TE Bvwg Erkenntnis 2019/10/29 W247 2221668-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 29.10.2019
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Entscheidungsdatum

29.10.2019

Norm

AsylG 2005 §10 Abs1 Z3
AsylG 2005 §11
AsylG 2005 §15b Abs1
AsylG 2005 §3
AsylG 2005 §3 Abs1
AsylG 2005 §3 Abs2
AsylG 2005 §3 Abs3 Z1
AsylG 2005 §57
AsylG 2005 §8 Abs1 Z1
AsylG 2005 §8 Abs2
AsylG 2005 §8 Abs3
BFA-VG §18 Abs1 Z1
BFA-VG §19
BFA-VG §21 Abs7
BFA-VG §9
B-VG Art. 133 Abs4
EMRK Art. 2
EMRK Art. 3
EMRK Art. 8
FPG §46
FPG §50
FPG §52 Abs2 Z2
FPG §52 Abs9
VwGVG §14 Abs1
VwGVG §15 Abs1
VwGVG §24
VwGVG §28 Abs1
VwGVG §28 Abs2

Spruch

W247 2221668-1/8E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch den Richter Mag. HOFER, über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , StA. Ukraine, vertreten durch XXXX , gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 25.04.2019, Zl. XXXX nach Beschwerdevorentscheidung des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 09.07.2019, und nach Stellung eines Vorlageantrages, zu Recht:

A)

Die Beschwerde wird gemäß § 28 Abs. 2 VwGVG iVm §§ 3 Abs. 1, 8 Abs. 1, 10 Abs. 1 Z 3, 15b Abs. 1, 57 AsylG 2005, §§ 9, 18 Abs. 1 Z 1 BFA-VG, und § 52 Abs. 2 Z 2 und Abs. 9 FPG als unbegründet abgewiesen und die Beschwerdevorentscheidung vom 09.07.2019 bestätigt.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG, nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

Der Beschwerdeführer (im Folgenden BF) ist ukrainischer Staatsangehöriger und der Volksgruppe der Ruthenen zugehörig. Der Beschwerdeführer ist Angehöriger des christlich orthodoxen Glaubensbekenntnisses.

I. Verfahrensgang:

1. Der BF reiste spätestens im Februar 2019 legal in das österreichische Bundesgebiet ein und stellte am 28.02.2019 den gegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz, zu welchem der BF am selben Tag vor der Landespolizeidirektion XXXX erstbefragt wurde. Nach Zulassung seines Verfahrens wurde der BF am 24.04.2019 vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA), Erstaufnahmestelle Ost, im Beisein eines ihm einwandfrei verständlichen Dolmetschers für die Sprache Ukrainisch niederschriftlich einvernommen.

2. Der BF brachte im Rahmen seiner Erstbefragung am 28.02.2019 im Wesentlichen hinsichtlich seiner Fluchtgründe vor, dass er vor einem Jahr ein Meeting auf der Straße mit mehreren Menschen gehabt hätte, die alle Ruthenen gewesen seien. Sie hätten besprochen, wie sie ein Referendum machen könnten, damit ihr Bundesland Transkarpatien unabhängig würde. Danach seien sie von der Polizei festgenommen und zusammengeschlagen worden. Dadurch habe er Probleme mit der Hüfte bekommen. Er habe auch Unterlagen aus der Ukraine. Durch diesen Vorfall sei er als Ruthene unter Druck geraten. Außerdem habe ihn die Polizei in der Ukraine zusammengeschlagen und fühle er sich als Opfer. Als er Unternehmer gewesen sei, sei er von den Behörden schikaniert worden. Er glaube, dass das damit zu tun habe. Er sei auch bedroht worden, dass es ihm noch leidtun würde bzw. er seine politischen Ansichten zur Seite legen solle. Sonst habe er keine Fluchtgründe. Der BF befürchte bei Rückkehr in seinen Herkunftsstaat Verfolgung. Bezüglich etwaiger verwandtschaftlicher Anknüpfungspunkte im Herkunftsstaat gab er an, dass seine Ehegattin und seine Tochter noch in der Ukraine leben würden.

3. Im Rahmen seiner Einvernahme vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA) am 24.04.2019 machte der BF geltend, dass er im Verfahren bisher der Wahrheit entsprechende Angaben getätigt habe, lediglich wolle er das Geburtsdatum seiner Tochter dahingehend berichtigen, dass diese nicht am XXXX , sondern am XXXX geboren wäre. Er habe zuletzt in der Stadt XXXX in einer Wohnung gelebt, sei allerdings an einer anderen Adresse gemeldet gewesen. Ihm gehe es gesundheitlich schlecht, da sein Knochengewebe langsam absterbe. Seine linke Hüfte sei in der Ukraine operiert worden. Er habe jetzt auch Probleme mit der rechten Hüfte. Es sei ein weiteres MRT notwendig und wäre der Termin auf den 15.05.2019 verlegt worden. Es sollte abgeklärt werden, ob er eine weitere künstliche Hüfte brauche.

Er habe 9 Jahre die Pflichtschule besucht und 3 Jahre die Berufsschule für Lebensmittelhandel, danach habe er 6 Jahre eine Universität besucht und Betriebswirtschaft studiert. Er habe 5 Jahre beim Finanzamt gearbeitet und sei danach Unternehmer gewesen, er habe 4 Elektrogeschäfte gehabt. Er habe eine Wohnung mit seiner Ehefrau gemeinsam.

Auf die Frage, ob er persönlich Probleme mit den Behörden seines Heimatlandes gehabt habe, gab er an, dass er Ende August 2017 an einer spontanen Versammlung teilgenommen habe, die nicht gemeldet gewesen wäre. Sie hätten die Gesellschaft dazu bewegen wollen, das Bundesland Transkarpatien autonom zu regieren. Etwa 10 bis 12 Personen, darunter er, seien dann von einer Spezialeinheit von 2 bis 3 Kleinbussen mitgenommen und zur Polizeiinspektion gebracht worden, die anderen hätten davonlaufen können. Sie seien von in Zivil gekleideten Personen einvernommen worden und hätte man von ihnen wissen wollen, wer die Versammlung organisiert habe und was sie zur Teilnahme bewegt habe. Bei dieser Befragung seien sie auf die Beine geschlagen worden. Es sei ihnen gesagt worden, dass gegen sie ein Strafverfahren eröffnet würde, wenn sie so etwas noch einmal wiederholen würden. Es könnten Leute von der Abteilung 6 oder der SBU (Sicherheitsbehörde der Ukraine) gewesen sein. Sie hätten Plakate vorbereitet, auf denen gestanden sei, dass sie ein Referendum verlangen würden und auch die Unabhängigkeit.

Weiters sei sein Geschäft zerstört worden und wäre auf dem Areal ein Supermarkt errichtet worden. Sein Geschäft sei 50.000,00 USD wert gewesen und hätte er 10.000,00 USD von einer Firma bekommen. Es sei gesagt worden, dass er nichts bekommen würde, wenn er mit dieser Summe nicht einverstanden wäre. Er habe einen Kredit aufgenommen von über 90.000,00 USD, den er 2 Jahre vor der Enteignung abbezahlt gehabt hätte. Als er bei der Polizei Anzeige erstattet hätte, habe man ihm gesagt, er solle Zivilklage einreichen. Der Vizebürgermeister habe mehrere Geschäfte auf diese Art enteignet. Weiters sei er sehr krank und brauche eine Behandlung, wofür er kein Geld mehr habe. Dies seien seine Fluchtgründe. Befragt, was er bei Rückkehr in seinen Herkunftsstaat befürchten würde, meinte der BF, dass er nicht so viel Geld hätte, sich operieren zu lassen. Sein medizinisches Problem sei dringend. Weiters beklagte er, dass man in der Ukraine so leicht Enteignungen durchführen könne.

4. Der BF brachte erstinstanzlich folgende Dokumente/Unterlagen in Vorlage:

* Reisepass in Kopie

* ärztliche Überweisung an einen FA für Orthopädie

* Befundbericht " XXXX " vom 07.03.2019

* Fachärztlicher Befundbericht Dr. XXXX vom 05.03.2019

* Befund Landesklinikum XXXX vom 09.04.2019

* Ambulanzkarte Landesklinikum XXXX Unfallchirurgie

* MRT-Befund des transkarpatischen diagnostischen Zentrums " XXXX vom 10.11.2018 und 30.12.2017

* MRT am Ring vom 23.04.2019

* Konvolut an medizinischen Unterlagen aus der Ukraine (Ausweis betr. Prothese, Vertrag über den Kauf einer Prothese, Zahlungsbestätigung einer Bank, Vertrag über die Abzahlung der medizinischen Behandlung, Bestätigung betr. durchgeführte Operation, Entlassungsbrief, Honorarnoten, Befunde, Auszug auf der Krankengeschichte der schwedisch-ukrainischen Klinik "Engelholm" (Operationsdatum 31.01.2019)).

5. Mit dem angefochtenen Bescheid der belangten Behörde (BFA) vom 25.04.2019 wurde der Antrag auf internationalen Schutz des BF gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten (Spruchpunkt I.) und gemäß § 8 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG bezüglich der Zuerkennung des Status der subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Ukraine (Spruchpunkt II.) abgewiesen. Gemäß § 57 AsylG wurde ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen nicht erteilt (Spruchpunkt III.) und gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG iVm § 9 BFA-VG gegen den BF eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG erlassen (Spruchpunkt IV.), wobei gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt wurde, dass die Abschiebung des BF gemäß § 46 FPG in die Ukraine zulässig sei (Spruchpunkt V.). gemäß § 15b Abs. 1 AsylG wurde dem BF aufgetragen, im Quartier AIBE BS OSt Unterkunft zu nehmen (Spruchpunkt VI.). Einer Beschwerde gegen diese Entscheidung wurde die aufschiebende Wirkung gemäß § 18 Abs. 1 Z 1 BFA-VG aberkannt (Spruchpunkt VI.)

Als Begründung wurde im Wesentlichen angegeben, dass der BF eine Gefährdungslage im Herkunftsstaat Ukraine nicht glaubhaft machen konnte. Dies wurde im Wesentlichen mit den unkonkreten, teils nicht nachvollziehbaren Angaben des BF begründet, mit welchen nicht in ausreichendem Maße eine individuelle Verfolgungsgefahr des BF in Ukraine substantiiert wurde. Sein Vorbringen - betreffend die angebliche Festnahme bei der nicht angemeldeten Versammlung - wirke konstruiert, da die Gruppe lediglich auf dem Weg zu einer Demonstration gewesen sei und bereits angefangen hätten ihre Interessen zu vertreten. Es wäre auch nicht nachvollziehbar sei, weshalb bei einer friedlichen Demonstration eine Spezialeinheit einrücken sollte und der BF und andere geschlagen werden hätten sollen, wo eine Kooperation der Festgenommenen mit den Behörden stattgefunden hätte und die Festgenommenen in die Fahrzeuge eingestiegen sind. Hinsichtlich der ins Treffen geführten Enteignung, bezüglich derer er auf den Zivilrechtweg verwiesen worden sei, sei nicht nachvollziehbar, weshalb der BF diesen nicht eingeschlagen habe, zumal ihm jegliche Glaubwürdigkeit zuzusprechen gewesen wäre, da sich der Vizebürgermeister laut seinen Angaben nach Amerika abgesetzt hätte. Bezüglich der Rückkehrbefürchtung, wonach er sich eine neuerliche medizinische Behandlung in der Ukraine nicht leisten könne, werde festgestellt, dass er ein arbeitsfähiger Mann sei und jederzeit eine Beschäftigung aufnehmen könnte und sich daher auch Sonderbehandlungen leisten könnte. Er könne in der Ukraine jederzeit versorgt und behandelt werden, sodass auch hinsichtlich dieses Vorbringens keine Bedenken bestünden. Die Ausreise des Beschwerdeführers aus der Ukraine sei legal erfolgt und sei er von staatlicher Seite nicht daran gehindert worden. Es stehe daher fest, dass er von staatlicher Seite nichts zu befürchten habe. In rechtlicher Hinsicht führte das BFA aus, dass die Furcht des BF, in seinem Herkunftsstaat mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit aus den in der GFK genannten Gründen verfolgt zu werden, nicht begründet sei. Auch würden die Voraussetzungen für die Gewährung subsidiären Schutzes nicht vorliegen, weil unter Berücksichtigung der persönlichen Verhältnisse in der Ukraine nicht davon auszugehen sei, dass er im Falle seiner Rückkehr in eine aussichtslose Lage gedrängt würde, die eine Rückkehr unzumutbar erscheinen ließe. Anhaltspunkte dafür, dass ihm ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG zu erteilen würde, würden nicht vorliegen. Aufgrund seiner kurzen Aufenthaltsdauer in Österreich und seiner privaten und familiären Situation könne nicht von einer nachhaltigen Integration, die schwerer als das öffentliche Interesse an einer Effektuierung der negativen Asylentscheidung wiegen würde, ausgegangen werden. Da ihm ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen nicht erteilt werde und die Rückkehrentscheidung gemäß § 9 Abs. 1 bis 3 BFA-VG zulässig sei, sei gemäß § 10 Abs. 1 AsylG und § 52 Abs. 2 Z 2 FPG eine Rückkehrentscheidung zu erlassen. Weiters sei auszusprechen, dass die Abschiebung in die Ukraine gemäß § 46 Abs. 1 Z. 1 FPG zulässig sei. Da es sich bei der Ukraine um einen sicheren Herkunftsstaat handle und in seinem Fall ein erhöhtes Interesse an einer raschen und effizienten Bearbeitung seines Antrages bestünde, habe er gemäß § 15b Abs. 1 letzter Satz AsylG bis zur Rechtskraft der Entscheidung in der AIBE Ost Unterkunft zu nehmen. Da feststehe, dass in seinem Fall keine reale Gefahr einer Menschenrechtsverletzung im Falle seiner Rückkehr in den Herkunftsstaat bestehe, sei die sofortige Umsetzung der aufenthaltsbeendenden Maßnahme im Interesse eines geordneten Fremdenwesens geboten und sei einer Beschwerde gegen die abweisende Entscheidung gemäß § 18 Abs. 1 Z 1 BFA-VG die aufschiebende Wirkung abzuerkennen.

6. Mit Verfahrensanordnung vom 25.04.2019 wurde dem BF gemäß § 52 Abs. 1 BFA-VG ein Rechtsberater amtswegig zur Seite gestellt.

7. Gegen den Bescheid vom 25.04.2019 erhob der BF über seinen gewillkürten Stellvertreter mit Schriftsatz vom 15.05.2019, eingelangt am 21.05.2019, fristgerecht in vollem Umfang das Rechtsmittel der Beschwerde wegen Rechtswidrigkeit. Begründend wurde darin im Wesentlichen ausgeführt, dass er in seinem Heimatland an einer Demonstration mit dem Ziel der Autonomie von Transkarpatien teilgenommen habe. Er und weitere Demonstranten hätten sich auf dem XXXX Platz versammelt und hätten zum Landesregierungsgebäude marschieren wollen. Noch bevor sie am Ziel angekommen seien, wären Beamte des Inlandsgeheimdienstes SBU eingetroffen und wären der BF und andere Teilnehmer geschlagen, in kleine Omnibusse gedrängt und auf die Polizeistation gebracht worden. Dort seien sie befragt, wieder geschlagen und danach freigelassen worden. Man habe ihm gesagt, dass gegen ihn ein Strafverfahren eröffnet würde, wenn er noch einmal bei einer Demonstration gesichtet würde. Weiters sei ihm sein Eigentum zwangsweise entzogen worden und hätte er nur einen sehr geringen Betrag als Entschädigung erhalten. Dazu komme, dass er krank sei. Er leide an "aseptischer Nekrose" und könne er sich eine Behandlung in der Ukraine nicht leisten. Aus diesen Gründen sei er nach Österreich geflohen.

Die belangte Behörde habe in ihren Länderberichten festgehalten, dass Behandlungen teilweise korruptionsbedingt davon abhängig seien, dass Patienten einen Betrag im Voraus bezahlen oder Medikamente auf eigene Rechnung beschaffen würden. Zu den privaten Krankenhäusern werde festgehalten, dass diese für den größten Teil der ukrainischen Bevölkerung nicht bezahlbar seien. Die belangte Behörde habe es unterlassen ihre eigenen Länderberichte entsprechend zu würdigen. Die Behörde stütze ihre Feststellungen zur Situation in der Ukraine weiters größtenteils auf alte, unvollständige Länderberichte, die auf die konkrete Situation des BF nicht abzielen würden. So würden gänzlich Länderberichte fehlen, ob die derzeitige Behandlung des BF in der Ukraine fortgesetzt werden könnte und die Medikamente dafür überhaupt vorhanden wären. Der BF sei aus politischen Gründen in der Ukraine verfolgt und eine IFA bestünde daher nicht, bei Rückkehr würde er in eine lebensbedrohliche Situation geraten, weshalb ihm jedenfalls subsidiärer Schutz zu gewähren wäre. Beschwerdeseitig wurde beantragt, das BVwG möge 1.) eine mündliche Beschwerdeverhandlung durchführen, 2.) dem BF Asyl gewähren, 3.) in eventu ihm den Status des subsidiären Schutzes erteilen, 4.) in eventu die Rückkehrentscheidung als unzulässig aufzuheben und einen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen zu erteilen,

5.) in eventu den Bescheid ersatzlos zu beheben und zur Verfahrensergänzung und neuerlichen Entscheidung an das BFA zurückzuverweisen, 6.) in eventu der Beschwerde die aufschiebende Wirkung zu gewähren.

8. Mit Beschwerdevorentscheidung vom 09.07.2019 wies das BFA die Beschwerde in der Folge vom § 14 Abs. 1 VwGVG als unbegründet ab.

Begründend wurde ausgeführt, dass sein Vorbringen als nicht glaubhaft und auch nicht als asylrelevant festgestellt worden sei. Auch sei festgehalten worden, dass weder von staatlicher Seite noch von sonstigen machtausübenden Gruppierungen Bedrohungen seiner Person vorliegen würden. An diesen Feststellungen werde festgehalten. Er habe angegeben, dass er auf dem Weg zu einer Versammlung von einer Spezialeinheit mitgenommen worden sei und in der Folge eine Einvernahme gemacht worden sei. Er wäre danach entlassen worden. Es stünde fest, dass seine Ausführungen nicht glaubhaft seien. Betreffend die Ausführungen in der Beschwerde sei anzumerken, dass wohl kein Grund für eine Überwachung durch eine Spezialeinheit gegeben gewesen wäre. Er habe in der Einvernahme angegeben, dass keine Straffälligkeit und keine Vorstrafen vorliegen würden. Er sei nach der Einvernahme wieder entlassen worden und habe sein Heimatland offensichtlich legal entlassen. Es gebe keine Anhaltspunkte, weshalb die Behörde ein Interesse an ihm haben sollte, daher sei seitens des Bundesamtes jedenfalls an der getroffenen Entscheidung festzuhalten gewesen.

Betreffend seinen Gesundheitszustand sei anzumerken, dass den Länderfeststellungen im Rahmen der freien Beweiswürdigung zu entnehmen sei, dass eine medizinische Versorgung in der Ukraine gegeben und sichergestellt sei. Die Verfassung garantiere allen Bürgern freien Zugang zur Gesundheitsfürsorge. Es wäre daher jedenfalls verfassungswidrig, wenn ihm die Behandlung verwehrt würde. Es stehe fest, dass dies im Bedarfsfall eine Angelegenheit für die Gerichte wäre, bei welchen er seine Ansprüche geltend machen müsste und sein Recht auf Behandlung gegebenenfalls durchsetzen könnte. Er habe in der Einvernahme bereits angegeben, dass seine linke Hüfte in der Ukraine bereits operiert worden sei und bestehe kein Grund für die Annahme, dass er nicht neuerlich behandelt werden sollte. Er habe letztlich ins Treffen geführt, dass die medizinische Behandlung in Österreich sehr gut wäre. Es stünde fest, dass er in seinem Heimatland jedenfalls auch behandelt werden könnte und auch behandelt worden sei. Die Beschwerde würde mit den angeführten Begründungen keine Änderung der ergangenen Entscheidung herbeizuführen vermögen, sodass eine Beschwerdevorentscheidung erlassen worden sei.

9. Mit Schriftsatz vom 18.07.2019, eingelangt am 19.07.2019, stellte der Beschwerdeführer einen Vorlageantrag gemäß § 15 Abs. 1 VwGVG. Begründend wurde ausgeführt, dass in der Beschwerde zahlreiche Mängel und Rechtswidrigkeiten angeführt worden seien, die in der Beschwerdevorentscheidung ignoriert bzw. ohne weitere Ermittlungen abgetan worden seien. Die Beweiswürdigung der belangten Behörde sei unschlüssig. Sie habe sich mit den Argumenten, die in der Beschwerde ausgeführt worden seien, nicht auseinandergesetzt. So seien beispielsweise die vom BF vorgebrachte Enteignung und der zum diesbezüglichen Beweis vorgelegte Polizeibericht von der belangten Behörde ignoriert worden. Zur Argumentation, dass nicht nachvollziehbar sei, wieso er von der ukrainischen Polizei nach der Festnahme bei der Demonstration körperlich misshandelt worden sei, sei anzumerken, dass unmenschliche Misshandlungen durch staatliche Behörden jedenfalls rechtswidrig seien und keinen logischen Grundsätzen folgen würden. Der BF und die anderen Demonstranten hätten über facebook-messenger kommuniziert und vermute er, dass die Chats oder Telefone überwacht worden seien. Er sei Mitglied der ruthenischen Gesellschaft und engagiere sich als Angehöriger dieser Volksgruppe für die Autonomie der Karpatenukraine. Aus diesem Grund werde er von dem ukrainischen Sicherheitsministerium verfolgt. Daher hätte ihm die Behörde richtigerweise Asyl wegen staatlicher Verfolgung aufgrund seiner politischen Aktivitäten gewähren müssen. In Bezug auf seine gesundheitlichen Probleme sei auszuführen, dass richtigerweise seitens der belangten Behörde ausgeführt worden sei, dass er in der Ukraine an der linken Hüfte operiert worden sei. Die hohen Behandlungskosten seien aber nicht vom ukrainischen Staat, sondern von ihm selbst getragen worden. Aktuell sei er aber nicht mehr in der Lage, selber für die notwendigen Kosten aufzukommen. Ihm drohe aufgrund seines Zustandes infolge der schweren Erkrankung unmenschliche bzw. erniedrigende Behandlung. Eine Verletzung des Art. 3 EMRK würde im gegebenen Fall der Abschiebung vorliegen und mache jene somit unzulässig. Beschwerdeseitig wurde beantragt, das BFA möge die Beschwerde dem BVwG vorlegen und dieses möge 1.) eine mündliche Beschwerdeverhandlung durchführen, 2.) falls nicht alle zu Lasten des BF gehenden Rechtswidrigkeiten im angefochtenen Bescheid in der Beschwerde geltend gemacht wurden, diese amtswegig aufgreifen. 3.) dem BF Asyl gewähren, 4.) in eventu ihm den Status des subsidiären Schutzes erteilen, 5.) in eventu die Rückkehrentscheidung als unzulässig aufzuheben und einen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen zu erteilen.

10. Die Beschwerdevorlage und der Verwaltungsakt langten beim Bundesverwaltungsgericht am 24.07.2019 ein.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Der entscheidungsrelevante Sachverhalt steht fest. Auf Grundlage des Asylantrages des BF vom 28.02.2019, seiner Einvernahmen vor Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes am selben Tag und der niederschriftlichen Einvernahme vor dem Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl am 24.04.2019, der Beschwerde vom 21.05.2019 gegen den angefochtenen Bescheid vom 25.04.2019, der Beschwerdevorentscheidung vom 09.07.2019, dem Vorlageantrag vom 19.07.2019, der im Verfahren vorgelegten Schriftstücke, sowie medizinischen Unterlagen, sowie der Einsichtnahme in den Verwaltungsakt, das Zentrale Melderegister, das Fremden- und Grundversorgungs-Informationssystem und das Strafregister der Republik Österreich werden folgende Feststellungen getroffen und der Entscheidung zugrunde gelegt:

1.1. Zur Person des BF:

Der BF ist ein Staatsangehöriger der Ukraine, gehört der Volksgruppe der Ruthenen und dem christlich orthodoxen Glauben an, hat im Herkunftsstaat in der Stadt XXXX gewohnt, reiste im Februar 2018 legal mittels eines ungarischen Schengenvisums in das österreichische Bundesgebiet ein und stellte am 28.02.2019 einen Antrag auf internationalen Schutz.

Der BF besuchte für 9 Jahre eine Pflichtschule und in der Folge für 3 Jahre eine Berufsschule für Lebensmittelhandel. Er hat weiters auf der Universität 6 Jahre Betriebswirtschaft studiert und war beruflich als Unternehmer für Elektrogeräte tätig. Der BF ist arbeitsfähig und in der Lage sich ihren Lebensunterhalt in seinem Herkunftsland, wie zuvor auch selbst zu erwirtschaften. Im Herkunftsstaat sind nach wie vor die Ehegattin des BF, von welcher dieser aber getrennt ist, sowie die gemeinsame Tochter wohnhaft.

Der BF hat keine in Österreich lebenden Familienangehörigen oder Verwandten und verfügt auch sonst über keine nennenswerten sozialen Beziehungen. Der BF hat in Österreich laut eigenen Angaben einen Deutschkurs absolviert, jedoch keine Kursbestätigung diesbezüglich vorgelegt. Er ist nicht Mitglied in einem Verein oder einer sonstigen Organisation im Bundesgebiet. Darüber hinaus konnten keine maßgeblichen Anhaltspunkte für die Annahme einer hinreichenden Integration des BF in Österreich in sprachlicher, sozialer und beruflicher Hinsicht festgestellt werden. Der BF ist in Österreich keiner ordentlichen Beschäftigung nachgegangen. Der BF befindet sich nicht in Grundversorgung.

Der BF ist strafrechtlich unbescholten.

Der BF leidet an einer aseptischen Kopfnekrose des linken Oberschenkelknochens und wurde diesbezüglich bereits im Herkunftsstaat medizinisch behandelt. Er stand diesbezüglich in Österreich in medizinischer Behandlung.

Der BF wurde am 20.05.2019 per Flugzeug in den Herkunftsstaat abgeschoben.

1.2. Zu den Fluchtgründen des BF:

Das Vorbringen der Beschwerdeseite betreffend die Furcht des BF vor Verfolgung wird den Feststellungen mangels Glaubhaftmachung nicht zugrunde gelegt. Es kann nicht festgestellt werden, dass dem BF in der Ukraine eine an asylrelevante Merkmale anknüpfende Verfolgung droht.

1.3. Zu einer möglichen Rückkehr des BF in seinen Herkunftsstaat:

Bei Verbringung des BF in seinen Herkunftsstaat droht diesem kein reales Risiko einer Verletzung der Art. 2 oder 3 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten, BGBl. Nr. 210/1958 (in der Folge EMRK), oder der Prot. Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention.

1.4. Zur maßgeblichen Situation in der Ukraine

KI vom 24.04.2019, Präsidentschaftswahlen (relevant für Abschnitt 2/Politische Lage)

Der ukrainische Schauspieler, Jurist und Medienunternehmer Wolodymyr Oleksandrowytsch Selenskyj gewann laut vorläufigem Endergebnis am 21. April die Präsidentschaftsstichwahl der Ukraine gegen den Amtsinhaber Petro Poroschenko mit 73,2% zu 24,5% der abgegebenen Stimmen (Wahlbeteiligung: 61,4%) (DS 21.4.2019; ZO 21.4.2019; ZDF 23.4.2019). Beobachtern zufolge verlief die Wahl im Großen und Ganzen frei und fair und entsprach generell den Regeln des demokratischen Wettstreits. Kritisiert wurden unter anderem die unklare Wahlkampffinanzierung und die Medienberichterstattung in der Wahlauseinandersetzung (KP 22.4.2019).

Es ist ziemlich unklar, wofür der designierte Präsident Selenskyj steht, bzw. was man politisch von ihm erwarten darf. Bekannt geworden ist Selenskyj durch die beliebte ukrainische Fernsehserie "Diener des Volkes", in der er einen einfachen Bürger spielt, der eher zufällig Staatspräsident wird und dieses Amt mit Erfolg ausübt. Tatsächlich hat Selenskyj keine nennenswerte politische Erfahrung, ist dadurch jedoch auch unbefleckt von politischen Skandalen. Eigenen Aussagen zufolge will er den Friedensplan für den umkämpften Osten des Landes wiederbeleben und strebt wie Poroschenko einen EU-Beitritt an. Über einen Nato-Beitritt der Ukraine soll jedoch eine Volksabstimmung entscheiden (DS 21.4.2019; ZO 21.4.2019). Selenskyj hat sich vor allem den Kampf gegen die Korruption auf seine Fahnen geschrieben (UA 27.2.2019).

Kritiker sehen Selenskyj als Marionette des Oligarchen Igor Kolomojskyj, dessen weitgehende Macht unter Präsident Poroschenko stark beschnitten wurde, und auf dessen Fernsehsender 1+1 viele von Selenskyjs Sendungen ausgestrahlt werden. Diesen Vorwurf hat Selenskyj stets zurückgewiesen (UA 27.2.2019; CNN 21.4.2019; Stern 23.4.2019).

Quellen:

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- CNN - Cable News Network (21.4.2019): Political newcomer Volodymyr Zelensky celebrates victory in Ukraine's presidential elections,

https://edition.cnn.com/2019/04/21/europe/ukraine-election-results-intl/index.html, Zugriff 24.4.2019

-

- DS - Der Standard (21.4.2019): Politikneuling Selenski wird neuer Präsident der Ukraine,

https://derstandard.at/2000101828722/Politik-Neuling-Selenski-bei-Praesidenten-Stichwahl-in-der-Ukraine-vorn, Zugriff 24.4.2019

-

- KP - Kyiv Post (22.4.2019): Election watchdog Opora:

Presidential election free and fair, https://www.kyivpost.com/ukraine-politics/election-watchdog-opora-presidential-election-free-and-fair.html, Zugriff 24.4.2019

-

- Stern (23.4.2019): Ihor Kolomojskyj, der milliardenschwere Strippenzieher hinter der Sensation Selenskyj, https://www.stern.de/politik/ausland/ukraine-ihor-kolomojskyj--der-strippenzieher-hinter-der-sensation-selenskyj-8678850.html, Zugriff 24.4.2019

-

- UA - Ukraine Analysen (27.2.2019): Präsidentschaftswahlen 2019, per E-Mail

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- ZDF - Zweites Deutsches Fernsehen (23.4.2019): Ukraine:

Vorläufiges Ergebnis. Selenskyj gewinnt Wahl mit 73 Prozent, https://www.zdf.de/nachrichten/heute/nach-der-wahl-in-der-ukraine-vorlaeufiges-ergebnis-steht-fest-100.html, Zugriff 24.4.2019

-

- ZO - Zeit Online (21.4.2019): Komiker Wolodymyr Selenskyj gewinnt Präsidentschaftswahl,

https://www.zeit.de/politik/ausland/2019-04/ukraine-wahl-komiker-wolodymyr-selenskyj-liegt-laut-prognosen-vorne, Zugriff 24.4.2019

KI vom 09.01.2019, Kriegsrecht beendet (relevant für Abschnitt 3/Sicherheitslage)

Der ukrainische Präsident Petro Poroschenko hat wie angekündigt, das für Teile der Ukraine verhängte 30-tägige Kriegsrecht, nicht verlängert. Es lief damit wie geplant am 26.12.2018 um 13 Uhr (MEZ) aus. Der Präsident betonte, das Kriegsrecht habe in keiner Weise den Alltag der Zivilbevölkerung beeinflusst (ZO 26.12.2018; vgl. DW 26.12.2018).

Quellen:

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- DW - Deutsche Welle (26.12.2018): Poroschenko beendet das Kriegsrecht,

https://www.dw.com/de/poroschenko-beendet-das-kriegsrecht/a-46868008, Zugriff 9.1.2019

-

- ZO - Zeit Online (26.12.2018): Kriegsrecht in der Ukraine ist beendet,

https://www.zeit.de/politik/ausland/2018-12/petro-poroschenko-ukraine-kriegsrecht-beendet, Zugriff 9.1.2019

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- KI vom 28.11.2018, 30 Tage Kriegsrecht für bestimmte Oblaste verhängt (relevant für Abschnitt 3/Sicherheitslage)

Das ukrainische Parlament hat am 26. November dem Antrag von Präsident Poroschenko zugestimmt, in Teilen des Landes für 30 Tage das Kriegsrecht zu verhängen. Betroffen sind die "gegenüber russischer Aggression verwundbarsten Regionen" des Landes (siehe Karte) (RFE/RL 26.11.2018).

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(RFE/RL 27.11.2018)

Das Kriegsrecht ermöglicht in den genannten Oblasten eine teilweise Mobilisierung, eine Stärkung der Luftverteidigung sowie eine nicht näher spezifizierte Stärkung des Konterspionage-, Konterterrorismus- und Kontersabotage-Regimes und der Informationssicherheit. Von den 450 Abgeordneten der Obersten Rada (ukrainisches Parlament) stimmten nach hitziger Debatte 276 für und 30 gegen den Antrag. Zuerst hatte Poroschenko die Maßnahme noch für 60 Tage gefordert, das aber später reduziert (RFE/RL 26.11.2018).

Anlass für diesen in der ukrainischen Geschichte beispiellosen Schritt, war ein Vorfall in der Meerenge von Kertsch (der einzigen Zufahrt zum Asowschen Meer) vom vergangenen Wochenende, bei dem die russische Küstenwache Patrouillenboote der ukrainischen Marine erst beschoss, einen Schlepper rammte und die Boote danach festsetzte und insgesamt 23 ukrainische Seeleute inhaftierte. Russland behauptet, die ukrainischen Seefahrzeuge hätten illegal russische Gewässer befahren. Seit die ukrainische Krimhalbinsel von Russland annektiert worden ist, gibt es gehäuft Probleme beim freien Zugang zum Asowschen Meer und damit zum für die ukrainische Wirtschaft so wichtigen Hafen Mariupol. Mittlerweile hat Russland auch eine Brücke über die Meerenge von Kertsch gebaut (RFE/RL 26.11.2018).

Präsident Poroschenko sagte vor der Debatte im Parlament, die Verhängung des Kriegsrechts sei nötig, damit die Ukraine unverzüglich die Verteidigung stärken kann, um im Falle einer Invasion schnell reagieren zu können. Dies bedeute jedoch nicht, dass die Ukraine offensive Operationen unternehmen wolle; es gehe ausschließlich um den Schutz des Territoriums und die Sicherheit der Bürger. Das Kriegsrecht sieht Dutzende Handlungsoptionen vor, die ergriffen werden können - aber nicht müssen. Diese müssen vor Inkrafttreten von der Regierung festgelegt werden. So gehen die Polizeiaufgaben in Kampfgebieten an die Armee über. Das Militär erhält erweiterte Rechte und ist beispielsweise berechtigt, Ausgangssperren zu verhängen sowie Wohnungsdurchsuchungen und Verkehrs- und Personenkontrollen vorzunehmen. Männer im wehrpflichtigen Alter unterliegen Meldeauflagen. Auch ist es während des Kriegsrechts verboten, Verfassungsänderungen, Parlaments- oder Präsidentenwahlen durchzuführen. Das Kriegsrecht lässt aber keine Folter zu. Bei Rechtsverstößen können nur reguläre Gerichte urteilen. Zusätzlich können weitere Maßnahmen getroffen werden wie Einschränkung der Pressefreiheit, Kontrollen oder Einschränkungen der Kommunikationsmittel usw. Im Gesetz ist festgehalten, dass das Kriegsrecht nach dem festgelegten Zeitraum enden muss. Eine Verlängerung würde dementsprechend einen erneuten Antrag des Präsidenten erfordern. Allerdings kann das Kriegsrecht auch frühzeitig beendet werden. Das derzeit geltende Kriegsrecht gilt für 30 Tage. Es trat am 28. November 2018, 9 Uhr morgens in Kraft und endet am 27. Dezember 2018 (SO 27.11.2018).

Präsidentschaftswahlen in der Ukraine sind für den 21. März 2019 angesetzt und sollen wie geplant stattfinden (RFE/RL 26.11.2018).

Quellen:

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RFE/RL - Radio Free Europe / Radio Liberty (26.11.2018): Ukraine Backs Martial Law After Gunfire At Sea, https://www.rferl.org/a/ukrainian-lawmakers-to-consider-martial-law-proposal-after-russia-opens-fire-on-ships-in-black-sea/29620128.html?ltflags=mailer, Zugriff 28.11.2018

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RFE/RL - Radio Free Europe / Radio Liberty (27.11.2018): Ukraine's Martial Law,

https://www.rferl.org/a/ukraines-martial-law/29623833.html?ltflags=mailer, Zugriff 28.11.2018

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SO - Spiegel Online (27.11.2018): So weitreichend ist das ukrainische Kriegsrecht,

http://www.spiegel.de/politik/ausland/ukraine-was-bedeutet-das-kriegsrecht-a-1240658.html, Zugriff 28.11.2018

KI vom 19.12.2017, Antikorruption (relevant für Abschnitt 2/Politische Lage, Abschnitt 4/Rechtsschutz/Justizwesen und Abschnitt 7/Korruption)

Die Ukraine hat seit 2014 durchaus Maßnahmen gesetzt, um die Korruption zu bekämpfen, wie die Offenlegung der Beamtenvermögen und die Gründung des Nationalen Antikorruptionsbüros (NABU). Gemeinsam mit dem ebenfalls neu geschaffenen Antikorruptionsstaatsanwalt kann das NABU viele Fälle untersuchen und hat einige aufsehenerregende Anklagen vorbereitet, u.a. wurde der Sohn des ukrainischen Innenministers festgenommen. Doch ohne ein spezialisiertes Antikorruptionsgericht läuft die Arbeit der Ermittler ins Leere, so die Annahme der Kritiker, da an normalen Gerichten die Prozesse erfahrungsgemäß eher verschleppt werden können. Das Antikorruptionsgericht sollte eigentlich bis Ende 2017 seine Arbeit aufnehmen, wurde aber noch immer nicht formell geschaffen. Präsident Poroschenko äußerte unlängst die Idee, eine auf Korruption spezialisierte Kammer am Obersten Gerichtshof sei ausreichend und schneller einzurichten. Diesen Vorschlag lehnte jedoch der Internationale Währungsfonds (IWF) ab. Daher bot Poroschenko eine Doppellösung an: Zuerst solle die Kammer eingerichtet werden, später das unabhängige Gericht. Der Zeitplan dafür ist jedoch offen (NZZ 9.11.2017).

Kritiker sehen darin ein Indiz für eine Einflussnahme auf die Justiz durch den ukrainischen Präsident Poroschenko. Mit Juri Luzenko ist außerdem Poroschenkos Trauzeuge Chef der Generalstaatsanwaltschaft, welche von Transparency International als Behörde für politische Einflussnahme bezeichnet wird. Tatsächlich berichtet die ukrainische Korruptionsstaatsanwaltschaft von Druck und Einflussnahme auf ihre Ermittler (DS 30.10.2017).

Ende November 2017 brachten Abgeordnete der Regierungskoalition zudem einen Gesetzentwurf ein, der eine "parlamentarische Kontrolle" über das NABU vorsah und heftige Kritik der westlichen Partner und der ukrainischen Zivilgesellschaft auslöste (UA 13.12.2017). Daraufhin wurde der Gesetzesentwurf wieder von der Tagesordnung genommen (DS 7.12.2017), dafür aber der Vorsitzende des Komitees der Werchowna Rada zur Korruptionsbekämpfung entlassen, welcher die Ernennung des von der Regierung bevorzugten Kandidaten für das Amt des Auditors im NABU blockiert hatte (UA 13.12.2017).

Im Zentrum der ukrainischen Hauptstadt Kiew haben zuletzt mehrere Tausend Menschen für eine Amtsenthebung von Präsident Petro Poroschenko demonstriert. Die Kundgebung wurde von Micheil Saakaschwili angeführt - Ex-Staatschef Georgiens und Ex-Gouverneur des ukrainischen Odessa, der ursprünglich von Präsident Poroschenko geholt worden war, um gegen die Korruption vorzugehen. Saakaschwili wirft Poroschenko mangelndes Engagement im Kampf gegen die Korruption vor und steht seit einigen Wochen an der Spitze einer Protestbewegung gegen den ukrainischen Präsidenten. Mit seinen Protesten will er vorgezogene Neuwahlen erzwingen. Saakaschwili war Anfang Dezember, nach einer vorläufigen Festnahme, von einem Gericht freigelassen worden. Die Staatsanwaltschaft ermittelt gegen ihn wegen Organisation eines Staatsstreiches (DS 17.12.2017).

Die EU hat jüngst die Auszahlung eines Hilfskredits über 600 Mio. €

an die Ukraine gestoppt, und der Internationale Währungsfonds (IWF) ist ebenfalls nicht zur Gewährung von weiteren Hilfskrediten bereit, solange der Kampf gegen die grassierende Korruption nicht vorankommt (NZZ 18.12.2017). Der IWF hat die Ukraine aufgefordert, die Unabhängigkeit von NABU und Korruptionsstaatsanwaltschaft zu gewährleisten und rasch einen gesetzeskonformen Antikorruptionsgerichtshof im Einklang mit den Empfehlungen der Venediger Kommission des Europarats zu schaffen (UA 13.12.2017).

Quellen:

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DS - Der Standard (17.12.2017): Tausende fordern in Kiew Amtsenthebung von Poroschenko,

http://derstandard.at/2000070553927/Tausende-fordern-in-Kiew-Amtsenthebung-von-Poroschenko?ref=rec, Zugriff 19.12.2017

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DS - Der Standard (7.12.2017): Interventionen verhindern Gesetz gegen ukrainisches Antikorruptionsbüro, http://derstandard.at/2000069775196/Ukrainischer-Antikorruptionsbehoerde-droht-Verlust-an-Unabhaengigkeit, Zugriff 19.12.2017

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DS - Der Standard (30.10.2017): Die ukrainische Justizfassade bröckelt noch immer,

http://derstandard.at/2000066853489/Die-ukrainische-Justizfassade-broeckelt-noch-immer?ref=rec, Zugriff 19.12.2017

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NZZ - Neue Zürcher Zeitung (18.12.2017): Das politische Risiko in der Ukraine ist zurück,

https://www.nzz.ch/finanzen/das-politische-risiko-in-der-ukraine-ist-zurueck-ld.1340458, Zugriff 19.12.2017

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NZZ - Neue Zürcher Zeitung (9.11.2017): Der ukrainische Präsident verschleppt längst überfällige Reformen, https://www.nzz.ch/meinung/ukraine-revolution-im-rueckwaertsgang-ld.1327374, Zugriff 19.12.2017

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UA - Ukraine Analysen (13.12.2017): Ukraine Analysen Nr. 193, http://www.laender-analysen.de/ukraine/pdf/UkraineAnalysen193.pdf?utm_source=newsletter&utm_medium=email&utm_campaign=Ukraine-Analysen+193&newsletter=Ukraine-Analysen+193, Zugriff 19.12.2017

[...]

Politische Lage

Die Ukraine ist eine parlamentarisch-präsidiale Republik. Ihr Staatsoberhaupt ist seit 7.6.2014 Präsident Petro Poroschenko. Regierungschef ist seit 14.4.2016 Ministerpräsident Wolodymyr Hroisman. Das Parlament (Verkhovna Rada) der Ukraine besteht aus einer Kammer; 225 Sitze werden über ein Verhältniswahlsystem mit Listen vergeben, 225 weitere Sitze werden in Mehrheitswahl an Direktkandidaten in den Wahlkreisen vergeben. 27 Mandate bleiben aufgrund der Krim-Besetzung und des Konflikts in der Ost-Ukraine derzeit unbesetzt. Im Parlament sind folgende Fraktionen und Gruppen vertreten (mit Angabe der Zahl der Sitze):

Block von Petro Poroschenko (Blok Petra Poroschenka)

142

Volksfront (Narodny Front)

81

Oppositionsblock (Oposyzijny Blok)

43

Selbsthilfe (Samopomitsch)

26

Radikale Partei von Oleh Ljaschko (Radykalna Partija Oleha Ljaschka)

20

Vaterlandspartei (Batkiwschtschyna)

20

Gruppe Wolja Narodu

19

Gruppe Widrodshennja

24

Fraktionslose Abgeordnete

48

(AA 2.2017a)

Der nach der "Revolution der Würde" auf dem Kiewer Maidan im Winter 2013/2014 und der Flucht von Wiktor Janukowytsch mit großer Mehrheit bereits im ersten Wahldurchgang zum Präsidenten gewählte Petro Poroschenko verfolgt seither mit unterschiedlichen Koalitionen eine europafreundliche Reformpolitik. Zu den Schwerpunkten des Regierungsprogramms gehören die Bekämpfung der Korruption sowie eine Verfassung- und Justizreform. Die Parteienlandschaft ist pluralistisch und reflektiert alle denkbaren Strömungen von national-konservativ bis links-sozialistisch. Die kommunistische Partei ist verboten. Die Regierung Hrojsman, die seit April 2016 im Amt ist, setzt den euroatlantischen Integrationskurs der Vorgängerregierung unter Arseni Jazenjuk fort und hat trotz zahlreicher koalitionsinterner Querelen und zum Teil großer Widerstände wichtige Reformen erfolgreich durchführen können. Gleichwohl sind die Erwartungen der Öffentlichkeit zu Umfang und Tempo der Reformen bei weitem nicht befriedigt (AA 7.2.2017).

Die Präsidentenwahlen des Jahres 2014 werden von internationalen und nationalen Beobachtern als frei und fair eingestuft (USDOS 3.3.2017a).

Ukrainische Bürger können seit 11. Juni 2017 ohne Visum bis zu 90 Tage in die Europäische Union reisen, wenn sie einen biometrischen Pass mit gespeichertem Fingerabdruck besitzen. Eine Arbeitserlaubnis ist damit nicht verbunden. Die Visabefreiung gilt für alle EU-Staaten mit Ausnahme Großbritanniens und Irlands (DS 11.6.2017).

Quellen:

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AA - Auswärtiges Amt (7.2.2017): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Ukraine, https://www.ecoi.net/file_upload/4598_1488455088_deutschland-auswaertiges-amt-bericht-ueber-die-asyl-und-abschiebungsrelevante-lage-in-der-ukraine-stand-januar-2017-07-02-2017.pdf, Zugriff 31.5.2017

-

AA - Auswärtiges Amt (2.2017a): Ukraine, http://www.auswaertiges-amt.de/DE/Aussenpolitik/Laender/Laenderinfos/01-Nodes_Uebersichtsseiten/Ukraine_node.html, Zugriff 31.5.2017

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DS - Der Standard (11.6.2017): Ukrainer feierten Aufhebung der Visapflicht für die EU,

http://derstandard.at/2000059097595/Ukrainer-feierten-Aufhebung-der-Visapflicht-fuer-die-EU, Zugriff 19.6.2017

-

USDOS - US Department of State (3.3.2017a): Country Report on Human Rights Practices 2016 - Ukraine, https://www.ecoi.net/local_link/337222/480033_de.html, Zugriff 31.5.2017

Sicherheitslage

Der nach der "Revolution der Würde" auf dem Kiewer Maidan im Winte

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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