TE OGH 2020/3/5 4R15/20t

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Veröffentlicht am 05.03.2020
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Das Oberlandesgericht Innsbruck als Rekursgericht hat durch den Senatspräsidenten Dr. Hoffmann als Vorsitzenden sowie den Richter Dr. Huber und den Senatspräsidenten Dr. Gosch als weitere Mitglieder des Senats in der Rechtssache der klagenden Partei J***** B*****, vertreten durch Wijnkamp Advocatuur/Advokatur GmbH in Imst, wider die beklagte Partei S***** G*****, vertreten durch Dr. Othmar Knödl, Mag. Manfred Soder, Rechtsanwälte in Rattenberg, wegen (ausgedehnt) EUR 33.692,99 s.A. und Feststellung (Gesamtstreitwert: EUR 43.692,99), über den Rekurs der Klägerin (Rekursinteresse: EUR 3.356,23) gegen die im Urteil des Landesgerichts Innsbruck vom 27.12.2019, 8 Cg 89/19t-108, enthaltene Kostenentscheidung in nichtöffentlicher Sitzung beschlossen:

Spruch

Dem Rekurs wird k e i n e Folge gegeben.

Die Klägerin ist schuldig, dem Beklagten binnen 14 Tagen die mit EUR 280,54 (darin enthalten EUR 46,76 an USt) bestimmten Kosten des Rekursverfahrens zu ersetzen.

Der Revisionsrekurs ist gemäß § 528 Abs 2 Z 3 ZPO jedenfalls u n z u - l ä s s i g .

Text

Begründung:

Zwischen den Parteien ereignete sich am 24.2.2014 im Schigebiet H***** ein Schikollisionsunfall, bei dem die Klägerin erheblich verletzt wurde.

Mit ihrer Klage begehrte sie vom Beklagten - nach Ausdehnung - die Zahlung von EUR 33.327,73 s.A. aus dem Titel des Schadenersatzes und begehrte darüber hinaus die Feststellung der Haftung des Beklagten für alle künftigen Spät- und Dauerfolgen aus diesem Schiunfall mit der Begründung, den Beklagten treffe das Alleinverschulden am Unfall.

Der Beklagte bestritt das Begehren, beantragte Klagsabweisung und wendete im Wesentlichen ein, es treffe ihn kein Verschulden am Zustandekommen dieses Unfalls.

Mit dem nur mehr im Kostenpunkt angefochtenen Urteil gab das Erstgericht, ausgehend vom Alleinverschulden des Beklagten am Zustandekommen dieses Schiunfalls, dem Leistungsbegehren im Umfang von EUR 24.112,40 s.A. sowie dem Feststellungsbegehren statt und wies ein darüber hinausgehendes Leistungsmehrbegehren von EUR 9.580,59 s.A. ab. Darüber hinaus verpflichtete es den Beklagten zum Kostenersatz gegenüber der Klägerin im Umfang von EUR 38.353,78. Seine Kostenentscheidung stützte das Erstgericht auf §§ 43 Abs 1 und 2 zweiter Fall ZPO und führte dazu aus: Für die Kostenbemessung sei unter Berücksichtigung des Kostenprivilegs nach § 43 Abs 2, zweiter Fall ZPO von einem fiktiven Streitwert von EUR 26.984,99 zuzüglich EUR 10.000,-- aus dem Feststellungsbegehren, sohin EUR 36.984,99 auszugehen. Davon sei die Klägerin mit EUR 2.872,59 unterlegen, was einer Obsiegensquote von 92,2 % entspreche. Nachdem sie in Bezug auf den fiktiven Kostenstreitwert mit weniger als 10 % unterlegen ist, habe sie in Anwendung des Kostenprivilegs nach § 43 Abs 2, erster Fall ZPO Anspruch auf vollen Kostenersatz gegenüber dem Beklagten, allerdings nur auf Basis des tatsächlich ersiegten Betrags bzw Streitwerts von EUR 34.112,40. Zum Einwand des Beklagten, der Klägerin stehe der von ihrem Rechtsvertreter verzeichnete Zuschlag von 15 % nach § 21 Abs 1 RATG nicht zu, führte das Erstgericht aus, dieser Einwand sei berechtigt, da das gegenständliche Verfahren, auch wenn die Klägerin nicht deutschsprachig ist, keineswegs überdurchschnittlich kompliziert gewesen sei.

Während die Entscheidung in der Hauptsache unangefochten in Rechtskraft erwuchs, erhob die Klägerin gegen die Kostenentscheidung fristgerecht Kostenrekurs, der im Antrag mündet, in Stattgebung des Rekurses die angefochtene Kostenentscheidung dahingehend abzuändern, dass der Klägerin weitere EUR 3.356,23 an Kostenersatz zuerkannt werden.

Der Beklagte beantragt in seiner Kostenrekursbeantwortung, dem Kostenrekurs keine Folge zu geben.

Der Rekurs ist nicht berechtigt.

Die Klägerin wendet sich in ihrem Rechtsmittel ausschließlich dagegen, dass ihr nicht der begehrte Zuschlag gemäß § 21 Abs 1 RATG in Höhe von 15 % auf das verzeichnete Nettohonorar zugesprochen wurde. Sie argumentiert damit, dass der Klagsvertreter mit der nicht deutschsprachigen Klägerin kommunizieren habe müssen. Obwohl er auch in der niederländischen Sprache kommuniziere, bedeute das nicht automatisch, dass die Mandantschaft die im Verfahren zugestellten Dokumente und die Kommunikation verstehe. Deshalb habe er alle Gerichtskorrespondenz und die von den niederländischen Verfahren abweichenden österreichischen Verfahrensregeln der Mandantin sowohl mündlich als auch schriftlich erklären müssen. Dieser erhebliche Zusatzaufwand würde entfallen, wenn die Mandantin die deutsche Sprache beherrschen würde. Der begehrte Zuschlag sei daher gerechtfertigt.

Rechtliche Beurteilung

Hiezu hat das Rekursgericht erwogen:

Gemäß § 21 Abs 1 RATG bleibt die richterliche Befugnis, die Notwendigkeit und Zweckmäßigkeit der einzelnen Leistungen zu prüfen, unberührt. Wenn im einzelnen Fall die Leistung des Rechtsanwalts nach Umfang oder Art den Durchschnitt erheblich übersteigt, ist die Entlohnung dafür unabhängig vom Tarif, insbesondere unter Berücksichtigung der aufgewendeten Zeit und Mühe, angemessen festzusetzen.

Dieser behauptete Mehraufwand ist im gegenständlichen Verfahren nicht erkennbar bzw bescheinigt (siehe dazu auch 1 R 179/17h OLG Innsbruck):

Grundsätzlich handelt es sich beim gegenständlichen Rechtsstreit, mag er auch umfangreich gewesen sein, um einen typischen Schadenersatzprozess nach einem Schiunfall, der nur deshalb aufwändig wurde, weil eine Vielzahl von Schadenspositionen geltend gemacht wurden, was allerdings nichts außergewöhnliches ist und insbesondere auch nicht mit einer besonderen Komplexität verbunden war.

Zutreffend ist, dass es sich bei der Klägerin um eine Niederländerin handelt, dass diese der deutschen Sprache nicht mächtig sei, erscheint im Hinblick auf das von ihr verfasste Mail an den Beklagten vom 17. August 2015 in Beilage JJ durchaus zweifelhaft. Allerdings wird zutreffend sein, dass sie mit dem geschäftsführenden Gesellschafter der Klagsvertretung (im Folgenden: Klagsvertreter) in der niederländischen Sprache korrespondierte, da diese auch die Muttersprache des Klagsvertreters ist. Dieser Umstand lässt einen Mehraufwand bei der Kommunikation und Korrespondenz mit der Klägerin nicht erkennen, weil es für den Klagsvertreter aufgrund seiner Sprachkenntnisse keinen Mehraufwand darstellen kann, in der niederländischen Sprache zu kommunizieren. Dies betrifft sowohl die Informationsaufnahme, als auch die Verständigung über den Verfahrensgang oder auch über einzelne Beweisergebnisse, wobei - mangels Bescheinigung - nicht davon ausgegangen werden kann, dass Verhandlungsprotokolle vom Klagsvertreter wortwörtlich ins Niederländische übersetzt wurden, sondern er - wie jeder Rechtsvertreter - die Mandantin zusammengefasst darüber informierte. Für die Informierung der Klägerin über die abweichenden Regeln der österreichischen Prozessordnung insbesondere auch in Schriftform, wie von ihm behauptet, fehlt es an jeglicher Bescheinigung und kann derartiges jedenfalls nicht als offenkundig angenommen werden.

Der Umstand, dass die niederländische Sprache die Muttersprache des Klagsvertreters ist, führt offenkundig ohnehin schon im Verhältnis zu anderen im Inland zugelassenen Rechtsanwälten zu dem Wettbewerbsvorteil, dass er vermehrt niederländische Mandanten hat, insbesondere im Zusammenhang mit Schiunfällen, sodass dieser Umstand nicht noch zusätzlich - zumindest gegenüber dem Prozessgegner - mit einem Zuschlag nach § 21 RATG zu entlohnen ist, zumal gerade der Umstand, dass der Klagsvertreter perfekt die niederländische Sprache beherrscht, zu seiner vermehrten Beauftragung seitens niederländischer Klienten führt.

Ein Zuschlag nach § 21 Abs 1 RATG mag vielfach gerechtfertigt sein, wenn ein inländischer Rechtsanwalt mit einem ausländischen Mandanten in einer Fremdsprache korrespondieren muss, weil damit offenkundig ein Mehraufwand verbunden ist, dieses Argument trifft aber auf den Klagsvertreter gerade nicht zu, weil Niederländisch für ihn keine Fremdsprache ist. Dass für ihn trotzdem ein gegenüber inländischen Klienten vermehrter Aufwand mit der Vertretung der Klägerin verbunden war, hätte im Einzelnen bescheinigt werden müssen, insbesondere dann, wenn es über eine normale Kommunikation hinaus besonderer Aufklärungen der Klägerin tatsächlich bedurfte. Diese Bescheinigung wäre auch leicht zu erbringen gewesen, wenn dies tatsächlich, wie behauptet, auch in schriftlicher Form erfolgte.

Das Erstgericht hat daher der Klägerin zu Recht keinen Zuschlag nach § 21 Abs 1 RATG für die Leistungen ihres Rechtsvertreters zuerkannt, weshalb der dagegen erhobene Rekurs erfolglos bleiben muss.

Die Entscheidung über die Kosten des Rekursverfahrens stützt sich auf §§ 50 Abs 1, 41 Abs 1 ZPO. Die Kosten wurden vom Beklagten tarifmäßig verzeichnet.

Textnummer

EI0100075

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OLG0819:2020:00400R00015.20T.0305.000

Im RIS seit

20.04.2020

Zuletzt aktualisiert am

20.04.2020
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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