RS Vfgh 2020/2/26 G179/2019 ua

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Veröffentlicht am 26.02.2020
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Index

93/01 Eisenbahn

Norm

StGG Art2
B-VG Art7 Abs1 / Gesetz
B-VG Art18
B-VG Art140 Abs1 Z1 lita
EisenbahnG 1957 §48, Abs2, Abs3, Abs4, §49 Abs2
VfGG §7 Abs1

Leitsatz

Keine Verletzung im Gleichheitsrecht betreffend die – ausreichend bestimmte – Anordnung der Kostentragung für die Ausführung einer angeordneten Sicherung eines schienengleichen Übergangs nach dem EisenbahnG 1957; Parteistellung von Trägern der Straßenbaulast im Verfahren über die Anordnung der Sicherung eines Eisenbahnüberganges auf Grund verfassungskonformer Interpretation gegeben

Rechtssatz

Abweisung der Anträge des Landesverwaltungsgerichts Niederösterreich (LVwG) auf Aufhebung von §48 Abs 2 bis Abs4 und §49 Abs2 erster Satz EisenbahnG 1957 (EisbG, Gerichtsantrag). Die in den Anlassverfahren ohne Zweifel präjudiziellen Bestimmungen über die Kostentragung gemäß §49 Abs2 zweiter Halbsatz iVm §48 Abs2 bis Abs4 EisbG setzen voraus, dass zuvor eine Sicherung gemäß §49 Abs2 erster Halbsatz EisbG bescheidmäßig angeordnet wurde. Das antragstellende Gericht hat daher in den Anlassverfahren zur Entscheidung über die Kostentragung gemäß §49 Abs2 zweiter Halbsatz iVm §48 Abs2 bis Abs4 EisbG auch die (mit)angefochtene Bestimmung des §49 Abs2 erster Halbsatz EisbG denkmöglich anzuwenden.

Unzulässigkeit des zu eng gefassten Hauptantrags auf Aufhebung einer Wortfolge in §49 Abs2 EisbG: Durch die begehrte Aufhebung der Wortfolge würde die Pflicht des Trägers der Straßenbaulast zur (anteiligen) Kostentragung für eine gemäß §49 Abs2 erster Halbsatz EisbG angeordnete Sicherung - in einer dem Gesetzgeber nicht zusinnbaren Weise - entfallen. Wie aus der Systematik des Gesetzes folgt, kam es dem Gesetzgeber jedoch gerade darauf an, die anteilige Kostentragung durch den Träger der Straßenbaulast auch für Sicherungen von schienengleichen Eisenbahnübergängen iSd §49 Abs1 EisbG vorzusehen. Die gänzliche Beseitigung der Pflicht zur (anteiligen) Kostentragung des Trägers der Straßenbaulast für Sicherungen gemäß §49 EisbG käme damit einem positiven Akt der Gesetzgebung gleich, der dem VfGH nicht zukommt.

Keine Bedenken gegen §49 Abs2 erster Halbsatz EisbG im Hinblick auf den Gleichheitsgrundsatz:

Die Annahme des VwGH, dem Träger der Straßenbaulast komme im Verfahren gemäß §49 Abs2 erster Halbsatz EisbG keine Parteistellung zu (VwSlg 17029 A/2006), widerspricht dem Gleichheitsgrundsatz, weil der Träger der Straßenbaulast gemäß §49 Abs2 zweiter Halbsatz iVm §48 Abs2 EisbG zur anteiligen Tragung der Kosten für die Sicherung eines schienengleichen Eisenbahnüberganges - sofern keine anderslautende (zivilrechtliche) Einigung zwischen Eisenbahnunternehmen und Träger der Straßenbaulast besteht - verpflichtet ist, er aber keine rechtliche Möglichkeit hat, die (Rechtmäßigkeit der) bescheidmäßig angeordnete(n) Sicherung - und damit seine Verpflichtung zur Kostentragung dem Grunde nach - in Zweifel zu ziehen. Im nachgelagerten Verfahren über die Kosten gemäß §49 Abs2 zweiter Halbsatz iVm §48 Abs2 bis Abs4 EisbG haben zwar unbestritten sowohl das Eisenbahnunternehmen als auch der Träger der Straßenbaulast Parteistellung, die Rechtswidrigkeit der zuvor mit Bescheid gegenüber dem Eisenbahnunternehmen angeordneten Sicherung kann im Kostenverfahren jedoch nicht eingewendet werden. Gegenstand des nachgelagerten Kostenverfahrens sind allein die Höhe und Aufteilung der durch die Errichtung der im Einzelfall festgelegten Sicherung entstandenen Kosten, nicht aber die Anordnung der Sicherung dem Grunde nach.

Durch die Anordnung der Sicherungsmaßnahme gemäß §49 Abs2 erster Halbsatz EisbG kommt es sohin als unmittelbare Rechtsfolge der im Bescheid angeordneten Leistungsverpflichtung des Eisenbahnunternehmens zu einer Belastung des Trägers der Straßenbaulast. Der Träger der Straßenbaulast ist somit in einem materiellen Sinn Adressat des Bescheides über die Anordnung der Sicherung, ohne aber nach der Rsp des VwGH in diesem Verfahren als Partei mitwirken bzw den Bescheid bekämpfen zu können. Es kommt somit zu einer Abweichung vom Grundsatz, dass jener, in dessen materielle Rechtsphäre bzw in dessen subjektive Rechte ein Bescheid eingreift, als Adressat des Bescheides Parteistellung haben muss.

Es ist mit dem Gleichheitsgrundsatz unvereinbar, die Pflicht zur (anteiligen) Kostentragung für eine bescheidmäßig angeordnete Sicherung dem Träger der Straßenbaulast aufzuerlegen, aber nur dem Eisenbahnunternehmen die Parteistellung in dem Verfahren zur Erlassung dieses (den Kostenanspruch begründenden) Bescheides zu gewähren. Da auch im nachgelagerten Kostenverfahren gemäß §49 Abs2 EisbG keine Möglichkeit besteht, eine (allenfalls zu Unrecht) erfolgte bescheidmäßige Anordnung einer Sicherung zu bekämpfen, werden Träger der Straßenbaulast in gleichheitswidriger Weise in ihren Parteirechten verletzt.

Alleine daraus ergibt sich jedoch nicht (eo ipso) die Verfassungswidrigkeit der angefochtenen Bestimmungen des §48 Abs2 bis Abs4 und §49 Abs2 EisbG. Weder aus deren Wortlaut noch aus dem Sinn der übrigen Bestimmungen des Eisenbahngesetzes 1975 (noch aus den Materialien) geht die Absicht des Gesetzgebers hervor, die Parteistellung des Trägers der Straßenbaulast im Verfahren über die Anordnung einer Sicherung nach §49 Abs1 EisbG auszuschließen. Die Bestimmungen des §49 Abs2 EisbG sind daher einer verfassungskonformen Interpretation dahin, dem Träger der Straßenbaulast im Verfahren über die Anordnung der Sicherung eines Eisenbahnüberganges Parteistellung zu gewähren, zugänglich. Diese Auslegung ist auch wegen des Erfordernisses, eine Gesetzesbestimmung - soweit möglich - einer verfassungskonformen Auslegung zuzuführen, geboten.

Der VfGH geht davon aus, dass aus der in §49 Abs2 EisbG vorgesehenen "sinngemäßen" Anwendung des §48 Abs2 bis Abs4 EisbG folgt, dass nur jene Regelungen über die Kostenteilung auch auf die Entscheidung über die Kostentragung für Sicherungen Anwendung finden, die im Hinblick auf deren Unterschiede zu Anordnungen nach §48 Abs1 EisbG in Betracht kommen. Sofern die in §48 Abs3 EisbG genannten Kriterien für die Festlegung des Teilungsverhältnisses der seitens der Behörde ermittelten Kostenmasse für die gemäß §49 Abs2 erster Halbsatz EisbG im Einzelfall angeordnete Sicherung des Eisenbahnüberganges allesamt nicht in Betracht kommen, gilt der in §48 Abs2 EisbG aufgestellte generelle Kostenteilungsgrundsatz der Tragung der Kosten je zur Hälfte. Eine unsachliche Gleichbehandlung ungleicher Sachverhalte ist darin nicht zu erblicken.

Ausreichende Bestimmtheit von §49 Abs2 zweiter Halbsatz EisbG iSd Art18 B-VG:

Aus der Bestimmung des §49 Abs2 EisbG folgt unmissverständlich, dass die Kostenregelungen des §48 Abs2 bis Abs4 EisbG mit einer abweichenden Maßgabe für bestimmte Materialbahnen auf jede gemäß §49 Abs2 erster Halbsatz EisbG angeordnete Sicherung von schienengleichen Eisenbahnübergängen sinngemäß anzuwenden sind. Anders als das antragstellende Gericht meint, stehen der Auslegung dahin, die Kostenteilung gemäß §48 Abs2 EisbG bzw ein Verfahren nach §48 Abs3 EisbG sei nur bei Änderungen, nicht aber bei der erstmaligen Anordnung der Sicherung vorgesehen, der Wortlaut und der Zweck der Regelung entgegen. In die Kostenmasse sind - in sinngemäßer Anwendung des §48 Abs3 EisbG - jene Kosten einzubeziehen, die für die jeweilige behördlich angeordnete Sicherung des schienengleichen Eisenbahnüberganges erwachsen. Gemäß §48 Abs4 EisbG hat sich die Behörde bei der Kostenfestsetzung des Gutachtens einer Sachverständigenkommission zu bedienen.

Entscheidungstexte

  • G179/2019 ua
    Entscheidungstext VfGH Erkenntnis 26.02.2020 G179/2019 ua

Schlagworte

Parteistellung Eisenbahnrecht, Straßenverwaltung, Kostentragung, Auslegung verfassungskonforme, VfGH / Präjudizialität, VfGH / Prüfungsumfang

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:2020:G179.2019

Zuletzt aktualisiert am

25.08.2021
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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