TE Vfgh Erkenntnis 1996/6/26 A12/95

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Veröffentlicht am 26.06.1996
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Index

40 Verwaltungsverfahren
40/01 Verwaltungsverfahren außer Finanz- und Dienstrechtsverfahren

Norm

B-VG Art137 / sonstige Klagen
VStG §49a
VStG §50 Abs7

Leitsatz

Abweisung eines auf Ersatz der Verfahrenskosten eingeschränkten Klagebegehrens wegen verfrühter Klagseinbringung; Verpflichtung zur Rückzahlung eines von einem Dritten nach Erlassung einer Anonymverfügung verspätet eingezahlten Strafbetrages erst nach Beendigung des nachfolgenden Strafverfahrens

Spruch

Die Klage wird abgewiesen.

Begründung

Entscheidungsgründe:

1. Mit Anonymverfügung vom 7. Juni 1995 wurde gemäß §49a VStG 1991 gegen den Lenker eines näher bezeichneten Kraftfahrzeuges eine Geldstrafe von S 600,-- festgesetzt, weil er das Fahrzeug vorschriftswidrig abgestellt habe.

Dieser Betrag wurde am 6. Juli 1995, sohin nach Ablauf der Vier-Wochen-Frist des §49a Abs6 VStG eingezahlt.

2. Hierauf wurde mit Strafverfügung vom 11. Juli 1995 über Dr. G H als Zulassungsbesitzer des Tatfahrzeuges wegen Übertretung des §99 Abs3 lita StVO iVm §24 Abs1 litm leg.cit. eine Geldstrafe in Höhe von S 800,-- verhängt. Ihm wurde zur Last gelegt, das Fahrzeug auf einer Sperrfläche abgestellt zu haben.

Gegen diese Strafverfügung erhob Dr. H fristgerecht Einspruch, sodaß gegen ihn das ordentliche Verwaltungsstrafverfahren eingeleitet wurde.

3.1. Am 19. Juli 1995 stellte H B den Antrag, den nach seinen Angaben von ihm aufgrund der Anonymverfügung einbezahlten Strafbetrag von S 600,-- auf ein näher bezeichnetes Konto rückzuüberweisen. Am 8. August 1995 brachte er beim Verfassungsgerichtshof Klage auf Zahlung ein.

Der Kläger führt darin aus, daß die beklagte Partei zur Rücküberweisung des geleisteten Betrages verpflichtet sei, weil der Rechtstitel, auf den sich die beklagte Partei bei der Vereinnahmung stützte, nämlich die Anonymverfügung, durch Fristablauf weggefallen sei.

3.2. Das Land Wien als beklagte Partei hat die Verwaltungsakten vorgelegt und eine Gegenschrift erstattet, in der es die Abweisung der Klage beantragt. Die beklagte Partei bringt dazu im wesentlichen vor, daß es dem Wesen einer Anonymverfügung entspreche, im Sinne einer notwendigen Verwaltungsvereinfachung bei Massendelikten dem Täter, ohne ihn ausforschen oder seine Personalien feststellen zu müssen, die Möglichkeit zu geben, durch Einzahlung des Strafbetrages das Verfahren ohne weitere Formalitäten und Folgen zu beenden. Daher sei auch lediglich die Tatsache der rechtzeitigen Zahlung mit Originalbeleg von Relevanz, ohne daß der Frage, ob nun der tatsächliche Täter oder ein anderer die Zahlung geleistet habe, irgendeine Bedeutung zukomme. Darüber hinaus habe der Kläger den Nachweis, daß die klagsgegenständliche Zahlung von ihm geleistet wurde, bisher nicht erbracht, sodaß die Behörde auch deshalb nicht verpflichtet sei, ihm diesen Betrag zurückzuzahlen.

3.3. Der Kläger hat dazu eine Äußerung erstattet und die Kopie eines Erlagscheines vorgelegt, der von ihm unterschrieben und mit 6. Juli 1995 datiert ist, sowie den Magistrat der Stadt Wien (Verkehrsstrafenverrechnung) als Empfänger und einen Betrag von S 600,-- aufweist.

4. Mit Schriftsatz vom 23. Mai 1996 gab der Kläger bekannt, daß er sich infolge Rückzahlung des begehrten Betrages als klaglos gestellt erachte und das Klagebegehren auf den Ersatz der Verfahrenskosten in Höhe von S 3.832,30 einschränke.

5. Der Verfassungsgerichtshof hat über die - zulässige (vgl. VfSlg. 8666/1979, 8812/1980, VfGH 16.12.1994 A1/94) - Klage erwogen:

5.1. Im Zeitpunkt der Klagserhebung am 8. August 1995 war das Verwaltungsstrafverfahren noch nicht abgeschlossen. Nach dessen Beendigung - es wurde am 20. Mai 1996 eingestellt - zahlte die beklagte Partei den erhaltenen Betrag umgehend zurück.

5.2. Gemäß §49a Abs9 VStG (vgl. §50 Abs7 leg.cit. für Organstrafverfügungen) ist der Strafbetrag zurückzuzahlen oder anzurechnen, wenn er nach Ablauf der in Abs6 bezeichneten Frist oder nicht mit Beleg (Abs4) bezahlt wird und der Beschuldigte die Zahlung im Zuge des Verwaltungsstrafverfahrens nachweist.

Während eines nachfolgenden Strafverfahrens ist der verspätet gezahlte Betrag im Hinblick auf §49a Abs9 VStG - für die Dauer des schwebenden Verfahrens - somit nicht zurückzuzahlen, weil erst das Ergebnis des Strafverfahrens dafür maßgebend ist, ob der Betrag zurückzuerstatten oder aber auf die Strafe anzurechnen ist. Dies gilt dem Wesen einer Anonymverfügung entsprechend auch dann, wenn - wie im vorliegenden Fall - der Betrag von einer Person eingezahlt wurde, die nicht Partei des Verwaltungsstrafverfahrens ist.

Bei dieser Sach- und Rechtslage erweist sich die am 8. August 1995 eingebrachte Klage als verfrüht. Da die beklagte Partei vor Beendigung des Verwaltungsstrafverfahrens zur Rückzahlung des eingezahlten Betrages von Rechts wegen nicht verpflichtet war, bildete die Klage auch kein notwendiges Mittel zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung, weshalb das Kostenbegehren nicht zu Recht besteht.

Das auf Ersatz der Verfahrenskosten eingeschränkte Klagebegehren war daher abzuweisen.

5.3. Dies konnte gemäß §19 Abs4 erster Satz VerfGG ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung entschieden werden.

Schlagworte

VfGH / Klagen, VfGH / Kosten, Verwaltungsstrafrecht, Strafverfügung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:1996:A12.1995

Dokumentnummer

JFT_10039374_95A00012_00
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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