TE Vwgh Beschluss 2020/3/4 Ra 2019/21/0310

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Veröffentlicht am 04.03.2020
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Index

10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG)
10/07 Verwaltungsgerichtshof

Norm

B-VG Art133 Abs4
VwGG §25a Abs1
VwGG §28 Abs3
VwGG §34 Abs1
VwGG §34 Abs1a

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Vizepräsidentin Dr.in Sporrer als Richterin sowie die Hofräte Dr. Pelant und Dr. Pfiel als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag.a Eraslan, über die Revision des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 30. August 2019, W278 2222875-1/9E, betreffend Schubhaft (mitbeteiligte Partei: G O, im Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vertreten durch die Diakonie Flüchtlingsdienst gem. GmbH, 1170 Wien, Steinergasse 3/12), den Beschluss gefasst:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

Begründung

1 Die Mitbeteiligte, eine nigerianische Staatsangehörige, die in Italien und Deutschland Asyl beantragt hatte, reiste am 21. August 2019 mit dem Zug auf der Strecke von Italien (Verona) nach Deutschland (Regensburg). Sie war - neben einem gültigen Fahrausweis und Bargeld von 192,70 EUR - (lediglich) im Besitz eines italienischen "Permesso Richiesta Asilo", einer italienischen Identitätskarte sowie einer deutschen (auf das Stadtgebiet Regensburg beschränkten) Aufenthaltsgestattung. Nach dem Grenzübertritt am Brenner wurde sie einer fremdenpolizeilichen Kontrolle unterzogen, wobei sie angab, nach einjährigem Aufenthalt in Deutschland in Italien Freunde besucht zu haben und nunmehr in Regensburg ihre HIV-Infektion behandeln lassen zu wollen. In der Folge wurde sie festgenommen.

2 Mit (am Tag darauf in Vollzug gesetztem) Mandatsbescheid vom 21. August 2019 ordnete das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA) gemäß Art. 28 Abs. 1 und 2 Dublin III-VO iVm § 76 Abs. 2 Z 3 FPG über sie die Schubhaft zum Zwecke der Sicherung "des Überstellungsverfahrens" (gemeint: des Verfahrens zur Überstellung der Mitbeteiligten nach Italien) an.

3 Das BFA begründete diesen Bescheid damit, dass die Mitbeteiligte bei ihrer Kontrolle keine für die Einreise in das Bundesgebiet erforderlichen Dokumente habe vorweisen können. Sie unterliege der Dublin III-VO, ein entsprechendes Konsultationsverfahren mit dem zuständigen Mitgliedstaat Italien und ein Verfahren zur Erlassung einer Anordnung zur Außerlandesbringung der Mitbeteiligten nach Italien seien eingeleitet worden. Diese sei "höchst mobil" und weise keine Anknüpfungspunkte zu Österreich auf, sie habe sich bereits in den erwähnten Asylverfahren unkooperativ verhalten und sich "dem Verfahren bzw. einer Abschiebung entzogen". Demnach sei Fluchtgefahr zu bejahen. Mit der Anwendung eines gelinderen Mittels könne nicht das Auslangen gefunden werden.

4 Gegen diesen Bescheid und gegen die darauf gegründete Anhaltung erhob die Mitbeteiligte Beschwerde, in der sie die Voraussetzungen für die Verhängung von Schubhaft, insbesondere das Vorliegen von Fluchtgefahr bzw. das Nichtausreichen einer Anwendung gelinderer Mittel, in Abrede stellte und die Durchführung einer mündlichen Verhandlung beantragte. 5 Mit dem angefochtenen Erkenntnis vom 30. August 2019 gab das Bundesverwaltungsgericht (BVwG) der Beschwerde gemäß § 22a Abs. 1 Z 3 BFA-VG iVm § 76 Abs. 2 Z 3 FPG statt und erklärte den Schubhaftbescheid vom 21. August 2019 sowie die Anhaltung der Mitbeteiligten in Schubhaft seit 22. August 2019 für rechtswidrig. Außerdem stellte das BVwG gemäß § 22a Abs. 3 BFA-VG iVm § 76 FPG fest, dass zum Zeitpunkt der Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen nicht vorlägen, und traf entsprechende Kostenaussprüche. Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG sprach das BVwG aus, dass eine Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig sei.

6 Begründend stellte das BVwG insbesondere fest, die Mitbeteiligte habe am 2. Oktober 2015 und am 5. November 2015 in Italien sowie am 29. April 2019 und am 13. Mai 2019 in Deutschland Asylanträge gestellt. In der Beweiswürdigung schloss es sodann aus den in Rn. 1 genannten Urkunden, dass die Mitbeteiligte (aktuell) sowohl in Italien als auch in Deutschland zum Aufenthalt berechtigt sei. Davon ausgehend verneinte das BVwG das Vorliegen einer erheblichen Fluchtgefahr, weil die Mitbeteiligte aus eigenem nach Deutschland, also in einen beteiligten Mitgliedstaat, habe zurückkehren wollen, in dem sie sich aufhalten dürfe. Hieran habe sich für den Zeitpunkt des Fortsetzungsausspruches keine Änderung ergeben. Die beantragte mündliche Verhandlung habe unterbleiben können, weil der Sachverhalt bereits aus der Aktenlage und dem Inhalt der Beschwerde geklärt sei.

7 Die dagegen erhobene außerordentliche Amtsrevision des BFA erweist sich als unzulässig:

Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen das Erkenntnis eines Verwaltungsgerichtes die Revision (nur) zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

8 An den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes nach § 25a Abs. 1 VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision unter dem genannten Gesichtspunkt nicht gebunden (§ 34 Abs. 1a erster Satz VwGG). Zufolge § 28 Abs. 3 VwGG hat allerdings die außerordentliche Revision gesondert die Gründe zu enthalten, aus denen entgegen dem Ausspruch des Verwaltungsgerichtes die Revision für zulässig erachtet wird. Im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe hat der Verwaltungsgerichtshof dann die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zu überprüfen (§ 34 Abs. 1a zweiter Satz VwGG).

9 Insoweit legt die Amtsrevision im Rahmen der Geltendmachung von Ermittlungsmängeln nicht dar, welche der in Rn. 6 wiedergegebenen Überlegungen des BVwG unzutreffend seien. Die Revision zeigt daher nichts auf, was das Vorliegen einer wesentlichen Rechtsfrage im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG begründen könnte, sodass sie gemäß § 34 Abs. 1 und 3 VwGG in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen war. Wien, am 4. März 2020

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2020:RA2019210310.L00

Im RIS seit

05.05.2020

Zuletzt aktualisiert am

05.05.2020
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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