Entscheidungsdatum
07.10.2019Norm
B-VG Art. 133 Abs4Spruch
W129 2224065-1/2E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch den Richter DDr. Markus GERHOLD über die Beschwerde von XXXX , geb XXXX , vertreten durch die erziehungsberechtigte Mutter XXXX beide vertreten durch Wieneroiter Raffling Tenschert und Partner Rechtsanwälte GmbH, gegen den Bescheid der Bildungsdirektion für XXXX vom 12.09.2019, 003.107/0084-Präs3b2/2019, zu Recht:
A)
Die Beschwerde wird mit der Maßgabe abgewiesen, dass der Spruch des angefochtenen Bescheides zu lauten hat: "Die am 13.08.2019 erfolgte Anzeige des Besuchs einer im Ausland gelegenen Schule durch die Schülerin XXXX im Schuljahr 2019/2020 wird gem. § 1 Abs 1 SchPflG als unzulässig zurückgewiesen."
B)
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:
I. Verfahrensgang:
1. Am 13.08.2019 zeigte die mj. Beschwerdeführerin im Wege ihrer rechtsfreundlichen Vertretung den Besuch einer im Ausland (China) gelegenen Schule im Schuljahr 2019/2020 nach § 13 Abs 2 SchPflG an. Im Schreiben wurde darauf hingewiesen, dass sich die Familie der Beschwerdeführerin mit einer rechtsgültigen Niederlassungsbewilligung gem. § 44 NAG in Wien niedergelassen habe. Die Beschwerdeführerin besuche im laufenden Schuljahr 2019/2020 eine Schule in China.
2. In weiterer Folge wurde ein ausgefülltes Formular "Anzeige eines Schulbesuches im Ausland für schulpflichtige Kinder ohne österreichische Staatsbürgerschaft und Wohnsitz in Wien gem. § 13 Abs.2 SchPflG" nachgereicht (datiert mit 29.08.2019).
3. Mit Schreiben der belangten Behörde vom 06.09.2019 wurde der Beschwerdeführerin im Wege der rechtsfreundlichen Vertretung vorgehalten, dass die Behörde davon ausgehe, dass sich die Beschwerdeführerin weder in Österreich aufhalte noch beabsichtige, nach Österreich zurückzukehren. Es werde daher das Verfahren nach § 13 SchPflG eingestellt.
4. Mit Mail der rechtsfreundlichen Vertretung vom 09.09.2019 wurde ausdrücklich dargestellt, dass ein Verfahren nach § 13 Abs 2 (und nicht nach Abs 1) SchPflG zu führen sei, da die Beschwerdeführerin und ihre Eltern chinesische Staatsbürger seien. Daher bedürfe es keines Verfahrens und keiner Bewilligung, es werde auch kein Bescheid benötigt, jedoch eine kurze Stellungnahme erbeten.
5. Mit gegenständlich angefochtenem Bescheid der Bildungsdirektion für XXXX vom 12.09.2019, Zl. 003.107/0084-Präs3b2/2019, wurde das Ansuchen um Bewilligung eines Besuches einer im Ausland gelegenen Schule der Beschwerdeführerin gem. § 1 Abs 1 SchPflG abgewiesen.
Hier auf das Wesentlichste und sinngemäß zusammengefasst führte die belangte Behörde aus, dass die Beschwerdeführerin bis frühestens 30.06.2028 in Österreich körperlich nicht anwesend sein werde, es sei nach allgemeiner Lebenserfahrung nicht damit zu rechnen, dass für einen solchen langen Zeitraum eine konkrete Planung in Bezug auf eine Rückkehr nach Österreich möglich sei. Eine Rückkehrabsicht sei somit nicht vorhanden. Somit sei das Schulpflichtgesetz in diesem Fall nicht anwendbar.
6. Gegen diesen Bescheid brachte die mj. Beschwerdeführerin im Wege ihrer rechtsfreundlichen Vertretung fristgerecht das Rechtsmittel der Beschwerde ein. In dieser wurde - hier auf das Wesentlichste und sinngemäß zusammengefasst - vorgebracht, dass die Beschwerdeführerin im August die Niederlassungsbewilligung mit einer Gültigkeitsdauer von 12 Monaten erhalten habe. Die Familie habe sich entschlossen, dass die Beschwerdeführerin das kommende Schuljahr in China, die schulfreie Zeit aber in Österreich verbringe. Die Beschwerdeführerin habe sich in Österreich dauerhaft niedergelassen und sei in Wien gemeldet. Daher sei auch das Schulpflichtgesetz auf die Beschwerdeführerin anzuwenden. Der Schulbesuch im Ausland sei als bloß vorübergehender Aufenthalt zu beurteilen. Auch habe die Beschwerdeführerin einen von den Eltern abgeleiteten unselbständigen gewöhnlichen Aufenthalt in Österreich.
Es sei rätselhaft, warum die Behörde von einer beinahe 9jährigen Abwesenheit der Beschwerdeführerin ausgegangen sei. Auch sei fraglich, warum die Behörde das Wort "Anbringen" verwende, obwohl § 13 Abs 2 SchPflG explizit von einer Anzeige spreche. Die Behörde habe die Anzeige entweder fälschlicherweise als Ansuchen nach § 13 Abs 1 (und nicht Abs 2) SchPflG interpretiert oder dies willkürlich umgedeutet.
4. Mit Schreiben vom 02.10.2019 legte die belangte Behörde die Beschwerde samt Verwaltungsakt dem Bundesverwaltungsgericht vor, wo das Konvolut am 04.10.2019 einlangte.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen:
1.1. Am 13.08.2018 zeigte die mj. Beschwerdeführerin im Wege ihrer rechtsfreundlichen Vertretung den Besuch einer im Ausland gelegenen Schule gem. § 13 Abs 2 SchPflG an.
1.2. Die Beschwerdeführerin ist in China geboren und chinesische Staatsbürgerin. Sie erhielt am 02.01.2019 eine auf ein Jahr befristete Niederlassungsbewilligung und ist mit Hauptwohnsitz in Wien gemeldet. Auch beide Elternteile haben eine auf eine Jahr befristete Niederlassungsbewilligung erhalten und sind mit Hauptwohnsitz in Wien gemeldet.
1.3. Die Beschwerdeführerin hält sich dauernd in China auf, wo sie in Peking die Schule (3. Schulstufe) besucht. Der dauernde Aufenthalt in China ist bis 30.06.2028 beabsichtigt. Es ist beabsichtigt, dass die Beschwerdeführerin die (in China) schulfreie Zeit in Österreich bei den Eltern verbringt.
2. Beweiswürdigung:
Der Sachverhalt ergibt sich aus der eindeutigen Aktenlage.
Die Feststellungen zu 1.1. und 1.2. ergeben sich aus der im Akt aufliegenden Anzeige nach § 13 Abs 2 SchPflG und den übermittelten Beilagen.
Zur Feststellung zu 1.3. ist auszuführen:
Die Eltern der mj. Beschwerdeführerin haben im behördlichen Formular auf Seite 2 gleich an zwei Stellen angegeben, dass sich die Beschwerdeführerin voraussichtlich bis zum Jahr 2028 im Ausland aufhalten wird, um dort die Schule zu besuchen.
Auch aus dem sonstigen Vorbringen der mj. Beschwerdeführerin ist ersichtlich, dass sie sich faktisch in China aufhält, um dort die Schule zu besuchen; lediglich die (chinesischen) Schulferien werden in Österreich verbracht.
3. Rechtliche Beurteilung:
Zu Spruchpunkt A)
3.1. § 1 Schulpflichtgesetz 1985 (SchPflG) lautet:
Personenkreis
§ 1. (1) Für alle Kinder, die sich in Österreich dauernd aufhalten, besteht allgemeine Schulpflicht nach Maßgabe dieses Abschnittes.
(2) Unter Kindern im Sinne dieses Bundesgesetzes sind Minderjährige zu verstehen, die nach Maßgabe dieses Abschnittes schulpflichtig oder zum Besuch einer allgemeinbildenden Pflichtschule berechtigt sind.
§ 13 SchPflG lautet:
Besuch von im Ausland gelegenen Schulen
§ 13. (1) Mit Bewilligung des Landesschulrates können schulpflichtige Kinder österreichischer Staatsbürgerschaft die allgemeine Schulpflicht auch durch den Besuch von im Ausland gelegenen Schulen erfüllen. Das Ansuchen um die Bewilligung ist von den Eltern oder sonstigen Erziehungsberechtigten des Kindes bei der Bildungsdirektion einzubringen. Die Bewilligung ist jeweils für ein Schuljahr zu erteilen, wenn der Unterricht an der ausländischen Schule jenem an einer der im § 5 genannten Schule mindestens gleichwertig und kein erziehungs- und bildungsmäßiger Nachteil für das Kind anzunehmen ist.
(2) Schulpflichtige Kinder, die die österreichische Staatsbürgerschaft nicht besitzen, können die allgemeine Schulpflicht ohne Bewilligung durch den Besuch von im Ausland gelegenen Schulen erfüllen. Die Eltern oder sonstigen Erziehungsberechtigten des Kindes haben jedoch den beabsichtigten Besuch einer solchen Schule der Bildungsdirektion vor Beginn eines jeden Schuljahres anzuzeigen.
(3) § 11 Abs. 4 findet sinngemäß Anwendung. Die Bildungsdirektion hat von einer Prüfung gemäß § 11 Abs. 4 abzusehen, wenn der zureichende Erfolg durch die Vorlage von Zeugnissen öffentlicher oder diesen gleichzuhaltender Schulen glaubhaft gemacht wird.
(Anm.: Abs. 4 aufgehoben durch BGBl. I Nr. 75/2013)
Anmerkung:
Art. 19 Z 12 der Novelle BGBl. I Nr. 138/2017 lautet: "In § 13 Abs. 1 wird die Wendung "des Bezirksschulrates" durch die Wendung "der
Bildungsdirektion" ... ersetzt.". Diese Anordnung konnte nicht
durchgeführt werden.
3.2. Zur Frage, wann ein dauernder Aufenthalt iSd § 1 SchPflG vorliegt, ist auf das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofs vom 13.05.2011, 2010/10/0139, hinzuweisen (vgl. dazu auch VwGH 29.09.2017, Ra 2017/10/0044; Jonak/Kövesi, Das österreichische Schulrecht (14. Auflage), Anm 2 und 2a zu § 1 SchPflG): "Die allgemeine Schulpflicht gemäß § 1 SchPflG besteht für alle (auch nicht österreichische; Jonak/Kövesi, Das österreichische Schulrecht12 (2009) Anm. 1 zu § 1 SchPflG) Kinder, die sich in Österreich dauernd aufhalten. Für einen dauernden Aufenthalt ist erforderlich, dass sich eine Person an einem Ort dauernd bis auf Weiteres, d.h. nicht nur vorübergehend, aufhält oder die aus den Umständen erkennbare Absicht hat, sich aufzuhalten (Jonak/Kövesi, a. a.O., Anm. 2 zu § 1 SchPflG). Wie lange ein Aufenthalt mindestens dauern muss, um als ‚dauernd' im Sinn von § 1 SchPflG angesehen werden zu können, ist im Gesetz nicht definiert. Ein Aufenthalt in der Dauer von etwa einer Beurteilungsperiode (also einem Semester, siehe § 19 Abs. 2 SchUG) ist dafür jedenfalls ausreichend (vgl. Jonak/Kövesi, a.a.O., Anm. 2 zu § 1 SchPflG, mit Bezugnahme auf einen Ministerialerlass). Entgegen dem Beschwerdevorbringen kommt dem Umstand, dass ‚ein Daueraufenthalt nun im EU-Gesetz definiert ist', in diesem Zusammenhang keine Bedeutung zu. Ein Aufenthalt in der Dauer von etwa einem Semester kann somit - selbst wenn sein Ende vorhersehbar sein sollte - keinesfalls als bloß vorübergehend angesehen werden."
3.3. Da die mj. Beschwerdeführerin sich bis 2028 in China aufhält, um dort die Schule zu besuchen, und da sie nur in den (chinesischen) Schulferien zu ihren Eltern nach Österreich reisen wird, geht das Bundesverwaltungsgericht davon aus, dass der Mittelpunkt der Lebensinteressen der mj. Beschwerdeführerin auch weiterhin in China liegt. Der regelmäßige Schulbesuch in China, der fortwährende Kontakt zu ihrem Verwandten- und Freundeskreis in China, der regelmäßige Gebrauch ihrer Muttersprache und die generelle Verwurzelung in der Kultur ihrer Heimat wiegen aus Sicht des Bundesverwaltungsgerichtes schwerer als die einzelnen Wochen, die sie bei den Eltern in Österreich verbringen wird. Daran vermag auch die Tatsache nichts zu ändern, dass die mj. Beschwerdeführerin seit einigen Monaten über eine Niederlassungsbewilligung verfügt und mit Wohnsitz in Wien hauptgemeldet ist.
3.4. Nach Rechtsansicht des Bundesverwaltungsgerichtes ist die mj. Beschwerdeführerin daher nicht dauernd in Österreich aufhältig und fällt somit nicht unter § 1 SchPflG.
3.5. Die Schulpflicht des Kindes, auf das sich ein Ansuchen um Bewilligung der Erfüllung dieser Schulpflicht durch den Besuch einer im Ausland gelegenen Schule bezieht, stellt eine Prozessvoraussetzung dar (VwGH 29.09.2017, Ra 2017/10/0044).
Somit wäre die verfahrensgegenständliche Anzeige des Besuchs einer im Ausland gelegenen Schule (gem. § 13 Abs 2 SchPflG) von der belangten Behörde zurückzuweisen gewesen, weswegen der Spruch des angefochtenen Bescheides in diesem Sinne abzuändern ist.
3.6. Soweit in der durch die rechtsfreundliche Vertretung eingebrachten Beschwerde die Wortwahl "Anbringen" durch die belangte Behörde kritisiert wird, ist darauf hinzuweisen, dass § 13 AVG unter dem Begriff "Anbringen" sämtliche Verfahrenshandlungen eines Beteiligten zusammenfasst, mit denen er an eine Behörde herantritt; "darunter sind Anträge, Gesuche, Anzeigen, Beschwerden und sonstige Mitteilungen zu verstehen" (Kolonovits/Muzak/Stöger, Verwaltungsverfahrensrecht, 11.Aufl., Rz 150).
Dass die Anzeige nach § 13 Abs 2 SchPflG seitens der belangten Behörde an einigen Stellen als "Anbringen" bezeichnet wurde, begegnet daher keinen Bedenken.
3.7. Eine Verhandlung konnte gemäß § 24 Abs. 2 Z 1 VwGVG entfallen. Darüber hinaus konnte sie gem. § 24 Abs 4 VwGVG entfallen, da die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten lässt. Das Schulrecht ist auch weder von Art. 6 EMRK noch von Art. 47 GRC erfasst (vgl. VfGH 10.03.2015, E 1993/2014, sowie VwGH 23.05.2017, Ra 2015/10/0127). Auch wurde von der rechtsfreundlich vertretenen Beschwerdeführerin keine Verhandlung beantragt.
Zu Spruchpunkt B):
4.1. Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.
4.2. Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.
Die hier anzuwendenden Regelungen erweisen sich als klar und eindeutig (vgl. dazu auch OGH 22.3.1992, 5 Ob 105/90; vgl. zur Unzulässigkeit der Revision bei eindeutiger Rechtslage trotz fehlender Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes etwa VwGH 28.05.2014, Ro 2014/07/0053; 27.08.2014, Ra 2014/05/0007).
Schlagworte
Anzeige, ausländische Schule, Auslandsaufenthalt, dauernderEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:BVWG:2019:W129.2224065.1.00Zuletzt aktualisiert am
16.04.2020