RS Lvwg 2020/3/17 LVwG-250166/2/Gf/RoK

JUSLINE Rechtssatz

Veröffentlicht am 17.03.2020
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Rechtssatznummer

1

Entscheidungsdatum

17.03.2020

Norm

Art 8 EGRC
Art 4 EU-Datenschutz-Grundverordnung (DS-GV)
Art 8 EMRK
Art 13 EMRK
Art. 50 B-VG
§1 DSG
§3 OöADIG

Rechtssatz

* Die DS-GV dient lediglich dem Schutz personenbezogener Daten von natürlichen, nicht aber auch von juristischen Personen; sie ist daher nicht auf Fälle wie den vorliegenden, in dem eine Auskunft über Kosten bzw. Einnahmen der Gemeinde im Zusammenhang mit Inseraten für ein vom Bf. konkret bezeichnetes Printmedium begehrt wurde, anwendbar;

* In der Rechtsform einer Verordnung ergangene Rechtsakte werden im Wege der generellen Transformation (vgl. Art. 50 B VG) uno actu zum Bestandteil des nationalen Rechts bzw. allgemein formuliert: Durch den Beitritt zur EU wird jede mitgliedstaatliche Verfassung dahin modifiziert, dass in diesem jedenfalls das in Verordnungsform gesatzte Unionsrecht unmittelbar auch zu innerstaatlichem Recht transformiert wird. Als solches gilt es – bei Widerspruchsfreiheit – parallel zu materiell gleichgerichteten nationalen Normen; im Falle eines inhaltlichen Widerspruches geht es hingegen in diesem Umfang (nach dem Grundsatz des Vorranges des Unionsrechts, der insoweit eine besondere lex-specialis-Regelung verkörpert) den Letzteren vor;

* Entgegen dieser (allgemeinen) „Regel“ kommt im gegenständlichen Fall allerdings die DS-GV auf Grund ihres autonom-sachlich eingeschränkten Anwendungsbereiches, nämlich deshalb nicht zum Tragen, weil sich das konkrete Auskunftsersuchen des Bf. nicht auf Daten einer natürlichen Person i.S.d. Art. 1 Abs. 1 i.V.m. Art. 4 Abs. 1 lit. a DS-GV (sondern auf solche einer GmbH und somit einer davon verschiedenen juristischen Person) bezieht. Davon ausgehend gilt dies konsequenterweise auch für das 1. Hauptstück (§§ 4 bis 13) des Datenschutzgesetzes, BGBl I 165/1999 i.d.g.F. BGBl I 14/2019 (im Folgenden: DSG), das der Durchführung der DS-GV dient. Aber auch Art. 8 Abs. 1 EGRC, wonach grundsätzlich jede – darunter auch eine juristische – Person das Recht auf Schutz der sie betreffenden personenbezogenen Daten hat, kommt im gegenständlichen Fall nicht zum Tragen, und zwar schon deshalb nicht, weil es sich hier nicht um eine „Durchführung des Rechts der Union“ i.S.d. Art. 51 Abs. 1 EGRC handelt. Denn die DS-GV, die an sich eine durchzuführende unionsrechtliche Norm verkörpern würde, ist hier eben deshalb nicht maßgeblich, weil diese inhaltlich lediglich auf den Schutz personenbezogener Daten von natürlichen Personen beschränkt ist;

* Auf oberster Normebene erweisen sich somit vorliegendenfalls bloß Art. 8 EMRK sowie die spezielle Verfassungsbestimmung des § 1 Abs. 1 DSG als einschlägig. Allerdings enthält das DSG im Weiteren – sofern es nicht der Durchführung der DS-GV dient – lediglich Organisations-, Verfahrens-, Straf- sowie Sonderbestimmungen hinsichtlich der Verarbeitung personenbezogener Daten für Zwecke der Sicherheitspolizei usw. – also jeweils Regelungsbereiche, die keinen Bezug zum hier zu beurteilenden Sachverhalt aufweisen. Dies führt letzten Endes dazu, dass die Frage, ob hier der Erteilung der vom Bf. begehrten Auskunft der Schutz personenbezogener Daten entgegensteht, im Lichte des Art. 8 Abs. 2 EMRK und des § 1 DSG zu beurteilen ist, wobei die Abwägung zwischen diesen konträren Interessen in concreto durch Heranziehung des OöADIG vorgenommen werden muss.

* Vor diesem Hintergrund ist der Behörde in ihrer Einschätzung, dass die Beantwortung der vom Bf. gestellten Frage nach der Höhe der Kosten, die ihrem Rechtsträger für in den Jahren 2016 bis 2019 in Auftrag gegebene Inserate einerseits sowie, ob bzw. bejahenden-falls welche Einnahmen der Gemeinde in diesem Zeitraum für die Genehmigung des Anbringens von entsprechenden Distributionsvorrichtungen (sog. „Verteilertaschen“) an im öffentlichen Eigentum stehenden Sachen andererseits erwachsen sind, die Bekanntgabe von personenbezogene Daten i.S.d. § 4  Z. 1 DSG (in dessen Stammfassung) erfordert, im Ergebnis beizupflichten. Denn es ist offensichtlich, dass es die Bekanntgabe von Jahreskosten einerseits und jährlichen Einnahmen andererseits dem Rechtsmittelwerber ermöglicht, den essentiellen Inhalt der privatrechtlichen Vereinbarung mit einem von ihm selbst konkret bezeichneten Medieninhaber zu eruieren. Insofern lägen daher dann, wenn dem Bf. die konkrete Höhe dieser Kosten bzw. Einnahmen mitgeteilt würde, „Angaben über Betroffene, deren Identität bestimmt“ ist, und damit personenbezogene Daten vor. Davon ausgehend ist auch nicht erkennbar, dass bzw. inwieweit öffentliche Interessen i.S.d. Art. 8 Abs. 2 EMRK einen dementsprechenden Eingriff in die Privatsphäre rechtfertigen könnten. Anders wäre dies allenfalls dann zu beurteilen, wenn das Auskunftsersuchen des Bf. in einer allgemeineren Form gestellt worden wäre, etwa um Bekanntgabe jener Kosten bzw. Einnahmen, die der Stadt Wels in den Jahren 2016 bis 2019 (nicht im Hinblick auf das vom Rechtsmittelwerber konkret bezeichnete Medienunternehmen, sondern) all-gemein im Zusammenhang mit Werbeaktivitäten entstanden bzw. erwachsen sind.

* Im Ergebnis war daher die Beschwerde somit als unbegründet abzuweisen.

Schlagworte

Auskunftsersuchen; Datenschutz; DS-GV – DSG – EGRC – EMRK – Abgrenzung der Anwendungsbereiche; personenbezogene Daten; natürliche und juristische Personen; generelle Transformation; Vorrang des Unionsrechts; Spezialitätsgrundsatz; Privatrecht; Schutz von Geschäfts- und Betriebsgeheimnissen

Anmerkung

Alle Entscheidungsvolltexte sowie das Ergebnis einer gegebenenfalls dazu ergangenen höchstgerichtlichen Entscheidung sind auf der Homepage des Oö LVwG www.lvwg-ooe.gv.at abrufbar.

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:LVWGOB:2020:LVwG.250166.2.Gf.RoK

Zuletzt aktualisiert am

28.04.2020
Quelle: Landesverwaltungsgericht Oberösterreich LVwg Oberösterreich, http://www.lvwg-ooe.gv.at
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