TE Vwgh Erkenntnis 1998/4/22 93/13/0220

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Veröffentlicht am 22.04.1998
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Index

32/01 Finanzverfahren allgemeines Abgabenrecht;
32/02 Steuern vom Einkommen und Ertrag;

Norm

BAO §303 Abs4;
EStG 1972 §18 Abs1 Z2;
EStG 1988 §18 Abs4 Z1;
EStG 1988 §18 Abs5;

Beachte

Serie (erledigt im gleichen Sinn): 93/13/0219 E 22. April 1998 93/13/0226 E 31. März 1998

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Weiss und Senatspräsident Dr. Pokorny sowie die Hofräte Dr. Fellner, Dr. Hargassner und Mag. Heinzl als Richter, im Beisein des Schriftführers DDDr. Jahn, über die Beschwerde des Präsidenten der Finanzlandesdirektion für Wien, Niederösterreich und Burgenland gegen den Bescheid der Finanzlandesdirektion für Wien, Niederösterreich und Burgenland (Berufungssenat V) vom 16. September 1993, Zl. 6/3 - 3137/93-02, betreffend Einkommensteuer für die Jahre 1986 bis 1990 der Mitbeteiligten HF in W, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Begründung

Die Mitbeteiligte, die in den Streitjahren das 50. Lebensjahr bereits überschritten hatte, machte in ihren Einkommensteuererklärungen für die Jahre 1986 bis 1990 Beiträge zu einer Er- und Ablebensversicherung im jeweiligen Höchstausmaß (1986 bis 1988: S 21.000,--; 1989 und 1990:

S 20.000,--) als Sonderausgaben gemäß § 18 Abs. 1 Z. 2 EStG 1972 bzw. EStG 1988 geltend. Die Sonderausgaben wurden vom Finanzamt berücksichtigt.

Im Zuge einer abgabenbehördlichen Prüfung für die Jahre 1986 bis 1990 stellte der Prüfer fest, daß hinsichtlich der Ansprüche aus dem Lebensversicherungsvertrag "eine steuerschädliche Abtretung bzw. Verpfändung" zu Gunsten einer Bank erfolgt sei. Die Prämien stellten daher keine Sonderausgaben dar.

Aus diesem Grund nahm das Finanzamt die Verfahren betreffend Einkommensteuer für die Jahre 1986 bis 1990 wieder auf und erließ neue Sachbescheide, in denen die Lebensversicherungsprämien nicht mehr als Sonderausgaben berücksichtigt wurden.

Die Mitbeteiligte erhob Berufung. Die Besicherung der Bankverbindlichkeit sei dahingehend erfolgt, daß sämtliche Rechte und Ansprüche aus dem Versicherungsvertrag an das Bankhaus zur Sicherstellung abgetreten worden seien. Die Abtretung sei bereits im Jahr 1969 erfolgt. Damals sei von der Mitbeteiligten beantragt worden, daß die Versicherung zu Gunsten des Bankhauses "vinkuliert" werden solle; ein entsprechender Vermerk sei von der Versicherungsgesellschaft auf der Versicherungspolizze vorgenommen worden. Wie aus dem Erlaß der Finanzlandesdirektion für Wien, Niederösterreich und Burgenland, GA 5-91/130/84, klar ersichtlich sei, solle durch das gesetzlich normierte Abtretungs- und Rückkaufsverbot bzw. Verpfändungs- und Prämienvorauszahlungsverbot verhindert werden, daß Steuerpflichtige ohne nennenswerten Einsatz eigenen Kapitals durch Aufnahme eines Kredites zur Bezahlung der Versicherungsprämien unter gleichzeitiger Verpfändung der Ansprüche aus dem Versicherungsvertrag als Sicherheit für den Kredit beträchtliche Steuerersparnisse erzielten. Im selben Erlaß werde festgehalten, daß Vinkulierungen von Lebensversicherungen der steuerschädlichen Abtretung nicht gleichzuhalten seien. Die Mitbeteiligte habe nie beabsichtigt, einen derartigen "Mißbrauch" zu begehen und habe die Versicherungsprämien auch tatsächlich nicht mit Hilfe der Kreditmittel bezahlt. Vielmehr habe der Kredit betrieblichen Zwecken gedient und habe infolge schlechter Geschäftsergebnisse besichert werden müssen.

Der Berufung waren als Beilagen die Lebensversicherungspolizze sowie ein Schreiben der "Firma F" angeschlossen, in dem ersucht wird, "eine Vinkulierung" zu Gunsten des Bankhauses vorzunehmen und dies auf der Versicherungspolizze festzuhalten. Auf der Polizze wurde allerdings nicht die beantragte Vinkulierung, sondern die Abtretung sämtlicher Rechte und Ansprüche aus dem Versicherungsvertrag an das Bankhaus vermerkt.

In weiterer Folge legte der Steuerberater der Mitbeteiligten ein Schreiben des Bankhauses vom 8. November 1971 vor, in dem auf die Vinkulierung Bezug genommen und ausdrücklich die Abtretung der Rechte aus dem Versicherungsvertrag zu Gunsten des Bankhauses verlangt wurde. Unter dieser Voraussetzung werde ein "Zusatzkredit von S 50.000,--" zur Verfügung gestellt werden, sodaß der Kreditrahmen S 150.000,-- betragen würde. Die Abtretung erfolgte in Form eines entsprechenden Anbots der Mitbeteiligten, das vom Bankhaus am 9. November 1971 angenommen wurde. Gleichzeitig wurde die Übernahme der Polizze durch das Bankhaus bestätigt.

Die belangte Behörde gab der Berufung statt. Der Gesetzgeber habe das Abtretungsverbot normiert, um zu verhindern, daß Steuerpflichtige ohne nennenswerten Einsatz eigenen Kapitals unter gleichzeitiger Abtretung der Ansprüche aus dem Versicherungsvertrag beträchtliche Steuerersparnisse erzielten (z.B. durch Aufnahme eines Kredites unter gleichzeitiger Abtretung des Versicherungsanspruches, wobei mit dem aufgenommenen Darlehen die Versicherungsprämien gezahlt werden). Nach den glaubhaften Ausführungen des steuerlichen Vertreters in der mündlichen Berufungsverhandlung liege im gegenständlichen Fall kein "Mißbrauch" der Steuerbegünstigung im obigen Sinne vor, da kein Kredit unter gleichzeitiger Abtretung des Versicherungsanspruches aufgenommen worden sei und auch Versicherungsprämien nicht mit aufgenommenen Darlehen bezahlt worden seien. Die Lebensversicherung habe vielmehr als zusätzliche Besicherung auf Verlangen der Bank infolge schlechter Geschäftsergebnisse angeboten werden müssen.

Gegen diese Entscheidung wendet sich die Beschwerde des Präsidenten der Finanzlandesdirektion für Wien, Niederösterreich und Burgenland.

Der steuerliche Vertreter der Mitbeteiligten hat "namens" seiner Mandantin als "Gegenschrift" sechs Beilagen vorgelegt, mit denen im wesentlichen dargetan werden soll, daß im Beschwerdefall keine Abtretung der Versicherungsansprüche, sondern lediglich eine steuerunschädliche Vinkulierung vorgenommen worden sei. Da der steuerliche Vertreter der Mitbeteiligten kein Rechtsanwalt ist, kann sich die Mitbeteiligte im verwaltungsgerichtlichen Verfahren durch ihn nicht vertreten lassen (§ 23 Abs. 1 VwGG); ob auch die bloße Vorlage von Urkunden als unzulässige und daher nicht beachtliche Vertreterhandlung anzusehen ist, kann im Beschwerdefall dahinstehen, weil sämtliche vorgelegten Urkunden aus den Verwaltungsakten ersichtlich sind.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Gemäß § 18 Abs. 1 Z. 2 EStG 1972 bzw. EStG 1988 waren bzw. sind unter anderem Beiträge zu einer Lebensversicherung in einem bestimmten Ausmaß als Sonderausgaben abzugsfähig. Eine Nachversteuerung der Versicherungsprämien sieht der Gesetzgeber vor, wenn die Ansprüche aus dem Versicherungsvertrag innerhalb eines bestimmten, hier nicht strittigen Zeitraumes seit Vertragsabschluß ganz oder zum Teil abgetreten oder rückgekauft werden, sowie wenn eine Vorauszahlung oder Verpfändung der Ansprüche aus dem Versicherungsvertrag erfolgt (§ 18 Abs. 1 Z. 2 EStG 1972 bzw. § 18 Abs. 4 Z. 1 EStG 1988).

Aus dem Gesetzestext muß sinnvollerweise abgeleitet werden, daß der allein vom Gesetzgeber geregelte Fall der "Nachversteuerung" so zu verstehen ist, daß die Begünstigung a priori nicht zu gewähren ist, wenn die Nachversteuerungsgründe bereits in dem Zeitraum, für den ein entsprechender Einkommensteuerbescheid erlassen wird, gegeben sind. Gleiches muß gelten, wenn das diesbezügliche Verfahren wiederaufgenommen wird, weil die Entscheidung im wiederaufgenommenen Verfahren so zu treffen ist, wie sie im vorangegangenen Verfahren zu treffen gewesen wäre. Diese Feststellung ist deswegen von Bedeutung, weil eine Nachversteuerung andere steuerliche Auswirkungen hat als eine den Antrag auf Berücksichtigung von Sonderausgaben (a priori) abweisende Entscheidung. Während sich im letzteren Fall der steuerliche Nachteil danach richtet, welchem Grenzsteuersatz der Abgabepflichtige mit seinem Einkommen unterliegt, ist eine Nachversteuerung unabhängig davon stets mit einem festen, meist deutlich günstigeren Prozentsatz von 25 % (bis 1988) bzw. 30 % (ab 1989) vorgesehen (§ 18 Abs. 4 EStG 1972 bzw. § 18 Abs. 5 EStG 1988).

Da im Beschwerdefall die Einkommensteuerverfahren für sämtliche Streitjahre wiederaufgenommen wurden, kommt eine Nachversteuerung der Versicherungsprämien als Sonderausgaben nicht in Betracht, sondern es ist bei Vorliegen eines für die Nachversteuerung maßgebenden Sachverhaltes von vornherein die Berücksichtigung der geltend gemachten Versicherungsprämien als Sonderausgaben ausgeschlossen.

Die belangte Behörde vertritt im angefochtenen Bescheid die Auffassung, daß die vom Gesetzgeber als begünstigungsschädlich normierte Abtretung von Versicherungsansprüchen nur in jenen Fällen zum Verlust der Begünstigung führe, in denen ein "Mißbrauch" vorliege. Ein solcher sei nur zu bejahen, wenn der Abgabepflichtige die Bezahlung der Prämien direkt oder indirekt mit den Ansprüchen aus dem Versicherungsvertrag finanziere.

Dieser Auffassung kann nicht gefolgt werden. Selbst wenn man davon ausgeht, daß der Gesetzgeber mit den Nachversteuerungstatbeständen auch allfälligen Mißbrauchsmöglichkeiten begegnen wollte, so läßt der Gesetzestext die Interpretation nicht zu, daß ein solcher von der Abgabenbehörde festgestellter Mißbrauch als zusätzliches Tatbestandsmerkmal für die Nachversteuerung verwirklicht werden müsse. Sinn und Zweck dieser Bestimmung kann durchaus auch darin begründet sein, daß der Gesetzgeber Vorsorgemaßnahmen für die Zukunftssicherung begünstigen wollte, ein Ziel, das sich nur verwirklichen läßt, wenn die Versicherungssumme bei Eintritt des Versicherungsfalles tatsächlich dem aus der Versicherung Begünstigten zur Verfügung steht und nicht der Sicherung der Interessen Dritter dient.

Dem Umstand, daß im Verwaltungsverfahren verschiedentlich statt des Begriffes "Abtretung von Rechten" jener der "Vinkulierung" verwendet wurde, kommt ebenfalls keine entscheidungsrelevante Bedeutung zu: Dem angefochtenen Bescheid liegt nämlich ausdrücklich die Sachverhaltsannahme einer Abtretung der Ansprüche aus dem Versicherungsvertrag zugrunde - ein Sachverhalt, von dem auch der Verwaltungsgerichtshof gemäß § 41 VwGG bei Prüfung des angefochtenen Bescheides auszugehen hat, sofern er sich nicht als aktenwidrig erweist, ungenügend erhoben wurde oder auf einer unschlüssigen Beweiswürdigung beruht.

Nun vermag der Gerichtshof in dieser Sachverhaltsfeststellung weder eine Aktenwidrigkeit noch eine mangelhafte Sachverhaltsermittlung oder eine unschlüssige Beweiswürdigung zu erblicken. Es trifft zwar zu, daß ursprünglich (1969) ein Ersuchen auf "Vinkulierung" gestellt, aber eine Abtretung der Versicherungsansprüche auf der Versicherungspolizze vermerkt wurde; im Jahr 1971 wurde aber von der Mitbeteiligten ein eindeutig formuliertes Anbot auf Abtretung aller Rechte aus dem Versicherungsvertrag gestellt und vom Bankhaus angenommen. Ab diesem Zeitpunkt konnte somit keine Unklarheit mehr darüber bestehen, daß eine Abtretung der Ansprüche aus dem Versicherungsvertrag gewollt war und auch rechtswirksam zustandegekommen ist.

Mit Rücksicht auf diese Sach- und Rechtslage besteht für den Gerichtshof keine Veranlassung, den Umstand aufzugreifen, daß auf der Versicherungspolizze als Versicherungsnehmer die "Firma F" - nach der Aktenlage eine KG, an der die Mitbeteiligte und ihr Ehegatte beteiligt sind - und die Mitbeteiligte nur als versicherte Person aufscheint. Dieser Umstand wäre zutreffendenfalls insofern von Bedeutung, als nur Versicherungsprämien des Versicherungsnehmers für sich und die in § 18 Abs. 2 Z. 1 EStG 1972 bzw. § 18 Abs. 3 Z. 1 EStG 1988 genannten Personen als Sonderausgaben in Betracht kommen.

Da sich der angefochtene Bescheid jedenfalls schon aus den vorher dargestellten Gründen als inhaltlich rechtswidrig erweist, war er gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben.

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1998:1993130220.X00

Im RIS seit

19.02.2002
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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