TE Vwgh Erkenntnis 1998/4/22 96/03/0253

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Veröffentlicht am 22.04.1998
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Index

40/01 Verwaltungsverfahren;

Norm

AVG §45 Abs2;
AVG §46;
VStG §25 Abs2;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Stoll und die Hofräte Dr. Gruber und Dr. Gall als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Ungersböck, über die Beschwerde des R M in Wörgl, vertreten durch Dr. A, Rechtsanwalt in R, gegen den Bescheid des unabhängigen Verwaltungssenates in Tirol vom 12. Juni 1996, Zl. 12/168-12/1995, betreffend Übertretungen der Straßenverkehrsordnung 1960, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Das Land Tirol ist schuldig, dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 12.980,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Mehrbegehren wird abgewiesen.

Begründung

Mit dem angefochtenen im Instanzenzug ergangenen Bescheid der belangten Behörde vom 12. Juni 1996 wurde der Beschwerdeführer schuldig erkannt, er habe am 13. Juni 1994 um 18.45 Uhr einen nach dem Kennzeichen bestimmten PKW auf der Inntalautobahn A 12 zwischen der Ausfahrt Wattens und der Ausfahrt Vomp in Richtung Salzburg gelenkt und dabei 1. den Fahrstreifen gewechselt, ohne sich davon überzeugt zu haben, daß dies ohne Gefährdung oder Behindung anderer Straßenbenützer möglich sei, indem er eine näher bezeichnete Person, die auf dem rechten Fahrstreifen gefahren sei, beim Wechseln vom linken auf den rechten Fahrstreifen geschnitten habe, sodaß diese gezwungen gewesen sei, stark abzubremsen und auf den Pannenstreifen auszuweichen;

2. bei einer Fahrgeschwindigkeit von 100 km/h auf das vor ihm fahrende Fahrzeug nur einen maximalen Abstand von 6 m eingehalten, obwohl ein Sicherheitsabstand von mindestens 22 m einzuhalten gewesen wäre, wodurch er nicht einen solchen Abstand eingehalten habe, daß ihm das rechtzeitige Anhalten jederzeit möglich sei, auch wenn das vordere Fahrzeug plötzlich abgebremst werde; 3. den Pannenstreifen zur Hälfte befahren, obwohl das Befahren des Pannenstreifens auf der Autobahn nur Fahrzeugen des Straßendienstes, der Straßenaufsicht oder des Pannendienstes erlaubt sei und sich aus Straßenverkehrszeichen oder Bodenmarkierungen nichts anders ergeben habe und sohin bei Fehlen dieser Voraussetzungen verboten sei; 4. das Fahrzeug jäh und für die Lenkerin des nachfolgenden Fahrzeuges überraschend abgebremst und dadurch andere Straßenbenützer gefährdet und behindert, ohne daß es die Verkehrssicherheit erfordert habe;

5. das vor ihm fahrende Fahrzeug beim Auffahren (siehe Spruchpunkt 2) mehrmals angeblinkt, um die Lenkerin dieses Kfz zu veranlassen, auf den rechten Fahrstreifen zu wechseln, sohin optische Warnzeichen abgegeben, obwohl es die Verkehrssicherheit nicht erfordert habe. Er habe hiedurch Übertretungen nach zu 1. § 11 Abs. 1 StVO 1960, zu 2. § 18 Abs. 1 leg. cit., zu 3. § 46 Abs. 4 lit. d leg. cit., zu

4. § 21 Abs. 1 leg. cit. und zu 5. § 22 Abs. 1 leg. cit. begangen, weshalb über ihn Geldstrafen in der Höhe von zu

1.

S 800,--, zu 2. S 1.000,--, zu 3. S 3.000,--, zu

4.

S 1.000,-- und zu 5. S 500,-- (und Ersatzfreiheitsstrafen) verhängt wurden.

Dagegen richtet sich die vorliegende Beschwerde, in der der Beschwerdeführer die kostenpflichtige Aufhebung des angefochtenen Bescheides beantragt.

Die belangte Behörde legte die Verwaltungsstrafakten vor und beantragt in ihrer Gegenschrift die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Der Beschwerdeführer hat im Verwaltungsstrafverfahren insbesondere bestritten, daß er Lenker des gegenständlichen Fahrzeuges gewesen sei und hat zum Beweise dafür die Einvernahme mehrerer Zeugen beantragt, darunter auch die Einvernahme des Zeugen I N, und zwar bereits mit Schriftsatz vom 23. November 1994, dann erneut mit Schriftsatz an die belangte Behörde vom 15. Februar 1996.

Der Beschwerdeführer bekämpft auch nunmehr in der Beschwerde die Feststellung der belangten Behörde, daß er zur Tatzeit der Lenker des gegenständlichen Kraftfahrzeuges gewesen sei, und rügt, daß die belangte Behörde den Zeugen N nicht als Entlastungszeugen zu dem von ihm genannten Beweisthema vernommen habe.

Diesem Vorbringen kommt unter dem Gesichtspunkt der Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften Berechtigung zu.

Gemäß § 25 Abs. 2 VStG sind die der Entlastung des Beschuldigten dienlichen Umstände in gleicher Weise zu berücksichtigen wie die belastenden. Dabei kommt gemäß § 46 AVG als Beweismittel alles in Betracht, was zur Feststellung des maßgebenden Sachverhaltes geeignet und nach Lage des einzelnen Falles zweckdienlich ist. Dem Verwaltungsverfahren ist eine antizipative Beweiswürdigung fremd. Die Behörde darf einen Beweis nur dann von vornherein ablehnen, wenn er, objektiv gesehen, nicht geeignet ist, über den maßgebenden Sachverhalt einen Beweis zu liefern. Eine Würdigung von Beweisen hinsichtlich ihrer subjektiven Glaubwürdigkeit ist nur nach Aufnahme der Beweise möglich (vgl. das hg. Erkenntnis vom 23. September 1992, Zl. 92/03/0055, mit weiteren Hinweisen).

Die belangte Behörde nahm von der Einvernahme des Zeugen N Abstand und begründete dies mit "geklärter Sachlage". Die belangte Behörde nahm in der Begründung des angefochtenen Bescheides zwar darauf Bezug, daß sich in den Aussagen der tatsächlich vernommenen Zeugen Widersprüche betreffend die Lenkereigenschaft des Beschwerdeführers ergeben hätten, vermeinte jedoch den Zeugen N nicht einvernehmen zu müssen, weil der Beschwerdeführer außer Zweifel gestellt habe, wer die Lenkerin des überholten Fahrzeuges gewesen sei und der Beschwerdeführer behauptet habe, das gegenständliche Fahrzeug sei "auf der rechten Seite von einem Mann überholt worden". Auch zwei vom Beschwerdeführer weiters namhaft gemachte Zeugen hätten von einem "Überholtwerden auf der rechten Fahrbahn" gesprochen, somit sei offensichtlich, daß "der Berufungswerber und die Zeugen den Vorfall verwechselt haben". Daher sei nicht mehr erforderlich, diesen Zeugen einzuvernehmen.

Es kann dahingestellt bleiben, ob der Beschwerdeführer und die Zeugen (u.a.) davon sprachen, daß das gegenständliche Fahrzeug von einem anderen Fahrzeug rechts überholt worden sei, denn einerseits läßt dies noch keine Rückschlüsse auf die Aussage des Zeugen N und deren Wahrheitsgehalt zu, andererseits übersieht die belangte Behörde, daß der Beschwerdeführer auch aussagte, daß anläßlich der gegenständlichen Fahrt N bei der gegenständlichen Fahrt im Fahrzeug anwesend war, sodaß nicht ausgeschlossen werden kann, daß der Zeuge auch über den relevanten Tathergang Angaben machen kann. Mit dieser Aussage hat sich die belangte Behörde nicht auseinandergesetzt und auch nicht aufgezeigt, daß dem ein anderes Beweismittel widersprechen würde. Die belangte Behörde wäre daher verpflichtet gewesen, die beantragte Beweisaufnahme vollständig durchzuführen, und auch den Zeugen N einzuvernehmen, weil ihr die objektive Eignung, über den maßgebenden Sachverhalt Beweis zu liefern, nicht von vornherein abgesprochen werden kann. Dies hat die belangte Behörde nicht getan und damit den angefochtenen Bescheid mit Rechtswidrigkeit belastet.

Im übrigen ist aber dem Beschwerdeführer, insoweit er rügt, daß die belangte Behörde die mit der Anzeigerin in deren Fahrzeug mitfahrenden Personen nicht einvernommen habe, entgegenzuhalten, daß er in der mündlichen Verhandlung vor der belangten Behörde am 12. Juni 1996 auf die Einvernahme der beiden Mitfahrenden im Auto der Anzeigerin verzichtet hat.

Da somit Verfahrensvorschriften außer Acht gelassen wurden, bei deren Einhaltung die belangte Behörde zu einem anderen Bescheid hätte kommen können, war der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. c VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994. Die Abweisung des Mehrbegehrens betrifft die bereits im Pauschalbetrag für Schriftsatzaufwand enthaltene Umsatzsteuer.

Schlagworte

Beweismittel Zeugen

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1998:1996030253.X00

Im RIS seit

20.11.2000
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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