im Zuge der Wählerregistrierung. Auch gegenwärtig verfügt die somaliländische Armee in Ost-Somaliland über eine verstärkte Präsenz (BFA 8.2017).

Der Führer des selbsternannten "Khatumo-Staates", Ali Khalif Galayd, hat Friedensgespräche mit Somaliland initiiert; dabei wurde im Juni 2017 auch die "Rückkehr" von Khatumo zu Somaliland in Aussicht gestellt (UNSC 5.9.2017) und es ist zu einer Einigung gekommen (SEMG 8.11.2017). Derzeit ist das Verhältnis zwischen Khatumo und Somaliland relativ vernünftig. Man führt Verhandlungen. Allerdings zerfällt die pro-Khatumo-Front innerhalb der Dulbahante zusehends. Einige Älteste unterschiedlicher Subclans haben dem Präsidenten von Khatumo schon die Unterstützung entzogen. Diese Spaltung spiegelt sich etwa in Form der Schaffung der Dulbahante Liberation Front (DLF) wider (BFA 8.2017). In der Folge kam es auch zu Auseinandersetzungen zwischen einzelnen

Fraktionen der Dulbahante. Im Zuge der Vorbereitungen der somaliländischen Präsidentschaftswahl ist es zu Angriffen von Dulbahante-Milizen auf mit der Wahl verbundenen Zielen gekommen (SEMG 8.11.2017).

Eine vollständige und inhaltlich umfassende Darstellung kann nicht gewährleistet werden; die Gebietsgrenzen sind relativ, jedoch annähernd. Laut Lagekarte verfügt Somaliland in den einfarbig markierten Landesteilen über relevanten Einfluss. Somaliland kann dafür auf die maßgeblichen Ressourcen zurückgreifen, um auch längerfristig Einfluss zu gewährleisten. Schraffierte Gebiete unterliegen dem Einfluss von zwei dermaßen relevanten Parteien (hier: Somaliland, Puntland).- Strichlierte Linien umreißen die Operationsgebiete weiterer, weniger relevanter Parteien mit geringerem Einfluss (hier: Clan-Milizen; al Shabaab in den Golis/Galgala Bergen) (BFA 8.2017).

Nur verhältnismäßig kleine Teile der somaliländischen Einflusszonen sind umstritten:

- Die östlichen Drittel der Regionen Sool und Sanaag zwischen Puntland und Somaliland;

- In den Bezirken Buuhoodle, Laascaanood, Xudun und Taalex kommt es sporadisch zu Auseinandersetzungen zwischen Somaliland und einzelnen Dulbahante-Milizen;

- Auf den Bezirk Laasqoray nehmen weder Somaliland noch Puntland maßgeblichen Einfluss, Teile davon werden von den dort lebenden Warsangeli de facto selbst verwaltet.

- Im Gebiet der Galgala-Berge an der Grenze von Somaliland und Puntland hat sich bereits vor Jahren eine Gruppe der al Shabaab festgesetzt. Sie unternimmt von dort aus - meist kleinere - Operationen ins Umland (BFA 8.2017).

In den somaliländischen Regionen Awdal, Sanaag, Sool, Togdheer und Woqooyi Galbeed lebten einer Schätzung im Jahr 2014 zufolge ca. 3,5 Millionen Einwohner (UNFPA 10.2014). Im Vergleich dazu meldete die ACLED-Datenbank im Jahr 2016 insgesamt 29 Zwischenfälle, bei welchen gezielt Zivilisten getötet wurden (Kategorie "violence against civilians"). Bei 24 dieser 29 Vorfälle wurde jeweils ein Zivilist oder eine Zivilistin getötet. Im Jahr 2017 waren es 24 derartige Vorfälle (davon 17 mit je einem Toten). Im Laut ACLED Datenbank entwickelte sich die Zahl an Zwischenfällen mit Todesopfern (meist ein Todesopfer) in Somaliland folgendermaßen (es bleibt zu berücksichtigen, dass es je nach Kontrolllage und Informationsbasis zu over- bzw. under-reporting kommen kann; die Zahl der Todesopfer wird aufgrund der ca. 50% betragenden Ungenauigkeit von ACLED nicht berücksichtigt):

...

Quellen:

- AA - Auswärtiges Amt (1.1.2017): Bericht über die asyl- und abschieberelevante Lage in der Bundesrepublik Somalia

- AA - Auswärtiges Amt (4.2017a): Somalia - Innenpolitik, http://www.auswaertigesamt. de/DE/Aussenpolitik/Laender/Laenderinfos/Somalia/Innenpolitik_node.html, Zugriff 13.9.2017

- ACLED - Armed Conflict Location & Event Data Project/University of Sussex (2017): Africa Data, Version 8 (1997-2017), https://www.acleddata.com/data/, Zugriff 10.1.2018

- ACLED - Armed Conflict Location & Event Data Project/University of Sussex (2016): Africa Data, Version 7 (1991-2016), http://www.acleddata.com/data/, Zugriff 21.12.2017

- BFA - BFA Staatendokumentation (8.2017): Fact Finding Mission Report Somalia. Sicherheitslage in Somalia. Bericht zur österreichischschweizerischen FFM, http://www.bfa.gv.at/files/berichte/FFM%20Report_Somalia%20Sicherheitslage_Onlineversion_2017_08_KE_neu.pdf, Zugriff 13.9.2017

- BS - Bertelsmann Stiftung (2016): BTI 2016 - Somalia Country Report, https://www.btiproject. org/fileadmin/files/BTI/Downloads/Reports/2016/pdf/BTI_2016_Somalia.pdf, Zugriff 13.9.2017

- EASO - European Asylum Support Office (2.2016): Somalia Security Situation, http://www.ecoi.net/file_upload/1226_1457606427_easosomalia-security-feb-2016.pdf, Zugriff 21.12.2017

- ÖB - Österreichische Botschaft Nairobi (9.2016): Asylländerbericht Somalia

- SEMG - Somalia and Eritrea Monitoring Group (8.11.2017): Report of the SEMG on Somalia, https://www.un.org/ga/search/view_doc.asp?symbol=S/2017/924, Zugriff 14.11.2017

- UNFPA - United Nations Population Fund (10.2014): Population Estimation Survey 2014 - Somalia, http://somalia.unfpa.org/sites/default/files/pub-pdf/Population-Estimation-Survey-of-Somalia-PESS-2013-2014.pdf, Zugriff 21.12.2017

- UNHRC - UN Human Rights Council (6.9.2017): Report of the independent expert on the situation of human rights in Somalia http://www.refworld.org/docid/59c12bed4.html, Zugriff 11.11.2017

- UNSC - UN Security Council (5.9.2017): Report of the Secretary-General on Somalia, http://www.ecoi.net/file_upload/1226_1505292097_n1726605.pdf, Zugriff 8.11.2017

- USDOS - US Department of State (3.3.2017): Country Report on Human Rights Practices 2016 - Somalia, http://www.state.gov/j/drl/rls/hrrpt/humanrightsreport/index.htm?year=2016&dlid=265300, Zugriff 13.9.2017

- ZEIT - Die Zeit (22.11.2017): Der Wahlkampf der Frauen, http://www.zeit.de/kultur/2017-11/somaliland-wahlen-demokratie-somalia-10nach8, Zugriff 10.1.2018

Rechtsschutz/Justizwesen

In Süd-/Zentralsomalia und in Puntland sind die Grundsätze der Gewaltenteilung in der Verfassung niedergeschrieben. Allerdings ist die Verfassungsrealität eine andere. In den tatsächlich von der Regierung kontrollierten Gebieten sind die Richter einer vielfältigen politischen Einflussnahme durch staatliche Amtsträger ausgesetzt (AA 1.1.2017; vgl. USDOS 3.3.2017).

Aufgrund der anhaltend schlechten Sicherheitslage sowie mangels Kompetenz der staatlichen Sicherheitskräfte und Justiz muss der staatliche Schutz in Süd-/Zentralsomalia als schwach bis nicht gegeben gesehen werden (ÖB 9.2016). Aufbau, Funktionsweise und Effizienz des Justizsystems und die Lage im Justizvollzug entsprechen nicht den völkerrechtlichen Verpflichtungen des Landes. Es gibt zwar sowohl in Süd-Zentralsomalia als auch in Puntland einen Instanzenzug, aber in der Praxis werden Zeugen eingeschüchtert und Beweismaterial nicht ausreichend herbeigebracht (AA 1.1.2017).

Das formelle Justizsystem ist in vielen Teilen Somalias nicht vorhanden. Einige Regionen haben lokale Gerichte eingerichtet, die vom lokal dominanten Clan abhängen (USDOS 3.3.2017). Trotz jüngster Verbesserungen bleibt die Justiz unterfinanziert, unterbesetzt, schlecht ausgebildet, und ineffizient. Gleichzeitig ist sie Bedrohungen, politischer Einflussnahme und Korruption ausgesetzt. Es kann daraus geschlossen werden, dass der Staat zwar Willens ist, einen effektiven staatlichen Schutz zu bieten. Allerdings ist er in vielen Fällen wohl nicht in der Lage, dies zu tun (UKHO 7.2017).

Laut Verfassung sollte es ein Verfassungsgericht, Bundesgerichte und Gerichte der Bundesstaaten geben. Alle diese Institutionen müssen erst geschaffen werden (EASO 2.2016). Insgesamt existiert nur ein rudimentärer Justizapparat (BS 2016), der korrumpiert ist (USDOS 3.3.2017).

2017 ist erstmalig ein Ausbildungsplan für Richter, Staatsanwälte und Gerichtsdiener erstellt worden. Ende 2017 sollen insgesamt 350 in der Justiz Bedienstete aus ganz Somalia an einem Ausbildungsprogramm teilnehmen (UNSC 5.9.2017). Die UNO hat Jubaland dabei unterstützt, mobile Gerichte und Rechtsberatungsabteilungen einzurichten. Auch im South-West-State gibt es derartige Bemühungen (UNSC 5.9.2017; vgl. UNSC 9.5.2017, BFA 8.2017). Vor Militärgerichten, wo manchmal auch Zivilisten angeklagt werden, wird Angeklagten nur selten das Recht auf eine Rechtsvertretung oder auf Berufung zugestanden. Internationale Standards werden nicht eingehalten (USDOS 3.3.2017

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten