TE Vwgh Beschluss 2020/3/16 Ra 2019/14/0605

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Veröffentlicht am 16.03.2020
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Index

19/05 Menschenrechte
41/02 Passrecht Fremdenrecht

Norm

AsylG 2005 §3
MRK Art6

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Präsident Dr. Thienel, die Hofrätin Mag. Rossmeisel und den Hofrat Dr. Himberger als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. Schweinzer, in der Revisionssache des X Y, vertreten durch Mag. Dr. Ralf Heinrich Höfler, Rechtsanwalt in 1030 Wien, Untere Viaduktgasse 6/6, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 19. November 2019, W257 2154168- 1/9E, betreffend Angelegenheiten nach dem AsylG 2005 und dem FPG (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl), den Beschluss gefasst:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

Begründung

1 Der Revisionswerber, ein Staatsangehöriger Afghanistans, stellte am 26. September 2015 einen Antrag auf internationalen Schutz. Begründend brachte er vor, sein Vater habe in seinem Dorf die Regierung vertreten. Es habe mit dem Nachbardorf Streitigkeiten wegen des Wassers gegeben. Nachdem seine Mutter verstorben sei, habe sein Vater eine andere Frau geheiratet. Diese Frau habe eine Tochter aus erster Ehe gehabt, mit der der Revisionswerber verheiratet werden hätte sollen. Bei der Verlobungsfeier sei der Revisionswerber geschlagen worden. 2 Mit Bescheid vom 4. April 2017 wies das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl den Antrag des Revisionswerbers ab, erteilte ihm keinen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen, erließ gegen ihn eine Rückkehrentscheidung und stellte fest, dass seine Abschiebung nach Afghanistan zulässig sei. Weiters legte es eine Frist für die freiwillige Ausreise fest.

3 Mit dem angefochtenen Erkenntnis wies das Bundesverwaltungsgericht die dagegen erhobene Beschwerde des Revisionswerbers nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung als unbegründet ab und sprach aus, dass die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig sei.

4 Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

5 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in

nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen. 6 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer

außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen. 7 Die Revision bringt zunächst zu ihrer Zulässigkeit vor, das Bundesverwaltungsgericht habe gegen Art. 6 EMRK verstoßen, weil Länderberichte zugrunde gelegt worden seien, die nicht mit dem Revisionswerber erörtert worden seien.

8 Diesem Vorbingen ist zu entgegnen, dass sich aus den vorgelegten Akten entnehmen lässt, dass dem Revisionswerber sehr wohl Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben wurde, dieser allerdings nicht nachgekommen ist. Im Rahmen der mündlichen Verhandlung wurde seitens des Rechtsvertreters des Revisionswerbers ausdrücklich auf eine Stellungnahme verzichtet. Im Übrigen fallen Verfahren betreffend die Erteilung von internationalem Schutz nicht in den Anwendungsbereich des Art. 6 EMRK (vgl. zB. EGMR Sultani, 20.12.2007, 45.223/05, Rn. 86, mwN).

9 Soweit sich die Revision gegen die Beweiswürdigung des Bundesverwaltungsgerichts wendet, ist auf die ständige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu verweisen, wonach dieser als Rechtsinstanz tätig und im Allgemeinen nicht zur Überprüfung der Beweiswürdigung im Einzelfall berufen ist. Im Zusammenhang mit der Beweiswürdigung liegt eine Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung nur dann vor, wenn das Verwaltungsgericht die Beweiswürdigung in einer die Rechtssicherheit beeinträchtigenden, unvertretbaren Weise vorgenommen hat (vgl. VwGH 29.8.2019, Ra 2019/14/0409, mwN). Eine solche Unvertretbarkeit vermag die Revision mit ihren lediglich pauschalen Ausführungen nicht aufzuzeigen.

10 Wenn die Revision weiters ausführt, das Bundesverwaltungsgericht habe den Religionswechsel des Revisionswerbers festgestellt, aber keine Gefahr der realen Verfolgung als Christ angenommen, ist dazu festzuhalten, dass eine etwaige Konversion vom Revisionswerber weder vorgebracht noch sonst thematisiert wurde und daher auch nicht Gegenstand des Verfahrens war. Entfernt sich die Revision - wie hier - in der Zulässigkeitsbegründung vom festgestellten Sachverhalt, wird schon deshalb keine fallbezogene Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung aufgezeigt (vgl. VwGH 10.7.2019, Ra 2019/14/0288, mwN). 11 Sofern der Revisionswerber die Annahme einer innerstaatlichen Fluchtalternative bekämpft und dazu ins Treffen führt, eine solche könne nicht für die Stadt Kabul angenommen werden, geht das diesbezügliche Vorbringen schon deswegen ins Leere, weil das Bundesverwaltungsgericht vom Bestehen einer innerstaatlichen Fluchtalternative, deren Inanspruchnahme dem Revisionswerber auch zumutbar sei, in Mazar-e Sharif ausgegangen ist. Dass sich diesbezüglich die einzelfallbezogene Beurteilung als unvertretbar darstellen würde, vermag die Revision nicht aufzuzeigen.

12 Diese ist angesichts der Erwägungen des Bundesverwaltungsgerichts, dass es sich beim Revisionswerber um einen gesunden und erwachsenen jungen Mann im erwerbsfähigen Alter mit achtjähriger Schulbildung handelt, dessen Teilnahmemöglichkeit am Erwerbsleben vorausgesetzt werden kann, der mit den Gepflogenheiten seines Heimatlandes und den dort gesprochenen Sprachen vertraut ist, im Lichte der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. etwa VwGH 30.10.2019, Ra 2019/14/0478, mwN) nicht zu beanstanden.

13 Soweit die Revision mit dem Hinweis auf den viereinhalbjährigen Aufenthalt des Revisionswerbers in Österreich die vom Bundesverwaltungsgericht im Rahmen des § 9 BFA-VG vorgenommene Interessenabwägung beanstandet, ist festzuhalten, dass nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes eine unter Bedachtnahme auf die jeweiligen Umstände des Einzelfalls in Form einer Gesamtbetrachtung durchgeführte Interessenabwägung im Sinn des Art. 8 EMRK im Allgemeinen - wenn sie auf einer verfahrensrechtlich einwandfreien Grundlage erfolgt und in vertretbarer Weise im Rahmen der von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätze vorgenommen wurde - nicht revisibel ist (vgl. VwGH 4.2.2020, Ra 2020/14/0026, mwN). Es gelingt der Revision nicht darzulegen, dass die vom Bundesverwaltungsgericht vorgenommene und auf die Umstände des Einzelfalls Bedacht nehmende Interessenabwägung unvertretbar erfolgt wäre.

14 In der Revision werden somit keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher zurückzuweisen.

15 Von der Durchführung der beantragten Verhandlung vor dem Verwaltungsgerichtshof konnte gemäß § 39 Abs. 2 Z 1 VwGG abgesehen werden.

Wien, am 16. März 2020

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2020:RA2019140605.L00

Im RIS seit

19.05.2020

Zuletzt aktualisiert am

19.05.2020
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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