TE Bvwg Beschluss 2020/3/12 W262 2226135-1

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Veröffentlicht am 12.03.2020
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Entscheidungsdatum

12.03.2020

Norm

BBG §41
BBG §43
BBG §45
B-VG Art. 133 Abs4
VwGVG §28 Abs1
VwGVG §31 Abs1

Spruch

W262 2226135-1/5E

BESCHLUSS

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. Julia JERABEK als Vorsitzende und die Richterin Mag. Claudia MARIK sowie die fachkundige Laienrichterin Mag. Bettina PINTER als Beisitzerinnen über die Beschwerde von XXXX , geboren am XXXX , gegen den Bescheid des Sozialministeriumservice, Landesstelle Niederösterreich, vom 14.11.2019, OB XXXX , betreffend Abweisung des Antrages auf Neufestsetzung des Grades der Behinderung beschlossen:

A) Das Beschwerdeverfahren wird wegen Zurückziehung der Beschwerde

gemäß § 28 Abs. 1, § 31 Abs. 1 VwGVG eingestellt.

B) Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

BEGRÜNDUNG:

I. Verfahrensgang:

1. Der Beschwerdeführer ist seit 17.12.2014 Inhaber eines Behindertenpasses mit einem Grad der Behinderung von 70 v.H. und den Zusatzeintragungen "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung", "Der Inhaber des Passes bedarf einer Begleitperson" sowie "Der Inhaber des Passes ist Träger von Osteosynthesematerial".

2. Er stellte am 09.01.2019 beim Sozialministeriumservice, Landesstelle Niederösterreich (im Folgenden als "belangte Behörde" bezeichnet), einen Antrag auf Neufestsetzung des Grades der Behinderung und auf "Neuausstellung des Behindertenpasses im Scheckkartenformat".

3. In der Folge holte die belangte Behörde ein Sachverständigengutachten eines Arztes für Allgemeinmedizin und Facharztes für Unfallchirurgie vom 07.10.2019 ein. Im Rahmen des Parteiengehörs zu diesem Gutachten erstattete der Beschwerdeführer eine Stellungnahme und führte aus, dass er auf Wunsch seines Steuerberaters um Neuausstellung des Behindertenpasses im Scheckkartenformat und nicht um "Erhöhung der Behinderung" ersucht habe. Weiters wendete sich der Beschwerdeführer in der Stellungnahme gegen einzelne Beurteilungen des Sachverständigen und führte abschließend aus, dass es für ihn nicht wichtig sei, "ob im Behindertenpass 70 % oder mehr stehe".

4. Nach Einholung einer Stellungnahme des bereits befassten Sachverständigen vom 12.11.2019 wurde der Antrag des Beschwerdeführers auf Neufestsetzung des Grades der Behinderung mit Bescheid der belangten Behörde vom 14.11.2019 auf Grundlage des o.a. Gutachtens samt Stellungnahme gemäß §§ 41, 43 und 45 BBG als unbegründet abgewiesen.

5. Am 21.11.2019 richtete der Beschwerdeführer folgendes Schreiben an die belangte Behörde:

"... Ich habe beim SMS der Landesstelle NÖ in St. Pölten im November 2018 um Neuausstellung meines Behinderten Passes NR XXXX im Scheckkartenformat angesucht. Dies auf Wunsch meines Steuerberaters. Eigentlich um keine Erhöhung der Behinderung!

Im Bescheid vom 14. November 2019 ist aber keine Rede davon. Ich anerkenne Ihren Bescheid vom 14. November 2019, aber nicht das Gutachten von Hrn. Dr. XXXX und schon gar nicht seine Stellungnahme zu meinem Einspruch!

Sie sollten sich besser überlegen, welchen Arzt Sie zu einem Gutachter bestellen! ..."

6. Die belangte Behörde legte diese Beschwerde am 05.12.2019 unter Anschluss des Verwaltungsaktes dem Bundesverwaltungsgericht zur Entscheidung vor.

7. Mit Schreiben vom 09.12.2019 trug das Bundesverwaltungsgericht dem Beschwerdeführer die Verbesserung seines als Beschwerde gewerteten Schreibens vom 21.11.2019 betreffend die Abweisung des Antrages auf Neufestsetzung des Grades der Behinderung und Neuausstellung des Behindertenpasses im Scheckkartenformat auf, da seine Eingabe den Anforderungen an eine Beschwerde gemäß § 9 Abs. 1 VwGVG nicht genügte. Er wurde aufgefordert, die Gründe, auf die sich die Behauptung der Rechtswidrigkeit stützt (welche Leiden als zu gering eingestuft wurden bzw. welche Leiden nicht berücksichtigt wurden) sowie ein Begehren (z.B. die Aufhebung des Bescheides oder die Feststellung eines höheren Grades der Behinderung) darzulegen. Dem Beschwerdeführer wurde aufgetragen, diese Mängel binnen drei Wochen ab Zustellung des Schreibens zu beheben. Unter einem wurde der Beschwerdeführer ausdrücklich darauf, dass die Beschwerde nach fruchtlosem Ablauf dieser Frist gemäß § 17 VwGVG iVm § 13 Abs. 3 AVG zurückgewiesen werde.

8. Mit am 20.12.2019 beim Bundesverwaltungsgericht eingelangtem Schreiben vom 16.12.2019 erklärte der Beschwerdeführer, dass er die Beschwerde gegen den Bescheid der belangten Behörde vom 14.11.2019 zurückziehe.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Der Beschwerdeführer ist seit 17.12.2014 Inhaber eines Behindertenpasses mit einem Grad der Behinderung von 70 v.H. und den Zusatzeintragungen "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung", "Der Inhaber des Passes bedarf einer Begleitperson" sowie "Der Inhaber des Passes ist Träger von Osteosynthesematerial".

Er stellte am 09.01.2019 bei der belangten Behörde einen Antrag auf Neufestsetzung des Grades der Behinderung und auf "Neuausstellung des Behindertenpasses im Scheckkartenformat".

Mit Bescheid der belangten Behörde vom 14.11.2019 wurde der Antrag des Beschwerdeführers auf Neufestsetzung des Grades der Behinderung auf Grundlage des durchgeführten Ermittlungsverfahrens als unbegründet abgewiesen.

Mit am 20.12.2019 beim Bundesverwaltungsgericht eingelangtem Schreiben vom 16.12.2019 zog der Beschwerdeführer die Beschwerde gegen den angefochtenen Bescheid zurück.

2. Beweiswürdigung:

Der Sachverhalt ist aktenkundig, unstrittig und deshalb erwiesen.

Die Feststellung, dass der Beschwerdeführer seine Beschwerde zurückgezogen hat, ergibt sich aus dem unmissverständlichen Inhalt der schriftlichen Eingabe vom 16.12.2019.

3. Rechtliche Beurteilung:

3.1. Die Zuständigkeit des Bundesverwaltungsgerichtes und die Entscheidung durch einen Senat unter Mitwirkung eines fachkundigen Laienrichters ergeben sich aus §§ 6, 7 BVwGG iVm § 45 Abs. 3 und 4

BBG.

Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung - BAO, BGBl. Nr. 194/1961, des Agrarverfahrensgesetzes - AgrVG, BGBl. Nr. 173/1950, und des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984 - DVG, BGBl. Nr. 29/1984, und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.

Gemäß § 28 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen, sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist. Gemäß § 31 Abs. 1 VwGVG erfolgen die Entscheidungen und Anordnungen durch Beschluss, soweit nicht ein Erkenntnis zu fällen ist.

Zu A) Einstellung des Verfahrens:

3.2. Gemäß § 7 Abs. 2 VwGVG ist eine Beschwerde nicht mehr zulässig, wenn die Partei nach Zustellung oder Verkündung des Bescheides ausdrücklich auf die Beschwerde verzichtet hat. Eine Zurückziehung der Beschwerde durch den Beschwerdeführer ist in jeder Lage des Verfahrens ab Einbringung der Beschwerde bis zur Erlassung der Entscheidung möglich (Eder/Martschin/Schmid, Das Verfahrensrecht der Verwaltungsgerichte, § 7 VwGVG, K 6).

Dasselbe folgt sinngemäß aus § 17 VwGVG iVm § 13 Abs. 7 AVG.

Die Annahme, eine Partei ziehe die von ihr erhobene Berufung zurück, ist nur dann zulässig, wenn die entsprechende Erklärung keinen Zweifel daran offenlässt. Maßgebend ist daher das Vorliegen einer in dieser Richtung eindeutigen Erklärung (vgl. z.B. VwGH 22.11.2005, 2005/05/0320, zur insofern auf die Rechtslage nach dem VwGVG übertragbaren Judikatur zum AVG).

Eine solche eindeutige Erklärung lag vor, da der Beschwerdeführer die Zurückziehung - wie im Rahmen der Beweiswürdigung bereits dargelegt wurde - schriftlich eindeutig zum Ausdruck gebracht hat.

3.3. In welchen Fällen "das Verfahren einzustellen" ist (§ 28 Abs. 1 VwGVG), regelt das VwGVG nicht ausdrücklich. Die Einstellung steht nach allgemeinem Verständnis am Ende jener Verfahren, in denen ein Erledigungsanspruch nach Beschwerdeeinbringung verloren geht, worunter auch der Fall der Zurückziehung der Beschwerde zu subsumieren ist (vgl. Fister/Fuchs/Sachs, Das neue Verwaltungsgerichtsverfahren [2013] § 28 VwGVG, Anm. 5).

Der angefochtene Bescheid ist aufgrund der vom Beschwerdeführer erklärten Zurückziehung der Beschwerde rechtskräftig geworden. Damit ist einer Sachentscheidung insoweit die Grundlage entzogen, weshalb mit Beschluss die Einstellung des Beschwerdeverfahrens auszusprechen war.

3.4. Zum Entfall der mündlichen Verhandlung

Gemäß § 24 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht auf Antrag oder, wenn es dies für erforderlich hält, von Amts wegen eine öffentliche mündliche Verhandlung durchzuführen.

Die Einstellung des Beschwerdeverfahrens wegen Zurückziehung der Beschwerde ist ihrem Wesen nach mit einer Zurückweisung vergleichbar. Für eine Zurückweisung sieht § 24 Abs. 1 Z 1 VwGVG ausdrücklich die Möglichkeit des Entfalls der mündlichen Verhandlung vor.

Die mündliche Verhandlung konnte gemäß § 24 Abs. 4 VwGVG aber auch deshalb unterbleiben, weil der Sachverhalt aus dem Verwaltungsakt in Verbindung mit der Beschwerde und der Eingabe vom 16.12.2019 hinreichend geklärt ist. Art. 6 Abs. 1 EMRK steht dem Entfall der mündlichen Verhandlung nicht entgegen. Die Verfahrensgarantie des "fair hearing" iSd Art. 6 Abs. 1 EMRK kommt nicht zur Anwendung, wenn einer Entscheidung in der Sache Prozesshindernisse entgegenstehen (vgl. hierzu die Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes VfSlg. 17.063/2003 und 19.175/2010 sowie des Verwaltungsgerichtshofes VwGH 21.11.2012, 2008/07/0161 und VwGH 23.06.2014, 2013/12/0224, je mwH). Diese Judikatur ist aus Sicht des Bundesverwaltungsgerichts auch auf Fälle übertragbar, in denen ein Erledigungsanspruch (erst) nach Beschwerdeeinbringung verloren geht.

Zu B) Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung (vgl. zur Einstellung bei Zurückziehung etwa VwGH 22.11.2005, 2005/05/0320; 29.04.2015, Fr 2014/20/0047). Weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen.

Schlagworte

Verfahrenseinstellung, Zurückziehung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2020:W262.2226135.1.00

Zuletzt aktualisiert am

30.04.2020
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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